Reisemagazin Bregenzerwald

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An einem Abhang von Lingenau wächst Fels: Quelltuff oder Travertin

Brief aus Olomouc

Beim Wasser der Ewigkeit

Birgit Feierl aus dem Bregenzerwald lehrt an der Universität Olmütz in Tschechien und erklärt den Autor Franz M. Felder

Felders Sonderlinge Der Bregenzerwälder Schriftsteller Franz Michael Felder (1839-1869) hatte es nicht leicht, Anerkennung für sein literarisches Wirken zu finden. Zeit seines kurzen Lebens befand er sich in einem Rollenkonflikt zwischen seinem Dasein als Bauer und Schriftsteller. Den bäuerlichen Mitmenschen galt Felder als ein sich den dörflichen Verhaltensnormen widersetzender Zeitgenosse. Man sah die Mistgabel in seinen Händen ungleich lieber als Schreibfeder und Tintenfass: „[E]in Bauer aber sei nichts nutz, wenn er nur immer die Nase in den Büchern drin hab’ und nie tun könne, wie’s der Brauch sei“, ist in „Sonderlinge“, seinem ersten, 1867 in Leipzig erschienenen Roman zu lesen. Umgekehrt war man in der literarischen Welt mehrheitlich der Meinung, ein Dorfbewohner könne gar keine über seinen Lebenskreis hinaus gültige Literatur schreiben. Vielen von Felders Gegnern in den eigenen, heimischen Reihen blieb hingegen vor lauter Aufregung, dass diesem Bauer seine „Stallhosen“ nicht genug waren, verborgen, was das Studium seiner Schriften und Briefe zu Tage bringt: Dass der als „Sonderling“ abgestempelte Felder ein Mensch von hoher, integrer und geradezu moderner Ethik war. Er trug sein Herz am sprichwörtlich rechten Fleck und wollte das Elend seiner Zeitgenossen zum Besseren hin verändern.

Geschichte und erklärt Wissenswertes über das Gelände mit seiner Gesteins-, Wasser-, Pflanzen- und Tierwelt. Silberweiden verstärken mit ihren im Sonnenlicht blinkenden Blättern die beinahe mystisch anmutende Stimmung. Abgefallene Blätter und Zweige sind durch die dauernde Berieselung mit dem kalkhaltigen Wasser von einer feinen Schicht überzogen – ein erstes, zartes Gewebe der Ewigkeit. „Schon in einem Jahr kann hier auch eine tote Maus oder ein Tannenzapfen so aussehen“, sagt Gabi Österle. Die Schicht fühlt sich an wie eine Zuckerkruste.

Unter einem Ahornblatt versteckt sich ein Flohkrebs, nicht mehr als einen Millimeter lang. Klein, aber selten, eine kleine Sensation. Tuffstein haben Einheimische bis in die 1950er-Jahre als Baustoff für Häuser und Ställe verwendet. Auch eine Kapelle in Lingenau ist aus Tuffstein erbaut. Doch weder das Kolosseum in Rom noch die Kapelle hier versprühen jenen lebendigen Zauber wie der in die Ewigkeit wachsende Fels am Abhang der Subersach. Birgit Rietzler

„Sonderling[e]“ – das ist nicht nur das Leitmotiv in Felders Lebensgeschichte, sondern auch ein wichtiges literarisches Leitmotiv. Der Roman, an dem der Dichter so lange wie an keinem anderen Werk gearbeitet hat, stellt nicht nur seinen literarischen Durchbruch (auch jenseits der Grenzen des Bregenzer­ waldes und des Landes Vorarlberg) dar, sondern markiert auch einen für Franz Michael Felder unerhört wichtigen Lebens- und Schaffensabschnitt. Die Lektüre dieses Textes, der in der Original­fassung den Untertitel „Bregenzerwälder Lebens- und Charakterbilder“ trägt, sei jedem, der sich für ein realistisch und klug gezeichnetes Bild der Lebensumstände im Bregenzerwald im 19. Jahrhundert interessiert, aufs Innigste empfohlen!

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