STADTBLATT 2012.03

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hörtest 08/15

MODERNER SOUL

Cranberries

Lianne La Havas

Roses

Forget

F Wer bislang kein Cranberries-Fan war, wird’s nun auch nicht. „Roses“, das erste Studioalbum der Band seit 2001, ist sterbenslangweilig. Man würde es sich gerne schönhören, weil Sängerin Dolores O`Riordan ja eine Süße ist – klappt aber nicht. Wenn bei „Tomorrow“ die Lagerfeuer-Gitarre erklingt, ist das Fremdschämen nicht weit. Wäre doch nur ein Song auf dem Album, der nicht in dem bandtypischen Midtempo-Rock-BalladenTempo daherkommt und an „Zombie“ erinnert ... Kommt aber keiner.

F Nach dem doch enttäuschenden Lana Del Rey-Album ist man ja geneigt, ein wenig vorsichtig mit „the next big thing“-Ankündigungen umzugehen. Aber die 22-jährige Londonerin und ihre Single „No Room For Doubt“, ein wunderschönes, ganz leises Duett mit dem australischen Sänger Willy Mason, verzaubert nicht nur die Presse in England. Bisher gibt’s gerade einmal zwei EPs (und auf der Website eine kostenlose, großartige Live-EP zum Download), aber wer sich die Live-Videos anschaut, bei denen sie nur mit einer Jazz-Gitarre und etwas Echo auftritt, weiß sofort, dass diese charmante Sängerin mit faszinierender Stimme ganz groß rauskommen wird. Irgendwo zwischen Adele, Nina Simone und Lauryn Hill. Ungemein ROGER intensiv und soulful. Wea

MARS

Universal

hörenswert AIN’T NO BEFORE „Sparks“. Osnabrücker Band. Folksongs wie ein Spaziergang am Nebel verhangenen NordseeStrand. Für Fans von Fitzsimmons, Iver, Rice. Timezone DOWN BELOW „Zeichen“. Hymnischer Deutsch-Stadionrock mit Hang zum Pathos. Revolverheld fallen einem ein, aber auch Unheilig („Unser Schiff“). Premium Records AMSTERDAM KLEZMER BAND „Mokum“. Zum 15-Jährigen ein Live-Album mit allen Hits. Weltmusik, Pop und Jazz werden eins. Essay Recordings METALLICA „Beyond Magnetic EP“. Der Nachschlag zu „Death Magnetic“: Vier Kracher, scharf wie Gisele Bündchen. „Hell And Back“ könnte ein Klassiker werden! Universal THE MEGAPHONIC THRIFT „Decay Decoy“. Shoegazing in Norwegen mit Sonic Youth und Dinosaur Jr. Debütalbum der gefragten Live-Band (u.a. Eurosonic, Reeperbahn Festival). Broken Silence TOM LIWA „Goldrausch“. Der Ex-Flowerpornoes-Sänger holt die Ukulele hervor und beweist auf zwölf Songs, dass er weiter zu den besten deutschen Songschreibern gehört. Gim Records/Intergroove OF MONTREAL „Paralytic Stalks“. Interessante Weiterentwicklung vom akustischen Singer-Songwriter-Pop zu einem schwer fassbaren, monolithischen Soundetwas. Neo Prog? Cargo Records SAMPLER „Chimes Of Freedom“. 75 neu aufgenommene Dylan-Songs zum 50. Jubiläum von Amnesty International. Patti Smith, Pete Townshend, Adele, und und und. Universal PARKA „Raus“. Debüt der Kölner Band, die mit „Oben“ auf Youtube ein Hit sind. Indiedisco, Rock, Singer-Songwriter, textlich ausbaubar. Bullet Records/Soulfood

52 STADTBLATT≈3.2012

ROCK

Van Halen A Different Kind Of Truth F Auf diese Reunion haben Legionen von (Hard-) Rockfans ewig gewartet: Van Halen sind wieder vereint – in der Urbesetzung mit Sänger David Lee „Jump“ Roth. Nach dem legendären Album „1984“ von 1983 hat sich der Exzentriker Roth ins Solofach abgesetzt. Und live natürlich immer auch die alten Klassiker gespielt ... Das Comeback nach 20 Jahren ist so frisch und knackig, wie man es kaum zu hoffen wagte. „Tattoo“, die Single, ist ein Hit und typisch Van Halen. Vor allem das Brüderpaar Eddie van Halen (Gitarre) und Alex van Halen, der beste lebende Rockschlagzeuger, machen „A Different Kind Of Truth“ zu einem Highlight in MARS der Banddiskografie. Universal BRITROCK

The Ting Tings Sounds From Nowhereville F Da ist es wieder, das coolste Musikduo seit Sonny & Cher. Wenn Katie White und Jules De Martino ihre Rumpel-Rock-Beats hochfahren, fängt die Welt an zu dancen. „Hang It Up“ hätte wohl JEDE Band gerne im Repertoire, so hypnotisch groovt der Monstergroove dieses Songs. Bei „Give It Back“ werden dann Nirvana-Gitarren abgefeuert, und „Guggenheim“ ist so was wie ein Update von „Honky Tonk Woman“ – in Kombination mit „Sa-

cd des monats POP

Emeli Sandé Our Vision of Events F Ein neuer Stern am britischen PopHimmel. Die 24jährige aus Aberdeenshire hat bereits für mehrere Sängerinnen und Sänger Songs geschrieben, war schon zwei mal in den Top Ten (mit Chipmunk im groovigen „Diamond Rings“ und mit Professor Green im eminem’schen „Read All About It“) und ist zur Zeit mit Coldplay auf Tour. Ihr Solo-Debüt beginnt mit der Hymne „Heaven“, einer deutliche Reverenz an Massive Attack, und bietet gut gemachte Pop-Musik. Von ganz ruhigen Momenten, nur mit Gitarre, bis zu aufwändig inszenierten Chören mit Orchester reicht das musikalische Spektrum, das mit seinem von allem etwas Konzept etwas zu diffus ist. Aber da ist noch die soulige, kräftige und markante Stimme von Emeli Sandé – die hält alles zusammen. Und von der wird man noch hören. ROGER EMI

botage“ von den Beastie Boys. So geht das in einer Tour. Ein Album, das man Ende 2012 in den Top 5 des Jahres finden wird. MARS Sony Music AMBIENT

Air Le Voyage Dans La Lune F Nach ihrer „Moon Safari“ von 1998 entschweben die beiden Franzosen nun wieder Richtung Mond. Und haben sich vom gleichnamigen Film George Méliès inspirieren lassen. Leider bedienen Air dabei jegliches Klischee. Ihre Mondfahrt klingt erwartbar sphärisch: Geheimnivolle SynthiAkkorde, Stimmen aus dem HallNirwana, Downbeat-Tribal-Drums, Schlagstöcke ... eine zusammengefrickelte Lounge-Pop-Sinfonie. Der es an harmonischen bzw. rhythmischen MARS Überraschungen fehlt. EMI RAP-ROCK

Kraftklub Mit K F Das fängt sehr, sehr gut an. „Eure Mädchen“ ist ein Hit, der sich die Gitarren bei den Hives klaut und hektischen Sprechgesang draufpackt. Ein Song über Mädchen, die jetzt eben zu Kraftklub tanzen – und nicht mehr

zu Tocotronic etc.. Song zwei scheint immer noch Song eins zu sein? Ach, nee, anderer Text, über „Ritalin / Mediknet“. Sonst alles wie gehabt. Dann Song drei, vier, fünf ... Immer wieder zackige Post-Britpop-Gitarren und hippelige Texte, die Thomas D tiefenentspannt erscheinen lassen. Es wird anstrengend! Bis Song 13 hat man den Sound von Kraftklub fast satt und zweifelt am Hype um die Chemnitzer. Auch das eigentlich geile „Ich will nicht nach Berlin“ haben Angelika Express schon fast identisch aufgenommen. Also: Lieber im Club ein Hit als zuhause das Album. MARS

Universal

WORT & KLANG

Speech Debelle Freedom Of Speech F Nein, eine Sängerin ist die Londonerin nicht, die hier ihr zweites Album vorlegt. Sie trägt die Texte rhythmisch akzentuiert vor, so könnte man es beschreiben. Ist das dann Rap? Aber dazu passen der tief wummernde Bass und die schmutzigen Gitarren nicht. Indie? Da passen die Geigen, und das Xylophon und die catchy Melodien nicht wirklich. In manchen Momenten klingt ihre Musik ganz harmlos dichterisch, zwei Minuten später geht’s kämpferisch und musikalisch hammerhart zur Sache. Und bei „Blaze Up A Fire“, einem Song über die Londoner Riots, hat man alles auf einmal und einen hypnotischen Track für den Club-Dancefloor, dem man nicht entkommt. Unvergleichlich und gut. Das sollte man unbedingt LAUT! ROGER hören. Rough Trade POP

The Big Pink Future This F Eine erfreuliche Entwicklung: Immer mehr Bands nennen ihre Musik offensiv und stolz „Pop“. Das war nicht immer so. Aber auch Milo Cordell, der zusammen mit Robbie Furze das Kommando The Big Pink bildet, sagt über das zweite Album der Londoner gerade heraus: „Ich nenne das Popmusik“. Recht hat er. Das Debüt, „A Brief History Of Love“, war eine eher düstere Angelegenheit. Auf „Future This“ überwiegen verträumte Songs mit Bergen von Gitarren. Shoegazing? The Big Pink, die sich nach dem legendäre The Band-Album benannten, mögen die Musik, aber nicht die Einstellung. Da fühlen sie sich eher den sympathischen Großmäulern von den Stone Roses verwandt. CHROM 4AD


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