Blank_2_2014

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LITERATUR das sZ FUssBall-PaKet FILM so War das FilMFest MÜnChen 2014

GESELLSCHAFT, DISKURS, DISKO

literatUr

JAMAIKANONAZI FUCK OFF

LEKTION IN DEMUT

SOMMER 2014

FilM

TRUEBA SEHEN UND STERBEN

AUF EINER RAKETE DURCH BANGLADESCH



eDitoriAl von Johannes

Finke

Seit fünf Jahren gibt es das BLANK-Magazin. Zurückschauend stellt man fest, wie viel und wie schnell Dinge in diesen fünf Jahren passiert sind, privat wie beruflich. Doch irgendwie haben wir es geschafft, diese, unsere kleine Oase der eigenen Magazinkultur zu bewahren, haben Mitstreiter, die daran Gefallen gefunden haben Beiträge zu verfassen, Texte zu schreiben, Fotos zu schießen oder sich einfach über die Welt auszulassen, sie zu feiern und zu beschreiben. Ihnen allen sagen wir Danke. Und jetzt viel Spaß bei dieser neuen Ausgabe, die zwischen Weltmeistertitel und aufkeimenden Kriegen im nahen Osten und der westlichen Krim entstand. Immer wieder.

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AuF einer

rAKete DurCH bAnGlADesCH TexT & FoToGrAFIe boriS GUSchLbaUer

Täglich wuchten sich sechs, im Jahr 1928 erbaute Raddampfer durch die bizarren Flusslandschaften von Bangladesch. Wegen ihrer gemütlichen Geschwindigkeit werden diese Schiffe im Volksmund auch liebevoll Rocket genannt. Dank ihrer Baufälligkeit haben die Dampfer ein Aussehen, als hätte Dr. Frankenstein persönlich aus vielen verschiedenen Metallteilen diese Schiffe erschaffen. Genügend Gründe also, warum eine Fahrt von der Hauptstadt Dhaka in die Provinz nach Morrelganj auf einem der klapprigen Dampfer noch heute eines der schönsten Reiseabenteuer darstellt.

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ankunft am sadarghat Dhaka ist mit seinen 16 millionen einwohnern ein heillos überfülltes moloch. in der Hauptstadt existiert kein moment der ruhe. ununterbrochen wird man mit Autohupen und Abgasen, Klingeln von rikschas, Gerüchen und Geschrei bombardiert, ständig ist man von menschenmassen umgeben, die ihre waren verkaufen oder dich

betrachten und ein paar worte wechseln wollen, weil ein Fremder in ihrer stadt ein seltener Anblick ist. umso größer ist die Freude, wenn man die rocket auf dem Fluss entdeckt und somit in den nächsten minuten an bord gehen kann, um den menschenmassen und dem Chaos der metropole zu entfliehen.

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schlafstätte in der Kabine zweiter Klasse kann man förmlich das Alter riechen und ihre Geschichte spüren. voller vorfreude werfe ich mich auf eines der zwei betten, atme tief durch und überlege mir, wie viele Passagiere seit dem Jahr 1928 schon hier genächtigt haben mochten. nach der durchlegenen matratze zu

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urteilen, mussten es tausende gewesen sein. natürlich habe ich Glück und teile mir die Kabine mit einem weitgereisten engländer, für den ich -wie er auch für mich- der erste westliche reisende bin, den er auf seiner expedition durch bangladesch getroffen hat.


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venedig in Bangladesch befreit vom chaotischen Alltag von Dhaka, steht man nun extrem entspannt an der reling des schiffes und blickt auf das rege treiben auf dem buriganga. Der Anblick der vielen Gondeln auf dem pechschwarzen, verschmutzten wasser erinnert

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stark an ein runter gerocktes venedig auf speed. Die sonne neigt sich dem Horizont entgegen, die schiffssirene ertönt und die schaufelräder beginnen sich ächzend zu drehen. leinen los für eine neue Fahrt durch bangladesch...


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Morgenstunde Öffnet man am frühen morgen die Kabinentüre, erblickt man einen der schönsten sonnenaufgänge seines lebens. Das pechschwarze wasser des buriganga in Dhaka hat sich über nacht in Crème verwandelt und die

baufälligen Häuser der Hauptstadt sind nun durch Dschungelgestrüpp und bambushütten ersetzt worden. tief atmet man ein und die abgasgeplagten lungen spüren wirklich so etwas wie reinen sauerstoff.

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schiffsklassen es existieren drei unterschiedliche Klassen an bord. Klasse 1 kostet etwa 10 euro, die Kabinen befinden sich am bug des schiffes und werden durch Klimaanlagen gekühlt. Klasse 2, für umgerechnet 5 euro, findet man am Heck des schiffes und Abkühlung bringt ein alter ventilator. Die dritte Klasse ist für Passagiere, die sich keine der ers-

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ten zwei Klassen leisten können. Da diese die mehrzahl stellen, wird überall übernachtet wo es sich ein freies Plätzchen findet. in der nacht, auf der suche nach einer toilette, steigt man somit über zahlreiche schlafende und deren Gepäck und muss behutsam darauf Acht geben nicht versehentlich über jemanden zu fallen.


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abenteuerspielplatz An bord tummeln sich reisende, verkäufer, Händler, bettler, zwei Abenteurer aus dem westen und natürlich zahlreiche Kinder, für die der marode Kahn ein richtiger Abenteuerspielplatz darstellt. Da die bengalen extrem relaxt sind, können die Kinder tun und lassen was sie wollen.

so entdecke ich diese zwei buben am äußersten bug des schiffes und frage mich, ob es nicht zu gefährlich ist dort herum zu turnen. Doch niemand scheint beunruhigt und darum will ich nicht den oberlehrer raushängen lassen, relaxe ebenfalls, und schieße dieses Foto vom neuen „Kapitän“.

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volle kraft voraus Als einer von zwei Ausländer an bord bin ich natürlich eine Attraktion und der Kapitän lässt es sich nicht nehmen, mich zu sich auf die brücke einzuladen. ich darf am steuerrad drehen und das schiffshorn betätigen. Die Anzeige „Full speed ahead“ ist etwas trügerisch, denn die

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rocket bringt ein so gemütliches tempo auf den Fluss, dass man in aller ruhe an Deck stehen kann, um im seichten Fahrtwind den Fluss und den urwald zu betrachten, die leute am ufer zu grüßen und ihnen ein paar freundliche worte zuzurufen.


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Nächster halt irgendwo Auf der Fahrt nach morrelganj hält der Dampfer in zahlreichen abgelegenen ortschaften und ich frage mich, ob hier im absoluten nirgendwo überhaupt jemand von bord gehen will.

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Doch tatsächlich verlassen bei jedem stopp über eine schmale Planke zahlreiche Passagier das schiff und verschwinden im Dschungelgestrüpp...


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letzter halt Morrelganj solch ein Passagier bin zuletzt auch ich, und als ich in morrelganj von bord gehe, denke ich mir, mein Gott, wo bin ich hier nur gelandet, ist dies das absolute Abseits der welt? Dieser ort besteht ausschließlich aus ein paar bambushütten und die wenigen einwohner strömen auf mich zu, um den gestrandeten Außerirdischen zu betrachten. Das schiffshorn ertönt und die rocket verschwindet langsam aus meiner sicht.

Da befinde ich mich nun irgendwo in bangladesch und fühlte mich so fremd, wie man sich nur fremd fühlen kann. Aber da ich dieses Gefühl der Fremde und des Fremdseins liebe, wähne ich mich am richtigen ort und schultere meinen rucksack. während ich fröhlich „Picture yourself on a boat on the river with tangerine trees and marmelade skies...“ vor mich hin trällere, folge ich einem trampelpfad vom ufer in den Dschungel...

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FUSSBaLL

FÄnGT JETZT ERST

RICHTIG an!

Mit dem ultimativen Fußball-Paket aus dem Süddeutsche Verlag wird die schönste nebensache der Welt endlich in allen seinen Facetten gewürdigt. Denn der Sport wird erst dann so packend, wenn man sich mit ihm nicht nur praktisch, sondern vor allem auch theoretisch von früh bis spät auseinander setzen kann. Dieses literarische Quartett lässt die Zeit bis zum Bundesligastart verfliegenUnd lädt ein, in Erinnerungen zu schwelgen, die eigene Kompetenz auf Profilevel zu heben, von der Fanmeile in die Schaltzentrale zu wechseln – und vor allem, den Fußball an sich zu verstehen. Hochwertiger geht nicht, packender geht nicht und kompetenter geht nicht.

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verlosUng

15:30 Es sind nicht die Ergebnisse, die den Fußball zum gesellschaftlichen Ereignis gemacht haben - sondern die Dramen und Protagonisten, die uns weit über die 90 Minuten hinaus im Gedächtnis bleiben. Mehr als 400 Seiten, hunderte fantastische, meist großformatige Bilder und eine edle aufmachung machen „15:30“ zu DEM Werk, das zum 75. Geburtstag der Liga als emotionale und statistische Referenz hervor gekramt werden wird. Wetten?

PRESSEINFORMATION

der FUssBall. die Wahrheit: FUssBallsPiele Werden iM KoPF entsChieden Wer hat mehr zum Titelgewinn beigetragen: Miro Klose oder der Faktor Zufall? Zwischen Stammtischwissen und Wissenschaft werden aufs Unterhaltsamste wichtige Weisheiten und vermeintlich gesichertes Wissen auf ihre Praxistauglichkeit abgeklopft. 72 Fußballthesen und kein Stein bleibt auf dem anderen. Unerlässlicher Weisheitsschatz für wohlige Skeptiker, passionierte Besserwisser und solche, die es auf ganz hohem niveau werden wollen.

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LITeRATUR


Brasil 2014 Wir sind Weltmeister - und wahrlich weltmeisterwürdig lässt sich der 2014er-Freudentaumeljahrgang jetzt druckfrisch nacherleben. Großformatige Bilder und ähnlich großformatige Texte aus den Köpfen einiger der besten Sportjournalisten unseres Landes lassen das triumphale Turnier auf über 400 Seiten zum Dauerbrenner auf den heimischen Coffee Tables werden. Mehr atmosphäre, mehr Fachwissen, mehr Fußball als auf allen Fanmeilen der Republik zusammen.

Grunde so einfache Spiel zu glauben. Und wie das so ist, mit dem Wissen, von dem man nichts wusste: Es ließe sich prima ohne leben, aber mit lebt es sich sogar noch besser. Gott sei s gelobt, das Gotteslob ist zurück Für Liebhaber des originals Von den autoren des Bestsellers Ein Mann. Ein Buch.“ Fußball unser!

die JahrhUndert elF

FUssBall Unser Manchmal darf man auch einfach mal den Pressetext für sich arbeiten lassen, wenn er so wunderschön poetisch und doch so angemessen inhaltsscharf daher kommt: „Es gibt so viel wunderbares Wissen, das den Fußball umgibt; Wissen, das arg verstreut an den Rändern des Spiels liegt; Wissen, das unentdeckt in seinem Innern schlummert: Wissen, das es zu einer Freude macht, an dieses im

Klar, den 23er-Kader der Weltmeister-Mannschaft von 2014 repetiert dieser Tage jeder Drittklässler schneller, als mancher „Maracaná“ sagen kann. aber wann wird man anfangen müssen, an sie zu erinnern, weil die Zeit mit Siebenmeilenstiefeln an ihnen vorbei gezogen ist? Der SZ-Redakteur hat diese Frage in seiner „Jahrhundertelf“ eindrucksvoll beantwortet: Wenige Jahrzehnte reichen aus, um ganz besondere Spieler, ganz besondere Geschichten rund um den Fußball aus der Erinnerung der nachfolgenden Generationen zu tilgen. Grund genug, die „Spieler, die Geschichte schrieben“ noch einmal in aller ausführlichkeit zu würdigen. Denn über die Beckenbauermüllerbreitnernetzers ist schon alles erzählt, alles berichtet, alles Folklore geworden die „Jahrhundertelf“ ist ein Team von Stars, die untrennbar mit der Zeit verwoben sind, in der sie strahlten. LITeRATUR BLANK I 25


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verlosUng

MIT JACK DAnIeL‘S AUFS hIGhFIeLD FeSTIvAL keine Frage: Würde man unter den kompetentesten rockstars des planeten eine Umfrage starten, welche drei dinge zu einer perfekten Show gehören, würden sie wahrscheinlich sagen: Stylische Vintageamps, ekstatische Gitarrensolos – und eine Flasche Jack daniel‘s im backstagebereich. denn: Jack daniel‘s iSt rock‘n‘roll. Wer sich davon überzeugen möchte, kann dies auf 26 I BLANK

LIFeSTYLe

einladung der Jungs aus Lynchburg, tennessee auf dem diesjährigen hiGhFieLd tun. ausgestattet mit zwei tickets, einer Flasche Jack daniel‘s, dem stylischen kultshirt zum drink und der passenden tasche dazu, gibt es ein Festivalwochenende der extraklasse zu erleben. eine geschmackvolle ansammlung nationaler und internationaler topacts macht das hiGhFieLd auch 2014 zum place to be für rock‘n‘roller und Musikafficionados aller art. Wer es sich vom 15.–17.8. mit und dank Jack daniel‘s richtig gut gehen lassen möchte, schickt uns bis zum 30.7. eine Mail mit seiner adresse und dem betreff „Mit Jack daniel´s aufs hiGhFieLd“ an verlosung@blank-magazin.de. teilnahme ab 18 Jahren.



Fensterrentner Text: Stephan Urbach Foto: Lukas Martini

Es ist so weit, ich bekomme Platz im BLANK Magazin für eine Kolumne. Ich bin nicht witzig oder besonders tiefsinnig. Ich habe keine Ahnung von Popkultur oder Musik. Ich bin 34 Jahre alt und habe blaue Haare während ich meinem normalen Beruf nachgehe. Ich rege mich zu viel auf und habe bestimmt Bluthochdruck. Ich habe für fast alles kein Verständnis. Mein psychologisches Alter ist 80 und wenn ich mal wirklich so alt bin, möchte ich Fensterrentner werden. Ich werde nicht über Berlin schreiben, denn ich komme vom Land und habe keine Ahnung von der Großstadt. Ich bin also offensichtlich völlig normal und ich schreibe über Dinge, die mich interessieren und Angelegenheiten, die mich nichts angehen.

Den Berufswunsch Fensterrentner habe ich von einem meiner Freunde. Jonas ist der beste Fensterrentner, den ich kenne. Unter 35, wohnhaft im Erdgeschoss. Eine Studierenden-WG mit im Haus, die sich gerne im Garten aufhält. Ideale Vorraussetzungen, um sich in Unverständnis zu ergehen. Stellt euch vor, Jonas sitze zu Hause und will nur seine Ruhe haben und plötzlich sind da ein paar junge Menschen im Garten, die Popmusik hören, Becks Lime trinken und Frisbee spielen. Um da Feindbild zu vervollständigen tragen sie auch noch den Kragen des Poloshirts hoch gestellt. Die Popmusik dringt durch das offene Fenster (denn bei Jonas ist es warm

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und er muss es zumindest kippen) und Jonas, ja Jonas, weiß was zu tun ist: Techno. Laut. am besten aus den späten 90ern. Musik, die wir damals hörten, nachdem wir Drogen genommen hatten. Dazu steht er im Bademantel in Shorts auf der Terrasse und fuchtelt mit dem imaginären Krückstock. Sollte die Frisbee bei ihm landen ich bin mir sicher, er wird sie fangen und einfach nicht mehr herausgeben. Die jungen Leute sollen ihn halt mit ihrem Kram in Ruhe lassen. Ich würde an seiner Stelle genauso handeln, würde schimpfend am Fenster stehen und Menschen verscheuchen. Jonas und ich haben ausgemacht, dass ich ihn irgendwann besuche und

wir dann beide im Bademantel auf der Terrasse stehen und mit dem Krückstock fuchteln, wenn die Jugendlichen mal wieder im Garten sind, ihre Kragen hochstellen und Popmusik aus dem Radio hören. Und manchmal, wenn ich auf meiner Couch sitze und Kaffee trinken, unglaublich viel Zigaretten in meine Lunge pumpe und so tue, als würde ich messerscharf nachdenken, dann dämmert es mir: Ich bin alt. Ich bin verdammt alt. ich bin mindestens so alt wie mein Großvater und meine Großmutter zusammen. Ich habe weniger Verständnis als die beiden. Für alles. Ich habe kein Verständnis für Falsch-


parker, für Gartenzwerghasser oder dafür, wenn Menschen ihren Kragen hochstellen. Ich verstehe die „jungen“ Leute nicht, die oft nur zwei, drei Jahre jünger sind als ich. Ihre Musik, ihren Kleidungsstil ihren Filmgeschmack. Dann dämmert es mir. Nicht sie sind das Problem. Ich bin es. Ich bin in alternativen Subkulturen groß geworden. Mit den Punks, den Grufits und bei den Pen&Paper-Rollenspielern. Bei Geeks und Nerds. Ich habe mich nie für den Mainstream interessiert. Ich habe es mir in meiner Nische gemütlich gemacht, damals in den 90ern. So sehr, dass ich immer noch darin stecke. „Früher (damit meine ich ich 1995 bis 1998)

war alles besser“ könnte von mir stammen und dann erwische ich mich dabei, wie ich genau das sage. Ich bin nicht besser als die Reaktion, die ich ja so verachte. Mir fehlt die geistige Flexibilität, einfach mal an zu erkennen, dass Menschen sich heute anders kleiden, anders sprechen und Subkulturen sich auch verändern. Nur weil es „meine“ ist, heißt dass nicht, dass sie sich nicht verändern darf. Manchmal passt mir eine Änderung nicht aber ist auch mein Problem - ich kann mich darüber aufregen oder es verdammt noch mal akzeptieren, dass Gruftimusik oder auch Punk heute anders klingen als

damals, dass sich Inhalte verschieben und nicht mehr die „wahre reine Lehre“ gelebt wird. Den heute ist sie eh anders als damals und verdammt noch mal Stephan, du bist keine 16 mehr und musst dich wirklich nicht darüber definieren, was in den 90ern passiert ist! Ich bin 34 und manchmal dann doch schon 80. Ich werde das ändern. Gleich, nachdem ich vom Fenster weg bin und mein Kissen verstaut habe. Dann werde ich das Fenster schließen, den Baum ansehen und mich fragen, mit wem ich da im stillen Hinterhof eigentlich die ganze Zeit geschimpft habe. Vermutlich mit mir.

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Festivalsaison: Das erwartet euch 2014 Foto: A J James/Photodisc/Thinkstock, Zalando.de

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Musik- und Kulturfreunde in Berlin, aber auch im Rest des Landes scharren bereits seit Monaten wieder ungeduldig mit den Hufen. Nun ist die Zeit der Warterei endlich vorbei: Der Festivalsommer startet und hat auch in Berlin und Umgebung einige heifle Events zu bieten.

Mit dem Streetlive Festival, über das wir an dieser Stelle im Vorfeld berichteten, ist zumindest in der Hauptstadt bereits das erste Event der Saison vorüber. Wer das Festival auf dem Columbia-Areal verpasst hat, braucht sich allerdings nicht lange ärgern, denn das war erst der Anfang! Im ganzen Land wird auf den Festivalgeländen in den kommenden Monaten wieder ausgelassen getanzt und gefeiert, und auch im Osten Deutschlands ist das Festivalfieber ausgebrochen, wie der Festival-Guide von Zalando auf einer Karte zeigt. Damit unsere Leser keines der Events verpassen, möchten wir noch einmal die größten Festivals in unserer Nähe vorstellen. Die Locations sind von Berlin aus mit dem Auto allesamt binnen maximal zwei Stunden zu erreichen.

Das Helene Beach Festival, das in diesem Jahr am Helenesee bei Frankfurt an der Oder zwischen dem 24. und dem 27. Juli steigen wird. Auf insgesamt 7 Stages werden rund 100 Acts

splash!-Festival (11. bis 13. Juli) und das Melt! (18. bis 20. Juli). Auch wenn die Location jeweils das Ferropolis-Gelände bei Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt ist, könnten die

3 Festivals in unter 200 km Entfernung

die Partymeute unterhalten, unter ihnen zum Beispiel namhafte Künstler und Bands wie Cro, Bosse und Revolverheld. Wir jedenfalls haben uns bereits dort im vergangenen Jahr prächtig amüsiert!

Lediglich ein Festival, das unserer Meinung nach nicht in der Aufzählung fehlen darf, ist auf der Karte nicht aufgeführt:

Außerdem möchten wir auf gleich zwei beliebte Festivals hinweisen, die sich ihren Veranstaltungsort teilen: das

Festivals kaum unterschiedlicher sein: Beim splash!-Festival gibt’s mit Acts wie Outkast, K.I.Z. und Wiz Khalifa Hip Hop und Reggae auf die Ohren, während beim Melt! hauptsächlich elektronische Töne von Künstlern wie Portishead, Robyn & Röyksopp Do It Again 2014, Moderat oder Metronomy aus den Lautsprecherboxen tönen.

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Checkliste fürs Festival: Bekleidung, Hygiene und Reiseapotheke Ob Fusion, Splash! oder Helene Beach: auf den Musikfestivals im Freien regnet es leider viel zu häufig, sodass sich der gesamte Boden in eine Schlammwüste verwandelt. Deshalb sollte der vorbereitete Festivalbesucher die passende Regen- und genügend Ersatzkleidung dabei haben, vor allem Unterwäsche, Shirts und Socken. Die wechselt man an einem Regentag oder nach unerwünschter Bierdusche gerne mehrmals am Tag – Frauen vermutlich mehr als ihre männlichen Kollegen. Für starken Sonnenschein ist man mit Cap, Sonnenbrille und Sonnencreme bestens gewappnet. Brillenträger nehmen am besten Kontaktlinsen, z. B. Tageslinsen von Brille24 mit, damit hat man freie Sicht bei Regen und muss sich in der Menge nicht um seine Brille sorgen. Hygiene ist auf Festivals eher ein weit gefasster Begriff, ein Deo sollte man allerdings mindestens dabei haben – es sei denn, man möchte lieber allein sein. Die Notfallapotheke sollte auf jeden Fall genügend Kopfschmerztabletten, Pflaster, Mittel gegen Übelkeit und Kondome enthalten. Ohropax sind eine super Sache für empfindliche Ohren und um nachts wenigstens ein bisschen Schlaf abzubekommen. Checkliste Bekleidung/ Kulturbeutel • Unterwäsche (oder Badesachen, trocknen leichter) und Socken (viel!) • Shirts und Pullis • Regenjacke oder Poncho • Sandalen, Flip Flops und Badelatschen • Sonnencreme, Sonnenbrille und Cap • Reiseapotheke: Aspirin, Pflaster, Ohropax, Mückenspray und Magnesium (gegen Krämpfe) • Kulturbeutel: Zahnpflege, Deo, Duschgel, Handtücher (!) und Tageslinsen für Brillenträger 32 I  BLANK

MUSIK

Übernachtung und Verpflegung Festivals sind immer gut besucht und der Platz ist stark begrenzt – mit einem Wohnmobil braucht man also erst gar nicht zum Festival zu fahren. Das Zelt ist die beste Übernachtungsmöglichkeit beim Festivalbesuch. Wer das Zelt auch als Aufenthaltsort nutzen will, vor allem mit mehreren, ist am besten mit der großen Variante bedient. Schlafsack, Isomatte, Kissen und Bodenplane dürfen ebenfalls nicht fehlen. Zum Ausruhen kann man sich an den Campingtisch vor das Zelt hocken und grillen. Das hebt auch gleich den Gemeinschaftssinn, denn Besuch von den Nachbarzelten bekommt man garantiert. Snacks, Süfligkeiten und Nudelsuppen sind die beste Möglichkeit, die abgetanzte Energie wieder aufzuladen. Mit Frisbee oder einer gepflegten Partie Poker lässt es sich zwischendurch gut die Zeit vertreiben. Auch zusätzliche Musik vom MP3-Player für die Beschallung vor dem eigenen Zelt ist nicht verkehrt. Checkliste Übernachtung/Essen • Zelt, Heringe, Hammer und Vorhängeschloss • Schlafsack (auf Temperaturniveau achten), Isomatte und Kissen • Evtl. Pavillon, Bodenplane (für den garantiert durchweichten Boden) • Campingtisch und Stühle oder eine Bank • Camping-Geschirr, Müllsäcke • Taschenlampe und Laterne, Taschenmesser • Unterhaltung: MP3-Player, Boxen, Kartenspiele, Frisbee und Ball • Grill, Kohle, Anzünder und Fleisch (Kühlung!) • Bier (wichtig!), Wasser (sehr wichtig, keine Glas-Flaschen) und Kaffee (Thermoskanne!) • Brot und Aufschnitt • Konserven und Instant-Nudelgerichte • Snacks und Süfles Hier findet ihr noch eine ausführliche Packliste zum Ausdrucken.


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Träumst Du nicht auch von einer Welt, in der man sich jeder Versuchung hingeben kann, ohne sie bereuen zu müssen. Eine Welt, in der sich jeder traut, das zu tun, was er für richtig hält. Eine Welt, in der man sich nichts mehr verbieten lässt, seine Freiheit lebt, die Abenteuer des Alltags geniesst und tut was immer man will. Es gibt diese Welt. Du lebst gerade darin.

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filmfest

münchen 2014 Text Roman Libbertz

Eins vorweg: Das Münchner Filmfest war klasse und besser denn je. Dafür gibt es ganz einfache Gründe. Nie zuvor war das Programm so farbenfroh und ebenso erfreulich, dass selbst auf die nächtlichen Veranstaltungen in diesem Jahr großes Augenmerk gelegt wurde. In München war was los Tag und Nacht.Da war Udo Kier da, David Trueba, Jean-Pierre Jeunet und Heiner Lauterbach, Alice Rohrwacher, Isabelle Huppert oder unser Klaus Lemke. Selbst das Wetter spielte mit, also es war unter tags so heiß, dass man froh war im Kino zu sein und nachts so warm, dass man gar nicht ins Bett wollte. Aber nun zum Programm, hier die Highlights, auf die man in den nächsten Wochen und Monaten achten sollte:

Wir waren Könige Jetzt haben wir unseren deutschen „L.A Confidental“ und wer denkt Regisseur Leinemann stände dem amerikanischen Sujet-bruder nach, sollte sich lieber selbst ein Bild machen.

Everything we loved Man will dieses neuseeländische Drama nicht sehen. Mann muss das sehen und am Ende wird man noch lange überlegen. Kann ein Verbrechen die Welt besser machen?

Le Meraviglie Alice Rohrwacher gewann den CineVison Preis für ihre Regie. Eine Imkerfamilie, kurz vor dem Rausschmiss, die über Widrigkeiten wieder zu einander findet. Sehr spezielle Geschichte und Erzählstruktur. In Cannes gefeiert und auch in München mit Begeisterung aufgenommen. 34 I  BLANK

FILM


The Homesman Tommy Lee Jones ist nicht nur ein großartiger Schauspieler, sondern er hat auch ein Gespür für besondere Stoffe. Das hat er in der Vergangeheit ein paar Mal bereits für das Fernsehen bewiesen. Nun also Kino und wie bei Jones üblich im Westerngewand. Was jedoch daher kommt wie ein Western, hat hier kaum mehr etwas vom Spiel „Gut gegen Böse“, sondern ist eine großartige Geschichte über außerordentlichen Mut.

Leviathan Der Arri/Osram-Hauptpreis-Gewinner. Ein unerbittliches Drama über Korruption in Russland. Toll inszeniert, fulminant gespielt. Das ist ganz großes Kino.

I origins Kann man nach „Another earth“ das Niveau halten? Man kann, vor allem mit dieser Tragödie über den vermeintlichen Beweis der Wiedergeburt. Intelligentes Hollywoodkino mit einem tollen Michael Pitt sowie deutscher Unterstützung in Form des formidablen Kameramannes Markus Förderer. Ein ganz besonderer Abschlussfilm des Festivals.

Casa Grande Wie geht man als Sohn mit dem gesellschaftlichen Abstieg seiner Familie um. Dieser Frage geht der brasilianische Regisseur Fellipe Barbosa in seinem Debütfilm mit viel Liebe zum Detail nach.

Filmfest 2014, das war toll, Danke Dina Iljine und deinem Team.

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Um nichts vorweg-

zunehmen, aber… Interview Roman Libbertz

Es gibt Menschen, die machen die Welt besser. Zu diesen Menschen gehört für mich David Trueba. Das wusste ich bereits durch seine Bücher und so war es auch keine Überraschung, dass es sich bei seinem, bereits mit zahlreichen Preisen überhäuften, neuen Film „Living is easy with closed eyes“ ähnlich verhielt

Der Film handelt vom Englischlehrer Antonio, einem glühenden Fan von John Lennon, der sich auf den Weg macht, um seinen Star bei Dreharbeiten an der spanischen Küste endlich kennenzulernen. Auf der Fahrt, und dies entspringt Truebas Fantasie, liest er einen fünfzehnjährigen Ausreißer und ein schwangeres Mädchen auf. David Trueba wurde 1969 in Madrid geboren und seine Geschichten haben die immense Kraft mir glauben zu machen, dass Alles im Leben zusammen mit anderen Menschen gemeistert werden kann. Seine Romane wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. Schönen guten Abend Herr Trueba, es ist mir eine Ehre. Herr Trueba winkt ab und lächelt.

Ist es für Sie einfacher ein Drehbuch zu schreiben oder einen Roman? Trueba: (überlegt eine Weile bevor er antwortet) Grundsätzlich ist es etwas sehr anderes, aber vielleicht ist der Roman, doch ein wenig schwerer, da ich nicht nur wissen muss, was meine Charaktere machen, sondern wie ihr ganzes Leben aussieht oder aussah. Wie würden Sie den Kern ihres Schaffens beschreiben? Trueba: Stets versuche ich mit offenen Augen und Fantasie die schönen Seiten zu sehen, denn wir haben nur dieses eine Leben. Wie autobiographisch sind Ihre Bücher und Filme? Trueba: Ich bin der Jüngste von acht Geschwistern. (Da sich seine Geschichten im

Kern meist um das Zusammenspiel einer Familie oder einer Gemeinschaft drehen, nicke ich und es scheint klar, dass hier viel Material Einfluss hat.) Zum Beispiel ist einer meiner Brüder weggelaufen, weil er seine Haare unter keinen Umständen abgeschnitten haben wollte, genau wie im Film jetzt. Sind Sie gläubig? Diese Frage wird uns nun einige Zeit beschäftigen. Zusammen versuchen wir Vor und Nachteile jeweiliger Weltreligionen zu erörtern und finden uns dann bei der Vorstellung einer höheren Spiritualität, die alles zusammenhält. Trueba: Also dann sage ich, dass ich spirituell veranlagt bin, aber das Wort definiert dann auch wieder jeder anders. (Er lächelt und strahlt so eine angenehme Ruhe aus.)

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„Ich arbeite, denn ich liebe meine Arbeit, wahrscheinlich auch weil es für mich keine Arbeit sondern mehr Freiheit ist.“ Was machen sie an einem freien Tag? Trueba: Ich arbeite, denn ich liebe meine Arbeit, wahrscheinlich auch weil es für mich keine Arbeit sondern mehr Freiheit ist. Fällt es Ihnen leicht, die Magie zwischen ihren Worten auch zwischen ihren Darstellern entstehen zu lassen? (Trueba fühlt sich sichtlich geschmeichelt, fast ein bisschen schüchtern antwortet er) Trueba: Ich hatte bis jetzt mit Schauspielern immer unheimliches Glück. Es war genauso wie ich es mir vorgestellt habe und manchmal wurde es durch die Darbietung hier und dort sogar vielleicht noch ein Stückchen besser. Generell glaube ich mittlerweile fast, dass es im Leben wichtiger ist, die richtigen Menschen um sich zu haben als die eigene Persönlichkeitsstruktur. Haben sie Idole? Trueba: Ja, meine Mutter. Sie hat uns so viel möglich gemacht. Allen acht. Gibt es Filme, die sie sehr beeinflusst haben? Trueba: Das italienische Kino der fünfziger Jahre, aber auch

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die französischen Filme, vornehmlich der poetische Realismus. „Rules of the game“ – Jean Renoir zum Beispiel.„ (Er fragt mich, ob ich den Film kenne, als ich verneine, muss ich ihm versprechen ihn mir anzusehen.) Haben Sie so etwas wie eine Lebensphilosophie? Trueba: Hmm. Das sind die Fragen und die Antwort bist Du. Ja, das vielleicht. Aus unerfindlichen Gründen kommen wir in diesem Teil des Gesprächs auf Michael Haneke, vielleicht auch nur weil wir, wie ich später beim Aufstehen bemerke unter einem Plakat von „Das weisse Band“ sitzen. Trueba: Michael Haneke hält immer so tolle Reden und ist so freundlich. Die Filme sind toll

geschrieben, aber sie sind meist leider auch sehr traurig. Ich habe einige Tragödien hinter mir und vielleicht ist das auch der Grund warum ich eher heitere Geschichten schreibe. Wie ist das Verhältnis zu ­Ihrem oscarprämierten Bruder ­Fernando? Trueba: Es ist der großzügigste Mensch, den ich kenne. Er hat mich immer unterstützt und deswegen ist er ja auch natürlich Produzent des neuen Films. Ihre Lieblingsspeise? Trueba: Gazpacho. Tomas Glavinc hat mir vor zwei Jahren verraten, dass er auf einer Schreibmaschine ohne Korrekturband schreibt. Wie entstehen ihre ersten Versionen? Trueba: Ich schreibe per

„Generell glaube ich mittlerweile fast, dass es im Leben wichtiger ist, die richtigen Menschen um sich zu haben als die eigene Persönlichkeitsstruktur.“


Hand. Dann erst im zweiten Schritt übertrage ich alles auf den Computer. Ihre Lieblingsfarbe? Trueba: Rot. (Und dann hat er Lust etwas mit mir zu teilen, er sagt:) John Lennons Lieblingsfarbe war übrigens grün. Woher ich das weiß? Weil es mir jemand nach einer Vorführung vor zwei Monaten gesagt hat. Er hat sich bedankt, dass ich John Lennon so Tribut gezollt hätte. Zuerst verstand ich es nicht richtig, aber es stimmt, ohne es zu wissen sind ganz viele Dinge im Film grün, das Auto und so weiter. Ist das nicht toll?

Was wollten Sie werden als Sie klein waren? Trueba: Meine Brüder haben Schreiben nie gemocht, aber ich habe schon mit fünf Jahren erkannt, was man da alles machen kann. Ab da stand ich jeden Sonntag in der früh also ein bisschen früher auf, um zu schreiben. Ich glaube irgendwie wollte ich schon immer Schriftsteller werden.“ Was wäre ihre Henkersmahlzeit? Trueba: Da gibt es so ein Ritual unter Ärzten, ich weiß das, weil Anton Tschechow auch Arzt war und da habe ich es gelesen. Also kurz vor

seinem Tod kam der behandelnde Arzt mit einer Flasche Champagner. Tschechow, dessen Frau und der Arzt haben dann ein letztes Glas zusammen getrunken, bevor es zu Ende ging. Ich finde das eine schöne Vorstellung. Gibt es noch irgendetwas, dass sie über ihren Film „Living is easy with closed eyes“ noch nie verraten haben? TRUEBA: (überlegt, zögert und sagt dann:) Pedro Almodovar meinte zu mir, der Filmtitel würde so nicht funktionieren und müsste gekürzt werden. Meine letzte Frage: Glauben sie an Wunder? TRUEBA: Ich bin zumindest immer auf der Suche.“ Wir stoßen an und später schreibt er mir noch ein Widmung in sein großartiges Buch „Die ganze Nacht geöffnet“. Als ich auf dem Heimweg alleine durch die sterneklare, kühle Nacht spaziere, hallt plötzlich von irgendwoher noch einmal seine zweite Antwort von heute durch meinen Kopf: „Stets versuche ich mit offenen Augen und Fantasie die schönen Seiten zu sehen, denn wir haben nur dieses eine Leben.“ „Denn wir haben nur dieses eine Leben“ spreche ich unbewusst, leise vor mich hin und muss lächeln.

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Wir sind

schöN! Fotografin Svenja Eckert hat Menschen fotografiert. Schöne Menschen. Die Geschichten dahinter lassen sich nur erahnen, aber wenn man genau hinschaut, kann man sie vielleicht erkennen. Daniel Geiger von Mongomania sorgt für die grafischen Irritationen. Man möchte es dem Betrachter ja nicht zu einfach machen.

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„Willst du Nebelbänke, willst du Hügel, willst die Naturschönheit, Stau, Opern, Landstreicher und chinesisches Essen, dann wirst auch du San Francisco lieben.“

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IMPRESSUM

Reise Boris Guschlbauer

Herausgeber, redaktionelle & künstlerische Leitung

Urbane Kultur, elektronische Tanzkultur yuppi Buge

Romy Berger Johannes Finke

Anzeigen, Kooperationen, Advertorials Romy Berger | r.berger@blank-magazin.de

Kontakt BLanK | Postfach 02 10 02 | 10121 Berlin Redaktionelle Ansprechpartner Gesellschaft & Politik Johannes Finke

Art Direktion Romy Berger Online Mario Meißner V.i.S.d.P. Johannes Finke

Contributors Text & Reportagen Elmar Bracht (www.dasbiestberlin.blogspot. com) Johannes Finke Boris Guschlbauer (ichwilleineriesenbockwurst mitsenfundzwarsofort.de) Roman Libbertz (romanlibbertz.blogspot.com) Thomas Jäger Fotografie Roman Libbertz Romy Berger Boris Guschlbauer

Musik & Literatur Till Erdenberger Literatur Roman Libbertz

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JaMaIKano-naZIS

FUCK oFF! InTervIew tiLL erdenberGer

Wessen publizistisches Oeuvre sich um Pornographie, aggressive Legasthenie und ein Großkaribisches Reich mit reichlich verstrahltem Rasta-Nazipersonal dreht, steht entweder beim Verfassungsschutz oder bei Amazon ganz oben auf der Liste. Stephan Scheler und Manuel Grebing – Autorenduo mit nämlichem Output – haben es mit schrägen Ideen und kreativer Umsetzung tatsächlich auf die Bestsellerlisten gebracht. Über ihr „Cumshots“, eine weitestgehend unkommentierte Aneinanderreihung der skurrilsten Pornotitel nebst entsprechenden Covern, beeimerte sich nicht nur Stefan Raab sondern die gesamte Fernsehnation gleich mit. „Jahdolf“ ist jetzt die nummer mit den nazis, ein bitterbös-komisches Denkmodell: Wie hätte es ausgesehen, wenn Geist und Ästhetik der Dritten Reiches ihre Fortsetzung im karibischen Inselstaat gefunden hätte? Das Personal ist dem historischen schlechten Vorbild entlehnt, die Story ist bekannt und überhaupt, Hitler als Sujet? Kann das mehr sein, als billige Haudrauf-Gagkoketterie? Scheler und Grebing haben mit dem Illustrator nicolai alexander aus der Geschichte mit der Geschichte einen Comic gemacht – und mit großer Freude und dem Blick fürs Detail den ganzen Wahnsinn noch einmal dekonstruiert. ob man mit den altbraunen oder über sie Witze machen darf, wird hoffentlich auch in Generationen noch die

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Gemüter bewegen – in jedem Fall ist es wichtig, dass auch im Jahre 70 nach Kriegsende die Erinnerung lebendig bleibt. Und lebendiger als „Jahdolf“ wurde sie lange nicht mehr aufbereitet. BLanK: Stephan, du hast die Frage, „Darf man mit dem und über das Dritte Reich und seine Protagonisten Witze machen““, offensichtlich mit „Ja“ beantwortet. Wie tief sitzt diese Überzeugung oder kämpfst du immer noch mit dir, ob diese Antwort wirklich die richtige ist? STEPHan SCHELER: obwohl ich Humor und Satire grundsätzlich für gut gewählte Stilmittel halte, sich schwierigen Themen zu nähern, schuf genau das bei der Entstehung von „Jahdolf“ tatsächlich einen großen inneren

Konflikt. aber die Frage, ob sich Spaß und das Dritte Reich nicht gegenseitig ausschließen, wurde bereits von Walter Moers, Helge Schneider oder vor sehr langer Zeit sogar von Charlie Chaplin beantwortet. Man darf sich über Hitler und seine Schergen lustig machen, aber nicht über die Greueltaten der nazis. BLanK: Um hier zu unterscheiden, begibt man sich aber bestimmt manchmal auf dünnes Eis, oder? STEPHan: In der Tat verlangt Sarkasmus, stets jene Grenze auszuloten zwischen dem, was noch vertretbar ist und dem, was moralisch partout nicht geht und eigentlich auch keiner witzig finden kann. Um diese Linie hin zum Geschmacklosen an kei-


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ner Stelle zu überschreiten, haben wir uns die Schrecken jener Zeit noch einmal bewusst vor augen geführt und zum Beispiel Gedenkstätten von Konzentrationslagern besucht. BLanK: Wie wurde die Idee zu „Jahdolf“ geboren? Oder war es einfach der nächste logische Evolutionsschritt: Porno - aggressive Legasthenie - Jamaikano-Nazis? STEPHan: Vor Jahren habe ich einen Freund in Costa Rica besucht, der dort am Rande des Dschungels inmitten einer kleinen Surfer-Gemeinde lebt. Zu seinen nachbarn gehört auch ein cholerischer Rastafari, der eines

BLanK: Gibt es eine Lieblingsstelle im Buch? STEPHan: Im Text und auch bei den Zeichnungen wurden auf jeder Doppelseite so viele Ideen eingearbeitet, dass es schwer fällt, etwas davon hervorzuheben. Besonders gelungen finde ich zum Beispiel Wortspiele wie „Propaganja“, den Parteinamen „n.S.T.H.C.“ oder auch die ganzseitige Zeichnung von Haile Selassie. BLanK: Welche Szene, bringt dich an deine persönliche Schmerzgrenze oder auch darüber hinaus? STEPHan: Wir haben uns zwar knietief im braunen Sumpf

„Wir haben uns zwar knietief im braunen Sumpf und somit nah an moralischen Grenzen bewegt, diese aber meiner Ansicht nach nicht überschritten. Darüber hinaus ist das Werk allerdings auch gespickt mit subtiler Kritik an aktuellen Gegebenheiten.“ Morgens Frau und Kind anbrüllte. Weil das allen anderen auf die nerven ging, nannte ihn einer spontan „nazi-Rasta“. Daraus wurde schnell „Jahdolf“ und weil sowieso keiner mehr schlafen konnte, sinnierte ich beim Frühstück darüber, was man aus so einer Figur für eine bizarre Story konstruieren könnte. 52 I BLANK

und somit nah an moralischen Grenzen bewegt, diese aber meiner ansicht nach nicht überschritten. Darüber hinaus ist das Werk allerdings auch gespickt mit subtiler Kritik an aktuellen Gegebenheiten. So findet man auf einer Seite ganz entspannte Un-Truppen, die lieber im karibischen Wasser baden anstatt

einzugreifen. Und dass Blauhelme auch in der realen Welt bei so vielen Krisenherden vor ort sind, ohne wirklich etwas für leidende Völker oder gegen Kriege zu tun, geht durchaus an meine persönliche Schmerzgrenze. BLanK: Wie fallen die Reaktionen denn nach den ersten Wochen Marktreife aus? STEPHan: obwohl zunächst jeder vom Umschlag mit der roten Hanfblatt-armbinde geschockt ist, erntet die skurrile Story um „Jahdolf“ ausnahmslos Lob und anerkennung – selbst von jenen, die sich auf den Schlips getreten fühlen könnten. So freut uns am meisten, dass das weltweit hoch geschätzte Portal reggaeville.com den Comic klasse findet und ihn u.a. in einem Festival-Guide abgefeiert hat. BLanK: Nach Porno und Nazis: Was kann jetzt noch kommen? Ist euer Ideenfundus schon wieder prall gefüllt mit verrückten Projekten? STEPHan: Wir haben tatsächlich einige Projekte in Planung, konzentrieren uns momentan aber auf individuelle Themen. So nimmt Manuel mit seiner Hardcore-Band aktuell ein neues album auf, während ich an einem Buch arbeite, das sich mit sonderbaren Erlebnissen meiner Reisen befasst. Dazu zählt zum Beispiel auch die Geburtsstunde von „Jahdolf“ und jene denkwürdigen Tage in Costa Rica.


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Post KArten Eine Fotoreihe von Roman Libbertz

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Postkarte aus

Salo:

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Postkarte aus

New York

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Postkarte vom Konzert

The National

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Postkarte aus

Hamburg

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Postkarte aus

Cap Ferrat 62 I  BLANK


Postkarte aus

StraSSburg vom Cour du Corbeau

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Postkarte aus

Ibiza

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Postkarte aus

Der Luft BLANK I 65


Postkarte aus

Wien

Stanley Kubrick Ausstellung 66 I  BLANK


Postkarte aus

bayerischen staatskanzlei BLANK I 67


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