Stahl verstehen

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1 Coberta Understanding Steel Design GER.



INHALT

8

K APITEL 4

VORWORT 42 K APITEL 1

12

TR ANSFOR MATIONEN IM STA HL BAU

14

DIE ENTWICKLUNGSLOGIK VON STA HL UND MODER NER ARCHITEKTUR

14

ZUGBEANSPRUCHUNG

15

INDUSTRIALISIERUNG UND MASSENFERTIGUNG

15

NORMALER BAUSTAHL ODER FREILIEGENDE STAHLKONSTRUKTION

15

VOM V ER FA HR EN ZUR TECHNOLOGIE

FERTIGUNG , MON TAG E UND IH R E BEDEUTUNG FÜR DEN ENTWURF

44

VOM ENT WURF ZU DEN VORGEFERTIGTEN BAUTEIL EN

45

PROZESSPROFIL: ERW EITERUNG DES ROYA L ONTA R IO MUSEUM (ROM)

46

PHYSISCHE UND DIGITALE MODELLE

49

PROPORTIONEN

49

TRANSPORT UND BAUSTELLENABLÄUFE

51

ENDMONTAGE DER STAHLBAUTEILE

52

AUSWIRKUNGEN VON WITTERUNG UND KLIMA AUF DIE MONTAGE

53

SCHAFFUNG DAUERHAFTER STABILITÄT

54

KOORDINATION MIT ANDEREN GEWERKEN

55

PROZESSPROFIL: LESLIE DA N FACULT Y OF PH A R M AC Y

56

VORFERTIGUNG IN DER WERKSTATT

57

MONTAGE DER PODS

58

MONTAGE EINES TRÄGERS

58

MONTAGE DER STÜTZEN

59

ANHEBEN DES 50-t-TRÄGERS

60

ANHEBEN DER PODS

K APITEL 2

18

DA S M AT E R I A L STA H L

20

KONSTRUKTIVE EIGENSCHAFTEN

21

WA R MG E WA L Z T E STA HL PROFIL E

22

STA HL HOHL PROFIL E

24

EINSPA R POTENZIA L E BEI PL A NUNG UND AUS SCHR EIBUNG VON STA HL

25

ENTWURFS- UND MOD E L L I E RU NG S S OF T WA R E K APITEL 5 K APITEL 3

26

28

VER BINDUNGEN VON STA HL BAU T EIL EN UND V ER FA H R EN DE S STA HL S K EL ET T BAUS DAS PR INZIP DES SK EL ET TBAUS

62

FREILIEGENDE KONSTRUKTIONEN: GESCHICHTE UND ENTWICK LUNG

64

DIE ENT WICK LUNG VON STA HL HOHL PROFIL EN

64

DIE WEITERENT WICKLUNG VON BAUSTA HL FÜR FREILIEGENDE KONSTRUKTIONEN DURCH DIE HIGHTECH-BEWEGUNG

65

TYPOLOGIE DER FRÜHEN HIG H-TECH- A RCHITEKT UR

28

GRUNDL AGEN DER VERBINDUNG VON BAUTEIL EN

31

R AHMENVERBINDUNGEN

31

TRÄGER-BALKEN-VERBINDUNGEN

32

BALKEN- ODER TRÄGER-STÜTZENVERBINDUNGEN

66

TYP „ERWEITERTER GRUNDRISS“

33

STÜTZENVERBINDUNGEN

70

TYP „RASTER / FELD”

34

STECKBOLZENVERBINDUNGEN

74

TYP „MAST MIT ABSPANNUNG”

35

DECK ENSYSTEME

78

37

AUSG ESTEIFTE SYSTEME

VON HIG H-TECH ZU BAUSTA HL FÜR FR EIL IEG ENDE KONSTRUKTIONEN

38

FACH W ER K T R ÄG ER SYSTEME

79

38

EBENE FACHWERKTRÄGER

BAUPH YSIK A L ISCHE PROBLEME

39

RAUMFACHWERKTRÄGER


K APITEL 6

80

82

83

83

85

FREILIEGENDE KONSTRUKTIONEN: ENTWURF UND DETA IL PL A NUNG

K APITEL 7

102

BESCHICHTUNG, OBERFL ÄCHENBEHANDLUNG UND BR ANDSCHUTZ

NOR M A L ER BAUSTA HL UND BAUSTA HL FÜR FR EIL IE GENDE KONSTRUKTIONEN

104

KOR ROSIONSSCHUTZ

105

BR ANDSCHUTZ

WA S W I R D U N T E R B AU STA H L FÜR FREILIEGENDE KONST RUK TIONEN V ER STA NDEN?

105

VOR BER EIT UNG DES STA HL S FÜR DIE BESCHICHTUNG

106

WA H L D E S B E S C H I C H T U NG S UND ANSTRICHSYSTEMS

106 106

H AUP TFA K TOR EN FÜR DIE G ESTA LT UNG K L A S SEN VON BAUSTA HL FÜR FREILIEGENDE KONSTRUKTIONEN

127

GEBÄUDE MIT DIAGONAL AUSGESTEIFTER RÖHRE

128

FACHWERKBAND-SYSTEM

129

GEBÄUDE MIT TRAGWERKEN AUS RÖHRENBÜNDELN

GRUNDIERUNGEN

129

VERBUNDBAUWEISE

ANSTRICHSYSTEME FÜR FR EIL IEG ENDE STA HL KONSTRUKTIONEN

130

WINDLASTPRÜFUNGEN

131

DI AG ONA L E FACH W ER KG IT TER (DI AG R IDS)

131

VORTEILE DES DIAGONALGITTERS GEGENÜBER DEM BIEGESTEIFEN RAHMEN

132

HOCHHÄUSER MIT DIAGONALGITTERN

136

PROZESSPROFIL: BOW ENCANA TOWER

139

GEKRÜMMTE DIAGONALGITTERKONSTRUKTIONEN FÜR NIEDRIGE UND MITTELHOHE GEBÄUDE

140

DIAGONALGITTERKONSTRUKTIONEN FÜR KRISTALLINE BAUFORMEN

141

HYBRIDE BAUFORMEN

107

DEFIZITE VON FARBANSTRICHEN

86

KLASSE AESS 2 – SCHAUELEMENTE

107

88

KLASSE AESS 3 – SCHAUELEMENTE

AUFBRINGEN VON ANSTRICHEN: IN DER WERKSTATT ODER AUF DER BAUSTELLE?

89

KLASSE AESS 4 – EXPONIERTE ELEMENTE

108

KOR ROSIONSSCHUTZSYSTEME

91

SONDERBAUTEILE 108

VERZINKUNG

92

EDELSTAHL FÜR KONSTRUKTIVE ANWENDUNGEN

109

METALLBESCHICHTUNG

92

MISCHBAUWEISEN

110

WETTERFESTER STAHL

93

ANFOR DERUNGEN AN DIE AUSBIL DUNG VON ANSCHLÜSSEN

111

EDELSTAHL

112

BR ANDSCHUTZSYSTEME

112

BRANDBEKÄMPFUNGSANLAGEN

113

BRANDSCHUTZ-SPRITZPUTZE

113

BETON

113

DÄMMSCHICHTBILDENDE ANSTRICHE

94

ZUSCHNITT DES STAHLS

95

WA H L D E S VERBINDUNGSTYPS

95

SCHRAUBVERBINDUNGEN

96

SCHWEISSVERBINDUNGEN

97

GUSSVERBINDUNGEN

98

WA H L D E R B AU T E I LT Y PE N

98

HOHLPROFILE

99

STANDARD-BAUPROFILE

99

K APITEL 8

116

KOMPL EX E STA HL KONSTRUKTIONEN: DIAG ONA L E FACH W ER KG I T T ER (DI AG R IDS) HOCHH ÄUSER

KLASSE AESS 1 – GRUNDELEMENTE

VERBINDUNGSMUSTER

124

126

85

93

K APITEL 9

GEBOGENE STA HL BAU T EIL E

118

HERSTELLUNG GEBOGENER VER L ÄUFE

BEST PR ACTICE BEIM BAU VON FR EIL IEG ENDEN STA HL KONST RUK TIONEN

118

BESCHR ÄNKUNGEN FÜR DIE FERTIGUNG GEBOGENER STA HL BAUTEIL E

99

SORGFÄLTIGER UMGANG MIT BAUTEILEN

119

DER BIEGEVORGANG

99

TRANSPORT

120

ANWENDUNGEN FÜR GEBOG ENE STA HL BAUTEIL E

100

FESTLEGUNG VON HEBESEQUENZEN 122

100

BESCHRÄNKUNGEN AUF DER BAUSTELLE

FACET TIERUNG A L S A LTERNATIVE ZUM BIEGEN

101

MONTAGE 123

HER STEL LUNG VON K RÜMMUNG EN AUS STA HL BL ECHEN

K A PITEL 10

144

GUSSTEILE

146

GESCHICHTE UND G E G E N WA R T

147

GRUNDT YPEN VON GUSSVERBINDERN

148

ZUGBEANSPRUCHTE VERBINDUNGSELEMENTE

150

BASISVERBINDUNGEN

151

VERZWEIGTE VERBINDUNGEN

153

PROZESSPROFIL: SCIENCE BUILDING DER UNIVERSITY OF GUELPH


K A PI T E L 11

158

ZUGBEANSPRUCHTE KONSTRUKTIONEN UND R AUMFACH WERKE

K A PI T EL 13

202

KOMPLEXE R AHMENKONSTRUKTIONEN: STA HL UND HOL Z

204

EIGENSCHAFTEN

205

DETA IL PL A NUNG

206

FERTIG UNG UND MONTAG E

160

ZUGBEANSPRUCHTE KONSTRUKTIONEN

161

ZUGVERBINDER

161

KREUZVERSTREBUNGEN

206

OBERFL ÄCHENBEHANDLUNG

164

DIFFERENZIERUNG DER EINWIRKENDEN LASTEN IN FACHWERKEN

207

V ER DECK TE STA HL BAUTEIL E

208

PROZESSPROFIL: ERWEITERUNG SBAU DER A RT G A L L ERY OF ON TA R I O (AG O)

167

EINFACHE VORDACHKONSTRUKTIONEN

168

KONSTRUKTIONEN MIT SEILVERSPANNUNGEN

170

TENSEGRITY-KONSTRUKTIONEN

172

R AUMFACH W ER K E

173

NICHTEBENE RAUMFACHWERKE

176

UNREGELMÄSSIGE MODULE

212

K A P I T E L 14

216 K APITEL 12

178

STA HL - UND GL ASKONSTRUKTIONEN

180

FRÜHE BAUTEN AUS STA HL UND G L A S

181

TECHNISCHE ASPEKTE DER KOMBINATION VON STA HL UND G L A S

183

UNTER KONSTRUKTIONEN FÜR VERGL ASUNGEN

184

WA H L D E S G E E I G N ET E N SYSTEMS

186

EINFACHE T R AG SYSTEME FÜR VOR H A NGFA S SA DEN

186

EINFACHE T R AG SYSTEME MIT WINDVER BÄNDEN

187

SEILV ER SPA NNTE G EBÄUDE HÜL L EN MIT TR AGENDER VOL LV ERG L A SUNG

188

SEILNETZFASSADEN

189

PUNKTHALTERUNGEN AUS EDELSTAHL

190

SEILBINDERKONSTRUKTIONEN

192

KOMPLEXE SEILKONSTRUKTIONEN

195

ZU ÖFFNENDE STAHL- UND GLASKONSTRUKTIONEN

196

GEBOGENE FOR MEN

197

G IT TER SCH A L ENBAU W EISE

PROZESSPROFIL: EIS SCHNEL L L AUFH A L L E RICHMOND

STA HL UND NACHH A LTIGK EIT

218

STA HL A L S NACHH A LTIG ER BAUSTOFF

219

DAS ZERTIFIZIERUNGSSYS TEM LEADERSHIP IN ENERGY A ND EN V IRONMENTA L DE S I G N ( L E E D TM)

220

R ECYCL ING UND WIEDERVERWENDUNG

220

RECYCLINGANTEIL

220

WIEDERVERWENDUNG VON BAUTEILEN

221

ANGEPASSTE NACHNUTZUNG

223

NACHHA LTIGK EIT FR EIL IEG ENDER STA HL KONSTRUKTIONEN

223

EMISSIONSARME ENT WURFSSTR ATEGIEN

225

REDUZIERUNG DES MATERIALEINSATZES

225

REDUZIERUNG VON ANSTRICHEN UND BESCHICHTUNGEN

225

REDUZIERUNG VON ARBEITSKOSTEN

226

REDUZIERUNG DES TRANSPORTAUFWANDES

227

DAUERHAFTIGKEIT

K A PI T E L 15

228

STA HL IN TEMPOR ÄREN AUS STEL LUNG S BAUTEN ANHANG

236

LITERATURHINWEISE

237

ABBILDUNGSNACHWEIS

238

REGISTER TECHNISCHER BEGRIFFE

240

REGISTER DER BAUAUFGABEN

241

BAUTENREGISTER

242

REGISTER DER ARCHITEKTEN UND STAHLBAUFIRMEN

243

ORTSREGISTER

244

ÜBER DIE AUTORIN UND DEN TECHNISCHEN ILLUSTRATOR

245

SPONSOREN


Vo r w o r t Der Hochbau wird zu einem immer komplexeren Fachgebiet und Arbeitsfeld. Architekten und Ingenieure können beim Entwurf der Tragkonstruktion von Gebäuden aus zahlreichen Baustoffen und Bausystemen wählen. Die Grundidee dieses Buches beruht auf der festen Überzeugung von den Vorzügen, die im Verständnis des inhärenten Zusammenhangs zwischen den Materialeigenschaften und dem architektonischen Entwurf liegen. Qualitativ hochwertige Entwürfe orientieren sich am Potenzial der verwendeten Baustoffe und machen es sich als Grundlage der Planung zu eigen. Dabei muss die Auswahl des Materials für die Haupttragkonstruktion am Beginn der Konzeptplanung stehen, die in den Entwurf zu überführen und mit Hilfe der einzelnen Entwurfsziele weiter auszuarbeiten ist. Obwohl Stahl aufgrund seiner Eigenschaften ein hochtechnisches Material ist – von der Planung bis zur Ausführung –, bieten seine Merkmale ein enormes Potenzial für eine dynamische Architektur. Die Verfasserin dieses Buches hält es für wichtiger, dass Architekten ein gutes Verständnis der Art und Ausführung von Stahlkonstruktionen entwickeln, als dass sie Berechnungen durchführen. Gewinn verspricht hierbei die vertiefte Betrachtung von realisierten Beispielen. Darüber hinaus müssen sich Architekten der wichtigen Rolle bewusst sein, die das Stahlbau- und -montageunternehmen bei der Unterstützung des Entwurfs komplexerer Konstruktionen und Details einnimmt. Seit 1983 bin ich als Dozentin für Hochbau an der Architekturfakultät der University of Waterloo in Ontario, Kanada, tätig. Mein Lehransatz beruht wesentlich auf der Untersuchung realisierter Projekte, mit dem Ziel des Verständnisses der ihnen innewohnenden Intentionen, Erfolge und Fehlschläge sowie der Ableitung entsprechender Schlussfolgerungen. Bei der Dokumentation beispielhafter Stahlbauprojekte – so weit möglich auch ihrer Bauphasen – habe ich mit dem Canadian Institute of Steel Construction und der Steel Structures Education Foundation of Canada zusammengearbeitet. Nach Ablauf der Bauphase sind bestimmte Aspekte des Bauprozesses nicht mehr erkennbar, was die Darlegung der Konstruktion eines Gebäudes erschwert. Ein Großteil der Publikationen im Architekturbereich bezieht sich auf Gebäude während ihrer Nutzung und enthält nur in seltenen Fällen umfassende Informationen über den Bauprozess. Auch Architekturfotografie zeigt meist die fertiggestellten Gebäude. Die Dokumentation von Bauprozessen kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. In den meisten Fällen stammen Fotos aus der Bauphase von den vor Ort beteiligten Mitarbeitern und sind nicht für eine Veröffentlichung bestimmt. Solche Dokumentationen zu erstellen ist zu meinem persönlichen Anliegen, zu meiner Leidenschaft geworden, um selbst ein Verständnis des Bauprozesses zu entwickeln und es mit jenen zu teilen, die ihn studieren wollen. Während der vergangenen zehn Jahre dokumentierte ich Projekte bekannter Architekten wie Foster + Partners, Frank Gehry, Studio Libeskind, Antoine Predock oder Will Alsop über den größten Teil der Bauphase, von der Grundsteinlegung bis zur Eröffnung des Gebäudes. Diese in meinem Land realisierten Projekte legen in einigen Kapiteln den Schwerpunkt der Beispiele auf Kanada. Sie dienen als Bezugspunkt für die umfassenderen Beschreibungen der Fertigungs- und Montageabläufe. Mein Dank gilt den Stahlbauunternehmen Walters Inc., Benson Steel und Mariani Metal für die Möglichkeit des Besuches ihrer Fertigungsbetriebe sowie den bauausführenden Unternehmen PCL Constructors, EllisDon Corporation, Vanbots und Ledcor für den mir gewährten Zugang zu den Baustellen. Darüber hinaus danke ich Kubes Steel für die Möglichkeit der Besichtigung des Biegebetriebs.

Die groß bemessenen, spezialgefertigten Verbindungen am von Richard Rogers geplanten Terminal 5 des Flughafens Heathrow in London sind Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Architekt, Tragwerksplaner, Stahlbauunternehmen und bauausführender Firma. – 8


– 9


K APITEL 3 ---

VER BINDUNGEN VON STA H L B AU T EI L EN UND V ER FA H R EN DE S STA H L S K EL ET T B AUS --DA S PR INZIP DES SK EL ET T BAUS GRUNDL AGEN DER VER BINDUNG VON BAUTEIL EN R AHMENVERBINDUNGEN TRÄGER-BALKEN-VERBINDUNGEN BALKEN- ODER TRÄGER-STÜTZEN-VERBINDUNGEN STÜTZENVERBINDUNGEN STECKBOLZENVERBINDUNGEN

DECK ENSYSTEME AUSG ESTEIFTE SYSTEME FACH W ER K T R ÄG ER SYST EME EBENE FACHWERKTRÄGER Für die Stahlhohlprofilkonstruktion

RAUMFACHWERKTRÄGER

des von Pei Cobb Freed and Partners entworfenen Quartier 206 in den Friedrichstadtpassagen in Berlin wurden vorwiegend Schweißverbindungen eingesetzt, um ein gefälliges Erscheinungsbild der Anschlusspunkte der groß bemessenen runden Bauteile zu erzielen. Für die kleineren, das Oberlicht abstützenden Elemente wurde eine Kombination aus Schweißund Schraubverbindungen verwendet, da diese Bauteile weniger in Erscheinung treten. Die Rahmenkonstruktion hebt sich vom dunklen Nachthimmel ab, so dass die Anordnung der Bauteile nachts deutlicher hervortritt als am Tag.



DA S PR INZIP DES SK EL ET T BAUS Der Stahlbau entwickelte sich als Elementbausystem aus Verfahren in der Frühphase der Industrialisierung, die zur Errichtung von Gebäuden aus guss- oder schmiedeeisernen Tragwerken entwickelt worden waren. Die einzelnen Tragglieder werden entweder miteinander verschraubt oder verschweißt. Gebäude werden in der Regel aus einer Reihe vorgefertigter Elemente errichtet, die jeweils in der Werkstatt vormontiert werden. Endmontage und Errichtung finden auf der Baustelle statt. Ein größtmöglicher Anteil der Vorfertigung in der Werkstatt wird angestrebt, da sich Zuschnitt, Formgebung, Verschweißung und Endbehandlung der Bauteile unter den dort herrschenden kontrollierten Bedingungen reibungsloser gestalten. Die Beförderung von der Werkstatt zur Baustelle setzt Grenzen hinsichtlich der maximalen Abmessungen von Bauteilen, die noch transportiert werden können. Dem Zusammenbau mehrerer kleinerer zu einem größeren Element auf der Baustelle sind durch die zulässige Traglast des Kranes und die Größe des Montagebereiches Grenzen gesetzt. Die Stahlskelettbauweise vereinfacht Fertigung, Errichtung und statische Berechnung. Dabei beruht die Grundkonstruktion auf einer geradlinigen Anordnung gerader Tragglieder, die an den Knotenpunkten miteinander verbunden sind. Eine regelmäßige Geometrie und im Raster angeordnete Stützen tragen zur Minimierung von außermittigen Lasteinwirkungen auf die Konstruktion bei. Dabei ist die orthogonale Anordnung zwar unter dem Gesichtspunkt der Raumplanung vorteilhaft, jedoch in sich instabil. Die Stabilität in Querrichtung wird durch Verstärkungen und Aussteifungen gewährleistet; hierfür werden entweder Volltafeln, biegesteife Verbindungen oder Dreiecksverbände eingesetzt. Auch ergibt sich aus der Skelettbauweise eine Vereinfachung der statischen Berechnung, da Stahlbausysteme meist in zweidimensionale Segmente und statisch bestimmte Konstruktionen gegliedert werden können – im Gegensatz zu Betonbausystemen mit ihren durchlaufenden Traggliedern und monolithischen Bauweisen. Der von William Le Baron Jenney im Jahr

GRUNDL AGEN DER VER BINDUNG VON BAUTEIL EN

1890 entworfene Fair Store in Chicago, Illinois, war eines der ersten mehrgeschossigen Bauwerke, bei denen sich eine standardisierte Skelettbauweise herauszubilden begann. Zur damaligen Zeit wurden

Bei allen Stahlskelettkonstruktionen werden unabhängig von ihrem Komplexitätsgrad standardisierte Verfahren zur Verbindung von Bauteilen und Erfüllung der Anforderungen an die Lastabtragung eingesetzt. Die Anschlüsse erfüllen dabei meist die Funktion eines „Gelenks“ und übertragen vertikale und

als Arten von Traggliedern lediglich Doppel-T-Träger, Winkel und Bleche eingesetzt. Diese wurden zumeist durch Warmnieten miteinander verbunden.

horizontale Schubkräfte. Sie sind nicht darauf ausgelegt, Kraftmomente, Biege- oder Torsionskräfte

Die heute angewandten Skelettbauweisen

aufzunehmen. Zur Herstellung der Anschlüsse sind daher einfache Schraub- oder Schweißverbindungen

sind von diesen Bauten der Frühphase

möglich. Bei auftretenden hohen Momenten oder Biegekräften können die Anschlüsse verstärkt und bie-

abgeleitet.

gesteif ausgebildet werden, indem der Anschluss mit zusätzlichen angeschraubten oder geschweißten Blechen oder Winkeln versehen wird. Querlasten können durch Hinzufügung von Aussteifungssystemen aufgenommen werden, die als dreieckige Anordnungen in das Stahlskelett integriert werden – Dreiecksformen sind in sich biegesteif. Die zusätzliche Erfüllung des Kriteriums der Erdbebensicherheit beruht auf denselben Vorgehensweisen wie für die Verbindungen und Anschlüsse des Stahlskeletts. Anschlüsse zwischen Stahlbauteilen sind entweder verschraubt oder verschweißt. Schrauben können nach ihrer Festigkeit und Art des Kopfes unterschieden werden. Wenn der Stahl nicht sichtbar ist, stellt die Auswahl des Schraubentyps eine rein statische Überlegung dar, wobei eine für die Aufnahme der Schubkräfte ausreichende Zahl von Schrauben sowie eine für das Schraubenraster hinreichende Blechgröße vorzusehen sind. Der Entwurf der Stahlskelettsysteme und Verbindungen hat unmittelbare Auswirkungen auf die Baupraxis: Stahlkonstruktionen lassen sich mit Schraubverbindungen rascher montieren, was jedoch die Anwendung von Schweißverfahren nicht ausschließt, falls diese aus ästhetischen oder konstruktiven Gründen bevorzugt werden. Als Schraubentypen werden in der Regel entweder Sechskantschrauben oder vorspannbare Schrauben eingesetzt. Beide bestehen aus hochfestem Stahl und erfüllen denselben Zweck. Sechskantschrauben müssen für das Anziehen von beiden Seiten zugänglich sein, es wird jedoch kein spezielles Werkzeug benötigt. Vorspannbare Schrauben erfordern zum Festziehen und Abtrennen des Endes Sonderwerkzeug, müssen jedoch nur von einer Seite aus zugänglich sein.

– VERBINDUNGEN UND STAHLSKELETTBAU


Die hier abgebildete Schraubverbindung

In den meisten Fällen können Schrauben fest angezogen werden, also mit der maximalen Kraft, die der

im von Antoine Predock entworfenen

Monteur anwenden kann. Sie müssen nicht vorgespannt werden. Nur unter besonderen Bedingungen ist

Canadian Museum for Human Rights in Winnipeg, Manitoba, verdeutlicht das Verfahren des zusätzlichen Anziehens der Mutter.

eine solche Vorspannung erforderlich: bei nicht zulässigem Schlupf, für erdbebensichere Verbindungen, bei Stoß- oder Dauerschwingungsbeanspruchung, bei ausschließlicher Zugbelastung oder wenn überproportional große Bohrungen vorgesehen werden. In allen anderen Fällen ist das feste Anziehen der Schrauben für übliche Endanschlüsse von Trägern völlig ausreichend. Die Entscheidung für oder gegen eine Vorspannung der Schrauben hängt vor allem von der jeweiligen Anwendung ab; die Größenordnung der abzutragenden Last ist sekundär. Wenn die Schrauben vorgespannt werden müssen, so sollte dies vorzugsweise durch zusätzliches Anziehen der Mutter geschehen. Nachdem die Schrauben fest angezogen wurden, erfolgt eine zusätzliche Drehung der Mutter, um die Schraube auf das gewünschte Maß vorzuspannen. Hierbei markiert der Arbeiter vor der zusätzlichen Drehung meist den Schraubendurchmesser mit Kreide. Bei der Abnahme ist dann erkennbar, ob die Teildrehung korrekt ausgeführt wurde. Häufig ist für die gewünschte Vorspannung der Schraube nur eine zusätzliche Drehung um ein Drittel erforderlich. Vorspannbare Schraubenverbindungen bieten eine weitere Möglichkeit, die gewünschte Spannung der Schraube zu erzielen, jedoch wird das herkömmliche Verfahren des zusätzlichen Anziehens der Mutter vielfach als zuverlässiger angesehen. Um die Spannung der Schraube zu bestimmen, muss diese vom Wert des Drehmoments abgeleitet werden. Nach der Umrechnung ist der Wert häufig nicht repräsentativ für die tatsächliche Spannung der Schraube, was vor allem auf verzinkte Schrauben zutrifft. Links: Der Kopf bei vorspannbaren Schrauben unterscheidet sich deutlich von der üblichen Sechskantschraube. Unterlegscheibe und Mutter zum Festziehen befinden sich auf der Rückseite, so dass auf deren Zugänglichkeit zu achten ist. Sie werden eingesetzt, wenn Schlupf vermieden werden soll. Beim Bow Encana Tower wurden sie für die provisorischen Stützen-Stützen-Verbindungen vor der endgültigen Verschweißung verwendet. Rechts: Der hier abgebildete Träger ist transportfertig. Seine Laschen sind mit hochfesten Sechskantschrauben befestigt. Bei solchen Schrauben für konstruktive Anwendungen wird die Mutter üblicherweise auf der Seite des einfachsten Zugangs angeordnet.

Bei Stahl, der als sichtbares architektonisches Gestaltungselement eingesetzt wird (siehe Kapitel 5 „Freiliegende Konstruktionen“), sind die Auswahl der Schraubenköpfe und des Verschraubungsrasters sowie die für die Anordnung der Schraubenköpfe bevorzugte Seite von großer Bedeutung für das architektonische Erscheinungsbild. Ein wesentlicher Teil der für die Montage erforderlichen Bautoleranzen ergibt sich aus der Genauigkeit der Flucht und Bohrung der Schraubenlöcher. Häufig wird fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Bohrungen zur Aufnahme von Schrauben grundsätzlich größer ausgelegt werden, um die genaue Ausrichtung der Bauteile während der Montage zu erleichtern. Das Gegenteil ist richtig: Ungenauigkeiten summieren sich zu größeren Abweichungen und gestalten die Montage komplizierter. In einer Stahlskelettkonstruktion bestehen für Schraubenlöcher enge Toleranzen, die bei Entwürfen mit sichtbarem Stahl als Gestaltungselement noch geringer ausfallen, da es hier auf äußerst genaue Passung ankommt. Langlöcher werden nur dann vorgesehen, wenn sekundäre Systeme wie zum Beispiel vorgehängte Fassaden an der Stahlskelettkonstruktion befestigt werden, um Abweichungen in der Ausrichtung der verwendeten Bausysteme auszugleichen. Sechskant- oder Spannschrauben Links: Montage einer Sechskantschraube. Auf beiden Seiten der Verbindung zwischen dem Stahl und dem Schraubenkopf bzw. der Mutter wird je eine übliche Unterlegscheibe verwendet, die bei der Lastabtragung eine unterstützende Funktion übernimmt. Dieser Schraubentyp wird in der Regel fest angezogen und muss normalerweise nicht vorgespannt werden. Rechts: Montage einer vorspannbaren Schraubenverbindung. Der spezielle Federring wird nur auf der Rückseite der Verbindung verwendet. Einige patentgeschützte Typen verfügen über kleine Einschlüsse, die mit einer leuchtend eingefärbten Substanz gefüllt sind. Diese wird herausgedrückt, wenn die gewünschte Vorspannung erreicht ist.

– 29


Die zusammenzufügenden Stahlbauteile können entweder mit einer Überlappung des die Hauptlast abtragenden Teils des Traggliedes oder nacheinander „in Reihe“ angeordnet werden. Überlappungsverbindungen: Eine Überlappungsverbindung dient in der Regel als Zugstoß und ist für Verbindungen geeignet, die nicht symmetrisch ausgebildet sein müssen. In den Abbildungen auf der linken Seite ändert sich die Ausrichtung des Bleches beiderseits der Verbindung. Bei Einwirkung von Lasten auf die Verbindung kann es zum Versagen kommen, indem die Öffnung bis zum Durchknöpfversagen auseinandergezogen (Mitte) oder die Schraube vollständig abgeschert wird (unten). Je höher die auf die Verbindung einwirkende Last, desto größer die Abmessung bzw. Zahl der erforderlichen Schrauben. Für die Aufnahme der Zugbeanspruchungen kommt es ebenfalls auf die Blechdicke an. Zur Lastverteilung ist zwischen den Schraubenlöchern und der Blechkante ein ausreichender Abstand vorzusehen. In den Abbildungen auf der rechten Seite ist der Stahl auf beiden Seiten der Verbindung ungleich angeordnet. Der rot gekennzeichnete Bereich stellt das Blech dar, das bei Versagen der Verbindung herausgezogen wird (Mitte). In diesem Fall kommt es zu einem Abscheren der Schraube auf zwei Ebenen (unten). Links: Im Bow Encana Tower sind alle Aussteifungsanschlüsse als einfache Überlappungsverbindung ausgebildet. Das Schraubenraster in der Verbindung hält die Bauteile exakt in der erforderlichen geometrischen Anordnung und bietet einen für die Lastabtragung ausreichenden Schraubenquerschnitt. Rechts: Wenn eine noch höhere Tragfähigkeit erforderlich ist, kann die Anzahl der Überlappungsbleche erhöht werden. Bei der Verbindung am Guelph Science Building sind zwei Schraubentypen sichtbar. Die Befestigung des x-förmigen Bleches an der Unterseite des Flansches erfolgt über Spannschrauben, während durch den Anschluss selbst eine hochfeste Stahl-Sechskantschraube geführt wird. Die in dieser Gelenkverbindung einzeln angeordnete Schraube soll eine Drehbewegung ermöglichen, um die Ausrichtung bei der Montage zu vereinfachen. Gerade Stöße: Diese Verbindungsart wird gewählt, wenn die Hauptachse des Stahlbleches und die einwirkenden Kräfte „parallel“ verlaufen. Die Verbindung wird ergänzt durch zusätzliche Bleche, die entweder auf einer oder auf beiden Seiten des Stoßes angebracht werden. Die Zahl der in der Verbindung verwendeten Schrauben richtet sich nach der Fläche, die für die Aufnahme der Schubkräfte erforderlich ist. In den Abbildungen auf der linken Seite befindet sich lediglich auf einer Seite der Verbindung ein Stoßblech. Diese Anordnung resultiert bei der Lastabtragung durch die Schrauben in einer einzigen Schubebene (unten). Die Abbildungen auf der rechten Seite zeigen eine Verbindung, durch welche die Schubfläche in den Schrauben verdoppelt wird, indem auf beiden Seiten des Haupttraggliedes ein Blech montiert wird (unten). Wenn der Stoß auf Zug beansprucht wird, muss sich darüber hinaus genügend Stahl zwischen dem Schraubenloch und dem Ende des Bleches befinden, um ein Durchknöpfen zu verhindern (Mitte). Links: Für die Stirnflächen der Breitflanschträger der von Rem Koolhaas entworfenen Seattle Public Library, Washington, D.C. wurden gerade Stöße vorgesehen, da die Ausfachungsstäbe genau in der Flucht verlaufen müssen. Die Bleche sind auf beiden Seiten des Stoßes angeordnet. Über und unter den Anflanschungen sind zusätzliche Blechverstärkungen angeschweißt, um Wechselwirkungen zwischen dem Tragwerk und der vorgehängten Wandverkleidung auszuschließen. Rechts: Zur Verlaschung dient ein gerader Stoß. In den Anschluss wird ein Schlag-Ringschlüssel eingeschoben, um die genaue Ausfluchtung während der Montage zu gewährleisten. Die teilweise Verschraubung ermöglicht den Abbau des Kranes.

– VERBINDUNGEN UND STAHLSKELETTBAU


Schweißverbindungen werden in der Regel für die Vorfertigung großer Hauptbauteile in der Werkstatt verwendet, wie beispielsweise großer Blechträger oder Verbundprofile. Schweißungen in hoher Qualität erfolgen am besten unter kontrollierten Bedingungen. Geschweißte Anschlüsse sind ebenfalls vorzuziehen,

in

wenn komplexe Fachwerkträger aus Hohlprofilen hergestellt werden sollen, da sich die üblichen Anschluss-

t

r

verfahren mit Einsatz von Blechen und Winkeln besser für die Verbindung von Bauteilen mit Stegen und

er

Flanschen eignen. Bei Schweißverbindungen ergeben sich andere Fragestellungen, wenn man verdeckt angeordnete mit freiliegenden Konstruktionen vergleicht. In Kapitel 6 „Freiliegende Konstruktionen“

f-

werden Fragen der Ästhetik und Kosten im Zusammenhang mit Schweißverbindungen erörtert.

g

nde

Schweißverbindungen: Bleche können mit Hilfe zweier Grundtypen von Schweißungen auf Stoß miteinander verbunden werden. Fugennähte (links) kommen zum Einsatz, wenn die beiden Bleche in derselben Flucht verlaufen müssen. Dickere Bleche

en

werden mit einer Doppel-V-Naht verschweißt (oben links), dünnere mit einer V-Naht (unten links). Wenn die Bleche nicht exakt ausgefluchtet werden müssen, können

l

Überlappungsschweißungen hergestellt werden (rechts). Bei lediglich geringen Lasteinwirkungen auf die Überlappung ist die Ausbildung einer Einfachkehlnaht

r

oder Stirnnaht möglich (oben rechts). Bei höheren Lasten ist eine Doppelkehl-

zu

naht vorzusehen (unten rechts). Für Bleche, die in einer Flucht verlaufen müssen, kann mit Hilfe von Fugennähten ein sauberes Erscheinungsbild der Verbindung hergestellt werden, wenn auf Laschen verzichtet werden soll. Je nach Vorgaben für

s

die Oberflächenqualität können die Schweißnähte wie ausgeführt belassen oder glattgeschliffen werden. Das Schleifen sollte dabei besonders anspruchsvollen Anwendungen vorbehalten bleiben, da es kostenintensiv und zeitaufwändig ist. Darüber hinaus kommt es beim Schleifen aufgrund der Abtragung von Schweißmaterial zu einer Minderung der Tragfähigkeit der Schweißung.

n

e

R AHMENVERBINDUNGEN

e

Stahlkonstruktionen werden mit Hilfe weniger typisierter Verbindungen montiert. Bei der Entwicklung der typisierten Rahmenverbindungen wurde vom Einsatz von Flanschprofilen ausgegangen. Diese ermöglichen auf beiden Seiten des Bauteils einen Zugang zur Verschraubung. Bei Verwendung von Hohlprofilen sind die Verbindungen entsprechend anzupassen, da hier die einfache Variante mit durchgehenden Schrauben nicht möglich ist. TRÄGER-BALKEN-VERBINDUNGEN Für den Anschluss eines Trägers an einen Balken können drei grundlegende Verfahren angewandt werden. Die Auswahl hängt von den Lastanforderungen an das Deckensystem, Beschränkungen der lichten Geschosshöhe und Bereitstellung von Raum zur Aufnahme von Leitungskanälen ab. Leitungen können an der Unterseite des Bauteils entlanggeführt werden, jedoch besteht auch die Möglichkeit, den Träger oder Balken zu durchbohren, um Durchführungen zu schaffen. Links: „Ausgeklinkte“ Verbindung. Bei dieser Anschlussart wird der Obergurt des Trägers ausgeschnitten, so dass die Oberkanten bündig abschließen. So wird eine ebene Fläche für den Einbau des Deckensystems geschaffen. Der Steg ist in der Regel am Steg des Balkens befestigt, wobei zwei Winkel verwendet werden, die mit beiden Bauteilen verschraubt werden. Mitte: Auflager des Trägers auf dem Balken. Die Flansche sind auf einfache Weise miteinander verschraubt. Dieses Verfahren wird angewandt, wenn es nicht auf die Geschosshöhe ankommt oder wenn über dem Balken Durchführungen für Leitungen hergestellt werden sollen. Rechts: Einfache Rahmenverbindung des Trägers mit dem Steg des Balkens ohne Ausklinkung. Diese Variante ist geeignet, wenn kein Deckenbauteil abzustützen ist.

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Links: Eine ausgeklinkte Verbindung bietet trotz der Größenunterschiede der Träger eine ebene Fläche für den Einbau des Fußbodens. Die in den Anschlüssen sichtbare abweichende Schraubenzahl weist eindeutig auf die unterschiedlichen abzutragenden Schubkräfte hin. Rechts: Die Stahlskelettbauweise beinhaltet eine eindeutige Hierarchie der Abtragung von Lasten im Bauwerk, hier für den von Frank Gehry entworfenen Erweiterungsbau der Art Gallery of Ontario in Toronto, Ontario. Der sehr hohe Träger dient als Transferträger der Lastverteilung und schafft einen weiten stützenfreien Raum. In den Träger wurden Ausschnitte eingebracht, welche die Durchführung von Leitungen ermöglichen. Zur Verstärkung des Trägerstegs wurden an den Ausschnitten zusätzliche Stahlteile aufgeschweißt. Decken-Hauptträger aus Stahl sind über Ausklinkungen in den Transferträger eingebunden. Kleinere Träger übertragen die Deckenlasten auf die Hauptträger. Rahmenverbindungen ermöglichen trotz ihrer Komplexität eine einfache statische Berechnung.

Rahmenverbindungen mit üblichen Breitflanschprofilen werden meist bei nicht sichtbaren Bauteilen aus Konstruktionsstahl eingesetzt. Der Einsatz des Stahls als exponiertes architektonisches Gestaltungselement erfordert zusätzliche Detailplanung im Hinblick auf Ausrichtung und Genauigkeit. Aus ästhetischen Gründen kann es notwendig sein, sowohl Ober- als auch Untergurt in einer Flucht anzuordnen oder die Palette an verwendeten Stahlprofilen zu standardisieren, um ein einheitlicheres Erscheinungsbild zu schaffen - selbst wenn die Profile dadurch schwerer oder größer ausfallen als für die einwirkenden Lasten erforderlich.

Links: Für das von Cannon Design entworfene große Sonnenschutzdach des Las Vegas Courthouse, NV, wurden hohe Breitflanschträger verwendet, die das Raster gliedern. Kleiner bemessene Stahlprofile dienen als Ausfachungen und für den Sonnenschutz. Aufgrund des sichtbaren Stahls lag die Priorität auf einem einheitlichen Erscheinungsbild. Rechts: Die hohen Träger mussten mit ausgeklinkten Anschlüssen an Ober- und Untergurt versehen werden, um ein einheitliches, ungerichtetes Raster zu schaffen.

BALKEN- ODER TRÄGER-STÜTZEN-VERBINDUNGEN Balken und Träger übertragen die von der Decke einwirkenden Lasten auf die Stützen. Der Anschluss erfolgt dabei entweder an den Stützenflansch oder den Steg; dies hängt von der Ausrichtung der Stütze ab, die sich wiederum aus der konstruktiven Durchbildung ergibt. Stützen sind in der Regel so ausgerichtet, dass die vorherrschende Windlast rechtwinklig zum Stützenflansch angreift. Der Anschluss an den Flansch ermöglicht den Stahlbaumonteuren einen einfacheren Zugang für das Anziehen der Schrauben. Träger und Balken werden von einem Kran in ihre Einbaulage gehoben. Die entsprechenden Bohrungen in den Winkeln werden mit Hilfe eines Schlag-Ringschlüssels in Deckung gebracht, und die Schrauben werden eingeführt. In manchen Fällen werden an der Stütze provisorische Winkelauflager befestigt, um eine Abstützung für die Positionierung des Trägers zu schaffen, so dass der Kran die Last früher freigeben und der Montageablauf beschleunigt werden kann. Diese hilfsweise angebrachten Teile können nach Fertigstellung der Verbindung entweder entfernt oder belassen werden, um den Anschluss auszusteifen.

– VERBINDUNGEN UND STAHLSKELETTBAU


Beim Anschluss des Trägers an den Stützensteg ist darauf zu achten, dass die Stahlbaumonteure über ausreichend Platz für den Zugang verfügen. Links: Aufsitzende Verbindung. Winkel werden mit der Stütze verschraubt, um während der Montage eine Aufnahme für den Träger zu schaffen. Die Winkel können in ihrer Lage belassen werden, so dass sie bei Bedarf eine zusätzliche Abstützung bieten, oder aber entfernt werden. Mitte: Bei dieser Standard-Rahmenverbindung werden die Winkel bereits in der Werkstatt mit dem Trägersteg verschraubt; die Verschraubung mit dem Stützenflansch erfolgt dann auf der Baustelle. Die Verbindung dient als Gelenk, da sie lediglich für die Aufnahme von Schubkräften ausgelegt ist. Rechts: Diese Verbindung wurde verstärkt, um Momentenkräfte aufnehmen zu können. Hierfür wurden vor der Montage Bleche an die Stütze angeschweißt und auch mit den Trägerflanschen verschweißt, um eine biegesteife Verbindung zu schaffen.

Beim Bau des Daches dieses Umsteigebahnhofs in Vancouver, British Columbia, wurden eine Reihe von StandardAnschlussverfahren zur Lastübertragung auf die Stütze angewandt. Die Spannrichtung verläuft stets rechtwinklig zum Stützelement. In diesem Fall ist der Balken seitlich mit der H-Stütze verbunden, wobei Winkel mit dem Steg verschraubt sind. Die Übertragung von Lasten erfolgt von der profilierten Dacheindeckung über die Träger und zurück auf die Stütze.

STÜTZENVERBINDUNGEN Stahlstützen werden in der Regel mit einer Grundplatte verschweißt, welche die Stütze mit dem Gründungspfeiler oder dem Tragwerk verbindet. Diese Platte ist üblicherweise größer als die Stütze, mit Bohrungen versehen und auf Verankerungsbolzen abgesenkt, die in die Gründung eingebracht wurden. Links: Bei dieser einfachen StützenfußVerbindung dienen vier Gewindebolzen zur Verankerung der Platte. Die Platte ist gegenüber dem Betonfundament leicht erhöht, so dass Justiermuttern unter der Platte angebracht werden können. Der Hohlraum unter der Platte ist mit Einpressmörtel gefüllt, um die Lastabtragung zu unterstützen und die Muttern in ihrer Lage zu fixieren. Das Stützglied ist

Im Zuge der Übertragung der vertikalen Last von oben nach unten durch das Bauwerk erhöhen sich

gelenkig mit dem Fuß verbunden.

die auf die Stützen in den unteren Geschossen einwirkenden Lasten. Stützen für die oberen Geschosse

Mitte: An den Fuß der kreisrunden Hohlprofilstütze ist eine Rundplatte angeschweißt.

eines Gebäudes müssen daher geringere Tragfähigkeitsanforderungen erfüllen als Stützen, die für weiter unten liegende Geschosse vorgesehen sind. In mehrgeschossigen Bauten sind die Stützen auf Stoß zu montieren, da die möglichen Größtlängen wegen des erforderlichen Transports Beschränkungen unterworfen sind. Die Last muss vollständig von einer auf die andere Stütze übertragen werden.

Rechts: Für größere Stützen, die höhere Lasten abzutragen haben und möglicherweise auftretende Querkräfte aufnehmen müssen, ist eine aufwändigere Fußkonstruktion erforderlich. Im hier abgebildeten

Bei einfachen Anschlüssen ohne außermittige Lasten und mit identischen Stützenabmessungen am Stoß werden die aufeinandertreffenden Flächen geglättet, um den Lastverlauf nicht zu unterbrechen. Zur Aufrechterhaltung einer wirksamen Verbindung können an die Flansche und den Steg Verbindungslaschen geschraubt werden. Wenn die untere Stütze nur unwesentlich größer ist und sich die Flansche

Fall verlaufen die Gewindebolzen durch

weitgehend in der Flucht befinden, werden auf jeder Seite der Flansche der oberen Stütze Füllbleche

eine Doppelplatte, an die zur Verstärkung

angebracht. Wenn die obere Stütze wesentlich kleinere Abmessungen aufweist und die Flansche nicht

umlaufend Stahlrippen angeschweißt sind. Die geometrische Anordnung wurde sorgfältig geplant, um den Zugang zum Anziehen der Schrauben zu ermöglichen.

in der Flucht liegen, werden an beiden Stützen Fußbleche montiert, um den Lastverlauf zu vervollständigen und die Entstehung von Druckpunkten in der Verbindung zu verhindern. Die Stützenstöße können verschweißt oder verschraubt werden.

Unter der Grundplatte befinden sich Justiermuttern - daher der vor der Endmontage noch vorhandene Spalt.

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K APITEL 9 ---

KOMPL EXE STA H L KONST RU K T IONEN: DI AG ONA L E FACH W ER KG I T T ER (DI AG R ID S) --HOCHH ÄUSER GEBÄUDE MIT DIAGONAL AUSGESTEIFTER RÖHRE

FACHWERKBAND-SYSTEM

GEBÄUDE MIT TRAGWERKEN AUS RÖHRENBÜNDELN

VERBUNDBAUWEISE

WINDLASTPRÜFUNGEN

DI AG ONA L E FACH W ER KG I T T ER (DI AG R IDS) VORTEILE DES DIAGONALGITTERS GEGENÜBER DEM BIEGESTEIFEN RAHMEN

HOCHHÄUSER MIT DIAGONALGITTERN

PROZESSPROFIL: BOW ENCANA TOWER / FOSTER + PA RTNER S UND ZEIDL ER PA RTNER SHIP GEKRÜMMTE DIAGONALGITTERKONSTRUKTIONEN FÜR NIEDRIGE UND MITTELHOHE GEBÄUDE

DIAGONALGITTERKONSTRUKTIONEN FÜR KRISTALLINE BAUFORMEN

HYBRIDE BAUFORMEN

Das von Foster + Partners und Zeidler Partnership entworfene und von ARUP technisch geplante Bow Encana Tower Building in Calgary, Alberta. An dem mit einer Doppelfassade versehenen Gebäude wurde als Tragkonstruktion ein freiliegendes Diagonalgittersystem montiert.



HOCHH ÄUSER Der Council for Tall Buildings and Urban Habitat (CTBUH; Rat für Hochhausbau und urbanen Lebensraum) legt als definierendes Merkmal eines Hochhauses aus Stahl fest, dass seine vertikalen und horizontalen Hauptbauteile und Geschossdecken aus diesem Material bestehen müssen. Bei einem Verbundsystem wird davon ausgegangen, dass in den Haupttraggliedern Stahl und Beton zusammenwirken. Bei einem Gebäude in Mischbauweise werden verschiedene konstruktive Baustoffe oder Systeme über- bzw. untereinander eingesetzt. Der Anteil des Einsatzes von Stahl für das Haupttragsystem in Hochhäusern hat sich im Laufe der Jahre deutlich verringert. Von der Realisierung der ersten Hochhäuser bis etwa zum Jahr 1980 bestand das für Gebäude vorwiegend eingesetzte Tragwerk aus biegesteifen Rahmenröhren aus Stahlhohlprofilen. Später wurden für Hochhäuser in manchen Fällen Rohrbündelkonstruktionen („bundled tubes“) oder aber eine diagonal ausgesteifte Röhre („diagonalized tubes“) eingesetzt. Bei letzteren wird die Stahlrahmenkonstruktion durch zusätzliche Diagonalen verstärkt, um eine höhere Querkrafttragfähigkeit zu erzielen. Nach 1980 wurden zahlreiche Gebäude unter Verwendung von „Röhre-in-Röhre“-Systemen („tube-in-tube“) oder „Kern-Ausleger“-Systemen („core-outrigger“) errichtet. Diese Konstruktionen wurden in der Regel aus Ortbeton hergestellt, oder es wurde ein Verbundsystem aus Beton und Stahl gewählt. Dieser Fortschritt ergab sich aus deutlichen Verbesserungen der Pumpfähigkeit von Beton auf große Höhen. Bei der Errichtung von Hochhäusern sind eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, welche die Auswahl der Bauform beeinflussen, da bestimmte Verfahren je nach Auswahl des Baustoffs besser geeignet sind. Tragwerke aus biegesteifen Rahmenröhren, Rohrbündelkonstruktionen und einer diagonal ausgesteiften Röhre lassen sich aus Stahl einfacher herstellen als aus Beton. Darüber hinaus sprechen viele Argumente dafür, durch den Einsatz eines Diagonalrahmensystems eine höhere konstruktive Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Tragfähigkeit und Gewicht zu erzielen. Solche Konstruktionen werden in der Regel ausschließlich aus Stahl gefertigt. Bei der Wahl des Tragsystems zeigen sich ebenfalls geographische Präferenzen. In New York und im Nordosten Amerikas findet sich eine große Zahl von Hochhäusern, wobei die Mehrzahl weiterhin aus Stahl errichtet wird – ungeachtet weltweiter Trends in Richtung Beton sowie Verbund- und Hybridkonstruktionen. Dies reicht selbst bis zur Auswahl des Materials für die Gründung. In dieser Region wird die Auswahl des Materials von seiner Verfügbarkeit und auch vom Einfluss der Gewerkschaften bestimmt. Im Nahen Osten und in China werden für den Bau von Hochhäusern vorwiegend Stahlbetonkonstruktionen oder Verbundsysteme eingesetzt. Dort hat sowohl die Verfügbarkeit des Baustoffes als auch von qualifizierten Mitarbeitern Einfluss auf die Materialauswahl. Hochhäuser erfordern aufgrund ihrer erhöhten Anfälligkeit für Wind- und Erdbebenlasten besondere Bauverfahren. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist hierbei die Entwicklung von Stahlkonstruktionen, welche die Tragfähigkeit des Bauwerks gegenüber Windlasten erhöhen. Solche Systeme können so extrapoliert werden, dass eine breite Palette an regelmäßigen und unregelmäßigen Geometrien konstruiert werden kann, darunter auch Systeme mit deutlich außermittigen Lasteinwirkungen. Das nachfolgend ausführlicher dargestellte Diagonalgitter resultierte aus dem Versuch, das Hochhaus auf innovative Weise gegenüber einwirkenden Seitenkräften (vorwiegend Windlasten) zu stabilisieren. Die grundlegenden Bausysteme für Hochhäuser waren von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung dieser „Diagrids“. Portalrahmenkonstruktionen erwiesen sich bei Hochhäusern als unzureichend für die Aufnahme von Querkräften. Statt tragfähigere, windbeständige Rahmenverbindungen zu planen, griff man auf zusätzliche Diagonalstreben zurück, die eine bessere Biegesteifigkeit der Konstruktion boten. Über diagonal angeordnete Tragglieder konnten ebenfalls Lasten umgeleitet und andere Lastverläufe für den Fall des Versagens der Konstruktion geschaffen werden. Das moderne Gebäude mit Diagonalgittern entstand, als herkömmliche Stahlskelettbauten mit ergänzender diagonaler Aussteifung zunehmend durch Bauten ersetzt wurden, in denen ausschließlich ein regelmäßiges Raster aus Diagonalstreben eingesetzt wurde. Vielfach finden sich in diesen Gebäuden keine vertikalen Stützen. In anderen Fällen dienen die vertikalen Elemente ergänzend zur lastabtragenden Funktion der diagonalen Bauteile.

– DIAGONALE FACHWERKGITTER (DIAGRIDS)


Das tragende Stahlskelett wurde weiterentwickelt, indem Diagonalstreben integriert wurden, um die Standsicherheit zu erhöhen. Hieraus ergab sich schließlich eine Dominanz der diagonalen Tragglieder. Durch die Konstruktionsform des Röhrenbündels ergab sich ein zusätzliches Maß an Stabilität, da die Basis der Konstruktion wesentlich umfangreicher ausgebildet werden konnte als die nach oben hin stetig abnehmende Anzahl der Röhren. Der Fachwerkgurt bietet sowohl Standsicherheit als auch Raum für die Technikgeschosse. Der ausgesteifte biegesteife Rahmen (auch als Fachwerkrahmen bezeichnet) konzentriert die Aussteifung zur Aufnahme von Windlasten auf ein Röhrenbündel

vertikales Band, das sich über mehrere

Fachwerkgurt

Ausgesteifter biege-

Diagonal ausgesteifte

steifer Rahmen

Röhre

Geschossebenen des Turms erstreckt. Die Konstruktion mit einer ausgesteiften Röhre schafft auf beiden Seiten eine Erweiterung der diagonalen Tragglieder über die gesamte Fassade, wobei die Diagonalstreben als Ergänzung des

GEBÄUDE MIT DIAGONAL AUSGESTEIFTER RÖHRE Der Bau von Hochhäusern brachte besondere konstruktive Probleme mit sich, die mit ihrer Höhe sowie der erforderlichen Aufnahme von Windlasten verbunden waren. Ein Hochhaus verhält sich im

durch die Stützen gebildeten vertikalen

Wesentlichen wie ein sehr langer Kragarm. Zur Verhinderung einer Durchbiegung der Konstruktion

Lastpfades dienen. Das Diagonalgitter

wurden in früheren Bauwerken hochbelastbare biegesteife Verbindungen innerhalb einer einfacheren

macht vertikale Stützen überflüssig und

Rahmenkonstruktion geplant. Diese biegesteifen Hauptanschlüsse waren in der Rahmenkonstruktion

nutzt die Diagonalstreben zur Abstützung der Decken, wobei das System gleichzeitig Querkräfte aufnehmen kann.

verdeckt angeordnet und hatten daher keine Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Fassade. Zur Aussteifung der Anschlüsse wurden zusätzliche Stahlbauteile an den gelenkig ausgebildeten Verbindungen vorgesehen. Zu den Fortschritten im Entwurf von Hochhäusern gehörten auch neue Tragsysteme, welche die Aufnahme von Windlasten veranschaulichten, indem die Diagonalstreben sichtbar vor die Fassade traten. Diese Aussteifungen dienten der Verstärkung einer Rahmenkonstruktion, die weitgehend dem üblichen Portalrahmen entsprach, welcher früher im 20. Jahrhundert entwickelt worden war.

Links: Bei dem von Atkins Architects entworfenen Millennium Tower in Dubai wurde für die Fassade eine modernere Variante des außenliegenden Systems aus diagonalen Streben gewählt. Zur Erhöhung der Steifigkeit wurde für die äußere Verlängerung der Grundplatte ein vertikaler K-Träger vorgesehen. Dieser Entwurf ist ein Beispiel des ausgesteiften biegesteifen Rahmens bzw. Fachwerkrahmens. Rechts: Das 100-geschossige John Hancock Building in Chicago, Illinois wurde von Skidmore, Owings & Merrill entworfen. Hier überlagern die diagonalen Verstrebungen das orthogonale Raster der Rahmenkonstruktion, das durch die Fensterbänder, Stützenverkleidungen und Außenwandplatten gebildet wurde. Auch verjüngt sich der Turm nach oben, um weniger Angriffsflächen für Windlasten zu bieten. Dieses System wird als ausgesteifte Röhre oder diagonal ausgesteifte Röhre bezeichnet.

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Diagonalgitter


Für den von Atkins Architects konzipierten Büroturm Indigo Icon in Dubai wurde eine Abwandlung der kreuzweisen Aussteifung realisiert. Der biegesteife Rahmen befindet sich vor der Außenverkleidung des Turms, um seine konstruktive Durchbildung zur Schau zu stellen. Diese Anordnung führt zu Problemen in Bezug auf Klima- und Temperaturschwankungen, da sich bei dem im Außenbereich befindlichen Stahl eine Wärmedehnung zeigt, die von jener der Innenkonstruktion abweicht. Diese Lösung kann außerdem nur unter klimatischen Bedingungen gewählt werden, unter denen die Bildung von Wärmebrücken nahezu ausgeschlossen ist.

Das Konzept der außenliegenden Aussteifung ist ein weit verbreitetes konstruktives und architektonisches Ausdrucksmittel. Hier liegt der Unterschied zu einem echten Diagrid, da in diesem Fall die Aussteifung lediglich eine Ergänzung der weitgehend konventionellen Rahmenkonstruktion darstellt und dem Gebäude eine erhöhte Biegesteifigkeit verleiht, jedoch nicht als Haupttragsystem dient. Links: In dem von KPMB Architects entworfenen Quantum Nano Centre der University of Waterloo, Ontario, wurden sowohl im Innen- als auch im Außenbereich des Laborgebäudes unterschiedliche diagonale Aussteifungen eingesetzt. Die zusätzliche Tragfähigkeit dieser fünfgeschossigen Konstruktion musste aufgrund der Labors und der darin durchgeführten Prozesse geschaffen werden. Rechts: Die freiliegenden Stahlaussteifungen des Quantum Nano Centre sind außen an der Vorhangfassade angeordnet. Sie erforderten im Vergleich zu den mit einem Anstrich versehenen Stahlkonstruktionen im Innenbereich eine andere Endbehandlung.

Links: Bei diesem Wohnturm in Dubai wird eine Aussteifung aus Fachwerkbändern eingesetzt. Die Fachwerkkonstruktion reicht über zwei Geschosse, während herkömmliche vertikale Stützen die Lasten der dazwischenliegenden vier Geschosse aufnehmen. In diesem Fall sind die Diagonalstreben der Fachwerkträger in die Außenverkleidung integriert. Die Räume werden als Wohnflächen genutzt. Hier sind die Fachwerkträger unauffälliger ausgebildet, da der Entwurf eine stützenfreie Überspannung vom Kern bis zur Außenwand ermöglicht. Rechts: Das Technikgeschoss des von Cesar Pelli entworfenen Bloomberg Tower in New York. Dieses Geschoss wird zur Aussteifung durch Fachwerkträger gebildet, wobei die tragenden Stahlbauteile mit einem Spritzputz als Brandschutz versehen wurden.

FACHWERKBAND-SYSTEM Diese Bauform stellt eine Abwandlung anderer Röhrensysteme dar. Die Aussteifung einer Rahmenkonstruktion kann auch dadurch erzielt werden, dass einige Geschosse als groß dimensionierte Fachwerkkonstruktionen ausgebildet werden. An der Außenfassade ist diese Bauform in der Regel als Fachwerkband sichtbar. Die betreffenden Geschosse werden häufig als Technikgeschosse geplant, da die dort verfügbaren Räume nicht für eine Büronutzung geeignet sind, weil innerhalb der verfügbaren Nutzfläche zahlreiche diagonale Füllstäbe der Fachwerkträger vorhanden sein können. Die Häufigkeit der Wiederholung solcher Geschosse und die Trägerhöhe hängen von dem Verhältnis zwischen Höhe und Breite des Gebäudes ab, wobei ebenfalls die örtlichen Wind- und Erdbebenlasten zu beachten sind. Darüber hinaus ergeben sich zusätzliche Anforderungen aus der Anordnung der Gebäudetechnik.

– DIAGONALE FACHWERKGITTER (DIAGRIDS)


GEBÄUDE MIT TRAGWERKEN AUS RÖHRENBÜNDELN Ein anderes Verfahren zur Aussteifung von Hochhäusern wurde mit der Methode der Röhrenbündel entwickelt. Bei diesem Vorgehen ist der Grundriss des Turms in ein großformatiges Raster gegliedert. Dabei zeigt der Baukörper im oberen Bereich einen Rücksprung, um die Windangriffsfläche zu reduzieren und gleichzeitig eine größere und damit stabilere Verbindung an der Basis zu schaffen. Dieser Konstruktionstyp ermöglichte die Errichtung einiger der höchsten Solitärbauten der Welt. Turmbauten sind im Wesentlichen auskragende Konstruktionen, die an ihrer Basis in großem Umfang biegesteife Verbindungen erfordern. Heute erweitern Varianten der ursprünglichen Konstruktion – wie im Willis (früher Sears) Tower – dieses Konzept, so dass auch Gebäude mit erweiterter Basis und Rücksprüngen der weiter oben gelegenen Geschosse hierunter gefasst werden. Der Burj Khalifa in Dubai verfügt über einen Y-förmigen Grundriss, der an der Basis des Turms eine erhebliche Verstärkung bietet, jedoch mit zunehmender Höhe deutlich zurückspringt, so dass sich die Nutzfläche der oberen Geschosse verringert. Links: Der Willis (früher Sears) Tower in Chicago, Illinois, entworfen von SOM, bietet das Erscheinungsbild einer orthogonalen Rahmenkonstruktion, zeigt jedoch Rücksprünge, um die sich aus den angreifenden Windlasten ergebenden Schwankungen am oberen Ende des Gebäudes aufzunehmen und eine erhöhte Standsicherheit am Fuß des Turms zu bieten. Diese Bauform wird als Röhrenbündeltragwerk bezeichnet. Dieses Gebäude ist gegenwärtig, nach der Zerstörung des World Trade Center in New York im Jahr 2001, das höchste aus Stahl konstruierte Gebäude der Welt. Rechts: Der Burj Khalifa in Dubai wurde von SOM (Entwurfsarchitekt Adrian Smith) konzipiert. Im Jahr 2010 war dieser Turm das höchste Gebäude der Welt. Für dieses Bauwerk wurde eine Mischbauweise gewählt, wobei die unteren 80 % des Gebäudes aus einem speziellen Stahlbeton hergestellt wurden und der obere Teil aus einer Stahlrahmenkonstruktion besteht. Für diesen Turm wurden die Windlastprüfungen und der Entwurf der Stahlkonstruktion der Obergeschosse vom in Guelph, Ontario, ansässigen Büro RWDI durchgeführt.

VERBUNDBAUWEISE Heute wird bei zahlreichen Hochhausprojekten die Verbundbauweise eingesetzt, mit der die erforderliche Höhe erreicht und dabei besondere Formen realisiert werden können. Die Verbindung von Bausystemen aus Stahl und Beton ermöglicht größere Entwurfsfreiheit. Für die Mehrzahl der Hochhäuser wurde bisher als übliche Lösung ein zentraler Erschließungskern aus Beton vorgesehen. Bei der Verbundbauweise können Decken, Stützen und Aussteifungselemente entweder aus Stahl oder aus Beton oder einer Kombination dieser beiden Baustoffe zur Erzielung einer hohen Tragfähigkeit geplant werden.

Der Burj Al-Arab in Dubai wurde von Atkins Architects in Verbundbauweise geplant. Teile des Gebäudes bestehen aus einer Kombination aus Stahl- und Betonkonstruktionen. In diesem Fall gewährleistet das Verbundsystem die Abstützung der ungewöhnlichen Form des Gebäudes.

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Links: Über die Verwendung von Beton im Innenbereich hinaus ist die Gesamtkonstruktion des Burj Al-Arab durch Stahlfachwerkträger ausgesteift, die von außen sichtbar sind. Ein solcher differenzierter Einsatz der konstruktiven Materialien findet sich nicht an jedem in Verbundbauweise errichteten Hochhaus. Rechts: Im Inneren des Burj Al-Arab zeigt sich die Balance zwischen der Leichtigkeit der Stahlkonstruktionen und der Schwere des Betons sehr deutlich. Wenn man vom Atrium direkt nach oben schaut, ist die zugbeanspruchte Stahlrahmenkonstruk-

WINDLASTPRÜFUNGEN

tion sichtbar, die an der Eingangsseite

Einer der wichtigsten Punkte bei der Planung der Konstruktion und Form eines Turmbauwerks besteht

des Gebäudes das große „Segel“ bildet.

in seiner Fähigkeit zur Aufnahme von Windlasten. Zwar können Programme zur numerischen Strö-

Einen Kontrast dazu bilden die Balkone

mungssimulation (Computational Fluid Dynamics - CFD) für Prognosemodelle genutzt werden, welche die Ermittlung der zweckmäßigsten Form unterstützen, jedoch erfolgt die Windlastprüfung von sehr

und massiven Fassadenverkleidungen auf der Hotelseite des Bauwerks.

hohen Bauten oder Gebäuden mit ungewöhnlicher Form zumeist in einem realen Grenzschichtwindkanal. Hierbei werden die CAD-Zeichnungen in einen 3D-Drucker gegeben, und es wird ein sehr genaues Modell aus Harz gefertigt. Dieses Modell wird mit zahlreichen kleinen Gummiröhren versehen, die mit Sensoren an der Oberfläche verbunden sind, welche die Winddrücke erfassen können. Im Windkanalmodell sind maßstabsgerechte Modelle der umgebenden Gebäude enthalten. Wenn jedoch zu einem späteren Zeitpunkt weitere Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft errichtet werden, so kann dies zu einer Veränderung der Ergebnisse führen. Auf Grundlage der Prüfergebnisse schlagen die Windkanalingenieure Änderungen der Gebäudeform vor. Bei dieser Untersuchung wird ebenfalls die Planung von Dämpfungskonstruktionen betrach-

Das Windkanalmodell für den Burj Khalifa. Die Prüfungen wurden im Ingenieurbüro RWDI in Guelph, Ontario, durchgeführt.

tet, deren Einbau erforderlich sein kann, um mögliche Schwankungen an der Turmspitze auszugleichen. Die Systeme zur passiven Schwingungsdämpfung (Tuned Mass Damping - TMD) sind in den Grundriss und Schnitt des Gebäudes einzuarbeiten. Beim Entwurf sehr hoher Gebäude wird in der Regel größeres Gewicht auf die Aerodynamik gelegt. Prüfungen sind für neue Gebäude mit ungewöhnlichen oder verdrehten Formen unabdingbar, da keine ingenieurtechnischen Faustregeln existieren, die auf diese Bauwerke anwendbar sind. Bei der Anordnung von Gebäuden im Windkanal kommt es darauf an, dass das Grundstück, auf dem sich das Gebäude befindet, ebenso wie das unmittelbare urbane Umfeld (Grenzschicht) in der Modellierung berücksichtigt wird, so dass eine präzise Simulation der sich ergebenden Winddrücke durchgeführt werden kann.

Links: Die 3D-Modelle von 53 Stubbs Road in Hongkong, eines Entwurfs von Frank Gehry, in denen die Bündelung der Röhrchen anschaulich wird, die in das Modell hinein verlaufen und mit Sensoren an der Oberfläche des Modells verbunden sind. Rechts: Für eine präzise Simulation der sich ergebenden Winddrücke müssen bei der Anordnung im Windkanal das Grundstück, auf dem sich das Gebäude befindet, ebenso wie das unmittelbare urbane Umfeld (Grenzschicht) in der Modellierung berücksichtigt werden.

– DIAGONALE FACHWERKGITTER (DIAGRIDS)


DI AG ONA L E FACH W ER KG I T T ER (DI AG R IDS) Zwar hat sich der Anteil der Hochhäuser, die ausschließlich aus Stahl errichtet wurden, während der vergangenen 20 Jahre verringert, jedoch stieg die Zahl der Konstruktionen mit Varianten der diagonal ausgesteiften Röhre. Das „Diagrid“-System wird als Mittel eingesetzt, um von einer ausschließlich durch Geradlinigkeit bestimmten Bauästhetik abzuweichen und dabei gleichzeitig ein sehr stabiles Tragsystem zu schaffen. Grundsätzlich wird hier der Lastverlauf in einem bestimmten Neigungswinkel angeordnet, so dass sowohl vertikale Stützen weggelassen als auch Lösungen für die erforderliche Aussteifung gefunden werden können. Während in frühen Anwendungen mit sichtbaren diagonalen Aussteifungen die geradlinige Grundform meist nicht verändert wurde, versuchen aktuelle Anwendungen des Diagonalgitters, die Potenziale von triangulierten „netzartigen Gittern aus Stahlbauteilen“ auszunutzen. Die Verwendung des Begriffs des Gitters oder Rasters erinnert an die Terminologie der 3D-Modellierung, in der gekrümmte oder unregelmäßige topographische Formen in ein Gitter umgewandelt werden, so dass daraus von der Modellierungssoftware verarbeitbare Dreiecksformen entstehen. In Diagonalgittern kann das diagonale Tragsystem so konzipiert werden, dass alle vertikalen Stützen sowohl an der außenliegenden Konstruktion des Gebäudes als auch im Bereich zwischen der äußeren Tragkonstruktion und dem normalerweise aus Beton bestehenden Kern weggelassen werden können. Vielfach kann hierbei die Deckenkonstruktion so ausgebildet werden, dass sie den gesamten Bereich vom äußeren Diagonalgitter bis zum Kern stützenfrei überspannt. Diese Gebäude bieten aufgrund ihrer im Inneren reduzierten Tragkonstruktion hervorragende Bedingungen für den Einfall von Tageslicht. Die Weiterabwicklungen des Konstruktionssystems mit diagonal ausgesteifter Röhre, die heute als Diagrids bezeichnet werden, wurden im modernen Stahlbau erstmalig etwa im Jahr 2003 geplant. Die drei Projekte aus der Anfangsphase – die Gebäude der Greater London Authority (GLA) und der Swiss Re sowie der Hearst Tower – wurden von Foster + Partners gleichzeitig geplant, wobei bei allen Bauvorhaben auf das ingenieurtechnische Know-how von ARUP zurückgegriffen wurde. Interessanterweise finden sich in allen drei Gebäuden einzigartige Varianten des Systems, die aus ihrer dreidimensionalen Geometrie resultieren. Der Hearst Tower stellt hierbei vermutlich den am weitesten standardisierten Entwurf dar, was sich in der prinzipiell rechteckigen Form der Turmkonstruktion zeigt. Sowohl im Hearst Tower als auch im Gebäude der Swiss Re wurde auf vertikale Stützen verzichtet. Die Lastverläufe wurden über das diagonale Stützenraster geführt, wobei die Geschossdeckenkonstruktionen auf einfache Weise mit dem Aufzugskern verbunden wurden. Das Gebäude der GLA mit seiner zurückweichenden eiförmigen Gestalt bietet weitere Herausforderungen für das Diagonalgitter, da es zusätzliche außermittige Lasten aufnehmen muss (siehe S. 139). Eine gewendelte Rampe, die an der Innenkante der Fassade nach oben verläuft, veranschaulicht die Tragfähigkeit des diagonalen Fachwerkgitters; so konnte auf ein regelmäßiges, an den Kern angeschlossenes Geschossdecken-Tragsystem verzichtet werden. Diese Abweichungen von den symmetrischeren Formen des Hearst Tower und des Gebäudes der Swiss Re Das von Foster und ARUP im Jahr 2006

lassen die Zukunftspotenziale des Diagrids erkennen.

entworfene Hearst Building in New York

Heute werden Diagonalgitterkonstruktionen auch für eine Reihe von innovativen Stahlbauprojekten

war die erste in den USA errichtete Diag-

mit mittleren Gebäudehöhen eingesetzt.

ridkonstruktion.

VORTEILE DES DIAGONALGITTERS GEGENÜBER DEM BIEGESTEIFEN RAHMEN Bei Hochhäusern bietet die Planung eines diagonalen Fachwerkgitters gegenüber den üblichen biegesteifen Rahmenkonstruktionen oder Röhrenbündeltragwerken eine Reihe konstruktiver Vorteile. Während bei dem System mit diagonal ausgesteifeter Röhre eine Reihe von Diagonalstreben über einer außenliegenden Stahlrahmenkonstruktion angeordnet wurden, bedient sich das heute für Hochhäuser übliche Diagonalgitter lediglich einer äußeren Tragkonstruktion, die vollständig aus Diagonalstreben besteht. Diese Konstruktion nimmt in Querrichtung angreifende Windlasten wirksamer auf, so dass eine hinreichende Steifigkeit vorhanden ist, die durch die axiale Wirkung der Diagonalstrebe ergänzt wird. Bei effizienter Planung wird für diese Systeme weniger Stahl benötigt als bei Hochhäusern, die aus herkömmlichen Rahmenkonstruktionen errichtet wurden.

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Ein aus einem Diagonalgitter bestehendes Turmbauwerk ist als vertikaler Kragarm ausgebildet. Die Dimensionierung des diagonalen Tragwerkgitters ergibt sich aus der Aufteilung der Höhe des Turms in eine Reihe von Modulen. Idealerweise erstreckt sich die Höhe des Grundmoduls des rautenförmigen Rasters über mehrere Geschosse. So können die Träger, welche die Geschosskanten definieren, an die diagonalen Tragglieder angeschlossen werden, wobei die Verbindung mit dem Kern, die Abstützung der Deckenrandträger sowie die Aussteifung der nicht abgestützten Länge des diagonalen Traggliedes gewährleistet ist. Dieser Aspekt des Diagonalgitters findet sich häufig in der Außenverkleidung des Gebäudes. Der modulare Aufbau der Vorhangfassade bricht in der Regel die Dimensionen der Rauten oder Dreiecksformen so weit herunter, dass sie an die Geschosshöhen angepasst sind und die Vorgaben für fest verglaste und zu öffnende Fenster erfüllt werden. Wie bei allen Abweichungen von herkömmlichen Konstruktionstechniken kommt es auch hier darauf an, dass die Konstruktion so einfach wie möglich zu montieren ist. Planung und Fertigung der Anschlüsse gestalten sich komplexer als bei orthogonalen Konstruktionen, was zusätzliche Kosten verursacht. Entscheidend ist die Präzision der Geometrie der Knotenpunkte. Daher sollte so weit wie möglich eine Vorfertigung in der Werkstatt erfolgen, um Probleme bei der Montage auf der Baustelle weitestgehend zu vermeiden. Hinsichtlich der Steifigkeit der Ausbildung der Knotenpunkte als solche gibt es zwei verschiedene Denkansätze. Aus technischer Sicht muss der Mittelpunkt des Knotens bei der Planung einer rein dreiecksförmigen „fachwerkartigen“ Konstruktion nicht biegesteif ausgebildet werden; er kann als gelenkige Verbindung geplant werden. Dieses Prinzip funktioniert gut bei symmetrischen Konstruktionen mit ausgeglichenen Lasten. Bei außermittig belasteten Konstruktionen ist hingegen eine gewisse Steifigkeit des Knotenpunktes erforderlich, so dass die selbsttragenden Eigenschaften der Konstruktion in der Bauphase unterstützt werden. Bei zahlreichen bisher fertiggestellten Bauvorhaben mit diagonalen Tragwerkgittern wurden die Knotenpunkte als biegesteife Verbindungen in der Werkstatt vorgefertigt. So konnten einmündende gerade Tragglieder auf der Baustelle leichter verschraubt oder verschweißt werden. Da die Fertigung dieser Konstruktion höhere Kosten verursacht, ergeben sich Kosteneinsparungen nur bei einem hohen Wiederholungsgrad in der Planung und Fertigung der Knotenpunkte. Die Triangulation der Diagonalgitter-Röhre selbst reicht für die Herstellung der vollständigen Biegesteifigkeit der Konstruktion nicht aus. Daher werden in der Regel Ringbalken in den Randbereichen der Geschossdecken mit dem Diagonalgitter verbunden, so dass die Tragwirkung in eine geschlossene Röhre überführt wird. Da mit jeder langen Diagonalstrebe des Gitters üblicherweise mehrere Geschossdecken verbunden sind, ergeben sich diese Anschlussstellen sowohl am Knotenpunkt als auch an mehreren Stellen entlang der Diagonale. Der für die Diagonalstreben gewählte Winkel ermöglicht eine natürliche Lastübertragung in der Konstruktion bis in die Gründung des Gebäudes. Bei allen bisher errichteten Gebäuden mit Diagonalgittern war Stahl das Material der Wahl. Gebäude aus diagonalen Fachwerkgitter n sowie Entw u rf u nd Detaillier u n g der Sta hl kon str u ktionen kön nen i n folgende Kategorien gegliedert werden:

→ Tu r mbauten u nd Hoch häuser → gek r ü m mte For men → k ristalli ne Geometrien → Gebäude i n Hybridbauweise mit kombi nierten Geometrien HOCHHÄUSER MIT DIAGONALGITTERN In diesem Fall wird auf die übliche Portalrahmenkonstruktion verzichtet; sie wird ersetzt durch eine röhrenförmige Anordnung von diagonalen Traggliedern aus Stahl, die alle Lasten über die Außenfläche der Turmkonstruktion abträgt. Der Ersatz der vertikalen Stützen durch die diagonalen Tragglieder erfordert eine Erhöhung der Dichte der Diagonalstreben im Vergleich zu früheren Gebäuden mit lediglich ergänzenden Aussteifungen. Wenn das Diagonalgitter außen an der Gebäudehülle oder Vorhangfassade angeordnet ist, ist das Verkleidungssystem an die Geschossdeckenkonstruktionen angeschlossen. Bei Ausbildung des Gitters im Innenbereich sind die vorgehängten Bauteile mit diesem verbunden. Hierdurch wird möglicherweise die Durchbildung des Verkleidungssystems beeinflusst. Mit Geschossdeckenkonstruktion verbundene Vorhangfassaden sind in der Regel rechtwinklig, während an das Diagonalgitter angeschlossene Vorhangfassaden einen Dreiecksverband bilden.

– DIAGONALE FACHWERKGITTER (DIAGRIDS)


Links: Das Bush Lane House in London, von ARUP 1976 geplant, ist eines der ersten Beispiele, bei dem ein sichtbares Diagonalgitter im Außenbereich angeordnet wurde, um auf Innenstützen verzichten zu können und einen frei überspannten Bürobereich zu schaffen. Für das Gebäude wurde Edelstahl eingesetzt, wobei die Knotenpunkte aus Gussteilen bestehen. Rechts: Die gegossenen Knotenpunkte aus Edelstahl sind auf jeder Geschossebene konstruktiv angeschlossen. Die dahinter gelegene Vorhangfassade zeigt eine regelmäßige rechteckige Struktur, die einen Kontrast zu den quadratischen Rauten der außenliegenden Konstruktion aus Hohlprofilen bietet. Durch diese Struktur wird veranschaulicht, dass die Wand konstruktiv mit den Geschossdecken verbunden ist.

Links: Beim von Foster + Partners und ARUP geplanten Gebäude der Swiss Re in London dient das Diagrid zur Ausbildung einer Turmkonstruktion mit ovaler Form. Diese Geometrie ermöglichte die Installation eines speziellen Be- und Entlüftungssystems, das hinter den dunkleren Verglasungselementen der Fassade angeordnet ist. Rechts: Am Sockel des Gebäudes ist das Gitter nach außen geführt, um ein Arkadenelement zu schaffen.

Eine der schwierigeren Aufgaben bei unregelmäßig geformten Gebäuden aus Diagonalgittern besteht in der Planung eines Systems zur Gebäudereinigung. Beim Gebäude der Swiss Re wurde am oberen Abschluss des Gebäudes ein auskragender Mechanismus angebracht, der die für die Reinigungsgeräte erforderlichen Seilzüge von der Fassadenoberfläche fernhält.

Die Seile sind punktförmig mit dem Raster verbunden; die Anschlusspunkte sind gepolstert, um eine Beschädigung der Fassade beim Schwenken der Geräte zu verhindern. Die dunklere Färbung der Verglasung markiert die Lage der Doppelfassadenelemente der Außenhaut, die der Be- und Entlüftung dienen.

– 133


Für das Eden Project wurde eine Verbindung aus geodätischer Kuppel und Raumfachwerk geschaffen. Drei Kuppeln verschiedener Größe bilden miteinander verbunden eine Reihe von klimatisierten Gewächshäusern. Die Grundkonstruktion besteht aus sechseckigen Einheiten anstelle der kleineren gleichschenkligen Dreiecke, wie sie typischerweise von Buckminster Fuller geplant wurden. Die Masten und Knotenpunktelemente wurden in der Werkstatt vorgefertigt und als Flachstahlteile zur Endmontage auf die Baustelle transportiert. Für die Errichtung der Kuppeln mit einem Durchmesser von 125 m und einer Höhe von 60 m war ein großes Baugerüst zu stellen. Aufgrund ihrer Dauerhaftigkeit und hohen Durchlässigkeit für das Sonnenlicht wurde eine ETFE-Außenhaut gewählt.

Die Stahlkonstruktion des von Nicholas Grimshaw geplanten Eden

Der Außenbereich zeigt die Kissenform der ETFE-Außenhaut,

An den Anschlusspunkten der Kuppeln waren größere Fachwerk-

Project in St. Austell, England, ähnelt dem für die Realisierung

die an den Rändern jedes Segments zusammengedrückt und in

bögen erforderlich, um die Bauwerksgeometrie aufzulösen und die

von Raumfachwerken verwendeten Bausystem. Die relative Größe

dessen Mitte nach außen gewölbt ist.

Konstruktionen zu stabilisieren.

der Stahlröhren und Stangen ist im Vergleich zu den kleineren Bauteilen sichtbar, die auf der Innenseite die dreidimensionale Aussteifung herstellen. Die Leitungskanäle für u. a. die Belüftung zur Aufrechterhaltung des Drucks in der Bauwerkshülle sind eng am sechseckigen Stahlraster entlanggeführt.

UNREGELMÄSSIGE MODULE Das für die Olympischen Spiele von 2008 in Beijing errichtete Nationale Wassersportzentrum war das erste Gebäude in China, bei dem eine ETFE-Membran verwendet wurde. Die Entwurfsidee beruht auf der geometrischen Form von Seifenblasen. Diese Transformation der Verbindung eines Raumfachwerks mit einer geodätischen Konstruktion in ein Bauwerk mit großen Abweichungen der relativen Größen der einzelnen Einheiten führte zu einer erheblichen Erhöhung der Komplexität von Entwurf, Fertigung und Montage des Bauwerks. Das polyedrische Raumfachwerk besteht aus 22.000 einzelnen Elementen und 12.000 Verbindungen. Seine Form bietet ein hohes Maß an Erdbebensicherheit. Anders als bei früheren Anwendungen ist der „Wasserwürfel“ ein orthogonales Gebäude mit einer unregelmäßig erscheinenden, dreidimensionalen polygonalen Stahlkonstruktion einheitlicher Dicke. Die Rahmenkonstruktion ist innen und außen mit blasenförmigen ETFE-Membranen verkleidet. Das 197 x 197 x 35 m große Gebäude wurde digital aus dem theoretischen 3D-Modell eines massiven Blocks aus Weaire-PhelanSchaum „herausgemeißelt“. Die Geometrie des Schaums entsprach einer perfekten Anordnung von Seifenblasen und diente als Modell für die Unterteilung des dreidimensionalen Raums der Rahmenkonstruktion in eine kontinuierliche, blasenartige Struktur, die in ein Stahlrahmentragwerk überführt werden konnte. Aufgrund dieser Art der Formgebung sind Dach- und Wandkonstruktionen durchlaufend, was auch zu der Entscheidung führte, die Stahlbauteile auf der Baustelle zu verschweißen. Auf der Innen- und Außenseite der Wand befinden sich rechtwinklige Stahlhohlprofile, um die für die Befestigung der ETFE-Membran erforderliche Geometrie herzustellen. Zwischen diesen Flächen sind runde Hohlprofile angeordnet, die die Verwendung von Kugelgelenken als Verbindungselemente erleichtern.

– ZUGBEANSPRUCHTE KONSTRUKTIONEN UND RAUMFACHWERKE


Das Nationale Wassersportzentrum („Water Cube“) in Beijing wurde gemeinsam von CSCEC, CCDI, PTW und ARUP für die Olympischen Spiele 2008 entworfen. Die Form des polyedrischen Raumfachwerks ist in eine sehr präzise rechtwinklige Gebäudeform eingepasst. Diese Zusammenführung der Geometrien schafft in Verbindung mit der ETFE-Verkleidung eine hochinnovative Gebäudehülle. Zur Steuerung der Sonneneinstrahlung ist die ETFE-Membran mit einer variierenden Aluminiumbedruckung versehen, die je nach Lage der Sonne den Einfall von 5 bis 95 % des sichtbaren Lichts verhindert.

Links oben: Die Ansicht vom Innenraum in die umhüllte Konstruktion zeigt die Dichte der Stahlrahmenkonstruktion und darüber hinaus einige Befestigungselemente und gebäudetechnische Anlagen. Rechts oben: Die Bauteile des polyedrischen Raumfachwerks weisen je nach erforderlicher Spannweite und Lasteinwirkungen unterschiedliche Abmessungen auf. Die Konstruktion wird von einem Korridor durchschnitten, der eine organische Verbindung zwischen den einzelnen Räumen schafft. Unten: Im Gegensatz zu anderen aus Raumfachwerken bestehenden Gebäuden, in denen vorwiegend Gewinde- und Schraubverbindungen zum Einsatz kommen, wurden im Wasserwürfel zahlreiche Anschlüsse auf der Baustelle verschweißt. Die Ansicht des Innenraums verdeutlicht die Kombination rechtwinkliger und runder Hohlprofile mit Kugelgelenken.

– 177


K A PI T E L 13 ---

KOMPL EXE R A HMENKONSTRUKTIONEN: STA H L UND HOL Z --EIGENSCHAFTEN DETA IL PL A NUNG FERT IG UNG UND MON TAG E OBERFL ÄCHENBEH ANDLUNG V ER DECK T E STA HL BAU T EIL E PROZES SPROFIL : ERW EITERUNG SBAU D E R A R T G A L L E R Y OF O N TA R I O (AG O) / FR ANK GEHRY PROZES SPROFIL : EIS SCHNEL L L AUFH A L L E RICHMOND / CANNON DESIGN

Die aus Glas und Holz bestehende Fassade des Erweiterungsbaus der Art Gallery of Ontario in Toronto, entworfen von Frank Gehry, wird von einer Stahlrahmenkonstruktion getragen, die das skulpturale Element an das Gebäude anbindet. Die Planung und Montage eines solch komplexen Bauteils erfordert einen ganzheitlichen Ansatz zur Berücksichtigung der konstruktiven Vorteile und Grenzen beider Baustoffe.



Zum Anschluss von schweren Holzrahmenkonstruktionen werden

Für die von Peter Busby and Associates

seit langer Zeit Elemente aus Baustahl verwendet. Aus rein konst-

konzipierte Brentwood Skytrain Station

ruktiver Sicht verhält sich eine solche Holzkonstruktion hinsichtlich der Lastabtragungsmechanismen und -verläufe ähnlich wie eine

auf eine Kombination von Stahl und Holz zurückgegriffen, um die Vorgaben an die

Stahlrahmenkonstruktion. Beide Bausysteme bestehen aus einer

Baustoffe zu erfüllen. Die Verbundrip-

Reihe separater Elemente (Träger, Balken, Stützen), die gelenkig

pen wurden vom Stahlbauunternehmen

angeschlossen sind. Bei Mischbauweisen kann die zusätzliche Trag-

George Third and Son gefertigt und

fähigkeit des Stahls genutzt werden, um die Konstruktion kostengünstiger zu planen oder sie ästhetisch so zu gestalten, wie dies bei ausschließlicher Verwendung von Holz nicht möglich wäre.

EIGENSCHAFTEN Zum Zeitpunkt der Erfindung von Bausystemen aus Eisen und Stahl griff man bei ihrer konstruktiven Durchbildung in hohem Maß auf das Vorbild der bis dahin üblichen Holzkonstruktionen zurück, da für beide Baustoffe Rahmenkonstruktionen geplant wurden und die Zugbeanspruchung im Vordergrund stand, im Unterschied zur Druckbeanspruchung bei Bauten aus Stein. Dennoch unterscheiden sich die konstruktiven Eigenschaften und Merkmale von Stahl und Holz deutlich voneinander; daher kann die gemeinsame Verwendung beider Materialien in einem Bauwerk auch Probleme aufwerfen. → Die Zugfestig keit von herköm mlichem Kohlen stoffsta hl liegt bei 400 MPa, also zeh n mal höher als bei Holz. Da her werden bei i n Mischbauweise errichteten Gebäuden die Holzbauteile i n der Regel zu r Gewä h rleistu n g der Dr uck festig keit ei n gesetzt.

→ Sta hl ist ei n i ndustriell gefertigtes Produ kt mit i n hohem Maße vorhersagbaren Festig keitswerten u nd Qualitätsmerk malen, wä h rend Holz als natü rlicher Baustoff auch i h m eigene u nd i n ma nchen Fällen verborgene Fehler u nd Mä n gel au fweisen ka n n, die sich au f sei ne Detaillier u n g u nd Tragfä hig keit auswirken.

→ Sta hl deh nt sich u nter Wä r meei nwirk u n g aus u nd sch r u mpft bei Kälte, wä h rend Holz na hezu u nbemerkt arbeitet. In schweren Holzkon str u ktionen si nd die Sta hlbauteile selbst relativ klei n, so dass die u nterschiedlichen Eigen schaften der beiden Baustoffe na hezu irreleva nt si nd. Bei komplexeren Kon str u ktionen ka n n das u nterschiedliche Verfor mu n gsverhalten u nter Wär meei nwirk u n g jedoch zu erheblichen Problemen fü h ren.

→ Beide Materialien si nd vor Feuchtig keit zu schützen, da Holz von Schwa m m befallen werden ka n n u nd Sta hl korrodiert. Jedoch ist Feuchtig keit a n sich fü r Sta hl u nproblematisch, wen n sie nicht von Konden swasserbildu n g begleitet ist. Im Gegen satz dazu ist Holz ei n heterogener, h ygroskopischer u nd a nisotroper Werkstoff, der Wasser molek üle aus der Lu ft a nzieht. Da Holz da nach strebt, ei n Feuchtegleich gewicht mit der Um gebu n g zu erreichen, ka n n es q uellen oder schwi nden. Dies fü h rt zu r über mäßigen Festig u n g oder Lösu n g von Verbi ndu n gen.

→ Holz ist ei n zelluläres Material. Die Lä n ge der Zellen richtet sich nach der Lä n gsach se des Bau mes. Mit Verri n ger u n g des Feuchtegehaltes des Holzes u nd dem Entweichen von freiem Wasser aus der Zellmitte zeigt das Zellgewebe ei n u nterschiedliches Schwi ndverhalten. In der Lä n gsach se ist dieses nu r geri n gfügig ausgeprägt (i n der Regel 1 %), radial ka n n dieser Wert jedoch 2 % u nd ta n gential sogar 3 % erreichen. Trockeneres Holz schwi ndet noch deutlicher. Bei der Kombi nation von Sta hl u nd Holz kom mt es da her darau f a n, dass das Holz ei n Gleich gewicht mit sei ner kli matisierten Um gebu n g erreicht hat, bevor die Verbi ndu n gen hergestellt werden. Von großer Bedeutu n g ist auch ei ne kon sta nte Temperatu r, so dass Verfor mu n gen des Sta hls verhi ndert werden.

→ Sta hl ist pra ktisch u nbegrenzt wieder ver wertbar, u nd wen n ei ne Demontage der i n Mischbauweise errichteten Kon str u ktion ei n gepla nt wird, ka n n auch das Holz wieder ver wendet werden.

– STAHL UND HOLZ

in Vancouver, British Columbia, wurde

montiert; die Stahlbauer mussten ihre Fertigungsprozesse und Umschlagstechniken so anpassen, dass das Holz nicht beschädigt wurde.


DETA IL PL A NUNG Hier sind die unterschiedlichen Verformungen von Stahl und Holz aufgrund der Einwirkung von Temperatur und Feuchtigkeit zu berücksichtigen. Dafür stehen heute Berechnungsprogramme zur Verfügung, mit denen Stahlbauunternehmen, die Projekte mit einer gemischten Stahl-Holz-Bauweise durchführen, vertraut sein sollten. Passung zwischen dem Stahl- und

Bei der Ausführungsplanung muss die Verbindung in manchen Fällen so ausgebildet werden, dass sie

Holzbauteil am Gebäude der Brentwood

selbst die Verformung aufnehmen kann. Gelegentlich dienen Langlöcher im Stahlbauteil der Aufnahme

Skytrain Station, bei der die Berührungsfläche zwischen den beiden Baustoffen innerhalb des Holzbauteils verborgen ist.

der Bewegung des Holzes. Diese Lösung widerspricht jedoch der Mehrzahl der freiliegenden Stahlkonstruktionen, da bei diesen die halbe Normtoleranz anzuwenden ist und die Dimensionierung der Bohrungen ein hohes Maß an Präzision erfordert. Auch beim Quellen und Schwinden des Holzes muss die Verbindung ordnungsgemäß ausgerichtet bleiben. Da sich die Stahlverbindungen selbst nicht bewegen, ist darauf zu achten, dass die Verbindungselemente sich nicht über die volle Höhe der Holzbauteile erstrecken, da sich das Holz im Laufe der Zeit verformt und eine Verbindung mit übermäßigem Zwang zum Splittern des Holzes am Anschlusspunkt führen kann. Von entscheidender Bedeutung ist die Berücksichtigung des jeweils optimalen Funktionsbereiches. So wäre Stahl bei der Ausbildung eines einfachen Fachwerkträgers, bei dem die einzelnen Füllstäbe sowie Ober- und Untergurt entweder auf Druck oder axial auf Zug belastet werden, die bessere Wahl für die Zugglieder, während Holz für die Druckglieder geeigneter wäre. Auf diese Weise können die Zugglieder sehr dünn geplant und bei der Fertigung in ihrer Schlankheit an Stangen angeglichen werden. Das Holz kann dagegen im Querschnitt massiver ausgebildet werden, so dass die Aufnahme der Druckbeanspruchungen verdeutlicht wird. Links: In der Konstruktion des vom Architektenkonsortium Gauthier Gallienne Moisan entworfenen Gene H. Kruger Pavilion an der Laval University in Quebec dienen leichtgewichtige Stahlstangen als Untergurte der Holzfachwerkträger. Die Druckglieder bestehen aus Holz. Rechts: Die Stahlanschlussbleche wurden in Schlitze im Holz eingeführt und verschraubt. Die Zugglieder sind an einen rechteckigen Stahlring angeschlossen, der einfach mit der Unterseite der Hängesäule verschraubt ist. So konnte der Anschluss der sechs Stangen elegant in einem einzigen Punkt gelöst werden. Die Holzbauteile können sich unabhängig vom Stahl ausdehnen. Die in Mischbauweise errichteten Fachwerkträger, die den von KPMB Architects geplanten Bereich der Weinherstellung der Jackson Triggs Weinkellerei in Niagara-on-the-Lake, Ontario, stützenfrei überspannen, zeigen eine ausgewogene Kombination von Stahl und Holz. Die schlanker ausgebildeten Stahlbauteile nehmen im Fachwerkträger die Zugkräfte auf. Sie bilden einen Kontrast zur relativen Rauheit und Massivität der Kanthölzer.

Da Holz über seine Nutzungsdauer Feuchtigkeit aufnimmt und abgibt, darf ungeschützter Stahl nicht unmittelbar mit dem Holz in Berührung kommen - dies würde zur Korrosion führen. Der Stahl kann durch Verzinkung oder Aufbringen eines feuchtigkeitsbeständigen Anstrichsystems geschützt werden. Auch sollte darauf geachtet werden, von vornherein trockenes Holz zu verwenden, um das abweichende Verformungsverhalten zu begrenzen. Im Hinblick auf eine ausgeglichene Ästhetik bei einer Mischbauweise mit sichtbarer Stahlkonstruktion sollte die Tektonik beider Materialien zum gesamten Erscheinungsbild beitragen.

– 205


FERT IG UNG UND MON TAG E Aus Sicht der Fertigung kann ein Projekt in Mischbauweise in der Werkstatt des Stahlbauunternehmens ausgeführt werden. Vor der Gefahr der Beschädigung während des Transports bzw. durch Schweißarbeiten oder Erwärmung des Stahls kann das Holz durch eine Abschirmung während des Schweißens geschützt werden. Bis zu seiner Anlieferung auf der Baustelle ist die Schutzabdeckung auf dem Holz zu belassen und dann lediglich in Bereichen mit erforderlicher Bearbeitung zu entfernen. Im Gegensatz zur üblichen Praxis bei der Bearbeitung großer Stahlbauteile sollten Holzelemente nicht betreten werden. Eventuell auftretende Probleme lassen sich durch die Einhausung mit Holz und textilem Material sowie durch die Verwendung von Nylonschlingen (im Gegensatz zu den üblicherweise für Stahl verwendeten Ketten und Anschlaghaken) für den Transport der Holzbalken minimieren. Die Vorbereitung und Montage einer Konstruktion in Mischbauweise weist Ähnlichkeiten mit der Herstellung sichtbarer Stahlkonstruktionen auf, wobei die Holzbauteile noch vorsichtiger zu handhaben sind. Je nach Größe und Komplexität der Elemente können die Verbindungen zwischen den Materialien entweder in der Werkstatt hergestellt (mit nachfolgendem Transport) oder im Vormontagebereich auf der Baustelle realisiert werden. Hier kommt es noch mehr auf eine genaue Passung an, da Holzbauteile nicht unter Anwendung von Gewalt eingepasst werden können – dies würde nur zu Rissbildung führen. Zum Anheben der Bauteile sind gepolsterte Anschlagmittel zu verwenden, um Beschädigungen des Holzes zu verhindern. Durch entsprechende Umhüllungen ist das Holz bis weit nach Beendigung der Montage vor Witterungseinflüssen zu schützen. Nur die kontinuierliche Verantwortung in einer Hand kann eine genaue Passung zwischen den Materialien sichern und eine entsprechende Abstimmung gewährleisten. Der Stahlbauer kann mit der Erstellung der Werkstattzeichnungen, der Anlieferung und der Montage betraut werden. Im von Omicron Engineering and Architecture geplanten National Works

OBERFL ÄCHENBEH ANDLUNG

Yard in Vancouver, British Columbia, werden Holz und Stahl miteinander kombiniert, indem die beiden Konst-

Im Innenbereich stellt der Brandschutz die wichtigste Frage dar. Massive Holzbalken, Brettschichthölzer

ruktionen voneinander getrennt werden.

oder Holzwerkstoffe werden üblicherweise in Umgebungen eingesetzt, die eine Feuerwiderstandsdauer

Für Balken und Pfetten kommen Holz-

von über 30 oder über 60 Minuten (F 30 oder F 60) erfordern. In Deutschland ist Stahl lange Zeit eben-

werkstoffe zum Einsatz, während Stahl

falls hauptsächlich für Bauaufgaben eingesetzt worden, die Feuerwiderstandsklassen F 30 oder F 60 erforderlich machen. Diese wurden beispielsweise durch das Beschichten mit einem Dämmschutzbildner

für die Hauptkonst ruktion und bestimmte spezialgefertigte Verbindungen verwendet wird. Darüber hinaus dient Stahl zur

erreicht. Aufgrund der Anpassung der Prüfverfahren an interntionale Standards kann im Stahlbau seit

Abdeckung der Enden der Holzbalken,

etwa zehn Jahren auf diese Weise auch die Feuerwiderstandsklasse F 90 erreicht werden.

um sie vor Feuchtigkeit zu schützen.

Bei Konstruktionen in Mischbauweise werden in Innenbereichen verbaute Stahlelemente in der Regel vorbehandelt, um sie vor dem Eindringen von Feuchtigkeit aus dem in der Verbindung eingepassten Holz zu schützen. Die Beschichtung des Stahls gestaltet sich einfacher, bevor er mit dem Holz verbunden ist. So können Sprühspuren oder Farbtropfen auf dem Holz vermieden werden. Zahlreiche Arten von Holzwerkstoffen, die in Projekten mit Mischbauweise eingesetzt werden, sind bereits bei ihrer Anlieferung in der Werkstatt vorbehandelt. Holzbauteile werden üblicherweise nicht am Einbauort gebeizt oder versiegelt, da dort der Zugang zum Material für das Aufbringen von Beschichtungen häufig eingeschränkt ist. Während der Fertigung in der Werkstatt ist die Oberfläche zu schützen und das Holz gegen Wärmeeinwirkungen abzuschirmen, die durch Schweißarbeiten entstehen.

– STAHL UND HOLZ


Bei Anwendung im Außenbereich sind witterungs- und UV-beständige Anstriche bzw. Beschichtungen aufzubringen. Bei Holz verhindern diese Beschichtungen ein je nach Sonneneinstrahlung unterschiedliches Bild der Farbverblassung. Aufgrund seiner Dauerhaftigkeit wird für Stahl oft das Verzinkungsverfahren eingesetzt. Farbanstriche müssen in hohem Maße witterungsbeständig sein und in ausreichender Dicke aufgetragen werden, so dass während der Montage keine Beschädigungen auftreten. Im Gegensatz zu wasserundurchlässigen Stahlbeschichtungen müssen Holzanstriche stets die Diffusionsoffenheit des Materials gewährleisten. Wenn auf das Holz Beschichtungen aufgebracht werden, die nicht diffusionsoffen sind, kann dies zum Einschluss von Feuchtigkeit unter der Beschichtung und nachfolgend zur Rissbildung und zum Abblättern führen.

V ER DECK T E STA HL BAU T EIL E Bei Konstruktionen in Mischbauweise eingesetzte Stahlbauteile sind nicht in jedem Fall sichtbar. Der entstehende Eindruck, dass die Holzkonstruktion die tragende Funktion vollständig übernimmt, kann aus der Sicht des Entwurfs erwünscht sein. Der von Frank Gehry geplante Serpentine Pavilion des Jahres 2008 in London besteht aus einer innovativen Kombination aus Stahl und sichtbaren Holzbalken. Da der Pavillon als temporäres Bauwerk konzipiert war, kam es nicht auf die Gewährleistung der Dauerhaftigkeit an. Die Holzkonstruktion scheint einen Großteil der Lasten aufzunehmen, jedoch wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass diese Funktion von verdeckten Stahlelementen übernommen wird.

Oben: In die groß bemessenen Holzstützen und -balken des Pavillons sind mittig Stahlbauteile eingelassen, die sowohl das Holz abstützen als auch die Verbindung der Bauteile ermöglichen.

Größere und komplexere Projekte, bei denen Stahl und Holz entweder parallel oder in MischbauRechts: Der Blick von oben auf das verglaste Vordach verdeutlicht, auf welche Weise das Holz als Verkleidung über der

weise eingesetzt werden, erfordern zusätzliche technische Planung und besondere Fertigungs- und Montageverfahren. Dies ist dann der Fall, wenn Größe und Gewicht der Bauteile sich den Grenzen

mit einem weißen Anstrich versehenen

der Möglichkeiten der traditionellen Zimmermannsgewerke nähern oder diese überschreiten und

Stahlkonstruktion dient.

Hebe- und Montagevorgänge vorzugsweise von Stahlbaumonteuren auszuführen sind.

– 207


K A P I T E L 14 ---

STA H L UND NACHH A LTIG K EIT --STA HL A L S NACHH A LT IG ER BAUSTOFF DAS ZERTIFIZIERUNGSSYSTEM LEADERSHIP IN ENERGY AND E N V I R O N M E N T A L D E S I G N ( L E E D TM) R EC YCL ING ODER W IEDERV ERW ENDUNG RECYCLINGANTEIL

WIEDERVERWENDUNG VON BAUTEILEN

ANGEPASSTE NACHNUTZUNG

NACHH A LTIGK EIT SICHTBA R ER STA HL KONST RUK T IONEN EMISSIONSAR ME ENT WURFSSTR ATEGIEN REDUZIERUNG DES MATERIALEINSATZES

REDUZIERUNG VON ANSTRICHEN UND BESCHICHTUNGEN

REDUZIERUNG VON ARBEITSKOSTEN

Die Verzinkung der Bauteile des Water Centre in Calgary, Alberta, von Manasc Issac Architects

REDUZIERUNG DES TRANSPORTAUFWANDS

verleiht den im Außenbereich verbauten sichtbaren Stahlele-

DAUERHAFTIGKEIT

menten ein Erscheinungsbild, das dem nachhaltigkeitsorientierten Entwurf des Gebäudes entspricht. Stahl drängt sich sicher nicht als Baustoff auf, wenn man an Nachhaltigkeit denkt. Dennoch enthält das hier eingesetzte Material einen hohen Anteil an Stahlschrott statt Roheisen. Die verzinkten Oberflächen tragen zur Abfallvermeidung bei, da der ansonsten erforderliche regelmäßige Neuanstrich entfällt. Aufgrund der sichtbaren Stahlkonstruktion mussten keine anderen Verkleidungsmaterialien eingesetzt werden, was zur Einsparung von grauer Energie führte.



Die Stahlbauweise hat Auswirkungen auf eine nachhaltige, emissionsarme Planung. Gegenwärtig ergibt sich aus jeglicher Materialauswahl, und selbst aus der grundlegenden Entscheidung zu bauen, eine Beeinträchtigung der Umwelt. Durch optimale Nutzung der Vorteile der Stahlbauweise kann dieser negative Einfluss auf die Umwelt gemindert werden.

Zunächst betrifft dies die Auswirkungen aus der Rohstoffgewinnung und Herstellung des Materials selbst, die unter dem Begriff der grauen Energie gefasst werden. Zum zweiten sind es Gesichtspunkte des Recycling, der Wiederverwertung des Materials und der Nachnutzung des Gebäudes in angepasster Form. Schließlich geht es auch um die dem Stahl eigenen einzigartigen Vorteile, die nicht durch die Wahl eines anderen Baustoffs reproduziert oder substituiert werden können.

STA HL A L S NACHH A LT IG ER BAUSTOFF Ein erheblicher Anteil des heute abgesetzten Stahls stammt aus wiederverwertetem Schrott aus Haushaltsabfällen. Die Herstellung von Stahl mit Recyclinganteilen erfordert im Gegensatz zum Einsatz von 100 % Roherz weniger Energie, da das Erz erst einer energieintensiven Aufbereitung unterzogen werden muss. Zwar wird Eisenerz noch immer weltweit gewonnen, jedoch ist der Baustoff Stahl nach seiner Herstellung und Verwendung in Bauwerken praktisch unbegrenzt wiederverwertbar, ohne dass es zu einem „Downcycling“, also zu einer Verschlechterung seiner Eigenschaften ähnlich wie bei Recyclingkunststoffen kommt, die dann zu Abfall werden. Beim Stahl dagegen ist die vorhergehende Anwendung ohne Bedeutung für die Herstellung von Baustahl mit Recyclinganteilen. Dabei kann der Stahl zum Beispiel aus Dosen, Fahrzeugen oder Waschmaschinen stammen, da die chemische Zusammensetzung des Stahls im Stahlwerk modifiziert werden kann, um ein besonderes Verhalten bzw. bestimmte Eigenschaften zu erzielen.

Bei der Fertigung neuer Stahlprofile können erhebliche Schrottmengen verwendet werden, ohne dass der Produktionsprozess wesentlich modifiziert werden müsste. Da sich die Abläufe bei der Herstellung von Stahl seit etwa 1950 nur unwesentlich geändert haben (also die chemische Zusammensetzung des Stahls weitgehend unverändert geblieben ist), wird der seither produzierte Stahl noch immer effektiv wiederverwertet. Seit der Erfindung des Gusseisens konzentrierte man sich auf die Modifizierung des Kohlenstoffgehalts. Vor 1950 produzierter Stahl kann einen höheren Kohlenstoffgehalt aufweisen, was Schweißarbeiten erschwert. Beim Einsatz dieses Stahls als Schrott wird die endgültige Zusammensetzung des Stahls im Werk verändert, um den Kohlenstoffanteil zu verringern. Es ist deshalb wichtig, Alter und Kohlenstoffgehalt zu ermitteln, da sich daraus Auswirkungen auf die Schweißfähigkeit ergeben. In einigen Fällen sind gegebenenfalls Schraubverbindungen vorzusehen.

Die Menge der zur Herstellung erforderlichen Energie richtet sich nach dem Produktionsprozess und der Höhe des Anteils an recyceltem Material. Zwei Typen von Anlagen werden eingesetzt, die beide mit Vor- und Nachteilen hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen verbunden sind:

In einem integrierten Stahlwerk wird der Stahl in einem Sauerstoffblaskonverter hergestellt. Bei diesem Verfahren werden 25 bis 35 % Stahlschrott eingesetzt, wobei Sauerstoff durch die Schmelze geleitet wird, um dem Stahl Kohlenstoff zu entziehen. Endprodukt dieses Prozesses ist kohlenstoffarmer Stahl. Das Gefäß, in dem der Prozess abläuft, kann lediglich 25 bis 35 % Schrott aufnehmen; der verbleibende Anteil wird als Roheisenschmelze zugeführt. Integrierte Stahlwerke befinden sich aus logistischen Gründen üblicherweise in Hafennähe und daher häufig in größerer Entfernung von der Baustelle, was zu einer Erhöhung der Transportkosten führt.

– STAHL UND NACHHALTIGKEIT


Im Mini-Stahlwerk wird das Elektrolichtbogenofen-Verfahren eingesetzt. Der Lichtbogenofen wird dabei mit 90 bis 100 % Schrott beschickt. Mini-Stahlwerke können an Standorten errichtet werden, die weniger von wichtigen Schifffahrtsrouten abhängig sind. Daraus ergibt sich eine größere Nähe zur jeweiligen Baustelle und damit eine Senkung der Transportkosten. Im Fertigungsprozess entstehen als Nebenprodukte unter anderem Schlacke und Flugasche. Diese werden als Zementersatz bei der Herstellung von emissionsärmerem Beton verwendet. Zur Minimierung ihrer Umweltauswirkungen sollten Mini-Stahlwerke über eine zuverlässige Energieversorgung aus umweltfreundlichen Quellen verfügen.

Bei der Auswahl von Stahl als Recyclingmaterial zur Erfüllung der Anforderungen von Nachhaltigkeitsklassifizierungen wie LEEDTM oder dem deutschen DGNB-Zertifikat ist zu beachten, dass sich der Schrottanteil sowohl aus Industrie- als auch aus Haushaltsabfällen zusammensetzt. Die genauen Anteile sollten durch Kontaktaufnahme mit dem Stahlwerk bzw. dem Lieferanten ermittelt werden.

Obgleich die Energiekosten beim Lichtbogenofenverfahren niedriger sind, werden beide genannten Der Union Bank Tower in Winnipeg,

Prozesse für die weltweite Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien benötigt. In Nordamerika wird

Manitoba, ältestes Hochhaus in Kanada

Baustahl (insbesondere W-Profile) mit Ausnahme einiger Bleche und Coils im Lichtbogenofenverfah-

mit einer Stahlrahmenkonstruktion aus dem Jahr 1906, wird gegenwärtig für

ren hergestellt. Vielfach kommt es jedoch aufgrund der Verschiebung oder Steigerung der Nachfrage

eine angepasste Nachnutzung durch das

nach Stahl und Schrott – insbesondere in Asien – zu Engpässen beim Recyclingmaterial, so dass die

Red River College mit Seminarräumen

ausschließliche Anwendung dieses nachhaltigeren Verfahrens nicht möglich ist.

und Studentenunterkünften modernisiert. Hierbei werden die Tragfähigkeit der Rahmenkonstruktion und verschiedene Strategien für den Brandschutz untersucht. Das Arbeiten mit der bestehenden Konstruktion und dem nur teilweise vorhandenen Brandschutz (Keramikkacheln) gehört dabei zu den besonderen

DAS ZERTIFIZIERUNGSSYSTEM LEADERSHIP IN ENERGY AND E N V I R O N M E N T A L D E S I G N ( L E E D TM)

Herausforderungen.

Das nordamerikanische Zertifizierungssystem für nachhaltig geplante Gebäude, Leadership in Energy Die durch Anordnung eines Stahlgitters zwischen zwei U-Profilen hergestellte Stütze ist ein typisches Beispiel für konst-

and Environmental Design (LEEDTM), wurde zur Klärung der Frage entwickelt, welche Kategorien ein nachhaltiger Entwurf umfassen muss. Es wird gegenwärtig in vielen Teilen der Welt für die Bewertung

ruktive Lösungen der damaligen Zeit,

und Vermarktung von an Nachhaltigkeitskriterien orientierten Gebäuden verbreitet. In der Entwurfs-

bei denen Nietverbindungen eingesetzt

richtlinie sollen auch übertriebene oder falsche Darstellungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit verhindert

wurden. Da die abgebildete Stütze von

und ein einheitlicher Standard zur Messung von Parametern geschaffen werden. Das System LEEDTM

Trockenbauwänden umhüllt wird, muss

wird kontinuierlich weiterentwickelt; neue Varianten werden hinzugefügt, die sich stärker an Größe und

kein Aufwand für die Oberflächenbehandlung betrieben werden.

Nutzungsart des Gebäudes orientieren. Die nachfolgende Beschreibung bezieht sich auf das System LEEDTM 2009 für Neubauten.

Das Zertifizierungssystem LEEDTM ist in Kategorien, Gutschriften und Punkte gegliedert. Hauptkategorien sind Nachhaltigkeit des Standorts, Wassereffizienz, Energie und Atmosphäre, Materialien und Ressourcen sowie Innenraumklima. Eine sechste Kategorie ist innovativen Entwurfsansätzen vorbehalten, eine siebte dient für Gutschriften aufgrund des Vorrangs regionaler Beschaffung. Diese übergreifende Definition des nachhaltigen Entwurfs geht über frühere Konzepte der energieeffizienten Planung hinaus und umfasst die Betrachtung des Gesamtgebäudes, aller Systembestandteile sowie sämtlicher Fragestellungen im Zusammenhang mit der Standorterschließung. Die Mehrzahl der Kategorien enthält eines oder mehrere Grundkriterien, die erfüllt sein müssen, damit die in der Kategorie letztendlich erzielten Punkte angerechnet werden.

Der Einsatz von Stahl ist hauptsächlich Gegenstand der Kategorie Materialien und Ressourcen. Vorteile in Form von Gutschriften ergeben sich, wenn die Stahlkonstruktion ohne größere Veränderungen wiederverwendet werden kann. Die Dauerhaftigkeit des Baustoffs entspricht den Anforderungen dieser Kategorie in hohem Maße. Ebenso kann ein hoher Recyclinganteil im Stahl mit Gutschriften belohnt werden. Vom Stahlwerk können Zertifikate beschafft werden, die die erforderlichen prozentualen Anteile belegen. Gutschriften können auch erfolgen, wenn Stahlbauteile aus dem Abriss anderer Gebäude wiederverwendet und Nachweise in Form der Lieferscheine vorgelegt werden.

Je nach Zahl der vergebenen Punkte werden Gebäude in die Klassen Platinum, Gold, Silver und Certified eingestuft. Dabei werden für Neubauten, gewerbliche Innenräume und verschiedene Anwendungen bei Wohnbauten unterschiedliche Kriterien angelegt. Aktuelle Informationen zu den einzelnen Bewertungssystemen finden sich auf der Website des U. S. Green Building Council (www.usgbc.org).

– 219


R EC YCL ING UND WIEDERVERWENDUNG In einer Stahlbauwerkstatt entstehen nahezu keine Abfälle. Verschnitt oder beschädigte Teile sowie Schliff und Nebenprodukte des Fertigungsprozesses werden zum Recycling in das Stahlwerk zurückgegeben. Die magnetischen Eigenschaften des Stahls vereinfachen die Sammlung von Stahlteilen selbst während des Abrisses. Heute wird selbst Stahlbewehrung routinemäßig dem Recycling zugeführt. Der gesamte Stahlschrott aus dem FertiIm Allgemei nen ka n n die Wieder ver wendu n g von Sta hl wie folgt gewä h rleistet werden:

gungsprozess wird gesammelt und dem Recycling zugeführt.

→ Stahlsch rott kan n gesam melt u nd zur Herstellu ng neuer Stahlbauteile wiederaufbereitet werden. → Wä h rend des Gebäudeabrisses kön nen Bauteile fü r die Ver wendu n g i n ei nem a nderen Gebäude geborgen werden.

→ Neue Gebäude i n Sta hlbauweise kön nen bereits i n i h rem Entw u rf so gepla nt werden, dass i h re Demontage möglich ist.

→ Ga nze Gebäude kön nen bei lediglich mi ni malen Ä nder u n gen a n der Trag kon str u ktion ei nem neuen Zweck zugefü h rt werden.

RECYCLINGANTEIL Einer der Umweltvorteile von Stahl besteht in seinem hohen Recyclinganteil – dies wird in den meisten Systemen zur Nachhaltigkeitsklassifizierung berücksichtigt. Dennoch entstehen bei der Wiederverwertung im Sauerstoffkonverter oder Lichtbogenofen noch immer relativ hohe CO2-Emissionen und ein zusätzlicher Energieaufwand. Daher ist die Wiederverwendung des Materials in seinem ausgebauten Zustand als wichtigstes Mittel zur Emissionsminderung vorzuziehen.

WIEDERVERWENDUNG VON BAUTEILEN Die Wiederverwendung von Bauteilen ist eine in hohem Maße nachhaltige Methode der Integration von Stahl in Gebäuden. Die chemischen und konstruktiven Eigenschaften von Baustahl sind seit dem frühen 20. Jahrhundert nahezu unverändert (die exakten Zeiträume unterscheiden sich je nach Land und Verfahrenstechnik der dortigen Stahlwerke). Wenn dem Tragwerksplaner das Baujahr und die Profilabmessungen bekannt sind, können Stahlbauteile mit einem leichten Sicherheitsaufschlag auf einfache Weise in das neue Bauwerk eingegliedert werden. Dennoch ist selbst bei der Wiederverwendung zusätzliche Energie erforderlich.

Probleme bei der Wiederverwendung ergeben sich eher im Hinblick auf die Lokalisierung und Beschaffung von geborgenen Bauteilen. Gegenwärtig gibt es keine zuverlässigen Quellen, über die gebrauchte Materialien erworben werden können. Häufig können für ein bestimmtes Projekt Stahlbauteile nur deshalb beschafft werden, weil eines der Teammitglieder gleichzeitig an einem anderen Abriss- oder Modernisierungsprojekt beteiligt ist.

Bei der nicht sichtbaren Montage von wiederverwendeten Bauteilen ist die Entfernung aufgebrachter Anstriche oft nicht erforderlich. Bei Verwendung des Elements als Teil einer sichtbaren Stahlkonstruktion muss der Farbanstrich dagegen entfernt werden. In vielen aktuellen Bauvorhaben wird jedoch sogar Wert darauf gelegt, den ursprünglichen Anstrich zu erhalten, um so die nachhaltige Wiederverwendung des Materials zu dokumentieren.

Für Tohu, das von einem Konsortium aus Schème Consultants Inc., Jodoin Lamarre Pratte et associés architectes und dem Architekten Jacques Plante geplante, fest installierte Zirkuszelt in Montreal, Quebec, wurden große Träger verwendet, die bei Abrissarbeiten an den Hafenanlagen von Montreal geborgen wurden. Da das Projekt auf die Zertifizierungsstufe LEED TM Gold ausgerichtet war, wurde der bestehende Anstrich bewusst nicht entfernt, um die Wiederverwendung des Stahls zu verdeutlichen.

– STAHL UND NACHHALTIGKEIT


Bei der Wiederverwendung kann das von dem amerikanischen Umweltschützer und Architekten William McDonough und dem deutschen Chemiker Michael Braungart erarbeitete Cradle-to-Cradle-Konzept umgesetzt werden, indem bereits beim Entwurf die Demontierbarkeit berücksichtigt wird. Dieser Ansatz sieht einen geschlossenen Stoffkreislauf für den Stahl vor. Grundsätzlich beruht dieser Ansatz auf der einfachen Wiederverwendung ohne Einsatz zusätzlicher Energie für eine Wiederaufbereitung. Um die Rückbaubarkeit zu gewährleisten, sind Bauteilgrößen, Längen und Verbindungstechniken so zu wählen, dass sie ohne übermäßige Kraft und ohne Verformung leicht lösbar sind. Dieses Prinzip ist am besten mit Hilfe eines modularen Aufbaus umsetzbar.

Zwar erscheint es nur logisch, bei dieser Bauweise ausschließlich Schraubverbindungen vorzusehen, wie zum Beispiel beim im Jahr 1851 errichteten Crystal Palace von Joseph Paxton, jedoch bestehen unterschiedliche Auffassungen zur Leichtigkeit der Demontage von Schraubverbindungen. Probleme beim Rückbau verschraubter Stahlkonstruktionen können sich aus der nicht mehr vorhandenen Wirkung der Schrauben aufgrund von Farbschichten oder Korrosion ergeben. Da unabhängig vom Verbindungstyp ein Kran zur Abstützung des Bauteils während seiner Demontage erforderlich ist, können sowohl Schraub- als auch Schweißverbindungen rasch durch Trennen gelöst werden, wodurch geringfügig kürzere, jedoch in ihrer Tragfähigkeit nicht beeinträchtigte Bauteillängen entstehen, die einfach wiederzuverwenden sind. Der Verschnitt kann nachfolgend dem Recycling zugeführt werden. Hierbei entstehen allerdings erhebliche Personalkosten, weil für den Demontagevorgang entsprechend ausgebildete Stahlbauer benötigt werden. Im Sinne der Wirtschaftlichkeit kommt es hierbei aus diesem Grund auch auf einen schnellen Rückbau an. Dieses Prinzip der Demontierbarkeit wird bereits bei vielen temporären Bauten, zum Beispiel für Messen, angewandt. Seine Übertragung auf die herkömmliche Stahlbauweise sollte sich daher relativ einfach gestalten.

ANGEPASSTE NACHNUTZUNG Bei der angepassten Nachnutzung bildet das gesamte Gebäude die Grundlage für die Umsetzung eines neuen Raumprogramms und Nutzungszwecks ohne wesentliche Veränderung des Bauwerks bzw. durch einfache Verstärkung der bestehenden Konstruktion. In diesem Fall ist das Alter der ursprünglichen Konstruktion von entscheidender Bedeutung für eine gegebenenfalls zu verändernde oder hinzuzufügende Stahlkonstruktion. Sollte eine Verschweißung des Stahls nicht möglich sein und das Bauteil noch über die ursprünglichen Nietverbindungen verfügen, so können Verbindungen mit vorgespannten Schraubverbindungen neue und wiederverwendete Stahlkonstruktionen miteinander kombinieren: Der runde Kopf ähnelt einem Nietkopf und ermöglicht gestalterisch einen nahtloseren Übergang.

Für die Park- und Ladezonen des Lebensmittelmarktes blieben die Ziegelwand und ein Teil der Stahlrahmenkonstruktion der Angus-Werkstätten erhalten und tragen zum architektonischen Gesamteindruck bei.

In der von Ædifica Architecture + Engineering + Design ent-

In einem anderen Bereich entstand ein Lebensmittelmarkt.

worfenen Angus Technopole in Montreal, Quebec, entstand ein

Hier wurde die bestehende Beschichtung der Stahlkonstruktion

Bürokomplex in historischen Lokomotivwerkstätten. Auf der unte-

entfernt und nachfolgend ein neuer Anstrich aufgetragen, in deut-

ren Ebene wurde der ursprüngliche Anstrich belassen, um einen

lichem Kontrast zur angepassten Nachnutzung im Bürobereich.

attraktiven Kontrast zu den ergänzten Materialien und dem neuen Raumprogramm zu schaffen.

– 221


Die im Außenbereich der Institut de la Mode et du Design in Paris hinzugefügten, von Jakob + MacFarlane konzipierten sichtbaren Stahlkonstruktionen schaffen einen dynamischen Kontrast zur Massivität des umgenutzten Gebäudes aus Beton.

Eventuell notwendige Verstärkungen für bestehende Stahlbauteile sind unauffällig zu integrieren, wenn Form, Oberflächenbehandlung und Verbindungstyp entsprechend gewählt werden. Die Stahlbauweise kann auch dazu dienen, die Nutzungsdauer bestehender Betonbauten zu verlängern. So wurde zum Beispiel Betonkonstruktionen an den Hafenanlagen von Paris, die deutliche Zeichen der Alterung zeigten, ein vitaleres Erscheinungsbild verliehen, indem Laufstege mit freiliegenden Stahlkonstruktionen hinzugefügt und Außenbereiche neu gestaltet wurden.

Angepasste Nachnutzung des ehemaligen Bahnhofs Orsay als

Oben: Verschraubte Winkel und Bleche dienen im Musée d’Orsay

Die Hauptzugangstreppe zum Musée d’Orsay durchschneidet eben-

Musée d’Orsay in Paris, entworfen von Gae Aulenti: Das in der

der Verstärkung dieser Eckverbindung.

falls die ursprünglichen gusseisernen Träger und Ziegelgewölbe-

Mitte des ehemaligen Bahnsteigbereiches einfallende Tageslicht

decken, so dass auch an dieser Stelle die ursprüngliche Konstruk-

sorgt für eine gute Ausleuchtung der ausgestellten Plastiken.

Unten: Die neue Besuchererschließung der Galerie durch-

tion auf attraktive Weise präsentiert wird, statt sie zu verdecken.

Wo die Stahlkonstruktion verstärkt werden musste, erlaubten

schneidet die Trägerkonstruktion des früheren Bahnhofsgebäudes,

So wird das Gebäude selbst zu einem Ausstellungsobjekt.

Schraubverbindungen einen nahezu nahtlosen Übergang von den

so dass die bauzeitliche Konstruktion für den Betrachter zur

bestehenden Nietverbindungen zu modernen Bauweisen.

Schau gestellt wird.

– STAHL UND NACHHALTIGKEIT


NACHH A LTIGK EIT FR EIL IEGENDER STA HL KONST RUK T IONEN Sichtbare Stahlkonstruktionen sind prädestiniert zur Verringerung der eingesetzten Materialmengen. Ihre Verwendung führt zu wesentlichen Einsparungen an zusätzlichen Innenausbaumaterialien, so dass der Anteil der grauen Energie im Projekt sinkt. Hinzu kommt der Verzicht auf abgehängte Decken sowie Gipskartonplatten oder sonstige kostenintensive Innenausbaumaterialien. Die Ästhetik freiliegender Stahlkonstruktionen kann auch mit dem Einsatz minimalistischer, jedoch sehr dauerhafter Fußbodenbeläge einhergehen. Konsequenterweise ist dann auch für die Detailausbildung eine materialsparende Bauweise zu praktizieren, und es sind Profilquerschnitte zu wählen, die beim Materialgewicht insgesamt zu einer Ersparnis führen.

Wichtig bei freiliegenden Stahlkonstruktionen ist unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit die sorgfältige Auswahl der Oberflächenbehandlungen und Brandschutzstrategien. Wie in Kapitel 7 „Beschichtung, Oberflächenbehandlung und Brandschutz“ dargestellt, ist der Gehalt des Anstrichsystems an flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) zu überwachen und vorzugsweise eine Farbe mit niedrigem VOC-Anteil zu verwenden, um Ausgasungen zu reduzieren. Sichtbare Stahlkonstruktionen erfordern insbesondere in Bereichen mit hohem Verkehrsaufkommen eine dauerhafte Oberflächenbehandlung. Zur Vermeidung häufiger Neuanstriche ist hier ebenfalls eine Abwägung zwischen der Dauerhaftigkeit der Farbe bzw. Beschichtung und dem Problem der Ausgasungen notwendig. Bestimmte wasserbasierte Anstriche bieten hier möglicherweise keinen optimalen Schutz. Sollte die Verwendung von Anstrichen mit hohem VOC-Anteil erforderlich sein, so ist vor Beginn der Gebäudenutzung eine ausreichende Wartezeitraum einzuplanen.

Auch bei Brandschutzbeschichtungen unterscheidet sich der VOC-Gehalt erheblich, je nachdem, ob es sich um wasser- oder epoxidharzbasierte Systeme handelt. Hier kann wiederum eine Abwägung zwischen der Umweltschädlichkeit mancher Brandschutzbeschichtungen im Hinblick auf die möglichen Einsparungen an Beschichtungsmaterial und anderen Brandschutzmaßnahmen erforderlich sein. Auch sind nicht alle Brandschutzbeschichtungen für das einfache Recycling oder die Wiederverwendung des Stahls geeignet. Da sich die chemische Zusammensetzung und die Leistungsfähigkeit von marktüblichen Beschichtungen schnell ändert, sollte zur Beschaffung der jeweils aktuellen Spezifikationen der Hersteller konsultiert werden.

EMISSIONSAR ME ENT WURFSSTR ATEGIEN Die von Gebäuden ausgehenden CO2-Emissionen entstehen wesentlich aus der grauen Energie und dem Energieverbrauch während des Betriebs. Die graue Energie ist Ergebnis der Prozesse der Herstellung, des Transports und der Montage/Errichtung. In einer weiter gefassten Definition werden auch Emissionen aus der Nutzung des Gebäudes sowie die Transportkosten der Nutzer berücksichtigt, die sich aus dem Pendeln zum Arbeitsplatz bzw. durch Geschäftsreisen ergeben. Die für den Unterhalt und Betrieb des Gebäudes erforderliche Energie macht ca. 80 % der CO2-Emissionen des Gebäudes aus. Zum Zeitpunkt der Drucklegung des vorliegenden Buches liegt deshalb in diesem Bereich der Hauptangriffspunkt zur Reduzierung der Umweltauswirkungen.

Das Prinzip des Nullenergie-Designs konzentriert sich auf eine erhebliche Senkung des für den Gebäudebetrieb notwendigen Energieaufwands und eine vollständige Erzeugung der vom Gebäude verbrauchten Energie aus nichtfossilen, erneuerbaren Quellen am Standort selbst. Der Grundsatz der CO 2-neutralen Planung legt das Hauptaugenmerk auf die Vermeidung des Einsatzes fossiler Brennstoffe oder mit Emissionen verbundener Energiequellen während der Betriebszeit des Gebäudes. Zulässig sind hier auch die kommunale Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen und die Kompensation von Emissionen zum Ausgleich der Bilanz.

– 223


Der Entw urf eines Nullemissionshauses bzw. eines Gebäudes nach Niedrigenergiestandard erfordert die folgenden vier gr u ndlegenden Sch ritte:

#1 - Verringerung des Verbrauchs/Bedarfs: passive Nutzung der Son nenenergie, Tageslicht, Son nenschutz, Gebäudeausrichtu n g, natü rliche Be- u nd Entlü ftu n g, Sta ndortpla nu n g u nd Materialität

#2 - Effiziente und effektive Nutzung von Energie: energieeffiziente/effektive Beleuchtung, hocheffiziente/effektive Haustech nik, Elektroinstallationen und sanitäre Anlagen sowie Steuerungen

#3 - Energieerzeu g u n g vor Ort au s er neuerba ren Quellen zu r Bereitstellu n g der benötigten Energie. Die Umsetzu n g der zuvor gena n nten Sch ritte fü h rt zu näch st zu wesentlich klei ner dimen sionierten A nlagen zu r er neuerbaren Energieerzeug u n g, so dass das Ziel der CO 2-Neutralität erreichbar ist. Auch i n nerhalb der Gemei nde gemei n sa m genutzte Ressou rcen si nd zulässig.

#4 - A n rech nu n g er worbener Emission szertifi kate als letztes Mittel nach Betrachtu n g aller a nderen Optionen a m Sta ndort.

Gegenwärtig wird die aus der Materialauswahl resultierende graue Energie in den für die Ermittlung der CO2-Emissionen üblichen Verfahren nicht berücksichtigt, da hierfür deutlich komplexere, schwer beurteilbare Berechnungen erforderlich sind, die sich je nach Standort und Hersteller unterscheiden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Materialauswahl keinen wesentlichen Faktor darstellt und deshalb bei der Entscheidungsfindung nicht zu berücksichtigen wäre. Die graue Energie erscheint jedoch in ihrer Bedeutung eher sekundär, solange nicht wesentliche Einsparungen des Energieverbrauchs im Gebäudebetrieb möglich sind. Sobald die für den Betrieb erforderliche Energie erfolgreich reduziert wurde und der Menge der aus erneuerbaren Quellen erzeugten Energie entspricht, wird die Komponente der grauen Energie nahezu 100 % des dann verbleibenden Problems ausmachen.

Die Einflüsse der Materialauswahl lassen sich am zuverlässigsten in einer Ökobilanz ermitteln. In Studien wurde ermittelt, dass bei einer Ökobilanz über 50 Jahre die Materialauswahl für die Tragkonstruktion eines Gebäudes ca. 1 % des gesamten Energieverbrauchs ausmacht. Daher stellen bei der Planung eines Tragsystems aus Stahl seine Dauerhaftigkeit, Flexibilität und unbegrenzte Wiederverwertbarkeit positive Attribute dar.

Graue Energie, MJ/kg

Graue Energie verschiedener Baustoffe. 200

Die Werte für Recyclingstahl unterschei-

191.0

den sich je nach Verhältnis zwischen neu

180

produziertem Stahl und Schrott.

160

Quelle: University of Wellington,

140

Neuseeland, Centre for Building Performance Research (2004)

120 100

88.5

80

72.4

60 40

32.0

25.0

30.3 15.9

20

7.8

0 Aluminum Anstrich (Hüttenauf alumninium) Wasserbasis

Teppichboden

Stahl Stahl (allgemein, (Schrottaus Rohanteil) eisen)

Glasfaserdämmstoff

Floatglas

Zement

2.5

10.4 0.3

Holz Holz (Weichholz, (luftgeofengetrocknet) trocknet)

Sperrholz

1.3 Beton (Transportbeton, 30MPa)

In der Branche durchgeführte Berechnungen der grauen Energie gehen zumeist von der Herstellung von Stahl aus Roheisen aus. Jedoch ist der Anteil dieses Stahls an der Gesamtproduktion sehr niedrig, da Stahl überwiegend Schrottanteile enthält. Einer der wichtigsten Wege zur Minderung der aus der grauen Energie resultierenden CO2-Emissionen besteht in der Verringerung des Materialeinsatzes und damit verbunden des für die Errichtung des Gebäudes erforderlichen Energieaufwands. Bei der Abwägung zwischen einer Stahlrahmenkonstruktion und der Stahlbeton- oder Massivholzbauweise sind weitere Fragestellungen zu berücksichtigen, darunter Faktoren wie das Verhalten in Verbindung mit passiven Heizungs- und Kühlsystemen, die Dauerhaftigkeit, mögliche Brandschutzmaßnahmen, der Recyclinganteil sowie die lokale Verfügbarkeit.

– STAHL UND NACHHALTIGKEIT


Gesamt-Energieverbrauch eines Einzelhandelsgebäudes, bestehend aus einer typischen Konstruktion aus warmgewalzten Stahlprofilen (geschätzte Nutzfläche unter 600 m²), nach 50 Jahren. Auf die Träger und Stützen entfallen unter 1 %

Fenster und Türen 1,52%

des Energieverbrauchs. Diese Zahl kann je nach Nutzung variieren, doch wurde in

Gründungen 0,80%

Gesamt-Betriebsenergie 93,07%

der Studie nachgewiesen, dass die Wahl des Materials für die Tragkonstruktion

Träger und Strützen 0,62%

Graue Energie gesamt 6,93%

weniger bedeutend als andere Faktoren ist (Energieverbrauch im Betrieb sowie Dauerhaftigkeit von Gebäudehüllen, Fenstern

Gebäudehülle (Wände und Dach) 3,99%

und Türen). Für die Berechnungen wurde die Software Athena Life Cycle verwendet. Quelle: Kevin van Ooteghem, Life Cycle Assessment of a Single Storey Retail Building in Canada.

REDUZIERUNG DES MATERIALEINSATZES Selbst zwischen unterschiedlichen Stahlkonstruktionen besteht die Möglichkeit der Reduzierung des Materialeinsatzes. Querschnitte, welche die vorteilhafte Anordnung des Materials in einem gewissen Abstand von der Schwerpunktachse ermöglichen (zum Beispiel bei W-Profilen und Hohlprofilen sowie Stahlgitterpfetten), führen zu einem sparsamen Materialeinsatz, der bei tragenden Bauteilen oder Systemen, die des Einsatzes von Vollquerschnitten bedürfen, nicht möglich wäre. Diese Leichtgewichtigkeit der Konstruktion bewirkt sowohl eine Reduzierung des allgemeinen Materialeinsatzes als auch eine Senkung der Kosten für den Transport und die Errichtung der Gründung. Bei Hohlprofilen kommt dazu noch eine Verringerung des für die Beschichtung erforderlichen Materialaufwands, wenn man die Oberfläche eines W-Profils mit einem Hohlprofil gleicher Tragfähigkeit vergleicht (unter der Annahme, dass das Hohlprofil innen nicht beschichtet werden muss). Dies gilt für die Mehrzahl der Farbanstriche. Bei verzinktem Stahl ist jedoch die gesamte Oberfläche zu beschichten – auch das Innere von Hohlprofilen –, um einen wirksamen Korrosionsschutz zu gewährleisten, was zu einer Erhöhung des Materialaufwands führt. Der Verzinkungsvorgang ist darüber hinaus energieintensiver, woraus sich eine Steigerung der umweltbezogenen Kosten ergibt. Das von SRG Partnership geplante

REDUZIERUNG VON ANSTRICHEN UND BESCHICHTUNGEN

Gebäude der Lillis Business School an

Da freiliegender Stahl selbst architektonisches Gestaltungselement

der University of Oregon in Eugene, ist nach LEED TM Silver zertifiziert.

ist und keine weitere Oberflächenbehandlung erfordert, führt die

Hier dient eine sichtbare Stahlkonstruk-

Reduzierung des Einsatzes anderer Materialien zur Einsparung von

tion zur Reduzierung des Materialauf-

Ressourcen und Arbeitskosten. Brandschutzbeschichtungssysteme

wands für den Innenausbau. Der weiße

ermöglichen die Zurschaustellung sichtbaren Stahls in unterschied-

Anstrich des Stahls erhöht den Reflexions-

lichsten Gebäudetypen und -nutzungen. Bei der Beurteilung des

grad im Innenraum und trägt so zum Tageslichteinfall bei.

Einflusses der Stahlkonstruktion auf das Innenraumklima ist sorgfältig auf die Wahl von Anstrichen zu achten, die keine bzw. nur einen minimalen Anteil an flüchtigen organischen Verbindungen enthalten. Dies gilt insbesondere für die Auswahl von Brandschutzbeschichtungen, da wasserbasierte Beschichtungen gegenwärtig nur für den Schutz von Innenräumen eingesetzt werden und tendenziell langsamer trocknen als die einen höheren VOC-Gehalt aufweisenden Epoxidharzsysteme.

REDUZIERUNG VON ARBEITSKOSTEN Durch die Industrialisierung der Fertigung in der Werkstatt sowie der Montage kann der Arbeitsaufwand auf der Baustelle reduziert werden, was sich in einer Senkung der Personalkosten und der transportbedingten CO2-Emissionen niederschlägt. Eine ganzheitliche Betrachtung der Stahlfertigung führt zu dem Schluss, dass es künftig einfacher sein wird, die Fertigungsbetriebe aus erneuerbaren Energiequellen zu versorgen, als diese erneuerbare Energie auf der Baustelle bereitzustellen. Selbst bei einer Projektplanung mit einem erheblichen Anteil erneuerbarer Energien – wie zum Beispiel Photovoltaik und Windkraft – stehen diese Energiequellen in der Regel erst kurz vor Fertigstellung des Bauvorhabens zur Verfügung.

– 225


1 Coberta Understanding Steel Design GER.


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