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BESUCH IM KÜNSTLERATELIER Hartwigs Kosmos

Har twigs KOSMOS

SERIE – BESUCH IM KÜNSTLERATELIER: Hartwig Thaler ist nicht nur als renommierter Künstler über die Landesgrenzen hinaus bekannt, sondern führt auch mit der von ihm initiierten Biennale „50x50x50 Art Südtirol“ in der Festung Franzensfeste die geballte künstlerische Kraft des Landes zusammen.

Im Juni 2020 bin ich schon einmal durch das Stufler „Künstlergassl“ gestromert, um die dort angesiedelten Künstler nach ihren Empfindlichkeiten während des Lockdowns zu befragen. Heute treffe ich in der Unterdrittelgasse Nr. 8 im schmucken Atelier mit der winzigen Wendeltreppe erneut auf Hartwig Thaler, der mit seinem grau-gewellten Bart und der Ballonmütze so etwas wie die graue Eminenz in der Brixner Künstlerszene darstellt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er Kunsthändler und Kuratoren „Erfüllungsgehilfen von Kapitalinteressen“ nennt oder von „lobbygesteuerten Netzwerken“ spricht, die „ein engmaschiges Netz der Zensur über die Kunstproduktion legen und das nicht Genehme aus dem öffentlichen Blickfeld drängen.“ Mit der Biennale in der Festung Franzensfeste holt er neben etablierten Künstlerinnen und Künstlern manch sperrigen Außenseiter dazu, der selten oder nur sporadisch im Rampenlicht steht. „Begabt sind sehr viele heimische Kunstschaffende“, weiß Hartwig, „trotzdem finden nicht alle Gnade vor den Augen der bestimmenden Elite.“ Und er setzt eins drauf, indem er unmissverständlich klarmacht, dass in einem öffentlichen Kunstmuseum der ortsansässigen Künstlerschaft ein angemessener Platz eingeräumt werden muss. Klare Worte, die sich eigentlich nur jemand leisten kann, der angekommen ist in dieser nur allzu oft prekären Welt der Kunst.

Visionen, Träume und Ideen – durch und durch lebensbejahend

Hartwig Thaler ist da, wo er sein will, in einer Welt, die den Menschen eine tiefere Dimension vor Augen führt, in einer Welt der Träume, der Hoffnung und der Versöhnung – eine Vision, die Hartwig Thaler im Jahr 2009 mit seinem von Privaten gestifteten Monumentalwerk „Die Flügel der Versöhnung“ symbolträchtig umgesetzt und weit über das Tal sichtbar gemacht hat. Mit einer Höhe von 17 Metern und einer Spannweite von 16 Metern soll die stählerne „Friedenstaube“ bereit sein zur Umarmung – ein Zeichen für Achtung und Respekt gegenüber Anderem, Neuem, Fremdem. Nicht nur die Flügel zeugen von Thalers Ideenreichtum und Kunstfertigkeit: In seiner Heimatstadt ist er omnipräsent mit „Kunst am und im Bau“-Objekten – ein Fachgebiet, das er studiert hat. Es war kein leichtes Unterfangen, aber schlussendlich schmücken seine Blättermotive zahlreiche Balkone und Tore von bekannten Brixner Unternehmern. Richtiggehend stolz ist der Künstler auf seinen prachtvollen Raumteiler in einem bekannten Brixner Immobilienbüro. Mit ähnlichen Motiven gibt es eine breite Palette an Designer-Objekten, vom Hocker bis zum trendigen Armreifen, wobei vom Laserschnitt bis zur Metallverarbeitung mehrere einheimische Firmen involviert sind.

Geschäftstüchtig ist er auch noch, denkt man sofort. „In Wahrheit sind die Leute an mich herangetreten und haben mich gebeten, eine Lampe oder Serviettenringe für sie zu kreieren“, schmunzelt Hartwig, „und – was soll ich sagen – einige Stücke gingen weg wie warme Semmeln!“ Viel positive Resonanz erhält er auch immer wieder für das Auftragswerk „Blüte für zwei Akazienstämme“ auf dem Damm, wo sich das Wasser aus dem Blüteninneren und den Sockel ergießt. „Manch einer rastet hier, Kinder spielen mit dem Rinnsal, und die Tiere laben sich am trinkbaren Nass“, freut sich der Allrounder.

„Wie ein Gärtner über ein leeres Beet Samen streut, so hat meine Mutter über meine Kindertage

Klaviermusik gesät“_ Hartwig Thaler, Künstler

Hartwig Thaler: „Aus der abstrakten Welt der Worte heraustreten war ein Akt der Befreiung“

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KOSMOS AUF

EINEN BLICK:

lebensbejahende

Acrylmalerei, außergewöhnliche

Design-Objekte und fantastische

Kohlezeichnungen in einer Sonderedition

Zurzeit ist Thaler mit einem Modell für einen italienischchinesischen Wettbewerb beschäftigt, zu dem er eingeladen wurde. In den Buddhahöhlen entlang der Seidenstraße sollen sich überdimensionale moderne Kunstwerke dazugesellen. Hartwigs Idee von der Wiedergeburt bis hin zur feinstofflichen Auflösung fand Gefallen, und jetzt hofft er natürlich, dass das Projekt tatsächlich umgesetzt wird.

Ein Dauerbrenner sind seine lebensbejahenden Blättermalereien in Acryltechnik, zu denen Hartwig eine innige Beziehung hat. „Wie ein Gärtner über ein leeres Beet Samen streut, so hat meine Mutter über meine Kindertage Klaviermusik gesät“, erinnert sich Thaler. Musik, die zu seinem Inneren vorgedrungen ist und zu der er Fragmente orchestriert zu einem sinnlichen Ganzem.

Nicht nur die leider verstorbene Mutter Ursula befruchtete den Sohn, sondern auch sein Vater Luis fertigte bemerkenswerte Radierungen und beschäftigt sich bis heute mit schöngeistigen Dingen. Beflügelt von beiden Seiten, widmete sich der Introvertierte vorerst der Poesie und veröffentlichte einige Lyrikbände. Seine poetische Ader durchzieht all seine Begleittexte und seine Eröffnungsreden, mit denen er als künstlerischer Leiter der Biennale beeindruckt.

Von der Poesie zur Malerei

Nachdem er in Wien mehr spazierte als studierte, hatte er auch Zeit zum Malen, was ihm über einen Freund die erste Ausstellung in Bruneck einbrachte. „Das war der Moment, wo ich aus der Abstraktion der Worte heraustrat, aus der romantischen Einsamkeit des stillen Schreibens“, sagt Thaler heute, „es war eine echte Befreiung, endlich etwas Greifbares entstehen zu lassen.“ Die haptische Tätigkeit begeisterte den angehenden Künstler, sodass er sogar ein Atelier in Klausen eröffnete.

Der Zustand des Autodidakten mit begrenzten Fähigkeiten befriedigte Hartwig jedoch nicht wirklich, und so

startete er seine Ausbildung direkt in der Heimat von Rembrandt und Vermeer. Es war eine Bauchentscheidung, dass er in Arnhem landete, vielleicht einfach nur, weil er die Stadt mit seiner Familie einmal besucht hatte. „Ich habe mich an der Kunstakademie eingeschrieben und mit Unterstützung meines Vaters mein Studium begonnen“, erzählt der akademische Maler. Eine sehr erfolgreiche Ausstellung in der Engelsburg brachte ihm genug finanzielle Ressourcen, dass er sein Studium beenden konnte.

1999 kam er zurück und prägt seither die Kunstszene seiner Heimatstadt als bildender Künstler, aber auch als erfolgreicher Leiter der „50x50x50 Art Südtirol“, zu deren Eröffnung Kunstfreunde aus nah und fern zu Hunderten anreisen. Anlässlich des Euregio-Museumsjahres 2021 hatte Hartwig Thaler erstmal Künstler aus dem Trentino und Tirol eingeladen – eine großartige Idee, die bei den Teilnehmern großen Anklang fand. „Das große Wachsen“ heißt das Acrylbild, wo Hartwig Thaler Fragmente zu einem harmonischen Ganzen zusammensetzt

t Zurzeit arbeitet

Hartwig Thaler an einem Modell der „Wiedergeburt“ für einen Wettbewerb an der

Seidenstraße

Neugierig auf die Welt

Gerne begibt sich der Künstler auf Kunstreisen rund um den Globus.

In der Provence war er mit Strohhut und Staffelei unterwegs, wie Paul Cézanne sich der Pleinairmalerei widmend. Das muss ein Bild für Götter gewesen sein! In Griechenland hielt er Kurse für Aquarellmalerei, und immer wieder fanden regelmäßig auch Ausstellungen in Holland, Deutschland und Österreich statt. 2010 nahm er an einem Kunstcamp in der Nähe von Atlanta teil, wo seine Schwester Elisabeth viele Jahre gelebt hat. „Der Taxifahrer zeigte mir sofort den Markt, wo man Waffen aller Art kaufen konnte wie bei uns das Gemüse“, berichtet Hartwig. Georgia sei ein faszinierender Bundesstaat, der oszilliert zwischen fanatischen TrumpAnhängern und neugierigen offenen Menschen, befindet der Vielreisende.

Der friedliebende Hartwig lebte jedenfalls gut aufgehoben im Künstlerdorf Hambidge, wo jeder ein eigenes Haus zugewiesen bekam und Künstler aus den verschiedensten Sparten sich austauschen konnten. Dieser Aufenthalt und ein längerer in Berlin sowie eine Portraitserie mit Familie, Freunden und Bekannten finden Aufnahme in der Edition „Kohle“ mit außergewöhnlichen Kohlezeichnungen mit unverkennbarem Hartwig-Thaler-Touch. Hier erkennt man deutlich, mit welch grafischer Präzision und Materialsicherheit er einen Kosmos erschaffen hat, der in einer unverwechselbaren Bildsprache den Menschen und die ihn umgebende Natur verherrlicht.

irene.dejaco@brixner.info

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