AnneKnödler_Katalog 2013

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Anne Knรถdler



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Als Künstler habe ich das Bedürfnis, den durch mich und meine Arbeiten angesprochenen Rezipienten eines Bewusstwerdungsprozesses zu unterziehen. Das kann so ziemlich alles bedeuten und eine Vielzahl an Techniken, Konzeptionen und Verfahrensweisen inkludieren. Wie auch immer - ich gedenke meinen Stein des Anstoßes zu setzen. Es drängt mich danach diesen Stein des Anstoßes auf eine Waage zu legen und sie zum Kippen zu bringen. Die Waagschale kracht Dir mit voller Wucht auf den Fuß und verpasst Dir einen blauen Nagel - wenn nicht noch Schlimmeres. Wie konnte es zu so etwas kommen? - Vielleicht dachtest Du einfach nur, es sei Kunst und könne Dir nichts anhaben.


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WAGNIS AUF PROBE

Glas, Gips, Gipskarton, Spanngurt . 70 x 197 x 12cm . 2013


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Das ist das Wagnis auf Probe.

die einzelnen massiven Glaskörper gegenseitig, allein mit ihrem eigenen Gewicht. Sie verkeilen und stützen sich in eine stabile Lage. Das Material Glas gibt das vollständige Ausmaß der gesamten Konstruktion preis. Kein Kleber, kein Spanngurt, keine Sicherung – beinah jeder Winkel ist rundum einsehbar. Dann thronen sie auf ihren Beton-Stehlen und heben sich über dem Betrachter empor. Jener möge zu diesem Zeitpunkt selbst feststellen, ob dieser Torbogen ein Kunstwerk ist, welches ihm grundliegend wohlgesonnen gegenüber tritt oder sich anderenfalls als ungewisses, ihn konfrontierendes Wagnis entpuppt.

Noch bedarf es dieser Krücken. Doch wenn sie erst komplettiert und installiert wurden - sechsundzwanzig Glasziegel und ein Schlussstein –, dann tragen sich

Bis dahin schlummert das Wagnis auf Probe und gebärdet sich in stummer Bedrohlichkeit. Wer diese empfinden kann, darf sich glücklich schätzen.

Zwölf konische Glasziegel - ein Schlussstein. Von einer Unterkonstruktion gestützt, beidseitig von mehreren Gipsziegeln, ähnlicher Statur gerahmt und einem Spanngurt gesichert, halten sie sich auf den Rudimenten ihrer sie tragenden Pfeiler ungefähr vierzig Zentimeter über dem Boden. Sie schweben nicht, und das Thronen in 2,50m Höhe über dem Betrachter der Kunst ist lediglich mit reichlich Phantasie zu erahnen.

WAGNIS AUF PROBE


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SPRING DOCH RAPUNZEL !

Siebdruck (Portrait einer Frau) hinter formgeschmolzenem Glas in Zinkwanne . 45 x 176 x 70cm . 2011


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Geschätzte fünfzehn Jahre befindet sich Rapunzel, festgehalten von ihrer Stiefmutter, in einem Turm ohne eine Möglichkeit, sich die Aussenwelt zugänglich zu machen. Schließlich erscheint ein Prinz. Er errettet sie aus ihrer Gefangenschaft, nimmt sich ihrer an und macht sie schlussendlich zu seiner Königin. Es gibt den Zustand der Schwebe - gewissermaßen ein Stillstand. Doch es gibt keine Situation, keine Zeit, in der wir nicht wählen. Denn auch eine Nichtwahl ist eine Entscheidung. Möglicherweise ist diese Nichtwahl unbewusst, von Selbsttäuschung beeinflusst, getroffen worden, aber nicht mit Unwissenheit zu rechtfertigen. Somit ist der Mensch im Leben zu einer Freiheit genötigt, die ihn zwingt, Selbiges tatsächlich zu wählen. Dabei ist Nichtwahl eine Ohnmacht. Sie ist die

ungehinderte Steuerung des menschlichen Bewusstseins durch ihm unbewusste Faktoren. Dies führt zu einer Sprachlosigkeit, zu einer Handlungsimpotenz, die ihn auf das Wort anderer warten lässt und somit selbst entmündigt. Vielleicht ist der Grund dafür im Glauben an eine mögliche Schuldabweisung zu finden. Eine aktive Eigenbewegung, ob Auftauchen oder Abtauchen, keimt auf der Basis von Selbstbewussheit, die wiederum ein Produkt der Unzufriedenheit ist. Folglich ist die resultierende Handlung zu reflektieren. Denn im Nichthandeln und Handeln besteht kein Unterschied, wenn man den Anderen nicht als anderes Bewusstsein anerkennt. Bestünde also eine Relevanz für die Behauptung: Rapunzel hätte eine Teilschuld besessen, wäre sie ein Leben lang eingsperrt geblieben?

SPRING DOCH RAPUNZEL !


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GLORIA

Pigmentierter Beton . 170 x 40 x 40cm . 2011/12


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Pigmentierter Beton . 170 x 40 x 40cm . 2011/12

GLORIA


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Karamellisierter Zucker . je 45 x 8 x 11cm . Tempor채re Installation . 2012


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Die Tiefe eines Lebens bestimmt sich nicht durch seine Länge. Es ist der fortschrittliche Prozess, der einem Leben Tiefe gibt und es auf Grund dessen zunehmend verdichtet; Verdichtung durch Informationsfluss, durch Progress und selbst durch Rückschritt, der daraus folgenden Erfahrung und Erkenntnis. Der Prozess verkörperlicht dabei das Ablaufen der Zeit und die Möglichkeit aus ihr fortwährend neues Potential zu schöpfen. Doch das, was der Prozess an Erkenntnisleistung in sich birgt, ist das Endprodukt seltenst fähig zu halten. Es steht da. Monumental und mit gespreizten Beinen und stellt lediglich einen Bruchteil der Entwicklung zur Schau, der es bedurfte, um eben dieses Objekt enstehen zu lassen. Somit macht es sich selbstständig und löst sich von Zeit und Raum seiner Entstehung. Es bleibt das mit Verlust verbundene, nicht mit Stilisierung zu verwechselnde, komprimierte Abbild. Also hangeln wir uns von einem fehlerhaften Kontaktabzug zum Nächsten, um unsere Absichten konkretisieren zu können. Dabei sind wir doch der Prozess, die Entwicklung und das Produkt am Ende unseres Lebens. Die

Abbilder unserer Handlungen sind lediglich Schaubilder, die uns die Möglichkeit der Vergleichbarkeit geben. Eine Vergleichbarkeit, deren Notwendigkeit sich im natürlichen Konkurrenzverhalten des Menschen begründet. Damit nimmt der Fortschritt gewisse Züge von Selbstbefriedigung an. Er sättigt, bis Stillstand wieder Hunger hervor ruft und Errungenes erneut unter die Hufe eines wechselnden Bewußtseins gerät. Somit hilft uns nur der Fortschritt die Zeit, die uns zur Verfügung steht, auszuschöpfen und demzufolge in diesem Augenblick gegen den Verfall zu bestehen. Doch abgefüllt mit Informationen besteht schlussendlich nicht mehr, als festzustellen, dass man sich im Kreis dreht. Ein Optimist würde es möglicherweise eine aufsteigende Spirale nennen. Der Wunsch bleibt, die errungene Erkenntnis zu potenzieren, indem man den Umstand nutzt, dass ein Zusammenschluss von Menschen, auf Grund der ständigen Gegebenheit von Mängeln und Bedürfnissen zu Stande kommt. Das heißt, wenn wir es zulassen, wird das Forschen nach Bedürfnissen uns wohl anhaltend zu einer galoppierenden Herde zusammen treiben.

WARUM LAUFEN SIE DENN ?



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Kurier

Fishermen’s new best friend Deutsche Stipendiatin reist mit Räucherofen durch Istanbul und serviert den Türken Fisch STUTTGART 14. Januar. Im Rahmen eines von der Kunsthochschule Halle (Saale) vergebenen Stipendiums in Istanbul entwickelte die Studentin Anne Knödler die Performance “Fümeli Balik” - zu Deutsch “Räucherfisch”- ein Projekt der interkulturellen Vernetzung. Nach ersten erfolgreichen Angelversuchen am Bosporus beschloss Anne Knödler, einen mobilen Räucherofen zu bauen, um an den verschiedensten Plätzen der Stadt Fisch zuzubereiten. “Es ging um den Austausch mit den Menschen vor Ort und darum, für die Zeit des Räucherns zusammen zu kommen, um am Ende ein gemeinsames Mahl zu bereiten.” erklärt sie. Anlässlich der Ausstellung der Hallenser Istanbul-Stipendiaten in der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, wird die Studentin zur heutigen Eröffnung um 19 Uhr sowie zur Finissage am 25.01.2013, den Fisch auf ihre Art zubereiten und von ihren Abenteuern berichten. Alle Interessierten sind zu dieser Aktion herzlich eingeladen, an den Erlebnissen teilzuhaben und nicht zuletzt den hervorragenden Geschmack der geräucherten Forellen zu genießen.

Räucherofen, Fisch, Holz . Sozialinterventionäre Plastik . 2012


Anne Knödler * 06.08.1985 in Zeulenroda, Thüringen seit 2008 Studium an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Deutschland Fachgebiet: Bild / Raum / Objekt / Glas bei Prof. Christine Triebsch 2012 /13 Tutorin des Fachgebiets Bild Raum Objekt Glas der Burg Giebichenstein Kunsthoschule Halle (Saale) 2010 - 2013 Hilfsassistenz im Fachgebiet Plastische Grundlagen der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale) 2012 Auslandsstudium an der Mimar Sinan, Universität der Bildenden Künste, Istanbul 2011 / 2012 Istanbul Atelierstipendium der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale) 2006 - 2008 Studium an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale) Fachgebiet: Industriedesign


Gruppenausstellungen (Auswahl) 2013 „Vergiss Berlin, New York, Paris“, Staatliche Akademie der Bildenen Künste Stuttgart, Gemeinschaftsausstellung „Zwieseler Kölbl 2013“, Glasmuseum Zwiesel, Gemeinschaftsausstellung 2012 „Ikahmetgah 2“, Kadiköy, Istanbul, Gemeinschaftsausstellung 2011 „Sehnsucht Essen“, Kloster Plankstetten, Bayern, Gemeinschaftsausstellung „Zwieseler Kölbl 2011“, Glasmuseum Zwiesel, Gemeinschaftsausstellung 2010 „What‘s up in Halle ?“, in der Galerie Lorch&Seidel, Berlin, Klassenausstellung „Persischer Teppich“, Glasarbeiten im Grassimuseum Leipzig, Klassenausstellung 2010 „InFormation 450“, im Bürgerhaus Zella-Mehlis, Klassenausstellung Stipendien/ Preise 2013 1. Platz beim Nachwuchsförderpreis für Glaskünstler „Zwieseler Kölbl“ 2012 Auslandsstipendium des DAAD 2011 Istanbul Atelierstipendium der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale) Sammlungen 2013 „Milchmädchen, Privatsammlung Schoeber/ Funke, Barsikow 2013 „o. T.“, (Siebdruck auf Glas) Privatsammlung Schoeber/ Funke, Barsikow 2013 „Sitzende“, Privatsammlung Schoeber/ Funke, Barsikow 2012 „Gloria“, Privatsammlung Schoeber/ Funke, Barsikow 2009 „Portrait H. B. Bauerfeind“ Privatsammlung H. B. Bauerfeind, Zeulenroda

IMPRESSUM Fotografien:

Texte: Layout und Satz: Druck Auflage

Seite 9, 10, 11 René Schäffer Seite 3, 5, 7, 8, 13, 14 Anne Knödler Seite 15 Anne Martin Anne Knödler Anne Martin & Anne Knödler Buchfabrik Halle 30 Exemplare

© 2013 Anne Knödler


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knoedlerin@hotmail.com 0176-22021036


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