BIORAMA #11

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HAUS Salat im Hochformat

Netzwerk zum Anfassen

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The HUB als Arbeitsplatzkonzept von heute Seite 30

Das Gemüse von morgen wächst auf Hochhäusern

BIORAMA VIERTeljährlich, verlagspostamt 1040 wien, p.b.b., GZ 05Z036212 M, NO. 11 010, JÄNNER 2010

11 DEUTSCHLAND , ÖSTERREICH 2,50 EUR

Der Aktivist

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Seite 34

Seite 24

Architekt Thomas Rau findet: das Passivhaus ist von gestern


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# 77

Ist es OK, dass Cola billiger ist als Milch?

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Fragen dieser Welt

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BIORAMA

Manchmal fragt man sich wirklich … Ja, was denn? Schickt uns die Fragen, die euch bewegen, an redaktion@biorama.eu. Und der Biorama-Fragenindex mit Fragen rund um bewusstes Leben wächst und wächst und wächst. 3


BIORAMA

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Einleitung

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Editorial

Editorial /Impressum Gibt es derzeit nicht Wichtigeres zu tun? Wenn Kathrin Hartmann in ihrem aktuellen, penibel recherchierten und locker lesbaren Buch „Das Ende der Märchenstunde“ postuliert, dass bewusster Konsum die Welt nicht rettet, dann hat sie damit selbstverständlich Recht. Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass es um das große Ganze geht. Nicht die Politik alleine, nicht der Demonstrant alleine, nicht der Boykott alleine werden die Welt retten. Es ist die Summe aus allem. Deshalb rufen wir auch in dieser Ausgabe wieder zu einer „Kultur des Sowohl als Auch“ auf. Bewusster Konsum alleine wird eben in keiner Weise die Welt retten, die Welt aber um Vieles besser machen. Lieber 10% bewusster Konsum als 100% unbewusster Konsum! Fairer Handel hat nun mal einen notwendigen und bedauerlicherweise nicht selbstverständlichen Effekt auf die Produzenten, also Menschen. Biologischer Landbau hat seinen essenziellen Effekt auf Grund, Boden, Produzent und Konsument. Konsum und Geld sind in unserer heutigen Gesellschaft wohl die größte Macht und direktester Gestaltungs-Arm des Individuums. Punkt. Klar ist, dass es um die Welt an sich nicht gut bestellt ist, weder Industrie noch Politik den Aufgaben und Herausforderungen gewachsen sind – wenn sie sich überhaupt deren bewusst sind (sein wollen). Da kommen wir also nicht drum herum, neben dem bewussten Konsum anderweitig aktiv zu werden. Zum Beispiel neue außerparlamentarische Oppositionen zu bilden (siehe Milo’s Choice auf Seite 15, Harald Welzer), engagierte nachhaltige Unternehmer mit entsprechenden guten Produkten und Dienstleistungen zu werden, selbst in die Politik zu gehen, auf die Straße zu gehen, in Mikrokredite zu investieren, einen Blog zu schreiben oder mittels TwitterChannel Mitbürger online zu informieren und mobilisieren. Letzten Endes einfach Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und zu verstehen, was das in letzter Konsequenz bedeutet. Im Übrigen Beispiele, auf die Kathrin Hartmann in ihrem Buch verzichtet. 4

Es ist wichtig, den Diskurs, den Hartmann möglicherweise stimuliert, zu führen – allein deswegen, weil es derzeit an „Umweltberatern“, „CSR-Weichspül-Programmen“, an Unternehmen, die „auch jemanden für ökologisch nachhaltige Antworten in der Kommunikations-Abteilung sitzen haben“, nur so wimmelt. Wenn Unternehmen vermeintlich „Gutes“ in Form von Spenden und wohltätigen Leistungen tun, dann ist das nun wirklich keine Erwähnung wert. Sondern zum einen selbstverständlich und zum anderen in keiner Weise Kriterium für ein nachhaltiges oder gutes Unternehmen! Die Chance des Buches von Kathrin Hartmann liegt in einer weiteren Gelegenheit, klare Kriterien zu diskutieren, definieren und zu kommunizieren. Es ist jedoch fraglich, ob: a) Kathrin Hartmann es mit ihrem Buch erreicht, dass die/der Einzelne im Alltag noch genauer hinsieht und noch genauer nachfragt (gibt es dafür bei uns allen die Zeit, die Muße, die Hoffnung?) oder eher dass sie/er einfach sagt: „Ich habs doch immer schon gesagt. Die ganzen LOHAS, Bios, Ökos … ist doch eh alles wurscht.“ b) es uns alle weiter gebracht hätte, wenn Kathrin Hartmann ihre Hingabe und Fähigkeit dem Aufdecken eines wahren Missstandes oder noch besser einer Ansammlung und Untermauerung von Handlungsanleitungen zum Status Quo gewidmet hätte. c) es zum derzeitigen Stand der Welt nicht Wichtigeres zu tun gibt. Im Übrigen wünschen wir uns, bei all der Recherche zum „Ende der Märchenstunde“ nicht mit dem „Klimamagazin“ aus dem Umfeld des Axel-Springer-Verlag (BildZeitung) in einem Atemzug erwähnt zu werden. Weil das


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Einleitung

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BIORAMA

sos-design.de

Editorial

bedeuten würde, dass dann auch in ihrem Buch nicht ganz so differenziert Betrachtungen angestellt werden, wie das Kathrin Hartmann von vielen anderen fordert. Alle, die nun wissen wollen, was tatsächlich in besagtem Buch geschrieben steht, können dies ansatzweise auch im entsprechenden Blog www.ende-der-maerchenstunde.de nachlesen. Die Biorama-Winter-Ausgabe ist da. Erstmalig auch in limitierter Auflage ein Biorama-T-Shirt (erhältlich unter: www.motmotshop.com), handmade aus der Werkstatt von Motmot, die uns diesmal vom Cover weg das ganze Schwerpunkt-Thema „Haus“ visualisiert haben. Danke dafür. Nachhaltige Architekturen halten wir für eines der wichtigsten und spannendsten Themen der kommenden Jahre – deshalb hier ein erster Beitrag unsererseits in diese Richtung. Wie immer sind wir auf euer Feedback, eure Tipps und eure Weiterempfehlungen angewiesen. Spread the Word, spread Biorama. Ihr werdet im neuen Jahr von Biorama im Sinne großer Taten und Worte viel zu hören und zusehen bekommen. Bis dahin: Nur das Beste für uns alle in 2010.

Bio-Gartentees in Spitzenqualität Für Kenner und Genießer Hochwertige Tees in Bio-Qualität sind oft nur in kleinen Mengen und unter hohem Einsatz an Zeit und Energie zu finden. Wir sind sehr stolz, Ihnen unser Premium-Teesortiment aus jeweils zwei weißen, grünen und schwarzen Tees vorzustellen: Sorgfältig ausgesuchte Spezialitäten und Raritäten aus Spitzenpartien einzelner Teegärten. Unvermischt, naturbelassen und aufwändig von Hand gearbeitet.

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Viel Spaß beim Lesen, Milo Tesselaar, Ursel Nendzig redaktion@biorama.at

Erhältlich z.B. bei www.gourmondo.de www.herbaria.de


Inhalt

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VORSPIEL Rund um uns herum

/ Seite 8

Wer liest, macht, verkauft und inseriert in Biorama

Kolumne: Kirsten Brodde Sehenswürdig

/ Seite 11

/ Seite 13

Details einer Stadt

Milo’s Choice

/ Seite 14

Bücher, die wir mögen

Kolumne: Max Deml

/ Seite 16

„So langsam dämmert es den Leuten“

/ Seite 18

Berlinale-Direktor Dieter Kosslick im Interview

HAUPTAKT Der Aktivist

34

42

/ Seite 24

Thomas Rau und das „Haus wie ein Baum“

Der neue Hausbesetzer

/ Seite 28

Fabian Tacke entwickelt grüne Immobilien

Salat im Hochformat

/ Seite 30

Vertical Farming im Groß- und Kleinformat

Netzwerk zum Anfassen

Das Holzauto

/ Seite 42

Joost Conijns wird von Holz angetrieben

/ Seite 34

The HUB als Arbeitsplatzkonzept

Architektur für alle

GALERIE

/ Seite 38

Das Konzept von „Architecture for humanity“

KÖRPER Körperpflege

/ Seite 49

Impressum

PRODUKTION & MEDIENINHABER Monopol GmbH, Favoritenstraße 4-6/III, 1040

HERAUSGEBER Milo Tesselaar CHEFREDAKTION Ursel Nendzig, Milo Tesselaar

GmbH, Favoritenstraße 4-6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766; www.biorama.eu,

AUTOREN Mirjam Bromundt, Max Deml, Marlene Duffy, Hans-Christian Heint-

www.monopol.at, redaktion@biorama.at BANKVERBINDUNG Monopol GmbH,

schel, Stephan Klein, Noel Klein-Reesink, Magdalena Miedl, Sara Mously, Kristin

easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 ABONNEMENT siehe Website:

Oeing, Götz Rehn, Martin Schwegmann, Katharina Seiser, Nina Trippel

www.biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 4 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGS-

FOTOGRAFIE Christian Grewe, Kathrin Harms, Stefan Knittel, Nadja Meister, Mar-

ORT Wien VERLAGSPOSTAMT 1040 Wien

Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Bernhard Schmidt KONTAKT Biorama c/o Monopol

cus Müller-Witte COVER motmot design ILLUSTRATIONEN motmot design, Nana Mandl LEKTORAT Kerstin Krenn GESTALTUNG Super-Fi ANZEIGENVERKAUF

BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem

Herwig Bauer, Micky Klemsch, Christoph Ullmann, Thomas Weber ANZEIGEN-

nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und

VERKAUF DEUTSCHLAND Antje Schmidtpeter (Sieben&Siebzig) WEB Super-Fi,

Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie

m-otion DRUCK gugler GmbH, Auf der Schön 2, 3390 Melk/Donau

zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für Mensch und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint viermal im Jahr.

erscheint ebenso wie

, Magazin für Popkultur, im

VERL AG.


ERNÄHRUNG Des Zuckers weiße Weste / Seite 50 Ernährung: Zucker

Marktplatz Ernährung Ich und die Anderen

/ Seite 54

/ Seite 56

Im Test: Bio-Fertigsuppe

/ Seite 58

Das Rezept im Bild: Eierlikör / Seite 60 Kolumne: Marlene Duffy über Wein

/ Seite 62

KINDER Unter kleinen Indianern

/ Seite 64

Ein Besuch im Waldkindergarten

Kleine Konsumenten

/ Seite 66

Kinder als Einkäufer. Plus: Psychotest

Kolumne: Kleins Welt

/ Seite 68

NACHSPIEL Darf ich vorstellen? Meine Stadt

/ Seite 70

Frankfurt am Main

Der Nachruf: Gletscher TO DO – Liste

/ Seite 72

/ Seite 74

FRAGEN DIESER WELT

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3, 23, 41 und 48

Auf diesen Seiten stellen wir Fragen aus dem Biorama-Fragenindex vor. Wir sammeln jene Fragen, die uns alle bewegen, die rund um bewusstes Leben kreisen. Und die nicht unbedingt eine Antwort haben oder brauchen. Schickt uns die Fragen, die euch bewegen, an redaktion@biorama.at. Und der Biorama-Fragenindex wächst und wächst und wächst.


BIORAMA

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Einleitung

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Leser, Macher, Händler, Inserenten

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Rund um uns herum Auch in dieser Ausgabe wollen wir hier einige der Leute vorstellen, die dieses Magazin machen. Denn es gäbe kein Biorama ohne Illustratoren, Schreiber, Inserenten, Fotografen. Und natürlich Leser. Hier sind ein paar der vielen Gesichter hinter den Seiten.

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1 Wer vertreibt Biorama? In ihrem Online Store armedangels & friends vertreiben Martin Höfeler und sein Geschäfts-Partner Anton Jurina nicht nur ihr eigenes Fairtrade-zertifiziertes Eco Fashion Label armedangels, sondern seit August 2009 auch zahlreiche weitere nachhaltige Marken – kurz, hier gibt es alles, was das grüne Modeherz begehrt. „So oder gar nicht!“, sagt Martin Höfeler. „Wir glauben an Nachhaltigkeit und Fairness als oberstes Prinzip. Wir übernehmen Verantwortung. Für die natürlichen Ressourcen, die wir verwenden. Für die Menschen, die unsere Materialien herstellen und verarbeiten. Weil es uns wichtig ist. Das macht zwar mehr Arbeit und kostet mehr Geld, aber das ist es wert. Biorama teilt unsere Philosophie und passt daher perfekt zu uns. Deshalb packen wir bei jeder Bestellung ein Magazin dazu, um dazu beizutragen, die Biorama-Botschaft weiter zu verbreiten.“ www.armedangels.de

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2 Wer liest Biorama?

Welf Schnell. Er wohnt auf der Insel Lantau in Hong Kong. Bis 2005 war er Wissenschaftler für Philosophie, Wissenschafts-, und Technikgeschichte. Dann zog er um nach Asien und nahm seine Tätigkeit im Bereich regenerativer Energien (Wind) und Distribution von Energie (Schaltanlagen) auf. Daneben – und später „hauptberuflich“ – baute er eine Kooperative in Thailand mit Gleich8

gesinnten auf. „Wir wollen gemeinsam neue Formen des Lebens und Arbeitens finden und leben“, sagt Welf Schnell. „Und zwar in einem Geiste, wie er auch von Biorama vertreten wird. Das betrifft die Bereiche Landbau, Handwerk, Energie, Wissenschaft, Technik, Kunst und Kultur. Wir suchen noch Leute, die mitmachen.“ www.chianto.com www.avantis-energy.com www.switchcraft.com.hk

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3 Wer macht Biorama?

Die Motmots, das sind wir: Anna Breitenberger und Steve Reeder. Im Motmot Shop in Wien sind sie zuhause. Hier gibt es Grafik Design zum Überziehen, Aufkleben und Einstecken. Sie gestalten T-Shirts, Poster, Buttons und siebdrucken anschließend alles in Kleinstauflage von Hand. Über Biorama sagen sie: „Wir lieben Biorama, da es Geschichten zum Thema Nachhaltigkeit aufgreift, die anderwo nicht so leicht zu finden sind.“ Was sie sich wünschen? „Ein Biorama-Heft zum Thema ‚Green Clothing‘.“ www.motmotshop.com

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4 Wer wirbt in Biorama? „Mir gefällt, dass Biorama erfrischend kritisch und nicht moralisierend an die vielfältigen Aspekte eines nachhaltigen Lebensstils herangeht. Insbesondere gelingt es Biorama immer wieder, bei ihren Themen einen ganz eigenen Blickwinkel einzunehmen, der dann auch durch die Gestaltung ganz individuell in Szene gesetzt wird“, sagt Kolja Schwab von Windwärts Energie, Inserent dieser Ausgabe. „Besonders freut uns als langjähriger Anbieter nachhaltiger Kapitalanlagen natürlich, dass mit der Kolumne von Max Deml das Thema Grünes Geld nun auch einen festen Platz im Magazin gefunden hat.“ www.windwaerts.de


gugler* denkt weiter Verantwortungsvoll werben, nachhaltig kommunizieren! Öko-Marketing greenprint* Neue Medien

Als gugler* cross media vor 20 Jahren gegründet wurde war das Thema Klimawandel noch nicht aktuell. Mit der Vision, eine intakte und lebenswerte Umwelt zu erhalten, erarbeitete sich das Melker Medienhaus rasch den Ruf eines Öko-Pioniers und eines innovativen Partners, wenn es um zukunftsfähige Kommunikationslösungen geht: „Es ist unser tägliches Bestreben, vorbildliche Maßnahmen zur Verbesserung der gesamten Öko-Bilanz zu setzen. Damit unser Lebensraum auch lebenswert bleibt.“ Ernst Gugler

Fordern Sie Ihr persönliches Info-Paket an: www.gugler.at / info. Konkrete Anfragen richten Sie bitte direkt an: Reinhard Herok, +43 (0)2752/500 50-234 oder herok@gugler.at

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BIORAMA

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Kolumne

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Kirsten Brodde

Text – Kirsten Brodde

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Foto – www.kirstenbrodde.de

Aktion adelt Der Mann ist ein Dandy, wie er da so gelackt auf der Berliner Bühne steht, aber er hat recht. Verantwortungsbewusster Konsum reicht nicht, wir müssen zweigleisig fah­ren und uns parallel politisch engagieren. So lautete die Botschaft des Soziologen Harald Welzer zum Auftakt des Utopia-Kongresses im Dezember 2009. Nach seinem apokalyptischen Buch über das Ende der Welt war deutlich Welzers Bemühen zu spüren, die Welt doch noch zu retten – und einen Anstoß zum aktiv werden zu geben. Politik nicht nur von Politikern machen zu lassen – letztendlich auch, um professionelle Politik ganz anders unter Druck zu setzen – das ist eine Idee, die nicht neu ist, wohl aber einen Frischekick verdient. Dank des Internets ist es leichter geworden, Mitstreiter für ökologische, humanitäre oder politische Anliegen zu finden. Doch zugleich ist es schwieriger geworden, diese Menschen auch sichtbar auf die Straße zu bekommen – virtuelle und reale Aktionen zu verknüpfen. Und als jemand, der aufregende wie aufreibende Jahre bei Greenpeace verbracht hat, ist der kollektive und körperliche Protest auf der Straße immer noch ein Muss.

Nur weiß ich, dass ich immer in zu großen Dimensionen denke. Ich liebe Transparente in Bettlakengröße und 100.000 Leute bei einer Demonstration.

Aber natürlich kann auch jeder Einzelne was alleine machen – fast nebenbei- was ebenfalls Sprengkraft hat. Nicht jeder ist gesellig und steht auf Vielrednerei und zwischenmenschliches Bohei, was ehrlich gesagt bei vielen Vereinen und Organisationen an der Tagesordnung ist. Deshalb plädiere ich für die Wiederentdeckung des David-Prinzips. Zieht los und macht was. Auf der Straße, im Betrieb, im Internet. Wohlgemerkt bin ich dabei sicher, dass auch Ein-Mann oder Ein-Frau-Aktionen am großen Beispiel lernen können. Viele Merkmale von erfolgreichen Kam10

pagnen wie Brent Spar gegen die Versenkung einer Ölplattform im Meer oder der Landminen-Kampagne, die sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, lassen sich ins Kleine übertragen und entfalten dieselbe Sprengkraft. Warum sollen wir alles mühsam selber erarbeiten, warum nicht von Rezepten und Matrizen anderer profitieren. Auch von ihren Fehlern lässt sich lernen. Hingabe ist schön, um erfolgreich zu sein, braucht es vor allem Strategie. Wer ist der Gegner, wo finden wir wenn nötig Unterstützer? Wie mobilisiere ich Aufmerksamkeit, welches taktische Mittel ist angesagt und welche Rechtsbrüche begehe ich womöglich? Solche Fragen haben sich Aktivisten zu allen Zeiten gestellt und auch Antworten gefunden.

Eigentlich brauchen wir eine Protestschule der Nation, wo man das wieder lernen kann. Einen Kampagnen-Simulator. Gut gefallen mir deshalb Akti-

onsplattformen wie www.campact.de oder www.greenaction.de oder auch bewegung.taz.de, wo ich mir angucken und abgucken kann, was andere auf die Beine stellen. Das ist aber anders als in der echten Schule. Spicken ist erlaubt und Nachmachen deutlich erwünscht. Sehen wir uns dort?

Über Kirsten Brodde

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Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Sie bloggt unter www.gruenemode.de und seit Neuestem auf www. greenaction.de. Ihr Buch „Saubere Sachen“ über Ökomode und wie man sie findet erschien im Frühjahr 2009.


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Text – Ursel Nendzig

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Foto – Stefan Knittel

Details einer Stadt

/ / Reise

BIORAMA

Sehenswürdig Sleep all day Hamburg, Altona, Bahrenfelderstraße Es sieht aus wie ein Kasten, in dem Neues aus der Kirchengemeinde ausgehängt wird. Oder ein Briefkasten, in den man ausnahmsweise hineinschauen darf. Und was verbirgt sich dahinter? Ein kleines Stück heile Welt, in der man den ganzen Tag in einem gemütlichen Bettchen liegen und träumen kann, faul sein darf.

Ocioso, das steht auf dem Bild, das über der Schlafenden hängt, ist Spanisch und heißt müßig, untätig. Ein Kasten, vor dem man gerne mal kurz stehen bleibt und selber ein bisschen mit der kleinen Puppe mitträumt. Wer weiß schon, wer ihn dort aufgehängt hat. Und warum. Vielleicht meldet er sich ja bei uns und erzählt es? 13


BIORAMA

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Milo’s Choice

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Bücher

Text – Milo Tesselaar

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Fotos – Verlage

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Mein Büchertisch 2009 Das gedruckte Werk wird aus meiner Sicht trotz „Digital Natives“ auch weiterhin existieren. „Print is dead“ ist insofern eine eher unreflektierte Floskel – treffender ist da „It is the End of Print as we know it“. Wie auch den anderen Todgesagten (Radio, Kino und Fernsehen), geht es beim Gedruckten jetzt und in Zukunft vor allem darum, gute Buch- und Magazin-Produkte (für Spezialisten, für Nischen, für Liebhaber, für Trends und Zeitloses) innerhalb eines marktfähigen (und eventuell neuen) Geschäftsmodells zu entwickeln, zu schreiben, gestalten und zu drucken. Eine der spannendsten und wohl beachtlichsten Verlags-Aktivitäten außerhalb des klassischen Literatur-Betriebs liefert seit einigen Jahren Orange Press aus Freiburg. Mit dem heuer erschienenen Buch „Guerilla Gardening – ein botanisches Manifest“ (1) des Briten Richard Reynolds treffen sie wieder einmal den Nagel auf den Kopf. Einen weiteren Erfolg verzeichnet Orange Press mit dem praktischen und hintergründigen Buch „GenFood“ (2), das aktuell in überarbeiteter Version in eine neue Runde geht. www.orange-press.com Aus der Werkstatt des Routiniers deutschen Editorial Designs Horst Moser, sowie Frischblut in Person von Lucie Schmid und Marta Olesniewicz stammt „CUT“ (3) – ein längst fälliges Magazin zum Wieder-Aufleben des „Selbstmachen-Bedürfnisses“. CUT ist das DIY-Magazin des deutschsprachigen Raums, die ersten zwei Ausgaben vor allem mit dem Focus auf Mode. Nun haben also all die Stricker und Strickerinnen in den schicken Cafés Land auf and ab ihr „Rolling Stone“. www.cut-magazine.com 14

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5 In Hamburg entsteht seit mehreren Jahren das notwendige Magazin brandeins. Zu dessen wachsender Familie zählt der brandeins-Verlag, der neben dem Buch „Die Welt in Zahlen“ Ende 2009 gemeinsam mit der Firma Siemens „Das Buch der Fragen“ (4) zusammengetragen hat. Ein empfehlenswertes Buch für Anhänger des gepflegten Wandels hin zu einem fairen, verantwortungsvollen und umweltfreundlichen Leben, Arbeiten und Wirtschaften (neudeutsch auch Change Maker oder Change Designer). Lukas Feireiss und seine Mutter Kristin Feireiss (ihres Zeichens Gründerin und Leiterin von Aedes, der ambitionierten privaten Architektur-Galerie Netzwerkknoten in Berlin) haben mit „Architecture of Change 2“ im GestaltenVerlag bereits das zweite Buch zu aktuellen nachhaltigen und sozialen Architekturen geliefert. Untermauert wird das Ganze in gelungener Weise von einem ausführlichen Gespräch zwischen Lukas Feiress und Peter Sloterdijk. Nicht nur passend zu unserem Themenschwerpunkt „Haus“ ist „Architecture of Change 1 und 2“ (5) ein Pflichtwerk. www.gestalten.com


Bücher

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Milo’s Choice

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BIORAMA

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Ein klarer Kopf, die Füße am Boden. Ein starker Wille. Letzten Endes sind dies wohl die Tugenden, die einem durch den Digitalen Sumpf (Facebook, Twitter, Youtube) surfen lassen, oft ohne dabei verloren zu gehen. Die unendlichen virtuellen Weiten, die Echtzeit, das permanente Feedback der Comment-Schleifen ist neben all den Vorteilen einer der großen Nachteile des Internet. Diese zu erörtern, diesbezüglich Bewusstsein zu schaffen und die Sinne für die Vorteile und Nachteile zu schärfen, das hat sich FAZ-Fuilleton-Chef Frank Schirrmacher mit „Payback“ (6) zum Ziel gesetzt und auch bravourös erreicht. Vielen Dank für dieses Buch. In überarbeiteter Version ist 2009 „Viktor Papanek: Design für die reale Welt“ (7) des in Österreich geborenen Designers erschienen. Bereits 1971 lieferte er damit ein konsequentes Statement zu ökologisch und sozialen Design-Standards sowie zu einen allumfassenden übergeordneten Designbegriff. Bis heute hat Viktor Papanek, der den Großteil seines Lebens in New York verbrachte, nicht annähernd so viel Gehör gefunden, wie es notwendig und ihm entsprechend gewesen wäre. www.springer.com/architecture

Frisch aus der Druckerei kommt „GrünSchlauSexy“ – ein gedrucktes Brainstorming zu Nachhaltigkeit in zeitgemäßem Anstrich (vollzogen von Designbüro Mirko Borsche, das einige vom genialen „ Jetzt“ Magazin der SZ und dem „Neon“-Magazin kennen könnten). 50 Gedanken und Anregungen, zusammengetragen von Martin Kleene und Gregor Wöltje, zwei der Utopia-Gründer, die heute auf Basis von „GrünSchlauSexy“ in ebendiesem Sinne Unternehmen beraten. „Wir brauchen eine APO 2.0 – eine neue Außerparlamentarische Opposition“ ist Harald Welzers Forderung. Die fasst er mit Claus Leggewie im Buch „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Klima, Zukunft und die Chancen der Demokratie“ (9) zusammen. Wir sehen das genau so, wenngleich der Begriff APO noch etwas „GrünSchlauSexy“ vertragen könnte. Tatsächlich zeigt dieses Buch auf wertvolle Weise, wie der ökologische Status Quo, unsere Gesellschaft, die Medien und eine gelähmte Politik in starkem Zusammenhang stehen und was dies, auch als Chance für die Zukunft, bedeutet. Milo’s Choice gibt es auch auf www.twitter.com/milotesselaar 15


BIORAMA

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Kolumne

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Max Deml

Text – Max Deml

Grüne Fonds – dunkel bis blass. 100 ökologisch orientierte Aktieninvestmentfonds gibt es in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg. Mehr als 20 Milliarden Euro haben Anleger ihnen anvertraut. Und damit in den letzten vier Jahre höchst unterschiedliche Renditen erziehlt. Nach einer Reihe von positiven Jahren (durchschnittlich +25%, +14% bzw. +7,5% in den Jahren 2005, 2006 und 2007) fiel das „Finanzkrisenjahr“ Jahr 2008 mit einem Minus von 45% so schlecht aus wie kaum ein Jahr zuvor. Wie gewonnen, so zerronnen: Nach 3 positiven Jahren mit insgesamt 53% Gewinn lagen die Fonds am Ende des vierten Jahres fast 16% im Minus. Die ersten 9 Monate 2009 brachten jedoch wieder ein ansehnliches Plus von durchschnittlich 22,7%, sodass ein Anleger, der seit Anfang 2005 dabei ist, nun mit gut 3% wieder im Plus ist. Das klingt – auf fast 5 Jahre – nicht gerade berauschend. Aber im längerfristigen Vergleich (10, 20 oder mehr Jahre) schneiden Aktien(fonds) trotz großer Kursschwankungen meist wesentlich besser ab als ein mit jährlich 4% oder 5% verzinstes Sparbuch. Andererseits gibt es innerhalb der Ökofonds-Gruppe sehr große Unterschiede in der Rendite: Während einige in den ersten 3 Quartalen des aktuellen Jahres 2009 leicht im Minus waren, kamen die vier Spitzenreiter (UBS EF Emerging Markets Innovators, Swisscanto Green Invest Emerging Markets, BankInvest Global Emerging Markets Equity SRI und SAM Smart Energy) auf einen Wertzuwachs von jeweils über 50%. Doch wie „grün“ sind diese Umwelt-, Ethik- und „Nachhaltigkeits“-Fonds wirklich? 16

Die Anlagekriterien sind unterschiedlich streng: Von dunkelgrün (bei den beiden ESPA-W WF-Fonds oder dem Ökoworld Ökovision Classic) bis blassgrün gibt es viele Schattierungen bei der Aktienauswahl. Bei den „best-in-class“-Ansätzen von „Sustainability“-Fonds, die keine Ausschlusskriterien berücksichtigen, sondern jeweils die Aktien der „nachhaltigsten“ Branchenführer auswählen, darf man sich nicht wundern, wenn auch Rüstungs- oder Atomkraftaktien gekauft werden. Es ist daher ratsam, sich anzusehen, welche 50-100 Titel sich tatsächlich im Portfolio befinden. Manchmal kommt es sogar vor, dass sich das Management nicht an die eigenen Kriterien hält. Im Sommer 2009 wurde beispielsweise bekannt, dass sich im Portfolio des Liga-Pax-Fonds Aktien von Unternehmen (z.B. BAE Systems, British American Tobacco und Imperial Tobacco) fanden, die mit Rüstungs-, Tabak- und Verhütungsmittel-Produktion zu tun hatten. Die Pax-Bank hat zusammen mit der ebenfalls kirchlichen Liga-Bank diese Titel (im Gegenwert von rund 1,6 Mio Euro) umgehend verkaufen lassen und Besserung gelobt: „Wir werden unsere Guidelines überprüfen und unsere Prozesse noch weiter verbessern und schärfen, um einen solchen Fehler für die Zukunft auszuschließen“. Es möge ihnen gelingen.

Max Deml

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Max Deml ist seit 1990 Autor des Jahrbuches „Grünes Geld“ und Chefredakteur des Börseninformationsdienste ÖKO-INVEST (oeko-invest@teleweb.at).


13% meines Gewinns bleiben steuerfrei. Der Unternehmer-Freibetrag bringt eine ordentliche Entlastung für meinen Betrieb!

Von der WKO gefordert. Jetzt in der Steuerreform 2009 durchgesetzt: Der Unternehmer-Freibetrag ab 2010. Heißt konkret: Der Freibetrag für Gewinne wird von derzeit 10% auf 13% erhöht. Für die ersten 30.000 EUR Gewinn entfällt die Investitionsbedingung. Jeder Unternehmer erhält diesen Grundfreibetrag automatisch. Mehr über das Ende der steuerlichen Diskriminierung und wie Sie profitieren: epu.wko.at


BIORAMA

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Interview

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Dieter Kosslick

Text – Milo Tesselaar

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Foto – Kathrin Harms

„So langsam dämmert es den Leuten“ Berlinale-Intendant Dieter Kosslick im Gespräch über die kleinen und großen Schritte, leise und mit Feingefühl ökologische Standards für die Filmfestspiele Berlin zu etablieren, über Rübensüppchen, fette Autos, über Formaldehyd und Induktionsherde. Warum, ist es eine Notwendigkeit, die Berlinale langsam aber bewusst nachhaltig auszurichten? Es gibt zwei verschiedene Anlässe beim Festival, wo wir ökologische Gesichtspunkte reflektieren. Zum einen beschäftigen wir uns seit vier Jahren mit dem „Kulinarischen Kino“. Im „Kulinarischen Kino“ zeigen wir nicht nur Filme, im Anschluss gibt es ein Essen zum Film. Dazu wird mit Köchen und Filmemachern diskutiert: Welches Bewusstsein zur Lebensmittelindustrie entwickelt man, was wird von wem produziert? Ist es biologisch, genmanipuliert, Ausbeutung von armen Landarbeitern usw.?

Ihr habt euch also selbst sensibilisiert? Wir haben uns über das „Kulinarische Kino“ autosensibilisiert. Das hieß zu Beginn noch nicht „Kulinarisches Kino“. Es begann als eine Veranstaltung mit dem Thema „hunger, food and taste“ in unserem Berlinale Talent Campus. Und unsere Gäste waren u.a. die alternative Nobelpreisträgerin Vandana Shiva aus Indien, die Vizepräsidentin von Slow Food, Alice Waters aus Berkeley (Kalifornien), der Präsident von Slow Food, Carlo Petrini und der Filmemacher Peter Kubelka. Es war hochinteressant. Mein Kollege Thomas Struck und ich beschäftigen uns ja schon sehr lange auch privat mit diesen Themen. Aber auf der Berlinale haben wir dies erst, wie gesagt, vor vier Jahren programmlich aufgenommen. Das andere ist eine Anregung, die eigentlich von unserem Berlinale-Publikum kam, das auch stark an ökologischen Fragen interessiert ist. Die Berlinale greift immer wieder entsprechende Themen auf, zu Global Warming, Ökologie und Umwelt. Da gibt es natürlich Widersprüche in unserem eigenen Agieren. Wenn zum Beispiel am Tage der Potsdamer Platz in hellstem Licht erstrahlt, ist das nicht gerade ökologisch. Wir haben uns gesagt, wir können nicht nur thematisieren, sondern wir müssen auch anfangen an uns selbst zu arbeiten bzw. wir müssen die einzelnen Dinge durchleuchten und sehen, was wir machen können. Beim Strom haben wir einen Anfang gemacht, indem wir die Weihnachtsbeleuchtung bis Februar hängen lassen, und zum 18

Festival einfach wieder modifiziert anknipsen. Damit spart man die Installation, und wir trimmen dieses Stromwesen auf Niedrigvoltlampen. So spart man natürlich enorm viel Energie. Eine andere Position ist z.B. eine Neuigkeit in 2010. Wir werden zum ersten Mal in der Geschichte der Berlinale die Pressefächer abschaffen. Die Pressefächer, in die täglich Tonnen von Papier eingeworfen werden, das dann wenig später wieder in den Mülltonnen landet. Wir stellen das Infomaterial nun online zur Verfügung – das hat dann zwar wieder andere Folgen, aber es entbehrt dieser Tonnen von Papier. Wir gehen Schritt für Schritt vor, sind allerdings noch nicht so weit, wie wir gerne wären. Auch unsere MerchandisingArtikel haben wir untersucht. Doch selbst wenn wir die Taschen und sonstigen Dinge hier in Deutschland machen lassen, müssen wir noch untersuchen, ob das Material nicht z.B. aus China kommt: Nicht nur wegen der Transporte, sondern auch wegen der Inhaltsstoffe. Ökologisch durchdachtes Handeln ist ein riesiges Universum, das einen längeren Umsetzungsprozess erfordert. Man muss alles einzeln untersuchen. Wir stehen am Anfang eines langen Weges. Uns liegen auch zwei Angebote über alternatives Papier vor, die wir spannend finden. Es gibt Steinpapier und auch Elefantenkot-Papier, das ich gerade in Australien kennengelernt habe. Aber auch hier gibt es das Problem des Transports, und das schädigt die Ökobilanz wieder auf eine andere Art. Wir nehmen schon seit 8 Jahren „Munken Polar“ -Papier, das ist ein teures Papier, Recyclingpapier. Das Thema Alternativ-Papier werden wir aber weiterverfolgen. 2010 werden wir auch ökologischere Autos haben als bisher. Mit BMW haben wir einen der nachhaltigsten Automobilhersteller als Sponsor der Berlinale gewonnen.

Ihr habt vor ein paar Jahren einen Versuch gestartet, gezielt auf Qualität statt Quantität im Catering zu setzen. Was hat sich dadurch verändert? Meine Abneigung gegen große, überladene Buffets mit ungesundem Essen hatte die Folge, dass wir uns entschieden, richtig qualitätsbewusst zu kochen. Zum Beispiel bei der Eröffnungsfeier von guten Köchen. Und wir trinken auch keinen schlechten Wein, weil ich nicht möchte, dass man sich am nächsten Tag an die Berlinale-Eröffnung nur noch mit Kopfschmerzen erinnert. Die ersten Jahre hatten wir Weine aus dem Piemont, das ist auch die Slow-Food-Region. Und jetzt beziehen wir Wein über unsere Partner, das Deutsche Weininstitut und den VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter) – aus Baden, aus Württemberg, Rheinhessen und


Dieter Kosslick

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Interview

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BIORAMA

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der Pfalz, diese werden vorher mit Fachleuten verkostet und ausgewählt. Unter anderem haben wir auch darauf geachtet, dass die Weine keinen zu hohen Alkoholgehalt haben, nicht zu schwer sind. Wir kümmern uns wirklich um das Essen und Trinken. Beim kommenden Festival wird im „Kulinarischen Kino“ zudem ein Teil des Gemüses aus sogenannten Berliner Schulgärten kommen. Unter der Prämisse, möglichst regionale Produkte zu verwenden, möchten wir die Bufetts und das Catering beim Festival gestalten. Dazu hat der Caterer des Restaurants im „Kulinarischen Kino“ auch bereits Gemüse eingemacht, damit Nahrungsmittel aus der Region zum Einsatz kommen, die im Februar eigentlich nicht frisch verfügbar sind. Wir wollen nichts kochen, was unverantwortlich lange Transportwege benötigen würde. Februar ist ja nicht der beste Monat für frisches Gemüse aus der Region, dennoch gibt es einiges, Schwarzwurzeln, Rote Bete, Rüben, Kartoffeln. Ein gutes Rübensüppchen ist nicht zu verachten.

Neben dem ökologischen Veränderungs-Prozess, den ihr im Hintergrund des Festivals gestartet habt, und dem Kulinarischen Kino, gibt es auch zwei sehr große gesellschaftspolitische Programm-Säulen … Ja, wir sind das größte Kinder- und Jugendfilmfestival. 50.000 junge Menschen sind bei der Berlinale 2009 in der Sektion „Generation“ ins Kino gegangen. Die Sektion unterstützt auch ein medienpädagogisches Projekt mit Schulen, die Auseinandersetzung mit einzelnen Filmen wird mit den Kindern im Unterricht vorbereitet. Bekannt ist auch, dass die Berlinale den schwul-lesbischen Filmpreis „Teddy“ ins Festival integriert hat. In der Sektion Panorama werden seit Jahrzehnten u.a. schwul-lesbische bzw. Transgender-Themen aufgegriffen. Insgesamt war die Berlinale immer eine Plattform für soziale Themen, die Folgen der Globalisierung und politische Diskussionen. Es gibt auch immer mehr Filme - Dokumentarfilme, aber auch Spielfilme – die explizit gesellschaftspolitische Themen haben. Die besten Beispiele von weltweit erfolgreichen Dokumentarfilmen sind „Darwin´s Nightmare“, „We feed the world“ und „Food Inc.“ über die industrielle Lebensmittelproduktion. Erschreckende Filme. Diese Themen sind präsent, und das programmieren wir auch entsprechend. Dies ist ein Merkmal der fast 60-jährigen Geschichte der Berlinale. Sie war immer ein sogenanntes politisches Festival. In Zeiten des Kalten Krieges ist es 1951 von den amerikanischen Alliierten mit dem Ziel der Völkerverständigung gegründet worden. Die Berlinale hat den Mauerbau, die geteilte Stadt und das Ende der politischen Teilung Europas hautnah erlebt. All dies spiegelte sich auch immer in den Werken der Filmemacher wider. Immer wieder sorgten Filme für politische Auseinandersetzungen, wie z.B. 1979 Ciminos Antikriegsdrama „The Deer Hunter“. In den 1980er- und 90er-Jahren hat die Berlinale das osteuropäische und asiatische Kino im Westen bekannt gemacht. Zhang Yimou hat hier als erster chinesischer Regis20

seur auf einem westlichen Festival den Hauptpreis gewonnen. Für „Rotes Kornfeld“ erhielt er 1988 den Goldenen Bären. Die Welt war traumatisch geprägt von 9/11 als ich 2002 mein erstes Festival leitete, später erfuhr man von Guantánamo, 2008 zeigten wir von Oscarpreisträger Errol Morris den Dokumentarfilm „S.O.P. Standard Operation Procedure“, der die Folterungen und Misshandlungen in Abu Ghraib zeigte.

Der Ansatz, per Analyse und Taten einen Grünen Faden durch die Berlinale zu spannen, ist das einer, der einzig von oben herab gedeiht, oder auch einer, den das Kern-Team zu spüren bekommt und mitträgt? Der grüne Faden ist jetzt nicht unbedingt ein ganz dunkelroter Faden, der sich durch das Festival zieht. Zunächst ist es eine Reflektionsarbeit. Das heißt, wir durchleuchten die einzelnen Festivalelemente und überlegen, wie und wo wir ökologische Ansätze einbringen können. Wir haben einen Prozess gestartet, der sich langfristig auch nach außen zeigen wird. Es dauert noch ein Weilchen bis jeder versteht, welches Ziel wir verfolgen, das war beim „Kulinarischen Kino“ auch so. Da haben sich anfangs bestimmt Mitarbeiter und auch Journalisten gefragt, was wir da machen. Und jetzt weiß jeder, dass es gar nicht darum geht, dass wir uns mit Sterneköchen die Wampe voll schlagen, sondern dass wir das gute Essen quasi nehmen, um auf eine Metaebene hinzuweisen. Da geht es um Biodiversifikation. Nichts anderes ist ein Filmfestival als eine Diversifikation von Dingen. Es geht um Bio­ diversifikation, um Zusammenhänge, um kleine Einheiten, Independent-Produktionen oder industrialisierte Filme – wir zeigen auf der Berlinale beides – aber man macht dieses Problem bewusst. Oder am Kino selbst, 2010 beim 60. Festival haben wir das Thema Kino im Fokus. Das Kino an der Ecke ist nicht mehr das Kino von einst. Wir haben größere Einheiten und Multiplexe, doch das Programmkino in den Stadtteilen hat eine wichtige Funktion. Man kann natürlich darüber diskutieren, wie die Zukunft des Kinos aussieht und kann sagen „Aha, ist es die Digitalisierung “. Ich sage: „Lasst dieses arme Kino hier stehen und kümmert euch erst mal darum, was für einen Bezug der Sitz hat und welche Tapeten da sind.“ Ich erinnere mich noch an den Bau eines Multiplexes in Düsseldorf, das nach einer Woche wieder zugemacht hat. Das musste drei Monate gelüftet werden, weil das Formaldehyd Kopfschmerzen verursacht hat. Es gibt völlig verschiedene Ansätze zur Rettung des Kinos.

Inwiefern kann die Berlinale mit all ihren Bemühungen und Ideen ein Role Model für andere Festivals, Veranstalter und Unternehmer sein? Also wir sind erstmal froh, wenn wir das selber umsetzen können – das ist schwierig genug. Wir leisten uns diesen „Luxus“, keinen Luxus zu haben und in diese Richtung zu


Dieter Kosslick

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Interview

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Dieter Kosslick, seit 2001 Intendant der Berlinale, in seinem Büro.

gehen. Das neue Buch von Carlo Petrini, das Ende November in Rom vorgestellt wurde, heißt ja auch „Das Essen isst uns auf“, und das hat die Sache auf den Kopf gestellt. Das ist auch ein bisschen wie Fassbinders „Angst essen Seele auf“. Wir produzieren Lebensmittel im Jahr für 12 Milliarden Menschen. Wir sind aber nur 6 Milliarden Menschen. Und davon leiden oder sterben fast 1,2 Milliarden an Hunger. Also irgendwas stimmt an der Geschichte nicht, und das muss man mal klar machen. Aber wir sind noch keine vorbildliche Initiative, wo wir sagen, wir werden jetzt prämiert auf der nächsten Leistungsschau für nachhaltige Projekte.

Wodurch kann ein Einzelner aktiv sein? Da gibt es zwei Dinge. Einmal aus Überzeugung, und dann stellen ja viele Leute fest, dass ökologisches Handeln auch Geld sparen kann. Zum Beispiel jeder Einzelne, wenn er sich mal wirklich überlegen würde zu Hause die Elektrogeräte auszuschalten und vielleicht nicht den allergrößten Kühlschrank und zusätzlich noch eine Kühltruhe zu nutzen. Das kostet Geld, einfach bares Geld. So langsam dämmert es den Leuten, dass man damit auch sparen kann und ökologisch handelt.

Und was macht Dieter Kosslick selbst? Seit ich neben meiner Gasflamme auch noch einen Induktionsherd habe, muss ich sagen, dass das ein geniales Verfahren ist. Der Strom wird wirklich direkt umgewandelt, ich kann das direkt vergleichen. Wenn ich auf meine Gasflamme einen großen, 5 bis 6 Liter, Topf Wasser stelle, dauert es ewig, bis das Wasser kocht. Aber jetzt schalte ich auf Induktion um, und in wenigen Minuten sprudelt das Wasser. Und ich brauch nur 25% der Energie. Ich habe mir auch eine Handvoll kleine „Gebrauchsanweisungsbücher“ gekauft über Elek-

trizität, Gemüse, Strom, Wasser und bin die durchgegangen. Bei Elektrizität bin ich schon ziemlich weit. Ich habe mir Stecker an jedes Kabel machen lassen, die man an- und auskippt, also wo es gar kein Stand-by mehr gibt, und auch nur noch Kabel verlegt mit Steckdosen, die man an- und ausschalten kann, auch beim Fernsehen. Bei meiner neuen Stereoanlage kann der ganze Strom abgestellt werden. Auch in der Küche habe ich etwas verändert. Das sind alles Kleinigkeiten, aber die summieren sich.

Ist es ein politisches Statement, dass ihr in der jetzigen Situation der Automobilindustrie zu BMW (selbsternannt der „nachhaltigste Autohersteller“ der Welt) als neuen Auto-Sponsor wechselt? Wir waren mit unserem alten Sponsor (Anm. VW) sehr zufrieden und haben tolle Sachen gemacht. Doch der Vertrag endete nach 7 Jahren in diesem Sommer. Wir sind allerdings sehr glücklich, einen neuen Sponsor zu haben, mit dem wir diese nachhaltigen Ziele teilen. BMW und wir gehen aus unterschiedlichen Gründen in dieselbe Richtung. Wie das in Österreich so schön heißt: „Das passt scho.“

Dieter Kosslick 1948 in Pforzheim geboren, ist seit Mai 2001 Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Er stand mehreren Filmförderungen vor, unterrichtet an der HFF Potsdam-Babelsberg, wurde vielfach preisgekrönt und ist eine zentrale Persönlichkeit im internationalen Film- & Festival-Geschehen. Die 60. Internationalen Filmfestspiele Berlin finden vom 11.–21. Februar 2010 statt. www.berlinale.de 21


www.landluft.at

Baukultur-Gemeindepreis 2009 Baukultur machen Menschen wie du und ich! eis 2009 richtet Der LandLuft Baukultur-Gemeindepr “, die sich für sich an „Mensche n wie du und ich Mit telpunkt Baukultur verantwortlich fühlen. Im einsam mit dem des Preises, der von LandLuft gem gelobt wird, Österreichischen Gemeindebund aus als Ergebnis. steht nicht das „schöne“ Bauwerk die Menschen, Es geht vielmehr um die Prozesse und tur. Der Preis die treibenden Kräfte hinter Baukul ing ung en ist ein e An aly se, unter we lch en Bed leich der Versuch Baukultur entstehen kann, und zug Strategien der exemplarisch vorzuführen, welche Umsetzung erfolgreich sind. Buch mit der Zur Ausstellung erscheint das gleichnamige en und Beiträgen von Dokumentation der Preisträger-Gemeind mmer, Sonja Bettel, Roland Gnaiger, Erich Raith, Helmut Mödlha Moser, Roland Gruber. Barbara Feller, Roland Wallner, Thomas ser/Vlbg enwasft.at er Zwisch www.landlu ich unter erhältlreisträg Buch Hauptp Infohotline: 0699 19 29 40 59

Hauptpreisträger Gemeinde Zwischenwasser/Vorarlberg


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WER BRAUCHT NOCH NGO’S? # 09

Fragen dieser Welt

BIORAMA

Aus „Das Buch der Fragen – Wo beginnt Verantwortung?“, brandeins Verlag (siehe auch Seite 14) Manchmal fragt man sich wirklich … Ja, was denn? Schickt uns die Fragen, die euch bewegen, an redaktion@biorama.eu. Und der Biorama-Fragenindex mit Fragen rund um bewusstes Leben wächst und wächst und wächst. 23


BIORAMA

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Architektur

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Thomas Rau

Text – Ursel Nendzig, Milo Tesselaar

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Illustration – motmot design

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Foto – Rau Architektur

Thomas Rau ist Architekt, lebt in den Niederlanden und sagt: wir brauchen Aktiv-, nicht Passivhäuser.

Der Aktivist Er sagt: Wir brauchen keine Passivhäuser, sondern Aktivhäuser! Er entwickelt Gebäude, die nur dort Energie erzeugen, wo auch Menschen sind. Wenn es nach ihm geht, haben wir kein Energieproblem, weil wir auf einem Vulkan und unter einem Kernreaktor leben. Ach ja, und das ideale, energieeffiziente Haus hat Architekt Thomas Rau auch schon gesichtet: den Sarg. Es gibt das Sinnbild vom „Haus wie ein Baum“ und der „Stadt wie ein Wald“. Architekt Thomas Rau baut nachhaltige Gebäude, dafür ist er mit seinem holländischen Architekturbüro bekannt. Für ihn gehört allerdings schon ein bisschen mehr zu einem „Haus wie ein Baum“ als nur „grüne Fassaden und Kräutergarten auf dem Dach, und jeder pflanzt ein Bäumchen.“ Thomas Rau sagt: „Das ist nicht die Entwicklung, die wir brauchen.“ Vielmehr steckt dahinter ein grundlegendes Problem in der aktuellen Diskussion über Nachhaltigkeit, Energie, Gesundheit und Material. Denn: „Wir haben kein Energieproblem“, sagt Thomas Rau. „Sondern eine Energiefrage. Energie ist unendlich da 24

– wir leben auf einem Vulkan und unter einem Kernreaktor, der uns noch einige Jahrmilliarden beliefern wird. Bei den Rohstoffen hingegen haben wir tatsächlich ein Problem. Wenn wir weiterhin im heutigen maße Rohstoffe konsumieren, dann werden in ein paar Jahrzehnten einige der wichtigsten Rohstoffe aufgebraucht sein.“ Kern des Problems sei unser Verhältnis zu all dem, was Leben auf diesem Planeten überhaupt möglich macht. „Wir wissen nicht mehr, wie die Lebensprozesse eigentlich aussehen. Dieses Unwissen kompensieren wir mit allerlei technischen Innovationen.“ Der Architekt gibt ein Beispiel. „Die alten Römer hatten es auch im Sommer kühl, aber ohne diese hässlichen Dinger auf dem Dach. Sie wussten über Naturphänomene und -gesetze Bescheid.“ Kurz: „Häuser zu machen wie ei-

nen Baum und Städte wie ein Wald bedeutet, dass die Gestaltung unserer Umwelt nicht auf Kosten unserer Lebensgrundlage geht. Sondern dass wir ein Milieu schaffen, in dem wieder neues Leben entstehen kann.“

Nicht in diese Überlegung passt die Idee des Passiv-


Thomas Rau

hauses, das seit den 1970ern als ideal gepriesen wird – weil es gegen Null strebt: null Wärmeverlust durch perfekte Isolierung. Null Energieverbrauch. Null CO2 Ausstoß. „Die Folge“, sagt Thomas Rau, „ist, dass der CO2 Wert im Haus steigt. Das heißt: Die Energiefrage wird auf Kosten der Gesundheit der Bewohner gelöst.“ Er selbst merkt aus seiner Praxis, dass Kunden, die ein Passivhaus bestellen, eigentlich ein sehr nachhaltiges Gebäude wollen. „Ich baue kein Passivhaus. Wir brauchen Aktivhäuser!“ Häuser, die ein Gleichgewicht zwischen Innen- und Außentemperatur herstellen, die nicht nur null Energie verbrauchen, sondern sogar noch Energie produzieren. „Das ideale Haus in dieser Hinsicht ist der Sarg“, sagt Thomas Rau. „Es wird durch das Vergären der Leiche Energie produziert, so entsteht im Inneren des Sarges mehr Energie als der Sarg selber verbraucht.“ Im Vergleich zu diesem „Idealzustand“ wird es auch bei einem Aktivhaus Abfall geben. Aber „Der ist Grundstoff für den nächsten Kreislauf und kommt nicht auf die Deponie. Ganz im Sinne der Cradle to Cradle Philosophie von Michael Braungart.“

Erste und zweite Natur Die Deponie in der ersten Natur – für Thomas Rau gibt es nämlich nicht nur eine. „Wir haben die erste Natur – alles, was uns Menschen gegeben ist, Bäume, Blumen, Wald, Wolken“, sagt er. „Dann gibt es die zweite Natur. Alles, was mit der gebauten Umgebung zu tun hat.“ Diese, so der Architekt, müsse denselben Gesetzmäßigkeiten entsprechen wie die erste Natur. „Für die erste Natur geht die Sonne immer im Osten auf und im Westen unter. Wir können Gebäude errichten, die uns völlig unabhängig vom Sonnenkreislauf machen. Wir sind auf dem Weg, die Gesetzmäßigkeiten der Natur, Rhythmen, Jahreszeiten zu ignorieren.“ Die Lösung? „Wir müssen den Gestaltungsprozess eines Gebäudes ganz anders einrichten. Wir können nicht ein Gebäude bauen und dann überlegen, wie wir es nachhaltiger machen.“ Nein, fundamental anders müsse unser Zugang werden. Und zwar so: „Wir müssen mit der bautechnischen Gestalt probieren, alle Probleme, die sich ergeben, zu lösen. Und die Probleme, die wir dann nicht mit der Gestalt lösen können, dafür brauchen wir dann ein Stückchen Technik.“ Im Zuge dessen müsse auch die Honorierung der Fachleute, der Techniker etwa, eine ganz andere sein. Denn: „ Je mehr Technik ins Gebäude rein kommt, umso mehr Knete kriegt er im Moment.“ Das heißt: Eigentlich

sollte es ganz anders sein. „ Je

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Architektur

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besser die Performance – im Sinne der Nachhaltigkeit – des Gebäudes ist, desto besser müssten die Fachberater bezahlt werden.“ Dann könne man es den Bauleuten frei überlassen, mit welchen Mitteln diese Performance erreicht werden soll. „Dann kommen wir zu einer völlig anderen Gestaltung eines Gebäudes.“

Mehrwert für alle Wie sieht es also aus, ein ideales Haus? „Es wird auf jeden Fall CO2 frei sein, d.h. es wird kein CO2 mehr produzieren, wird mindestens energieneutral sein, je nach Lage auch energiepositiv. Die Häuser werden vernetzt sein, durch eine Art Energie-Inernet, überschüssige Energie ins Netz pumpen und bei einem Defizit wieder herausholen – unabhängig von dezentralen Stromerzeugern. Es werden nur Materialien verwendet, die in den technischen Kreislauf zurückkehren können, sodass keine Rohstoffe mehr verloren gehen.“ Ein solches Haus hat nicht nur für den Bewohner einen Mehrwert, weil es ein gesünderes Gebäude sein wird. „Es ist auf jeden Fall ein Gebäude, das mehr Qualität fürs selbe Geld bietet. Dafür braucht es keine höhere Investition. Es wird mehr Komfort haben, es wird ein Gebäude sein, in dem die Menschen mindestens gesund bleiben. Ein Gebäude mit einem höheren Immobilienwert, einem höheren Marketingeffekt, für das nie eine Energierechnung hereinflattern wird, ein Low-Tech Gebäude mit High-Tech Effekt, ein Gebäude, das einfach und damit billig zu betreiben ist.“ Nur Vorteile also? „Einen Nachteil gibt es, und zwar für Investoren, die bereits Gebäude besitzen. Die fühlen den gesamten Wert ihrer Immobilien bedroht, wenn eine neue Generation an Immobilien entsteht, die denselben Marktwert mit geringerer Investition erreicht. Die sagen: Moment mal, wenn wir euch jetzt diese neue Generation von Gebäuden finanzieren, geht das auf Kosten des Werts jener Immobilien, in denen unser Geld drinsteckt. Das heißt: Wir verlieren Geld dabei.“ Was machen wir mit den vielen bereits bestehenden Häusern? Nicht abreißen, sagt der Architekt. „Wir müssen gar nicht neu bauen, wir haben einen ganz großen Bestand an bereits bestehenden Gebäuden, die es Wert sind, reaktiviert zu werden. Wir müssen auch aufhören, unsere Städte ständig zu erweitern. Der Bestand ist also die Bauaufgabe von morgen, nicht der Neubau.“ Eine Aufforderung an die Architekten also, der Thomas Rau noch eines obendrauf setzt. „Architektur ist eine Dienstleistung an der Welt und kein Egotrip auf Kosten der Gesellschaft.“ 25


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Architektur

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Thomas Rau

Fotos – WWF (Kusters Fotografie), H20tel (Rau)

Projekte: Hauptgeschäftsstelle WWF: Ein CO2 neutrales Gebäude in Holland.

Stylish und CO2 neutral: die Holland-Zentrale des WWF.

CBW Mitex: Ein Gebäude, in dem der Energiestrom dem Menschenstrom folgt. Wir vergeuden viel Energie, weil Gebäude so konditioniert sind, als wären sie immer voll besetzt. Ein neues System, das wir in diesem Gebäude einsetzen, berücksichtigt den Besetzungsgrad und setzt nur dort Energie ein, wo sich auch Menschen aufhalten. Damit können ungefähr 40% des Energieverbrauchs eingespart werden.

Das Wasserhotel: Kühlen, Heizen, Strom produzieren und Kochen – alles wird durch Wasser bewerkstelligt, es sind keine fossilen Brennstoffe notwendig. Damit wird das gesamte Gebäude vollständig CO2 neutral und unabhängig von dezentraler Energieversorgung.

Integrale Gebietsentwicklung: Eine klassische Situation in so vielen Städten auf der Welt: Das Zentrum wird durch Bahngleise geteilt, Parks oder Wohnviertel werden durch Autobahnen durchschnitten. Man könnte die Gleise oder die Straßen tiefer legen, wies etwa seit über 15 Jahren in Stuttgart diskutiert wird, aber das ist sehr aufwendig. Stattdessen werden einige Lagen über die vorhandene Infrastruktur gebaut. Die darin entstehenden Räume sind in gewisser Weise funktionslos, das heißt: Sie können flexibel als Büro, Wohnung, Restaurant, Laden, für Freizeitaktivitäten oder selbst als Stellplätze für Autos eingerichtet werden. Dabei kann die Funktion im Laufe der Zeit angepasst werden. Gedeckelt wird diese multifunktionale Struktur durch Grünflächen, die nicht nur zur Entspannung dienen, sondern die Struktur auch zur grünen Brücke werden lassen, die die vormals getrennten Stadtteile miteinander verbindet. Diese Struktur ist CO2 neutral und produziert seine eigene Energie. Auch der im Gebäude anfallende Abfall wird komplett wieder verwendet. Und das alles auf Flächen in bester Lage, die bisher nur für Transport genutzt wurden. 26

Das Hotel, das außer Wasser nichts zum Leben braucht.

Thomas Rau Architekt, geboren 1960 in Gummersbach. Gründete 1992 sein Architekturbüro in Amsterdam. Holland ist für ihn der ideale Standard. „Ich bin damals bewusst nach Holland gegangen, da es bekannt dafür war, dass junge Leute mit Ideen eine Chance kriegen. Es ist manchmal sogar von Nachteil, wenn man viel Erfahrung hat, weil man nicht mehr frisch denken kann. Also genau umgekehrt wie in Deutschland.“ Mit seinen mehr als 40 Mitarbeitern setzt er nicht nur Bauprojekte in Holland um, sondern auch in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Homepage: www.rau.eu.


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Innovationskraft im Pelletlagerraum

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in Gewebetank für Pellets ist nichts Neues. Und dennoch handelt es sich bei der neuen Lagerraumlösung von KWB Biomasseheizungen um eine echte Weiterentwicklung. Durch die Kombination von Gewebetank und Pelletrührwerk Plus wird eine

Die Kombination aus Pelletrührwerk Plus und Gewebetank ermöglicht eine Raumausnutzung von 80 bis 90%.

abstandes zur Heizung entweder direkt im Heizraum (abhängig von den örtlich geltenden Brandschutzbestimmungen), im Lagerraum oder witterungsgeschützt im Freien aufgestellt werden. Die Brennstoffentnahme aus dem KWB Pellet Big Bag und der Transport zur Heizung erfolgt mittels Knickschnecke oder Saugsystem. Zur Auswahl stehen serienmäßig Größen von 2,2 bis 10,5 t Füllinhalt, aus staubdichtem antistatisch ausgeführtem Gewebe, das von einem verzinkten Stahlrahmen getragen wird.

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dern wie ein kompakter Würfel im Raum steht – dadurch wird der vorhandene Platz optimal genutzt! KWB Biomasseheizungen hat diese Systemlösung patentiert und baut damit seine Vorreiterrolle im Bereich der Pellettechnologie weiter aus.

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Das Pelletrührwerk Plus wird direkt am Boden des Gewebetanks montiert. Damit man beim Einbau flexibel bleibt, kann die Durchführung der Förderschnecke aus dem Gewebetank direkt vor Ort bestimmt werden. Damit die Pellets trocken bleiben ist der Gewebetank im Bereich des Bodens mit einem Nässeschutz versehen. Für die Montage befindet sich auf einer Seite des Gewebetanks eine ReißverschlussEinstiegstüre. Der KWB Pellet Big Bag in Kombination mit dem Pelletrührwerk Plus ist für die Pelletheizung KWB Easyfire bis 30 kW und für die Hackgut- und Pelletheizung KWB Multifire bis 100 kW einsetzbar. Kontakt: KWB Biomasseheizungen, Tel: +43 (0) 3115/ 6116-0 . Fax DW 4 office@kwb.at . www.kwb.at

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BIORAMA

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Grüne Immobilien

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Fabian Tacke

Text – Martin Schwegmann

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Illustration – motmot design

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Foto – Marcus Müller-Witte

Vom Hausbesetzer zum Immobilienentwickler Fabian Tacke ist Immobilienentwickler und Projektsteuerer. Er entwickelt grüne Immobilien. Mit seinen Erfahrungen aus alternativen Wohnprojekten aus der Nachwendezeit geht er neue Wege, in einer Branche, die es in letzter Zeit schwer hat, Vertrauen zu wecken. Die KlimaGut AG ist das neueste StartUp des rührigen Ostberliners: eine Immobilien-Aktiengesellschaft, die grüne Immobilienfonds auflegen will. Ein Modeprodukt, vielleicht ein Hoffnungsschein am Horizont für eine gebeutelte Branche. Mit „grüne Immobilien“ meint Fabian Tacke Wohnimmobilien, die nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit saniert und betrieben werden. „Wir haben mit unserem Konzept versucht, die richtige Schnittstelle zwischen dem ökologischen Nutzen, der Wirtschaftlichkeit und einer vertretbaren Mietbelastung der Bewohner zu finden. Das sind die drei Komponenten, die wir erhalten wollen.“ Tacke ging nicht den klassischen Weg in die Immobilienbranche. Er war noch in der Lehre zum Mechaniker, als er bei seinen Eltern am Rande Ostberlins auszog und in dem besetzten Haus im Süden vom Prenzlauer Berg ein neues Zuhause fand. Er war der Jüngste in dem Haus, dessen Bewohner Künstler, Computerfreaks und auch Leute mit ganz „normalen“ Berufen waren. Vor der Wende war der Prenzlauer Berg das Intellektuellen- und Revoluzzerviertel Berlins. Inzwischen ist es so hipp, dass die Mieten für die ehemalige Klientel kaum noch zu bezahlen sind und das alternative Lebensgefühl gerne dä28

nisch oder spanisch spricht. „Von Besetzung kann man aber nicht wirklich reden“, sagt Tacke, den ich in seinen alternativ arrivierten Büroräumen im Deutschen Architektur Zentrum an der Spree besuche. Mitte der 90er gab es eine

Liste des Ostberliner Magistrats mit Häusern, mit denen er nichts anzufangen wusste. „Diese Liste hat ein Freund von mir in die Hände bekommen, und dann haben wir das Haus am Teutoburgerplatz belegt. Das war ja quasi Mode damals“, betont Tacke, der sich eher als ein Kind seiner

Zeit denn als Revoluzzer sieht. Allein im Prenzlauer Berg gab es damals 35 besetzte Häuser. Das Besetzen von Häusern war allerdings ein Westimport, wie Fabian Tacke unterstreicht. „Der Westberliner Underground stand praktisch in den Startlöchern, als die Mauer fiel.“ Als er seine Lehre abgeschlossen hatte und sein Betrieb mit dem ersten Tag der Währungsunion abgewickelt wurde, kümmerte sich Fabian Tacke um das Haus, ging zu den Besetzerräten: „Da hab ich natürlich ’ne Menge Leute kennen gelernt.“ Unter anderem auch einen Verein namens AKS, der aus der Westberliner Besetzerszene entstanden war und der sich um die Vernetzung, Beratung und politische Vertretung von Wohnprojekten kümmerte. Für diesen Verein machte er später Lobbyarbeit für Wohnprojekte. Die nächste Station war die SelbstBau e.G.. Sie war eine der wenigen Ostinitiativen, eine kleine Genossenschaft, die schon vor der Wende angefangen hatte. Neben der Umsetzung zweier Wohnprojekte in der Rykestraße war sie maßgeblich an der Verhinderung des


Fabian Tacke

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Grüne Immobilien

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BIORAMA

„Grüne Immobilien im Prenzlauer Berg funktionieren nicht mehr auf Mietbasis, weil die Preise einfach zu hoch sind. Da gehen nur noch Eigentumswohnungen. Wir gehen lieber in einfache und mittlere Lagen, in denen das Verhältnis von Kaufpreis zu Mietertrag noch stimmt.“ Das ist Fabian Tacke. Der Berliner geht mit der Entwicklung von grünen Immobilien neue Wege.

drohenden großflächigen Abrisses der Bebauung der Straße beteiligt, die heute eine der emblematischen Straßen des Prenzlauer Berg mit Blick auf den Fernsehturm ist.

Menschen im Mittelpunkt Seit 1997 ist Tacke selbstständig. „Die Projekte haben sich erweitert. Wir machen nicht mehr nur Bewohnerprojekte, sondern eher Wohnprojekte“, sagt er. Die Themen seien andere geworden, es sei professioneller geworden. Wir versuchen aber nach wie vor, die Menschen zu sehen, die in den Häusern wohnen, mit ihnen was auf den Weg zu bringen. Das ist was anderes als das, was ein klassischer Immobilienentwickler macht.“ Vor dem Hintergrund von 40 Millionen Wohnungen in Deutschland, die im Energieverbrauch vor der Industrie und dem Verkehr liegen, klingen Tackes Ideen verlockend. „Die Gebäude insgesamt verbrauchen mehr Energie als Industrie und Verkehr – über 40%!“ Es geht nicht um hochtrabende Konzepte. Seine grünen Immobilienfonds bestehen aus drei relativ einfachen Bausteinen: Zum einen setzt er auf emissionsneutralen Betrieb der Immobilien. Dies wird durch eine Dämmung auf dem neuesten Stand der Technik, dezentrale Energie- und Wärmeerzeugung durch Blockheizkraftwerke und den ausschließlichen Fokus auf Altbauten ermöglicht. „Wichtig ist, dass die Blockheizkraftwerke mit Biokraftstoffen, wie zum Beispiel Biogas, betrieben werden. Sonst ließe sich kein emissionsneutraler Betrieb gewährleisten.“ Die zweite Komponente sind bereits vermietete Wohnimmobilien, welche das Risiko eines möglichen Leerstandes und damit verbundenen Mietausfalls minimieren. Außerdem entwickelt er keine Immobilien in den Szenebezirken, in denen sich Mietobjekte aufgrund der Preise nicht mehr wirtschaftlich entwickeln lassen:

Versprochen und gehalten Die Nachfrage in der Branche sei enorm, sagt Tacke. Viele Finanzberater und entsprechende Institutionen, die sich auf nachhaltiges Investment spezialisiert haben, stehen schon auf der Matte. Seine Geschichte zeigt, dass Tacke näher dran ist an dem, was er macht, als manch anderer in der Branche. Deshalb vertrauen ihm vielleicht auch seine Anleger. Tacke, der schon mal 2003 mit der Umweltbank einen Immobilienfond aufgelegt hat, überzeugt seine Anleger nicht mit überzogenen Gewinnprognosen. Aber das, was er versprochen hat, nämlich eine solide, ökologische und sozial verträgliche Immobilienanlage mit zuletzt 3,5% Gewinnausschüttung, hat seine Anleger offensichtlich überzeugt. Diese sind nun die ersten Aktionäre in der neuen AG. Da leuchten Fabian Tackes Augen. „Man hat die Möglichkeit sich jetzt daran zu beteiligen. Das ist, als ob man bei Bill Gates in

der Garage dabei gewesen wäre.“ Aber ob die Rechnung aufgeht, das kann im Moment niemand garantieren. Es gibt noch keine konkreten Projekte. Frühestens Ende 2011.

Bei aller Nachhaltigkeit und Behutsamkeit bei der Entwicklung seiner Immobilien ist Tacke ein Unternehmer, der Mieteinnahmen will und auch Mieterhöhungen, wenn auch in moderaterem Maße als vielleicht andere Entwickler. Auf die Frage nach seiner Einstellung bezüglich der Erhaltung und Schaffung der von ihm auf seiner Internetseite proklamierten lebendigen und vielfältigen Stadt verweist Tacke auch auf die Politik als Instanz der Abwägung öffentlicher und privater Interessen. „Der Prenzlauer Berg ist in diesem Sinne im Moment für mich ein schönes Beispiel für die Abwesenheit von Stadtentwicklungspolitik“, unterstreicht Tacke. Einen kleinen Beitrag zur politischen Diskussion will Fabian Tacke aber vielleicht doch leisten. Er arbeitet derzeit an einer Kampagne für die Aufnahme von Gebäudesanierung in den CO2 Emissionshandel, der demnächst in Kopenhagen beim Klimagipfel eine wichtige Rolle spielen dürfte.


BIORAMA

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Schnittlauch

Landwirtschaft

Paprika

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Vertical Farming

Rosenkohl

Text – Kristin Oeing

Tomaten

Thymian

Spinat

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Illustration – motmot design

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Fotos – verticalfarm.com

Erbsen

Salat

Pfirsiche

Äpfel

Kohl

Erdbeeren

Kirschen

Salat im Hochformat Genug Nahrung für die explodierende Weltbevölkerung zu produzieren, ist die gewaltige Herausforderung dieses Jahrhunderts. Nun haben Wissenschaftler, Künstler und Architekten nachhaltige und Platz sparende Lösungen gefunden: In Wolkenkratzern sollen riesige Bauernhöfe entstehen und in Wohnzimmerfenstern Farmen für den Privatgebrauch. Die Szenerie erinnert an einen Science-Fiction-Film: Hinter den Fassaden von Hochhäusern wächst Gemüse und Obst, während einige Etagen darüber Fische und Vieh gezüchtet werden. Lichtdurchflutete Gebäude, prall gefüllt mit Nahrungsmitteln. Bald schon könnte diese Vision Realität werden. Bauzeichnungen, Pläne und Berechnungen gibt es bereits. Die ersten Entwürfe zeigen futuristische Wolkenkratzer, Pyramiden und gläserne Türme, die zwischen den Häuserschluchten der Großstädte herausragen. Urbane Landwirtschaft in Form von 30

modernen, ultraeffizienten Treibhäusern soll Städte zu Selbstversorgern werden lassen. Eine städtische Farm im kleineren Rahmen bekommen Passanten im New Yorker Atelier von Britta Riley und Rebecca Bray bereits heute zu sehen. Wer durch das Schaufenster der beiden Künstlerinnen schaut, erblickt nicht etwa Kunstwerke, sondern Salatköpfe. Die hellgrünen Pflanzen sprießen in Reih und Glied von oben nach unten in kleinen Plastikbehältern im Schaufenster. Daneben wachsen Tomaten, Bohnen, Gurken, Okra, Basilikum und Paprika. Die Installation soll Stadtbewohner dazu anregen, daheim auf dem Fensterbrett ebenfalls ihr eigenes, kleines Ökosystem zu erschaffen. Eine Fensterfarm. Doch braucht die Menschheit städtische Bauernhöfe? „Angesichts des massiven Bevölkerungswachstums ist die Ernährungslage auch in den Megastädten der Entwicklungsländer mit oft unzureichender Infrastruktur so problematisch, dass dringend neue Lösungen gefunden werden müssen“, sagt Architekt Jo Ruoff, der derzeit den Lehrstuhl Technischer Ausbau und Entwerfen der Tech-


Vertical Farming

nischen Hochschule RWTH in Aachen betreut. Auf einer Exkursion in Paris lernte er Dickson Despommier kennen, den Urvater der vertikalen Farmen. Der Professor der Umweltwissenschaften der Columbia University in New York City betrachtet die Bevölkerungsexplosion und die Auswirklungen des Klimawandels seit Jahren mit Besorgnis. Zusammen mit seinen Studenten entwickelte er die Idee der vertikalen Farmen. Ihm schweben gläserne Wolkenkratzer vor. Lichtdurchflutet, transparent. „Von Weitem sehen sie aus wie Gärten, die im Raum schweben“, sagt er, „die Bauwerke selbst werden schön und anmutig sein.“ Schön und anmutig sehen die sprießenden Fensterfarmen in der amerikanischen Metropole am Hudson River auf den ersten Blick nicht aus, eher etwas irritierend. Doch die Gurken im Fenster und der Salat auf der Fensterbank könnten ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Jeder Mensch könnte pro Woche einen Salatkopf ernten, davon sind die beiden Künstlerinnen überzeugt. Auch wenn Fensterfarmen für das wachsende Ernährungsproblem nicht die Lösung sein werden, so sind sie ein Anfang, an dem sich jeder beteiligen kann.

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Landwirtschaft

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Eine Farm inmitten der Großstadt. Hier grünt es vertikal.

Landwirtschaft, hochkant Die industrialisierte Erzeugung von Lebensmitteln als Alternative für den konventionellen Anbau könnte sich allerdings tatsächlich als Lösung für den Hunger der Metropolen herausstellen, der den ländlichen Raum zunehmend überfordert. Die Ackerlandfläche einer durchschnittlichen Stadt beträgt das Zehnfache ihrer eigenen Fläche. Schon heute legen viele Waren Tausende Kilometer zurück, bevor sie im Supermarktregal landen. Spätestens im Jahr 2050 wird die Landwirtschaftsfläche für die Versorgung der Großstädte nicht mehr ausreichen. Der Transport kostet viel Geld, verbraucht Energie und schadet der Umwelt. Die neuen, vertikalen

Farmen sollen dagegen direkt in der Stadt errichtet werden, in der Nähe der Endverbraucher.

Und die Zahl der Konsumenten wird zunehmen. Die Weltbevölkerung wird nach Hochrechnungen der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2050 um ein Drittel auf 9,1 Milliarden Menschen wachsen. Schon heute leben etwa 50% der Menschen in Städten. Tendenz steigend.

Es sind diese alarmierenden Zahlen, die Wissenschaftler neue Wege suchen lassen. Die Liste der Vorteile der vertikalen Farmen ist lang. Im Gegensatz zu herkömmlichem Bodenanbau, der den Boden ausbeutet, Trinkwasser verschwendet und zum Klimawandel beiträgt, seien durch die vertikalen Farmen gesunde, umweltfreundliche und ganzjährige Ernten möglich. „Zunächst müssen die Bedürfnisse der Pflanzen im Mittelpunkt der Forschung stehen. Aus den Erkenntnissen entwickeln sich die baulichen Anforderungen“, erklärt Ruoff. Bei der Versorgung der gigantischen, autarken Treibhäuser soll auf recyclebare Ressourcen zurückgegriffen werden. Windräder, Solar- und Biogasanlagen sollen die Energie liefern. Pestizide, Unkrautbekämpfungsmittel und Wachstumsmittel bräuchte man in Farmkratzern kaum. Das ohnehin nur in geringen Mengen benötigte Wasser soll auf dem Dach gesammelt und in einer Anlage wieder auf bereitet werden. Ein eigenes Ökosystem mitten in der Stadt, unbeeinflusst von Naturkatastrophen und Wettereinflüssen – zu einem Bruch31


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Fotos – verticalfarm.com, Lindsey Castillo

Überall grünt es. Wo kein Feld weit und breit ist, dienen auch Treppenhäuser als Grünfläche.

teil des Energie-, Land- und Wasserverbrauchs. In einem vertikalen Bauernhof mit dreißig Stockwerken könnten bis zu 50.000 Menschen versorgt werden, schätzt Dickson Despommier.

Die Grenzen der Leistungsfähigkeit erreichen die Farmkratzer im Bereich des Getreides, es braucht zu viel Platz zum Wachsen. Tiere dage-

gen sind in den Planungen berücksichtigt worden. Mit deren Mist sollen die Pflanzen gedüngt werden, während das Vieh die grünen Abfälle als Futter bekommt. Diese riesigen Lebensmittel-Produktionsstätten lösen in der Vorstellung vieler ein beklemmendes Gefühl aus. Das mag ein Grund dafür sein, dass bis jetzt noch keine vertikale Farm gebaut wurde. Vor acht Jahren sollte im Hafen von Rotterdam ein fünfstöckiger, städtischer Bauernhof entstehen, doch nach heftiger Kritik in den Medien, wurde der Bau gestoppt. „Vertikale Farmen müssen ökonomisch sein, sonst werden sie niemals gebaut“, sagt Ruoff. Auch Kritiker betonen immer wieder die hohen 32

Kosten, die bei dem Bau der Hightech-Farm entstehen würden. Zudem würden die Produkte aus den vertikalen Farmen teurer sein als konventionelle Nahrungsmittel und damit vielleicht weniger rentabel. Doch die derzeit günstigen Preise für konventionelle Produkte können nur aufgrund der niedrigen Transport- und Energiekosten gehalten werden; steigen die Preise, wird auch das Essen teurer, argumentiert die andere Seite. „Wenn man mich fragt, warum es auf der Welt noch keine einzige vertikale Farm gibt, ziehe ich meine Augenbraue hoch und zucke mit den Schultern“, sagt Despommier. Der Professor arbeitet derzeit zusammen mit chinesischen Forschern an einem Demonstrationsobjekt. Ziel ist eine fünfgeschossige Farm, in der Restaurants Speisen aus hauseigenen Produkten anbieten. In diesem kleineren Rahmen sieht Despommier derzeit die größten Chancen für seinen vertikalen Traum. „Farmen in unterschiedlichen Größenordnungen und Erntevolumen könnten in verschiedene städtische Kulissen eingebaut werden – von Schulen, Restaurants und Krankenhäuser


Vertical Farming

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Landwirtschaft

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Fenster-Gärten zum Selbermachen. Anleitung unter www.windowfarms.org

bis zu den Obergeschossen von Wohngebäuden“.

Die Farm im Küchenfenster Die beiden New Yorker Künstlerinnen sind davon überzeugt, dass die sogenannten Fensterfarmen schon bald der neueste Trend sind. Und die Gemeinschaft der Fensterfarm-Freunde wächst kontinuierlich. Im Internet gibt es bereits Anleitungen als Videofilme und Foren, in denen Fensterfarmer Tipps und Tricks austauschen können. Alles, was man für einen vertikalen Garten braucht, sind handelsübliche Plastikflaschen, Pflanzengranulat oder andere Nährböden, Wasser und Plastikschläuche. Recyclingprodukte und andere kostengünstige Materialien sollen bewusst eingesetzt werden. Das macht

dieses urbane Landwirtschaftsprojekt ebenso einfach wie effektiv. In den kleinen, vertikalen Farmen kann ganzjährig Obst und Gemüse angebaut werden – egal, ob im

Büro, Geschäft oder in der eigenen Wohnung. Und neue Wege den Schadstoffausstoß zu senken, müssen dringend gefunden werden, denn in den USA entsteht rund ein Drittel der CO2-Emissionen während der Herstellung und dem Vertrieb von Nahrungsmitteln. Zu viel, finden die Forscherinnen und hoffen, dass schon bald jeder Bewohner New Yorks in der eigenen Wohnung sein Gemüse erntet. Die vertikalen Gärten in den Fenstern der Stadt sollen andere New Yorker dazu inspirieren, ihre eigenen Fensterfarmen zu entwerfen und zu realisieren, und ein Netzwerk der urbanen Essensproduktion zu erschaffen, schreiben die beiden Künstlerinnen auf ihrer Homepage. Die Uhr tickt. Es ist Zeit zum Handeln. Beide Projekte, ob die eigene kleine Farm im Wohnzimmer oder der gigantische Farmkratzer an der nächsten Straßenecke, sind zwei zukunftsweisende Ideen. Sie regen die Menschen zum Nachdenken an, zur Diskussion. Es ist Zeit für neue Ideen, damit die nächsten Generationen in den Metropolen der Welt nicht hungern müssen. 33


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Netzwerk zum Anfassen

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Text – Nina Trippel

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Illustration – motmot design

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Fotos – Kathrin Harms


HUB

Ins Büro gehen und trotzdem flexibel bleiben. Wirtschaftlich denken und sozial handeln. Alleine, aber gemeinsam arbeiten. Oder sogar zusammen. The Hub ist mehr als vier Wände mit W-Lan, sondern ein Raum für neue Ideen, soziale Kontakte und Austausch – kurz ein Netzwerk. Und das mit Nachhaltigkeitsanspruch. In London gestartet, hat sich das Konzept zum Erfolgsmodell entwickelt und ist inzwischen in immer mehr Städten zu finden. In Berlin und demnächst auch in Wien. Es dauert eine Weile, bis das Logo am Eingang ins Auge fällt. Mit einem kleinen Klebestreifen ist es über ein anderes, größeres Schild geklebt. Das Große ist grün und verkündet: SELF. Das kleine braun-weiß und sagt: The Hub. Drei Stockwerke weiter oben steht man da, im denkmalgeschützten Industriegebäude, in einem Kreuzberger Hinterhof in Berlin: Loftatmosphäre, dreieckige Tische, Laptops, Wellpappe und viele Menschen. Es wird gearbeitet – zumindest sieht es so aus. Alleine, zu zweit oder zu mehreren. Zum Beispiel an Websites, am Schreiben einer Software oder der Gestaltung einer weltweit durchgängignachhaltigen Baumwollkette. Initiatorin, Gründungsmitglied, Vorstandsvorsitzende und der strategische Kopf von The Hub, Wiebke Koch, sitzt in der großen Küche, dem sozialen Treffpunkt, und erklärt, was es hiermit eigentlich auf sich hat. „The

Hub ist ein Ort für Menschen, die was bewegen wollen“, sagt sie, „denen es um mehr geht, als nur Geld zu verdienen, die etwas sozial bewegen oder in der Gesellschaft verändern wollen oder den Drang haben, Sinn stiftend zu arbeiten.“ Ein Zuhause also, ein

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Arbeiten

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und Konstanz gefüllt sind, also mit Menschen, die sich in die Augen sehen können und auch miteinander den Kontakt halten“, sagt die Gründerin. „Viele von den Gründern in unserem Netzwerk hatten selbst auch das Bedürfnis, gemeinsam zu arbeiten, eine Art Gemeinschaftsbüro oder Zentrum zu haben. So ist die Idee für diesen Ort entstanden. Ich habe dann recherchiert und die Gründer von The Hub in London gefunden und kennengelernt.“ Berlin wurde so zum ersten Standort nach dem Pilotprojekt in London.

Von der DDR gelernt Bis dahin war es ein langer Weg. Der auch von der persönlichen Lebensgeschichte Wiebke Kochs beeinflusst war. „Für mich als gebürtige Magde-

burgerin hat sich ein K reis geschlossen. In der ehemaligen DDR habe ich Erfahrungen gesammelt was soziale Einstellung und GemeinwohlOrientierung betrifft: Community war immer wichtig, vielleicht aus der Notwendigkeit, aber es gab sie.

In der Nachbarschaftshilfe, Schule, Beruf. Die meisten Menschen haben sich ehrenamtlich betätigt. Das gehörte einfach dazu.“ Nach der Wende studierte Wiebke Koch BWL. Wollte aber auch wissen, wie diese Gesellschaft, in die sie da jetzt rein katapultiert wurde, funktioniert. BWL zu studieren schien ihr dazu ein gutes Mittel, und sie wollte diese Erkenntnisse dann wieder auf die Non-Profit-Welt anwenden. „Weil ich gemerkt habe, dass das soziale

Kristallisationspunkt, an dem sich diese Menschen treffen können, an dem sie eine Infrastruktur haben. Wenn sie mit ihrem Laptop hinkommen, ist alles andere da. Inklusive netter Gesellschaft mit Menschen, die ähnlich ticken. Ein Ort, an dem man nicht immer wieder neu erklären muss, warum Business und Soziales, Gemeinwohl zusammengehen und vielleicht sogar zusammengehören. 2005 gründete Wiebke Koch das Netzwerk vom grünen Schild beim Eingang, SELF („Social Entrepreneurship and Leadership Foundation“), eine Genossenschaft. Bei diesem Netzwerk geht es um eine neue Generation, die das Sinnstiftende, Selbstbestimmte, das Gemeinwohlorientierte, die eigene Finanzierung und eine Profit-Orientierung – oder zumindest den Selbsterhalt – unter einen Hut bringen soll. „Ich habe dann aber rasch gemerkt, dass virtuelle Netzwerke sehr schnell, nach einem oder eineinhalb Jahren, wieder verschwinden, wenn sie kein physisches Zuhause haben, wenn sie nicht auch mit Leben 35


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Gearbeitet wird im The Hub übrigens auf Tischen aus natürlichen Materialien. Auch das ist Teil des Konzeptes, das sich als nachhaltig bezeichnet, in mehrerlei Hinsicht. „Nachhaltigkeit versuchen wir nicht nur ökologisch zu leben, sondern auch sozial“, sagt Wiebke Koch. „Wir haben angefangen mit der Maßgabe, dass mindestens 60% unserer Materialien und Dinge und beim Um- und Ausbau, der Räumlichkeiten entweder recycelbar oder recycelt sein müssen.“ Die Tische sind Second Hand, Geschenke oder für wenig Geld aus Nachlässen. Eine Strategie, die hoffentlich Zukunft hat. Und sich, so wünscht es sich jedenfalls Wiebke Koch, schnell verbreiten wird. „Hoffentlich gibt es bald ganz viele Nachmacher. Ich wünsche mir, dass es auch in anderen Städten solche Ort gibt, an denen sich die Menschen beim Arbeiten wirklich wohl fühlen.“

Wien: Mit Charme Wiebke Koch ist der strategische Kopf von The Hub in Berlin.

Denken oft nicht sehr effektiv ist.“ Später lebte sie 8 Jahre in Australien, wo sie einen neuen Sektor kennenlernte: Neben Non-Profit gab es dort bereits „Social Entrepreneurship“, hybride Organisationsformen. Unternehmen, die eine soziale Aufgabe verfolgen, sich aber trotzdem selbst finanzieren, nicht abhängig sind, von Sponsoren, Spenden oder vom Staat. „Das fand ich unglaublich attraktiv und es hat Klick gemacht – das war die Lösung!“ Als sie 2004 nach Deutschland zurückkam, stellte sie mit Entsetzen fest, dass Australien in dieser Hinsicht sehr viel weiter entwickelt war: Es gab Social Entrepreneurship in Deutschland nicht. Google spuckte gerade einmal drei Einträge in der Bundesrepublik aus. Aber: „Viele Menschen haben gesagt: Wenn das ginge, soziales Handeln und wirtschaftliches Denken, das würde ich auch machen, dann haben wir das Netzwerk gegründet.“ Das erste Projekt der so entstandenen SELF EG: The Hub Berlin. So weit, so normal. Wo aber unterscheidet sich The Hub von der herkömmlichen Bürogemeinschaft? „Für viele der Leute, die hier ihren Laptop auf klappen, ist The Hub mehr als ein Büro, sondern so etwas wie ein Heimathafen.“ Ein Hafen, in dem sich viele ganz verschiedene Leute treffen. Denn in den meisten Ladenlokalen mit Kreativ-Büros, die es in Berlin an jeder Ecke gibt, scheint jeder 28 zu sein und sich im gleichen Umfeld zu bewegen. „Im Hub gibt es Austausch zwischen den Generationen, zwischen 17-jährigen Praktikanten und 60-jährigen Unternehmern.“ Die Älteren seien oftmals Menschen, die gerne zu den hier stattfindenden Veranstaltungen kommen, die gerne zum montäglichen Frühstück für Mitglieder und Freunde kommen, zum Sexy Salad Club. Oder wenn ein Film gezeigt wird. Also nicht unbedingt zum Arbeiten. 36

Einen Nachmacher hat The Hub derzeit in Wien. The Hub Vienna ist das Baby von Hinnerk Hansen und Matthias Reisinger. In den nächsten drei Monaten wird auf 400 Quadratmeter „mit dem Charme eines Industrielofts“ im siebten Wiener Bezirk entwickelt, gestaltet und gearbeitet. Denn der HUB Vienna wird von Anfang an ein Produkt seiner Community sein. „Wir haben ein Designer-Team, das uns unterstützt“, erzählen die beiden Gründer. „Trotzdem wird es ein offener Designprozess werden.“ Offen, das ist überhaupt so ein Wort, das sehr oft fällt. Offen ist nämlich der Raum, nicht nur zu jeder Zeit für die Mitglieder aus aller Welt (wer einmal Member der HUB Community ist, ist in allen derzeit 12 HUBs weltweit willkommen), sondern auch rein räumlich, es soll einfach viel Raum, viel Platz geben. „Und auch Ecken um sich zurückzuziehen.“ Fünfzig Arbeitsplätze wird es geben, die ganz unterschiedlich beschaffen sein werden. Den typischen HUB-Member, gemessen an Jobprofil, Alter oder Aussehen, den gibt es eigentlich nicht. „Es gibt keinen Kriterienkatalog“, sagt Hinnerk Hansen. „Vom Banker, der nebenher kreativ arbeitet, bis zum Studenten, der ein bisschen in die Arbeitswelt hineinaschnuppert, ist alles vorstellbar.“ Trotzdem gleichen sich

alle irgendwo, nämlich darin, dass sie etwas verändern wollen. „Pragmatische Idealisten“, darauf würde es hinauslaufen.

Damt ist auch Wiebke Koch aus Berlin einverstanden. „60% Träumer und 40% Realist“, so umschreibt sie es. „Mut, einer verrückten Vision, einem verrückten Traum, dem am Anfang vielleicht keiner eine realistische Chance geben würde, einfach nachzugehen. Auch mit dem Risiko, zu scheitern.“ Sind wir nicht alle ein bisschen HUB? HUB im Internet: www.the-hub.net


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Projekt

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Text – Sara Mously

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Illustration – motmot design

„Architecture for Humanity“ baut seit zehn Jahren Häuser für Menschen in Krisengebieten. „Architecture for Humanity“ baut seit zehn Jahren Häuser für Menschen in Krisengebieten. Wenn man an humanitäre Bauvorhaben denkt, etwa eine Schule in einem südafrikanischen Township oder Notunterkünfte für Opfer eines Hurrikans – denkt man dann an Architekten? Oder an Designer? Es reicht, sich in deutschen Großstädten umzusehen, in den Vierteln, deren Armut in so vielen Regionen dieser Welt als Reichtum gelten würde. Wer deren gesichtslose Wohnsilos betrachtet, muss, was ästhetische Ambitionen und Baukunst in Kriegs- und Krisengebieten angeht, sehr, sehr pessimis­ tisch werden. Design ist Luxus, wird man denken, etwas für die, deren Leben ebenso gemächlich wie gut situiert verläuft und Muße bereithält, um sich Sorgen über die Farbe des Teppichs oder die Form der Handläufe in ihrer Vorstadtvilla zu machen. In der „Dritten Welt“ herrschen ganz andere Regeln. Sind diese Leute nicht froh, wenn sie überhaupt ein Dach über dem Kopf haben? Vielleicht noch einen Brunnen in der Nähe und, wenn es hochkommt, einen Klassenraum für die Kinder? Design ist Luxus! „Völlig falsch“, findet Frederika Zipp, die für die Nonprofit-Organisation „Architecture for Humanity“ (AFH) arbeitet. So wie „Ärzte ohne Grenzen“

entsendet AFH Fachleute in die ganze Welt, um humanitäre Hilfsprojekte zu unterstützen. Nur arbeiten diese Prof is nicht mit Spritze und Skalpell, sondern mit Computer, Zollstock, und vor allem: mit guten Ideen. Zipp, ihre rund zwanzig Kollegen und

die tausenden Architekten, Designer und Ingenieure, die weltweit ehrenamtlich an AFH-Projekten beteiligt sind, haben sich nicht entscheiden wollen, ob sie die Ärmel hochkrempeln und einfache Hütten dort hinstellen, wo die Not am größten ist. Oder ob sie schlaue und elegante Designs entwickeln. Sie machen beides. Sie wollen zeigen, dass „einfach“ kein Synonym für „primitiv“ sein muss.

Das Finden einer Mission Die Idee dazu hatten die US-Amerikaner Cameron Sinclair und Kate Stohr, sie Journalistin, er Architekt, im Jahr 1999. Im Fernsehen sahen sie Bilder von Kosovo-Flüchtlingen, die nach dem Krieg wieder nach Hause zurückkehrten. Doch ihr Zuhause gab es nicht mehr. Stattdessen nur notdürftig errichtete Zeltlager, in denen 38


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man vielleicht Unterschlupf finden, aber nicht leben konnte. Sinclair und Stohr, die bis dahin noch nie etwas mit Hilfsprojekten zu tun gehaben hatten, schrieben auf ihrer Internetseite einen Architekturwettbewerb für Flüchtlingshäuser aus, die sich einfach realisieren ließen und den Familien endlich wieder eine Heimat sein sollten. Über 100.000 Dollar an Spenden kamen zusammen. Und die kleine New Yorker Wohnung des Paares quoll über vor Skizzen und Bauzeichnungen, die der Postbote täglich heranschaffte. Und es wurde klar: Es gibt Geld, es gibt

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engagierte Architekten – es musste nur jemand die Organisation übernehmen. Sinclair und Stohr hatten ihre Mission gefunden. „Design ist für uns mehr, als ein Haus so zu gestalten, dass es dem Auge gefällt“, erklärt Zipp, die die weltweit rund siebzig AFH-Abteilungen vom Hauptquartier in San Francisco aus koordiniert. Es bedeutet für sie, Kliniken, Klöster oder Wohnsiedlungen so zu planen, dass sie die Menschen, die darin leben und arbeiten, unterstützen. „Gerade wo die pure Armut

herrscht oder wo Infrastrukturen durch die Natur oder durch Menschen zerstört wurden, kann intelligentes Design viel bewirken.“ Hu-

manitäre Architektur besteht also vor allem aus guten Ideen zu drängenden Fragen. Wie lässt sich das Leben für den meistern, der keinen Zugang zum Stromnetz oder zu Wasser hat? Der behindert ist und keine staatliche Hilfe bekommt? Oder der in einem hoffnungslos überfüllten Slum lebt? Wohnhäuser gehören ebenso zu den Vorhaben von AFH wie Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Das kann eine Schule für AIDSWaisen in Uganda sein, eine erdbebensichere Siedlung in Myanmar oder winzige, dafür aber helle und gut belüftete Wohnungen mitten in Dhaka, der drängend vollen Hauptstadt Bangladeschs. Eines der aktuellen Programme ist die Kampagne „Football for Hope“, die die FIFA zusammen mit weiteren Sponsoren anlässlich der FußballWM 2010 in Afrika ins Leben gerufen hat. AFH hat dafür mehrere Architekturbüros beauftragt, zwanzig Fußballzentren in benachteiligten Gemeinden auf dem ganzen Kontinent zu bauen.

Bildung, Gesundheit, Begegnung Zum Beispiel ARG Design in Kapstadt. In dessen größtem Township, Khayelitsha, sehen sich Kinder und Jugendliche, die mit Leidenschaft auf der Straße und den öffentlichen Plätzen Fußball spielen, bedroht und beeinflusst von Gangs. Vielen fehlt selbst die elementarste Schulbildung, und die HIV-Rate des Landes ist mit rund 18% eine der höchsten weltweit. „Diesen Problemen wollen wir begegnen“, so ARG-Architektin Verena Grips, die als Projektleiterin für den Bau des Zentrums verantwortlich ist. „Deshalb bauen wir eine Bildungs-, Gesundheits-, und Begegnungsstätte, die die ganze Nachbarschaft bereichern soll.“ 39


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Neben einem Kunstrasenfeld, Duschen und einer Beleuchtung für die Abend- und Nachtstunden entstehen daher auch Unterrichtsräume, ein Behandlungszimmer für den wöchentlichen Besuch eines Arztes sowie eine Art Hausmeisterwohnung für einen Betreuer. „Gut beschützt zu sein, ist das Hauptbedürfnis der Kinder und Jugendlichen“, so Grips, die sich, bevor sie zur ersten Skizze ansetzte, zunächst einmal mit ihren Kunden getroffen hat: Schülern einer benachbarten Schule. „Viele von ihnen leben in ständiger Bedrohung und Perspektivlosigkeit, das macht ihnen Angst.“ Außer, dass die Räume und der Hof sicher sein sollen, haben sie sich Bäume gewünscht und einen Garten. Und Ecken, in denen sie lesen, Computer spielen oder einfach so für sich sein können. „All dies können wir berücksichtigen“, so Grips, deren Bauvorhaben bereits in vollem Gange ist. Die einzubeziehen, die später einmal in den AFH-Gebäuden ein- und ausgehen werden, ist ein essenzieller Grundsatz der Organisation. So lernen die Architekten nicht nur genau, was die Bewohner eigentlich brauchen, sondern es steigt auch automatisch das Einverständnis mit dem Bauvorhaben, die Akzeptanz. Dadurch gibt es kaum Vandalismus, Baustellen und die fertigen Gebäude werden schlicht besser behandelt, als wenn man sie errichten würde, ohne die Bevölkerung einzubeziehen. Nicht ein Nagel wurde gestohlen, obwohl wir auf einen Bauzaun verzichten“, so Verena Grips. Ein kleines Wunder in Südafrika, wo fast jedes Grundstück, das auch nur im Entferntesten aussieht, als gäbe es dort etwas zu holen, in eine Festung aus Mauern und Stacheldraht verwandelt wird. Zum Bau werden traditionelle Materialien wie Lehm und Holz verwendet und lokale Unternehmen beteiligt. Wenn ein Gebäude später einmal aufgestockt oder repariert werden soll, ist die Gemeinde dafür nicht auf Hilfe von außen angewiesen. Der Strom wird über Sonnenkollektoren geliefert, das Wasser für den Garten kommt aus einem eigenen Brunnen. Um die Sommerhitze ebenso auszugleichen wie die Kälteeinbrüche im Winter, sind die Häuser mit besonders dicken Mauern versehen.

Architektur für alle So individuell die Anforderungen von Gemeinde zu Gemeinde, von Kontinent zu Kontinent sind, es gibt auch Probleme, die sich auf der Welt tausendfach wiederholen. Deshalb haben die AFH-Macher vor einigen Jahren eine 40

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Foto – AFH

Cameron Sinclair, Architekt, hat seine Mission gefunden: humanitäre Architektur.

Internetplattform ins Leben gerufen, auf der sich Architekten, die an den unterschiedlichsten Projekten arbeiten, nach den Regeln einer Open-Source-Gemeinde austauschen. Hier können Skizzen und komplette Bauzeichnungen herauf- und heruntergeladen werden, Ingenieure und Architekten, die ähnliches vorhaben, können ihre Lösungsansätze diskutieren. Ein Haus in Namibia kann dadurch, mit einigen Änderungen, als Vorbild für eine Siedlung in Brasilien dienen. Keiner muss das Rad neu erfinden, die Idee selbst wird zur Ressource. Für ihr Projekt haben die beiden AFH-Gründer Sin­ clair und Stohr im Laufe der vergangenen zehn Jahre eine ganze Reihe von Auszeichnungen bekommen. Einer der bedeutendsten unter ihnen ist der „Index Award“, den die gleichnamige dänische Organisation für Ideen vergibt, die „die Lebensqualität auf der ganzen Welt verbessern“. 2008 folgte der „National Design Award“ des CooperHewitt-Museums in New York. Im vergangenen Jahr wurde Sinclair schließlich vom Internet-Magazin „TreeHugger“, das Nachrichten und gute Ideen rund um Nachhaltigkeit veröffentlicht, zum „Best Humanitarian Designer“ erklärt. „Wir dachten, Sinclair zu wählen, wäre zu einfach“, heißt es in der Begründung der Juroren für den Preis, „Wir suchten jemanden, der mindestens ebenso viel Einfluss hat, jemanden, der ebenso viel in der Welt unterwegs ist und genauso erfinderisch mit Design umgeht.“ Sie haben niemanden gefunden. Bleibt zu hoffen, dass das sich in Zukunft ändert.


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worauf wollen wir uns freuen? # 09

Fragen dieser Welt

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Aus „Das Buch der Fragen – Wo beginnt Verantwortung?“, brandeins Verlag (siehe auch Seite 14) Manchmal fragt man sich wirklich … Ja, was denn? Schickt uns die Fragen, die euch bewegen, an redaktion@biorama.eu. Und der Biorama-Fragenindex mit Fragen rund um bewusstes Leben wächst und wächst und wächst. 41


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Text – Ursel Nendzig

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Fotos – Joost Conijn

Das Holzauto Schon immer ist er viel gereist. Joost Conijn, der gebürtige Holländer, und vor allem zog es ihn wie magisch in den Osten Europas. Und es störte ihn, dass alle sagten: Der Osten ist hinten nach, ist dem Westen unterlegen und unterentwickelt. Aber, sagt Joost Conijn, was soll das heißen, unterentwickelt? Es gibt schließlich Dinge, die im Osten viel höher entwickelt seien, Freundschaft und sozialer Zusammenhalt zum Beispiel. Er wollte also reisen, in den Osten. Aber nicht einfach so. Er wollte unabhängig sein. Und er wollte langsam reisen, nicht einfach hinfliegen. Der Transport sollte ein Teil des ganzen Vorhabens werden. Und so kam dem Künstler langsam die Idee vom Holzauto. Schließlich gibt es im Osten wahnsinnig viel Holz, dachte er sich. Und das Fahren, das lag ihm schon als kleiner Junge im Blut, als er sich, gerade einmal sieben Jahre alt, selbst einen Führerschein bastelte. Ein Citroën DS bildete die Grundlage für sein Holzauto, dessen Karosserie er in einem halben Jahr harter Arbeit 42

ganz alleine aus Holz nachbaute. Das Fahrgestell darunter blieb das alte. Nur der Antrieb, und das war der Kern seiner Idee, funktionierte mit Holz. Das sammelte er auf seiner Reise, immer, wenn er einen Ast oder ein altes Regalbrett am Straßenrand liegen sah, lud er es auf seinen Anhänger und fuhr wieder ein Stückchen. So wurde er unabhängig, vor allem von den Ölriesen. Über Belgien, Deutschland, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien verschlug es ihn bis nach Bulgarien, Mazedonien. Moldawien sah er, die Ukraine. Er fuhr bis in die Zone rund um Tschernobyl. Italien nahm er auf dem Rückweg noch mit. Die Leute, erzählt Joost Conijn, waren immer begeistert, wenn sie ihn und sein Auto sahen. Sie umringten ihn und das Fahrzeug. Deswegen fand er, wenn er irgendwo parkte, auch sein Auto so leicht wieder. Nicht wegen seines ungewöhnlichen Aussehens, sondern wegen der Menschenmenge, die es umschwirrte.


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Wer unsere Spur zurückverfolgt, weiß:

Naturlich.

29.000 Tonnen weniger Kunstdünger pro Jahr.* Das macht uns so schnell keiner nach. Leider.

Und auch sonst ist in unseren Produkten nichts drinnen, was schadet: keine künstlichen Aromastoffe, keine Farbstoffe, keine chemischen Konservierungsmittel. Und das schmeckt man. www.janatuerlich.at *Dies besagt die Studie „Die Eigenmarke Ja! Natürlich – Bedeutung für die österreichische Bio-Landwirtschaft und die heimische Volkswirtschaft“ des Institutes für Volkswirtschaftslehre der Johannes-Kepler-Universität Linz von September 2009.


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Fragen dieser Welt

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# 59

what is the difference between knowledge and wisdom?

By „Thai sean“ (Username) via www.droppingknowledge.org Manchmal fragt man sich wirklich … Ja, was denn? Schickt uns die Fragen, die euch bewegen, an redaktion@biorama.eu. Und der Biorama-Fragenindex mit Fragen rund um bewusstes Leben wächst und wächst und wächst. 48


Text & Bild – Magdalena Vukovic

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Körperpflege

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Marktplatz

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Für Babys und Mütter … und all diejenigen, die besonders hohe Ansprüche haben. Gerade Babyhaut braucht besonders sensible Pflege frei von chemischen Zusatzstoffen, und so ist es nicht verwunderlich, dass der Bio-Kosmetikmarkt eine breite Palette an Produkten für die zarte Haut unserer Kleinsten anbietet. Aber auch werdende Mütter haben ein gesteigertes Pflegebedürfnis an Stellen, die zuvor sträflich vernachlässigt wurden. Im Uhrzeigersinn: Seifen in Tierform von Savon du Midi mit Lemongrass oder Monoi; Stillzart-Creme von

Bellybutton zum Schutz wundgesaugter Brustwarzen mit Bienenwachs und Reiskleieöl; Baby-Duftwasser von Bema Baby als dezent duftende Erfrischung mit Damaskus-Rose und Johannisbeere; Fußcreme von Bioemsan gegen schwere Beine mit Weinlaub, Rosskastanie und Pfefferminze; Streifenlos Körpercreme von Bellybutton gegen Dehnungsstreifen während der Schwangerschaft mit Sheabutter und Amaranthsamenöl; Kleiebad von Töpfer als milder Badezusatz mit Weizenkleieextrakt; Baby-Öl von Tautropfen zur sanften Hautpflege und Reinigung des Windelbereichs mit Ringelblume und Kamille. 49


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Ernährung

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Zucker

Text – Katharina Seiser

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Illustration – Nana Mandl

Des Zuckers weiße Weste Weißer Zucker ist böse, brauner ist gesund. Fairer Rohrzucker ist gut, heimischer Rübenzucker ist schlecht. Brauner Zucker ist naturbelassen, weißer Zucker gebleicht. Alles falsch. Knapp 40 Kilo Zucker werden pro Person und Jahr in Österreich und Deutschland gegessen. Das ist zehnmal mehr als Reis, doch selbst gut informierte Menschen stehen oft ratlos vor dem Zuckerregal. Wer sich mit Ernährung ein bisschen auszukennen glaubt, greift zum braunen Zucker. Wer anspruchsvolle Backwaren fabriziert, verlässt sich lieber auf den weißen. Den gibt es seit Kurzem auch aus heimischen Bio-Zuckerrüben. Das ist in der Bio-Welt eine kleine Revolution, weil die Bioläden in ihren Anfängen zuerst überhaupt keinen Zucker im Sortiment hatten – der galt als böses Industrieprodukt – und die Kundschaft sich für den Kauf von gewöhnungsbedürftigem dunkelbraunklebrigem Rohrzucker (damals gab es nur den) später auch noch rechtfertigen musste. 50

Weißen Zucker zu verteufeln ist ungefähr so sinnvoll wie Nudeln schlecht zu machen. Weißer Zucker ist nämlich nicht erst seit der Industrialisierung, sondern seit dem 6. Jhdt. aus Persien bekannt. Zuckerkristalle sind grundsätzlich farblos, durch die Brechung des Lichts erscheinen sie weiß – unabhängig davon, ob der Zucker aus (wie damals ausschließlich) Zuckerrohr oder aus Zuckerrübe hergestellt wird. Heute

stammen etwa 60% des weltweit produzierten Zuckers aus Zuckerrohr, 40% aus Zuckerrübe. In Österreich oder Deutschland ist der im Handel erhältliche weiße Kristallzucker immer aus Zuckerrüben. Er besteht zu mindestens 99,7% aus Saccharose, einem Zweifachzucker, der vom Körper zu Glucose und Fructose abgebaut wird und zur Energieversorgung dient. Wenn die Bauchspeicheldrüse das Signal „Süßes“ bekommt, schüttet sie


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das Hormon Insulin aus. Das wiederum sorgt dafür, dass die Aminosäure Tryptophan vom Blut ins Gehirn gelangt. Tryptophan ist die Vorstufe von Serotonin. Und Serotonin löst angenehme Gefühle aus. Das ist auch der Grund, warum im Winter – als Ausgleich zum fehlenden Tageslicht – mehr genascht wird als im Sommer.

Raffinierte Herstellung Ob man fürs Glücklichsein braunen oder weißen Zucker isst, macht keinen Unterschied. Brauner Zucker per se sagt nichts über die Qualität des Zuckers aus. Es bedeutet nur, dass Karamell oder ein Teil Melasse dem Kristallzucker zugesetzt oder dem Zucker gar nicht erst entnommen wurde. Ein kleiner Exkurs in die Zuckerherstellung hilft, sich das besser vorstellen zu können. Für den in Europa üblichen Rübenzucker werden die Zuckerrüben im Spätherbst geerntet, in der Zuckerfabrik gewaschen, geschnitzelt und mit heißem Wasser ausgelaugt. Der abgepresste

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Rohsaft wird zur besseren Reinigung mit Kalkmilch und CO2 versetzt. Nach dem Filtern kommt der Dünnsaft in große Kochapparate, in denen der Großteil des enthaltenen Wassers verdampft. Der so entstandene Dicksaft wird mit winzigen Zuckerkristallen „geimpft“, die die Kristallisation anregen. Wenn die Kristalle die richtige Größe haben, wird der Zucker in Zentrifugen gepumpt und mit heißem Wasser „gewaschen“, das gemeinsam mit dem Schleudern dafür sorgt, dass reinweiße Zuckerkristalle und braune Melasse voneinander getrennt werden.

Damit hat sich auch die Legende vom „gebleichten“ Zucker erledigt. Rohrzucker wird im Prinzip auf die gleiche Art hergestellt und raff iniert – nur wird der Rohsaft durch Pressen des Zuckerrohrs selbst gewonnen.

Brauner Zucker aus Zuckerrohr wiederum wird auf verschiedene Weise erzeugt: Er kann aus weißem Kristallzucker, der mit Karamell gefärbt oder mit Melasse versetzt wurde, bestehen. Er kann so raffiniert werden, dass Melasse auf den Kristallen bleibt. Das nennt sich dann Roh-Rohrzucker (z. B. Demerara, Syramena). Oder er wird gar nicht erst raffiniert, sondern der Dicksaft bei hoher Temperatur weitergekocht, bis er getrocknet und vermahlen werden kann. Das ist Vollrohrzucker (z. B. Rapadura, Sucanat, Mascobado), der üblicherweise als die „gesündeste“ Variante gilt, weil er noch Bestandteile des Zuckerrohrs selbst, u. a. Vitamine und Mineralstoffe, enthält. Ob die mengenmäßig wirklich ins Gewicht fallen, ist fraglich. Noch dazu, wo die durchschnittlichen 40 Kilo Zucker pro Kopf nur zu etwa einem Drittel in Form von Haushaltszucker, zu zwei Dritteln aber in Form von Fertiggerichten und vor allem gesüßten Getränken verzehrt werden. Und die enthalten fast immer weißen Kristallzucker.

Kein entweder oder Ökologische und soziale Unterschiede im Anbau und bei der Herstellung von Zucker gibt es aber sehr wohl. Brasilien ist der größte Zuckerproduzent der Welt, gefolgt von Indien und der EU. Für Zuckerrohr – egal, ob als Lebensmittel oder Energieträger – wurde und wird tropischer Regenwald gerodet, mit unbestreitbaren Folgen für den Klimawandel. Die sogenannten „Zuckerbarone“ 51


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bereichern sich auf Kosten ihrer Arbeiterinnen und Arbeiter. Und natürlich wird bei großen Monokulturen auf chemisch-synthetische Dünge- und Spritzmittel gesetzt, um die Erträge nicht zu gefährden. Das schadet der Artenvielfalt, dem Wasser und den Menschen vor Ort. Wer Rohrzucker möchte, sollte ausschließlich Bio- und Fairtradezertifizierte Produkte kaufen. Bio alleine reicht nicht, weil die Nachfrage nach biologisch produziertem Rohrzucker mittlerweile so groß ist, dass er längst im industriellen Maßstab – mit allen damit verbundenen Problemen – angebaut wird. Fairtrade alleine reicht nicht, weil damit zwar die Lebens- und Arbeitssituation der Menschen in 52

den Produktionsländern verbessert und kleine Strukturen gefördert werden, aber nicht automatisch auf nachhaltige Produktion geachtet wird. Bis vor wenigen Jahren gab es in Europa aber keine Alternative zu Bio-Rohrzucker aus Südamerika oder Asien. Nur drei Länder weltweit produzieren seit kurzem BioRübenzucker: Österreich, Deutschland und die Schweiz. Das Saatgut ist garantiert gentechnikfrei, es darf nicht mit Pestiziden oder Fungiziden vorbehandelt sein. BioZuckerrüben dürfen weder chemisch-synthetisch gedüngt noch gespritzt werden. Das bedeutet für die Bio-Bauern und -bäuerinnen extrem viel Handarbeit beim Unkraut-


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Man teilt wieder.*

Die moralische Frage, ob es besser ist, heimischen, kurz transportierten Bio-Rübenzucker oder fair gehandelten Bio-Rohrzucker zu bevorzugen, kann also nicht so einfach beantwortet werden. Die Prämisse „Lebensmittel aus der Region“ sollte jedoch langfristig nicht nur für die, die sie essen, sondern auch für die, die sie produzieren, gelten.

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Andererseits gibt es für ernährungsbewusste Menschen wiederum derzeit keine heimische Alternative zu möglichst wenig verarbeitetem Bio-Vollrohrzucker.

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Genussvorschau

jäten, die den Bio-Rübenzucker dreimal so teuer wie den konventionellen macht. Es gibt derzeit aber bloß weißen Bio-Rübenzucker. Der Großteil des Bio-Rübenzuckers geht in die weiterverarbeitende Industrie. Wenn man herausfinden will, welcher Zucker nun der nachhaltigere ist, wird es kompliziert. Der Agrarwissenschaftler Thomas Lindenthal, der an der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) und am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in den Bereichen CO2-Bilanzierung, Biolandbau und Nachhaltigkeit forscht, gibt zu bedenken, dass CO2-Bilanzen zur Ökobilanzierung alleine nicht ausreichen, aber für den Klimaschutz und zur Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten wichtig sind. Ebenso Beachtung finden müssen auch der Land Use Exchange (ein Parameter zur Veränderung des Landes durch Kulturverfahren), die Artenvielfalt, der Wasser- und Energieverbrauch und die Eutrophierung (Nährstoffeintrag in die Gewässer durch Bodenabtragung). Seine Conclusio: Bei der einfachen CO2-Bilanz schneidet Bio-Rohrzucker besser ab als Bio-Rübenzucker. Beim Wasserverbrauch hat BioRübenzucker meist die besseren Karten. Bei der Artenvielfalt hängt es davon ab, ob kleinstrukturiert oder in Monokulturen angebaut wird. Wenn der Land Use Exchange in die CO2-Bilanzen integriert wird, schaut die Rechnung wieder anders aus, weil die Tropenwaldzerstörung an den weltweiten Treibhausgasemissionen 15–20% ausmacht und damit dem konventionell produzierten Rohrzucker kein gutes Zeugnis ausstellt.

Vollmilchpulver hergestellt von Tiroler Bio-Bergbauern „Bio vom Berg“/ Milk products produced by “Bio vom Berg“, organic farmers from the Tyrol Kann Spuren von Nüssen aller Art enthalten/May contain traces of all types of nuts Hergestellt in Österreich „bean to bar“/produced in Austria from “bean to bar“ by Zotter Schokoladen Manufaktur GmbH, Bergl 56, A-8333 Riegersburg Tel.: +43 (3152) 5554, Fax: +43 (3152) 555422 schokolade@mitziblue.com www.mitziblue.com

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Text – Mirjam Bromundt

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Wintersinne 1 Herzenswärme

4 Frühstückslaune

Feuer von innen liefern die veganen Orange-EnergieBällchen von Schuldt & Weber. Trockenfrüchte, Haselnüsse, Kokosflocken, Sanddornsaft und ätherische Öle werden zu Kugeln verarbeitet, die zum im Ganzen in den Mund stecken nicht nur zu groß, sondern auch zu schade wären. www.schuldtundweber.com

Erdnussbutter respektive Schokoaufstrich beiseite stellen und die Macadamiacreme von Alnatura ausprobieren. Mit Zutaten aus kontrolliert biologischem Anbau werden die Macadamianüsse zu einer feinen Creme verarbeitet, die bei keinem Frühstück mehr fehlen wird. www.alnatura.at

2 Schneegestöber

5 Kuscheldecke

Draußen schneit’s, drinnen ist wohlig eingeheizt und in der Hand die alkoholfreie Alternative zu Glühwein oder Punsch: heißer Winterkakao von Naturata. Aus der Dominikanischen Republik stammen die Bohnen, die um Rohrzucker, Ceylon-Zimt und Koriander erweitert ganz einfach mit Milch zum Seelenwärmer aufgegossen werden. www.naturataspielberger.de

Filmabende galore zur Winterzeit bedürfen ausreichend Abwechslung betreffend des gewählten Knabberzeugs. Allos hat dafür Amaranth Poppkorn im Sortiment, das knusprig und mit fein nussigem Aroma neben Knabberspaß auch pflanzliches Eiweiß, Magnesium und Eisen liefert. www.allos.de

3 Weihnachtsduft

6 Kaminfeuer

Alkoholfrei oder doch mit Schwips bietet die Gewürzmischung Hot Apple Cider von Herbaria eine wärmende Abwechslung zum Kakaogetränk. Dafür wird ein Esslöffel des Pulvers aus Zimt, Süßholzwurzel, Nelken, Mandarinen- und Zitronengranulat mit 0,5 Liter Apfelsaft aufgekocht und je nach Geschmack mit Rum verfeinert. www.herbaria.com

Im Winter darf ’s gerne ein bisschen deftiger ausfallen, und auch Figurbewusste machen Ausnahmen. Nur Äpfel und geröstete Zwiebeln finden sich im rein pflanzlichen Zwiebelschmelz von Zwergenwiese, der auf einem saftigen Schwarzbrot den kleinen Hunger zwischendurch stillt. www.zwergenwiese.de

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Ich und die Anderen

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Götz Rehn

Text – Götz Rehn

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Ich und die Anderen Götz Rehn ist Gründer und Vorsitzender von Alnatura. Über 900 Produkte umfasst das Sortiment, das es in 2.600 Läden zu kaufen gibt. Uns erzählt er, welches davon sein Lieblingsprodukt ist. Und was er sonst noch gerne hat. Bio-Produkte und Bio-Supermärkte, heute selbstverständlich im Einzelhandel, waren vor 25 Jahren noch ein exotisches Nischenangebot. Meine Idee war ursprünglich, moderne Einkaufsorte für Bio-Lebensmittel zu entwickeln. Da es Mitte der 1980er-Jahre aber noch nicht genügend Lebensmittel aus ökologischem Landbau gab, entwickelte ich zunächst eigene Bio-Produkte unter der Marke Alnatura. Anfang 1986 stand dann das erste Alnatura-Grundsortiment in den Regalen der Lebensmittelmärkte von tegut, wenig später auch in den dm-Drogeriemärkten. Die ersten Artikel waren Lebensmittel, die auch heute noch typische Bio-Produkte sind, wie Vollkorngetreide und Mehle, Müslis, Gemüse- und Obstsäfte, Honig und Fruchtriegel. Den ersten Bio-Supermarkt Deutschlands eröffneten wir 1987 in Mannheim, viele weitere folgten. Zum Jahresende 2009 gibt es 53 Alnatura Super Natur Märkte in 35 Städten. Der Unternehmensgrundsatz „Sinnvoll für Mensch und Erde“ zeigt sich bei Alnatura im nachhaltigen En56

gagement für ökologische und gesellschaftliche Projekte. Beispiele aus diesem Jahr sind unsere Zukunftsinitiative für mehr Bio-Bauern, mit der wir heute noch konventionell wirtschaftende Landwirte bei der Umstellung auf ökologischen Landbau beraten, oder unsere Initiativen für faire Milchpreise.

Mein Alnatura Lieblingsprodukt

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1 sind die Trüffel aus der Serie Alnatura Sélection: Leckere Bio-Nougatpralinen in Zartbitterschokolade, mit Kakao bestäubt. Produkte, die ich außerdem gerne mag:

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2 Original italienische Spaghetti von Rapunzel, dazu eine Sauce aus frischen Tomaten – ein Genuss!

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3 Trink-Joghurts von Andechser: frisch und fruchtig. Mein Favorit: Himbeer!

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4 Earl Grey-Tee von Hampstead: ein milder, klassisch englischer Tee mit einem Hauch von Bergamotte-Öl

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5 Gesichtsmilch von Dr. Hauschka: eine natürliche Feuchtigkeitspflege für die Haut. Auch für Männer – …


Wien.

Für Di ch.

Wo man im Advent

NICHT ALLEINE IST Stadt mit ihren zahlreichen Unterstützungs- und Beratungsleistungen schnelle und unbürokratische Hilfe. Gerade um die Feiertage wird diese verstärkt nachgefragt. Dichtes soziales Netz Das breite Angebot reicht dabei von diversen Notrufnummern wie Frauennotruf und SozialRuf Wien über das Kriseninterventionszentrum der MAG ELF und Notschlafstellen bis hin zu den

Das Stadtinformationszentrum und die Veranstaltungsdatenbank der Stadt Wien haben alle Infos zum Kultur- und Freizeitprogramm im Advent und zu Weihnachten. Stadtinformationszentrum, 1., Friedrich-Schmidt-Platz 1, Telefon 01/525 50, Mo–Fr 8–18 Uhr, www.veranstaltungen.wien.at

Frauenhäusern und dem Heizkostenzuschuss von 200 Euro.

Wien beschert soziale Wärme SozialRuf Wien: 01/533 77 77 24-Stunden Frauennotruf: 01/71 71 9 24-Stunden Psychiatrischer Notruf: 01/313 30 Infos zum Heizkostenzuschuss: 01/40 00-40680 Kriseninterventionszentrum: 01/406 95 95 www.sozialinfo.wien.at Fotos: Jan Gott, Getty Images

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Wien ist in der Vorweihnachtszeit eine Welt der Romantik und Idylle. Wer nicht nur über die bezaubernden Weihnachtsmärkte schlendern möchte, kann sich die Wartezeit auf das Christkind mit einer Vielzahl an günstigen, oft kostenlosen, Veranstaltungen verkürzen. Aber gerade in der Vorweihnachtszeit werden Probleme und Krisensituationen besonders bewusst. Daher bietet die


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Text – Magdalena Miedl

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The Soup Soup Song Wenn es Winter ist, werden die Zehen kalt und kälter. Was könnte da besser wärmen als ein heißes Süppchen? Doch viele von uns finden vor lauter Arbeit (oder Winterschlaf?) keine Zeit zum Kochen. Zum Glück gibt’s aber mittlerweile im Supermarkt auch Bio-Varianten der alten Freundin Fertigsuppe. Wir haben das Angebot durchgetestet. Guten Appetit!

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1 Tomatentomaten! LaSelva ist eine Marke, die sich Freunde des Paradeisers merken sollten. Die Tomatensuppe der freundlichen Italiener schmeckt so, wie sie soll: sehr frisch, sehr tomatig, und sehr puristisch. Die Suppe ist so dick, dass sie fast als Pastasauce durchgeht, ein angenehm säuerliches Püree, superschöne Farbe, feinwürzig und absolut basic, sodass man sie mit allerlei Zutaten variieren kann, etwa Rahm, Olivenöl oder Kräutern. Musterhaft! LaSelva, Tomatensuppe, 350 g

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3 Junk Soup Mit heißem Wasser aufzugießen: Diese Asiasuppe ist klassisches Bürofutter mit Junkfood-Charme. Die Zubereitung im Plastikgeschirr ist für ein Biolebensmittel trotzdem etwas seltsam. Geschmacklich überzeugt die Suppe nicht ganz: Maggikraut dominieren, „als ob Mama zu viele Küchenkräuter reingeschmissen hätte.“ Was soll daran asiatisch sein? „Schmeckt nach Blumen“, behauptet ein Tester. Trotzdem macht das Produkt Spaß, was aber eher an der Aufmachung als am Geschmack liegt. Natur compagnie, Veggie-Noodle Soup Asia, 355 ml

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2 Kanonengulasch

4 Der Sonne entgegen

Gulaschsuppe aus der Dose hat ein bestimmtes Image – und die Suppe von Basic erfüllt diese Erwartungen: Sie ist schön scharf, was allerdings auf der Packung nicht vermerkt ist (Achtung, zu scharf für Kinderzungen), das Fleisch erinnert an Presswurst, der Geschmack wirkt künstlich. Insgesamt ist das Produkt eine Verkörperung dessen, was Dosensuppen ausmacht: „Wie Gulasch auf der Autobahnraststätte“, findet eine Testerin. Was nicht unbedingt schlecht sein muss! Basic, Gulaschsuppe mit Fleisch, 400 ml

Die Waldviertler von Sonnentor haben die Kunst perfektioniert, aus allerlei Biokräutlein die wundersamsten Dinge zu zaubern. Die Ingwer-Lemongrass-Suppe allerdings vermag nicht so ganz zu überzeugen: Sie riecht zwar sehr „bobo“ und schmeckt wie Tee, aber dann doch etwas pseudogesund. Als Ersatz für andere Suppenwürzen mag das Pulver taugen, leider wird die Suppe aber bitterer, je länger sie steht. Schade. Denn: eigentlich ein sympathisches Produkt. Sonnentor, Ingwer-Lemongrass-Suppe, 180 g

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5 Wolke Sieben Meistens ist die Werbung eine böse Lügnerin. Doch im Falle von „Suppenglück“ hält der Name, was er verspricht: Die cremige Suppe kann man direkt im Plastikbecher wärmen (es empfiehlt sich trotzdem ein Umfüllen in ein Porzellangefäß), was im Büro praktisch ist. Die Variante mit Roten Linsen und Aprikosen erinnert ein wenig an Kürbissuppe, nur viel besser: Das ist Fertigfutter, wie es besser nicht sein konnte, es schmeckt wie bei Mama (sofern die eine gute Köchin war) – da verzieht sich die Winterdepression gleich wieder in ihren Winkel. Sensationell! Suppenglück, Rote Linsen und Aprikosen, 450 g

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6 Big in Japan Misopaste besteht klassischerweise aus vergorenem Reis und sonst nicht viel. Diese Instant-Misosuppe ist unter anderem aus Vollkornweizen. Ob das für den seltsam säuerlichen Geschmack zuständig ist, sei dahingestellt – ein glorreiches Produkt ist sie aber nicht, erst recht nicht ohne Algen und Tofu. Für die, die sich streng biologisch ernähren wollen, ist sie aber eine brauchbare Alternative zum japanischen Miso aus dem Asia-Shop. Arche Naturküche, Misosuppe Instant, 4 × 10 g

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Kartoffelsuppen sind klassische Magentröster nach einer harten Nacht. Diese dänische Variante erfüllt da ihren Zweck: Sie schmeckt mild und sanft, der enthaltene Lauch ist sehr dezent. Die Suppe ist etwas dünner als erwartet, ein wenig schwachbrüstig und fade, und erinnert an warmes Tsatsiki: keine aufregende Sache, aber ein passables Süppchen für verkaterte Vormittage. Fields of Flavour, Kartoffel, Lauch & Thymian ,450 ml

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/ Studentenfutter

Eine klassische „Packerlsuppe“: Von der Optik her ist die Champignoncremesuppe etwas gewöhnungsbedürftig (typisch Champignon eben), schmeckt aber genau so, wie wir das aus unserer Kindheit kennen: kartoffelig, etwas pampig, mehlig, aber irgendwie tröstlich. Das Schwammerl-Aroma erinnert eine Testerin an Studentenzeiten, an Fresspakete von Omi. Insgesamt ist die sämige Suppe befriedigend, erfüllt präzis die Erwartung – und schmeckt nicht zu gesund! Erntesegen, Champignoncremesuppe, 40 g für 500 ml

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„Schmeckt wie ein Sommerabend“, fantasiert eine Testerin. Eine andere wünscht sich Ciabatta dazu, „und dann den ganzen Becher aufessen!“ Aber wie eine dritte Testerin als erfahrene Köchin anmerkt: Alles schmeckt gut, wenn Sahne drin ist. Diese Suppe macht jedenfalls derart glücklich, dass man damit vermutlich sogar magersüchtige Topmodels aufpäppeln könnte. Gibt’s da noch mehr Sorten? Suppenglück, Tomate und Basilikum, 450 ml

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10 Italophob „Das würde jeder Italiener stehen lassen“ ist sich die Runde einig. Seltsam grau, viel zu eintopfartig dick, etwas fade und zu viel Stärke: Mit einer klassischen Minestrone hat diese Suppe wenig zu tun. Eine glatte Themenverfehlung ortet ein Tester, findet aber, unter anderen Vorzeichen könnte dieses Produkt eine gute Basis für andere Gemüsesuppen abgeben. Nachwürzen erwünscht! Lima , Minestrone Soup, 390 ml


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Text – Ursel Nendzig

Eierlikör

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Fotos – Stefan Knittel

Das Rezept im Bild. Diesmal: Eierlikör Ein echter Klassiker, der es schafft, die Menschheit in zwei Lager zu teilen. Jene, die ihn vergöttern,, und die, die ihn abgrundtief hassen. Dazwischen gibt es so gut wie nix. So oder so, der Eierlikör gehört zum Winter wie die Kälte und hat so was schön Altmodisches. Außerdem ist er ganz leicht selber herzustellen.

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Die Zutaten. Von links nach rechts: Alkohol. Ohne den geht es natürlich nicht, erstens: Er sorgt für die nötige Haltbarkeit. Zweitens für den Geschmack. Und drittens dafür, dass sich der Likör Likör nennen darf. Milch und Schlagobers (hinten), Staubzucker (vorne). Eier (hinten), frisch, das versteht sich von selbst. Fünf Stück sollten es sein für etwa einen Liter Eierlikör. Und schließlich (ganz rechts vorne) braucht es Vanillezucker. Wir verwenden Bio-Vanillezucker mit echter Bourbon-Vanille. Ist etwas teurer beim Einkauf, lohnt sich aber beim Ergebnis.

Und schließlich fügen wir den Alkohol hinzu und rühren ihn unter. In unserem Fall haben wir einfach in der Apotheke nach einem viertel Liter reinem Alkohol begehrt, bekommen haben wir Weingeist, der recht neutral schmeckt (durch Geruchstest ermittelt). Stattdessen wäre es auch denkbar, Rum oder Whiskey zum Einsatz zu bringen, dadurch verändert sich der Geschmack des Likörs entsprechend. Welcher Alk auch immer: Wichtig ist, dass er mindestens fünfzigprozentig ist. Wegen der Haltbarkeit wär’s gewesen.

2 Als erstens brauchen wir die Eier. Natürlich! Die Namensgebenden. Eier trennen, wir brauchen nur das Gelbe vom Ei. Das Eiweiß werfen wir natürlich nicht weg. Es kann wunderbar als Eischnee in die nächsten Schinkenfleckerln oder die sonntägliche Biskuitroulade wandern. Also: im Plastikgeschirr im Kühlschrank aufheben. Hält sich einige Tage, je nachdem, wie frisch die Eier sind.

3 Die Eigelbe rühren wir mit Vanillezucker und Staubzucker sehr schaumig. So ist garantiert, dass es keine Bröckchen im Likör gibt und dass er noch einen Tick cremiger wird. Hier können wir je nach Lust und Laune variieren. So können wir durch die Zugabe von Gewürzen dem Eierlikör unsere ganz persönliche Note aufdrücken. Experimente erlaubt. Zimt schmeckt zum Beispiel besonders weihnachtlich. 60

Danach kommt die Milch dazu. Auch hier können Gewürze ins Spiel gebracht werden. Da die Milch Geschmacksstoffe besonders gut aufnimmt, könnte man sie langsam mit (zum Beispiel) Zimt oder Nelken auf kochen und langsam in die Eiermasse einrühren. Der Likör wird dann nicht nur wunderbar aromatisch, sondern auch etwas dickflüssiger. Auch das Schlagobers kippen wir schwungvoll in die Rührschüssel.

6 Unsexy, aber unerlässlich: die Flaschen sterilisieren. Vor allem, wenn sie aus dem Keller kommen und in den letzten Jahren schon für Saft/Kirschlikör/Kernöl verwendet wurde. Aber auch bei Flaschen, die frisch aus dem Laden kommen, schadet eine Ausspülung mit kochendem Wasser auf keinen Fall. Keimfrei hält eben länger. Wir füllen unseren Likör in die sterilen Flaschen.

7 Fertig! So einfach geht das. Wichtig ist nun, dass wir nicht sofort gierig über den frischen Eierlikör herfallen, sondern uns noch zwei Wochen gedulden. So lang sollte er kühl und dunkel gelagert werden. Auch wichtig: vor dem Genuss gut schütteln. Und nach dem ersten Genuss die angebrochene Flasche im Kühlschrank auf heben. Der Likör hält ca. zwei Monate. Theoretisch. Denn praktisch schmeckt er leckerer als man denkt (und als er klingt) und wird wohl kaum die erste Woche überstehen.


Eierlikör

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Zutaten Für etwas mehr als 1 Liter Eierlikör brauchen wir: 5 Eidotter 1 Päckchen Vanillezucker 250 g Staubzucker 200 ml Milch 250 ml Schlagobers 200 ml Alkohol (96%ig) Flasche(n) zum Abfüllen

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Gebraut im lokal.drahtwarenhandlung.at 61


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Marlene Duffy

Champagner zu jeder Jahreszeit? Gerade habe ich beschlossen, dieses Jahr meinen Silvesterchampagner schon zu Weihnachten zu genießen. Habe mich kurz gefragt: „Darf man das?“ Und mir dann selbst geantwortet: „Why not!“ Seien wir mal ehrlich, was wäre eigentlich so schlimm daran. Verlängert sich nicht einfach die wunderbare Zeit der weihnachtlichen Vorfreude? Saisonale Verschiebungen und Veränderungen ritueller Bräuche findet man in vielen Bereichen unseres Lebens in unterschiedlichen Ausprägungen. Wir verlängern jedes Jahr unsere Grillsaison um ein paar Monate. Im Februar wird angegrillt. Im Fackelschein mit einem Grogg in der Hand steht man dicht gedrängt um das wärmende Feuer. Das unterscheidet sich schon von einem Sommergrillabend, ist aber auch sehr gemütlich und einfach anders. Manche Leute trauen sich sogar, die Schwimmsaison in der Ostsee auf das ganze Jahr auszuweiten. Bei Minusgraden stürzen sie sich adrenalingestärkt in die Fluten. Andere unterwerfen sich nicht einmal vorübergehend den saisonalen Temperaturschwankungen, sie reisen einfach dem nie en62

denden Sommer hinterher. Ich denke nicht, dass man deshalb gleich in Kulturpessimismus verfallen sollte. Auf jeden Fall habe ich kein schlechtes Gewissen, wenn ich den Champagner schon zu Weihnachten köpfe. Für wilde Silvesterparties ist edler Schaumwein eigentlich sowieso zu schade. Beschwipste Leute fallen sich um zwölf Uhr in die Arme und stehen danach mindestens eine halbe Stunde mit ihrem Champagnerglas in der Kälte, um dem Feuerwerk zuzusehen. Inzwischen ist das filigrane Getränk komplett unterkühlt und die feinen Aromen, um die es ja nun mal geht, nicht mehr wahrnehmbar. Weihnachten dagegen ist perfekt. Am besten eignet sich meiner Meinung nach der späte Heiligabend. Nachdem wir Kirche, Bescherung und Heringssalat hinter uns gebracht haben und auch die Kinder erschöpft im Bett liegen, werde ich dieses Jahr eine Flasche Champagne De Sousa & Fils Brut Réserve Grand Cru aus 100% Chardonnay aus dem Kühlschrank holen, um den Abend genüsslich mit der Familie ausklingen zu lassen. Das Champagnerhaus befindet sich am nördlichen Rand der Côte des Blancs, im Chardonnay-Gebiet der Champagne. Im Jahr 1999 stellte der Familienbetrieb auf biodynamischen Weinbau um. Die über 45 Jahre alten Rebstöcke werden durch einen hausgebrauten Kräutersud vor Schädlingen geschützt, behutsam von Hand gelesen und verarbeitet. Der Most wird in kleinen Barriques vergoren und anschließend mehrere Jahre in Flaschen auf der Feinhefe gelagert und zum Teil noch mit der Hand degorgiert. Der Duft dieses golden glitzernden Blanc de Blancs erinnert an geröstetes Sesambrötchen; ein Hauch von Anis und feine orientalische Gewürze schmiegen sich an eine zarte, saftige Trockenaprikosennote. Die klitzekleinen Perlchen tanzen ekstatisch auf der Zungenspitze, bis sie nicht mehr können und sich unglaublich schmelzig auf die Zunge legen. Super mineralisch! Etwas Orange kitzelt frisch am Gaumen und bleibt dann zusammen mit Honig und Nüssen lange auf der Zunge. Die perfekte Harmonie zwischen kräftiger Aromatik und seidiger Struktur. In freudiger Erwartung werde ich jetzt schon mal die Flasche in den Kühlschrank stellen – oder ist das zu früh? Was meinen Sie? Mehr Infos zum Weingut und auch Wein gibt es im Internet unter www.meinklang.at und telefonisch unter (00)43 2174 21 68-11

Über Marlene Duffy

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Marlene Duffy liebt Wein. Rotwein genauso wie Weißwein und besonders französischen Schaumwein. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem 3-jährigen Sohn in Hamburg. Von dort aus betreibt die ausgebildete Sommelière ihr Online-Wein-Portal www.bottleplot.com. Wöchentlich verkostet sie in kurzen Videos mit viel Spaß und auf unkonventionelle Art verschiedenste Weine.


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Ich bin bio. Ich lebe bio. Wo das AMA-Biozeichen drauf ist, ist bio drin. Da kann ich mir sicher sein. Ich liebe das pure Leben.

Das AMA-Biozeichen, das Zeichen f체r Bio-Qualit채t.

www.bioinfo.at


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Waldkindergarten

Text – Hans-Christian Heintschel

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Fotos – Nadja Meisterhel

Unter kleinen Indianern Vielleicht liegt es am Lichtungscharakter, dass beim Besuch ein bisschen exotisches Indianer-am-AmazonasGefühl aufkommt. Zwei Feuerstellen, eine davon in Betrieb, gut zwanzig Kinder, die herumlaufen, am Feuer sitzen, alles umgeben von wuchtigen Laubbäumen und hohen Tannen. Dennoch ist es hier im Waldkindergarten in St. Andrä-Wödern, 15 Kilometer vor den Toren Wiens, erstaunlich still. Es ist ein leiser Auszug aus der gewohnten Kindergarten-Laufbahn, der sich da vor den Augen abspielt. Waldkindergärten sind nur lose miteinander verbunden, von Gründungen erfährt man durch Flyer im Bio-Laden, durch Mund-zu-Mund-Gerüchte, in Internetforen, für viel mehr reicht meist das Geld nicht. Die Gemeinden geben sich eher ignorant. Sie müssen ihre eigenen Kindergärten füllen. Und sich immer öfters mit leistungsbewussten Eltern auseinandersetzen, die am liebsten alles zumindest zweisprachig haben wollen. Den Waldkindern und

ihren Begleitern tritt man da mit einer gewissen Skepsis entgegen. Kein PCAngebot? Kein Eislaufen?

Volkert Duit kennt das. Er ist so ein Mensch, der schon „vieles im Leben gemacht“ hat. Der 53-Jährige, der einen Rucksack trägt, führt durch den wand- und türlosen Wald64

kindergarten. Drei mehr oder weniger verwilderte Gärten sind es, wo sich wochentags knapp über zwanzig Kinder bis Mittag einfinden. Die gepachteten Grundstücke sind steil und gehören den kleinen Bauern der Umgebung. Erst oberhalb des Kamms, wo der Wienerwald wellig und breit wird, haben die Großgrundbesitzer das Sagen. Hier unten, wo Obstbäume neben Imkerkästen und Weidenzäunen herum stehen, ist das Ausprobieren anderer Wege einfacher. Vor fünf Jahren begann er mit ein paar befreundeten Eltern das Vier-Jahreszeiten-Experiment unter offenem Himmel. Ohne großes Gedöns, dafür mit viel Handarbeit, Wochenenden mit Säge, Spaten und Hacke.

Gute Begleitung „Begleiten“ heißt das Zauberwort hier und bei Waldkindergärten anderswo, nicht „unterweisen“ und „belehren“. Konkret bedeutet das, dass sich der fünf-Jährige Sebastian von einem Erwachsenen eine richtig scharfe Axt ausleiht, um sich damit im Eigenversuch einen Ast für seinen Bogen aus dem Haselnussgestrüpp heraus zu schlagen. Waldkindergärten wie jener hier erinnern an den Zitatenschatz aus alten Wanderbüchern. „Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur unpassende Kleidung.“ Die Kinder verleben die Vormittage nicht in Alters-


Waldkindergarten

gruppen. Auch die augenfällig drapierten Bastel-Nachweise der üblichen Kindergärten fehlen. Dafür sieht man drei Jungs im dichten Unterholz verschwinden, einer von ihnen hat ein T-Shirt an, das an ein Kettenhemd erinnert. Andere haben es sich auf einem selbstgebauten Hochstand bequem gemacht. An einem großen Tau hängt ein Mädchen und schaukelt hin und her. Es ist Herbst, aber erstaunlich warm. Wenn es kälter wird, zieht man in die vor vier Jahren errichtete Jurte. Dort gibt es in der Mitte ein offenes Feuer, der Boden ist erstaunlich sauber, im Immobilienslang nahezu „besenrein“. Demnächst will man mit dem Bau einer selbstgebauten Hütte aus Lehm beginnen. Wie ist das nun mit dem Programm? Manchmal machen die Kinder – „Wenn sie von sich aus wollen“, erinnert Duit – zusammen mit einem der Großen eine kleine Expedition, sammeln Früchte, Zapfen, Wurzeln, Stecken, Blätter, Käfer oder Pilze und was man sonst mit 120 Zentimetern Körpergröße im Wald interessant findet. Klassische Spielsachen sind kein Tabu. Die Erfahrung hat

aber gezeigt, dass die mitgebrachten Puppenwagen, Plastikschwerter und Autos bald ihren Reiz verlieren. Die Kinder vergessen schlichtweg auf sie. Die Natur selbst bietet zur Genüge Spiel-Sachen an. Auch große Rituale gibt es hier

nur wenige: Es wird regelmäßig gesungen und Märchen

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Kinder

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BIORAMA

erzählt. Das gibt der Zeit, aber auch den Kindern eine gewisse Struktur. Ansonsten bleibt der Stundenplan leer. Die Jahreszeiten in der Natur weisen den Weg. Und wenn es richtig regnet? Schneit? Bitterkalt ist? Dafür gibt es die Jurte. „Und passende Kleidung.“ Für die Gemeinden sind solch alternative Kinderorte ein Krampf. Sie lassen sich schwer einordnen. Stundenschlüssel, Infrastruktur, wie ein Haus mit Spielzimmer, aber auch das herkömmliche pädagogische Einmaleins funktionieren hier draußen nicht sehr gut. Man muss die Landes- und Gemeindekindergärten deswegen nicht in Frontstellung bringen. Die Unterschiede bleiben dennoch gut erkennbar. Jurte oder Ziegelhaus: Laut Behörden muss ein Kindergarten über ein Haus verfügen. Mit Zimmern, Fenstern, Toiletten, Warm- und Kaltwasseranschluss und – in Wien – 3 Quadratmeter pro Kind. Gibt es kein Haus, gibt es keinen Kindergarten, gibt es auch keine finanzielle Unterstützung. So einfach ist das. Bleiben unterm Strich um die 180 Euro im Monat zum Zahlen übrig. Ohne Mittagessen, ohne Nachmittagsaufsicht: Der nicht unbeträchtliche Aufwand für Eltern ist selbstredend behördliches Kalkül. Umso mehr fordern Duit und seine Mitstreiter die Erhebung in den Projektstatus. „Damit die Vorteile unserer Idee auch wissenschaftlich mal erhoben werden.“ Und damit die Amazonas-Kids förderungswürdig werden.

Der Traum vom Wald

Mit Globus und Wickelhose entdecken die Kinder ihre Welt.

Für die Wienerin Dagmar Schönfeldinger bleibt ein Großstadt- Waldkindergarten ein Traum. Die Musiklehrerin hat sich wirklich Mühe gegeben. Hat sich mit Mandataren auf Bezirks- und Wienebene getroffen. „Schöne Idee, aber die Unterkunftsfrage“: Gemeinsam mit Freundinnen hatte sie vergangenes Jahr versucht, „irgendwo in Wien“ einen passenden Ort zu finden. „Da merkt man erst, wem der Wald gehört“, erzählt sie. Dem Stift Klosterneuburg, den Bundesforsten, der Stadt. Ein Konzept entstand, Waldkindergärten wurden besucht, angeschrieben: Irgendwann stand Schönfeldinger mit ihrer Vorstellung für eine schöne Zeit für ihre damals dreijährige Tochter alleine da. Heute besucht die Kleine einen Kindergarten der Wiener Kinderfreunde. Auch nicht schlecht, aber „ein bisschen Frust bleibt da schon.“ Anderswo ist man da schon ein bisschen weiter. In München gibt es um die zehn solcher Waldkindergärten. Alle ein bisschen unterschiedlich, der große gemeinsame Nenner bleibt der offene Himmel. Und das große Engagement der Eltern wie der Pädagogen. Verfügt man darüber, dann kann am Ende einer solchen Waldzeit positiv bilanziert werden: Die Kinder sind deutlich weniger krank als ihre Altersgenossen in den Zimmern mit Lärmschutz­ fenstern, sie sind selbstbewusster, auch ihre Feinmotorik und Konzentrationsstärke ist sehr gut ausgebildet. Und, ja, im Wald kennen sie sich natürlich auch gut aus. 65


BIORAMA

/ / Kinder

Konsum

Text – Ursel Nendzig

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Foto – Corbis

Kleine Konsumenten Sie sind noch klein und haben kein eigenes Geld. Trotzdem beeinflussen Kinder das Konsumverhalten ihrer Eltern. Ob es das neueste Tragegestell aus dem Internetforum ist oder der Lutscher an der Supermarktkasse. Ein Blick auf die kleinsten Kaufentscheider. Samt Psycho-Test. Die Eltern sind die Chefs im Haus. Was, wann, wo und warum gekauft wird, bestimmen sie, nicht der Nachwuchs. Wenn das Kind zu jammern beginnt, beißt es dabei beim strengen Vater und der konsequenten Mutter auf Granit. Schließlich hat es noch kein eigenes Einkommen, und solange es die Beine unter den elterlichen Tisch streckt, hat es nichts zu bestimmen, wenn es ums Einkaufen geht. Oder? Stimmt nicht. Kinder beeinflussen bewusst und unbewusst, aber jedenfalls stark das Konsumverhalten ihrer Eltern. Das wurde auch in einer wissenschaftlichen Studie belegt. Die beiden Konsumentenforscher Claus Ebster und Udo Wagner vom Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Wien fanden heraus, dass nur die Hälfte der Spontaneinkäufe, die im Supermarkt von Kindern ausgelöst werden, den Eltern bewusst ist. Für die Studie wurden 200 Eltern beim Einkauf mit ihren Kindern im Supermarkt beobachtet. Und nachher vom Forscherteam interviewt. Auf die Frage, wie viele ihrer Käufe durch ihr Kind beeinflusst wurden, gaben die Eltern im Durchschnitt nur die Hälfte der beobachteten Einkäufe an. Und noch etwas wurde in der Studie untersucht: welche Faktoren für diese Kaufanregung durch die Kinder verantwortlich sind. Dabei wurde deutlich, dass die lieben Kleinen – und das ist bestimmt keine Neuigkeit, die uns umhaut – vor allem Produkte verlangen, die direkt auf ihrer Augenhöhe liegen. Also Süßigkeiten und Spielzeug. Das natürlich zuvor von den schlauen Einzelhandelsexperten auch genau dorthin platziert worden ist. Unschuldig sind die Eltern daran nicht, schließlich zücken sie im Endeffekt den Geldbeutel. Und dies tun sie, auch das zeigte die Studie, besonders gerne, wenn sich das Erquengtelte gleich verwenden oder konsumieren lässt, sprich: kleine Spielzeuge, Süßigkeiten, Obst. Denn dann sind die Kinder während des Einkaufens beschäftigt und lassen Mami oder Papi genug Zeit, den Einkaufszettel in Ruhe abzuarbeiten und ungestresst samt zufriedenem Kind zuhause anzukommen. Und dafür – an dieser Stelle werden bestimmt ein paar gepeinigte Elternteile zustimmend nicken – ist ein Schokoriegel die Nerven schonendere und einfachere Lösung als eine halbstündige Diskussion mit einem heulenden Dreijährigen, das sich vor dem Süßkramregal auf den Boden geschmissen hat. Stimmts? 66

Der große, unwissenschaftliche Psychotest: Werde ich beim Einkauf von meinem Kind beeinflusst? Frage 1: Ich bin mit meinem Kindergartenkind im Supermarkt. Samt Einkaufszettel. Wenn ich mit meinen Einkaufstüten zuhause ankomme … a) … habe ich exakt das gekauft, was auf dem Zettel steht, nicht mehr. Ich lasse mich nicht davon abbringen, genau das zu kaufen, was ich brauche. b) … fische ich ein, zwei Kleinigkeiten aus der Tüte, die zwar nicht auf dem Zettel standen, mir aber selbst gut schmecken bzw. die ich selbst gut brauchen kann. c) … stelle ich fest, dass ich ein Ding eingekauft habe, das meinem Kind bestimmt gefällt. Frage 2: Ich werfe einen Blick in das Kinderzimmer meines Kindes streifen. Von den Dingen, die ich sehe … a) … habe ich die meisten geschenkt bekommen von Freunden, deren Kinder schon etwas älter sind. b) … habe ich manche neu gekauft, andere übernommen. Spielsachen, Kleidung und auch Möbel. Meinem Kind ist es egal, woher die Sachen kommen. c) … habe ich die meisten neu gekauft. Es war mir einfach wichtig, dass mein Kind mit seinen eigenen Sachen aufwächst und ich weiß, woher sie kommen. Frage 3: Wenn mein Kind vor dem Fernseher sitzt, … a) … ist es nicht zuhause. Wir haben keinen Fernseher. b) … ist das Kind entweder im Bett oder im Kindergarten. Es darf nur ausgesuchte Sendungen schauen, und zwar auf DVD und unter Aufsicht. c) … wird abgedreht, sobald Werbung kommt. Mein Kind soll beim Fernsehen verschont bleiben von den lärmenden Jingles und den leeren Versprechungen.


Konsum

/ / Kinder

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Frage 4: Wenn ein Geburtstag oder Weihnachten vor der Türe steht … a) … bekommt es meistens etwas Selbstgemachtes oder ein Buch. Mein Kind weiß nicht, was es gerade Neues gibt, weil es weder Werbung sieht noch Prospekte. b) … schreibt mein Kind einen Brief ans Christkind. Ein Wunsch wird zusammen mit der Familie erfüllt. c) … durchforste ich gemeinsam mit meinem Kind Prospekte und Internetseiten, um das perfekte Geschenk zu finden. Frage 5: Wenn der beste Freund / die beste Freundin im Kindergarten mit der neuesten tragbaren Spielkonsole ankommt und mein Kind diese unbedingt auch haben möchte, … a) … erkläre ich ihm, dass es das nicht bekommen wird, da wir prinzipiell gegen technische Geräte sind. b) … sprechen wir darüber, wie wir genug Geld zusammen bekommen können, um die Spielkonsole kaufen zu können. Mein Kind soll ein Gefühl dafür bekommen, wie viel die Dinge kosten. c) … merke ich mir den Wunsch und überrasche mein Kind zum nächsten Großereignis. Bei mir steht das Glück und die Zufriedenheit meines Kindes an erster Stelle.

Hauptsächlich b: „Nicht päpstlicher als der Papst“ Ich bin zwar recht streng und versuche zu überblicken, wann mein Kind was bekommt. Trotzdem: Ausnahmen bestätigen die Regel. Hier und da ein Schokoriegel oder gemeinsam auf ein lang ersehntes Geschenk zu sparen ist okay. Es lebt im 21. Jahrhundert und soll nicht komplett abgeschnitten werden vom Forschritt. Und außerdem: Eine Tafel Schokolade oder ein kleines Spielzeug haben noch niemanden grundlegend verdorben. Hauptsächlich c: „Sie werden ja so schnell groß“ Solange ich es mir leisten kann, soll es meinem Kind mindestens genauso gut gehen wie mir. Wie sollte ich auch diesen Widerspruch erklären: Ich selbst kaufe mir regelmäßig neue Schuhe, Kleidung oder eine gute Flasche Wein und mein Kind soll lernen, ohne Luxus zu leben? Sobald es sein eigenes Geld verdient, muss es ohnehin schauen, wie es zurechtkommt. Ich möchte nicht, dass es sich vor seinen Freunden dafür schämt, weniger zu haben.

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Auswertung: Hauptsächlich a: „Der Boss bin ich“ Mein Kind bekommt exakt, was ich bestimme. Ich lasse mich weder im Supermarkt zu spontanem Süßigkeitenkauf überreden, noch erklärt mir mein Kind, was es braucht, weil es das in der Werbung gesehen hat. Wenn es irgendwann einmal sein eigenes Geld verdient, kann es sich alles kaufen, wonach ihm ist. Ich nehme dafür in Kauf, dass es mich heute hasst. Morgen wird es mich dafür lieben.


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Kolumne

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Text – Stephan Klein

Kleins Welt

Ich Papa, du Pferd. Eine ziemlich irritierende Eltern-Erfahrung mit 600 Kilo schweren Kindern. Hüh? Hott? Wie sag ichs meinem schnaubenden Kind? Bitte, wenigstens ein bissl hüh, ja? Und morgen dann bitte vielleicht hott, gell? Dann gibt’s auch einen Heu-Zwerg, echt! Eine Freundin hat uns auf einen Bauernhof gelockt und uns als Belohnung für sehr frühes Aufstehen und eiskalte Füße eine ziemlich ungewöhnliche Eltern-Erfahrung versprochen. Mit Pferden. Ohne Kinder. Neugier besiegt Esoterik-Verdacht-Blockaden. Zum Glück! Sonntag früh, wirklich kalt, ein fein-weicher Platz, der gut riecht und eine ganz kurze Einführung: Gleich kommt ein Pferd. Bitte vermittele ihm, was du von ihm möchtest. Zum Beispiel, dass du möchtest, dass es jetzt! los geht. Hey, klar! Hüh! Lauf Pferdchen! Und 600 Kilo, weiß, unverbildet, neugierig aufgewachsen in einer kleinen Natur-Herde, interessieren sich eine Wurst dafür, was du ihm jetzt gerade vermitteln möchtest, drehen dir einen sehr großen Po zu und furzen dich dampfend an.

Das erinnert mich an was. Irgendwie kleinerer Po, Dampf eh nicht und auch sonst natürlich TOTA L anders.

Egal. Neuer Versuch. Hey, Pferdchen, zieh dir jetzt bitte die Schuhe an, nein, lass das liegen und, Herrgott, hör auf, den Benno zu zwicken, wir müssen jetzt los. Aber Pferdchen tut nicht, macht nicht. Simple Frage der Trainerin: „Willst du das wirklich? Warum vermittelst du das 68

dann nicht?“ Ich: „Wie jetzt? Hab ich doch gesagt!“ Sie: „Und Pferdchen hat es gehört. Ist ja nicht taub. Hat es dir aber nicht geglaubt.“ Ich: (Pause). Sie: „Magst du es noch einmal versuchen?“ Ich: (Pause) Und dann – wirklich sehr, sehr viel Überwindung, irgendwie ohne Indien-Erfahrung und Yoga-Kurs geschafft den Kopf zu leeren, gaaanz tief durchgeatmet, dort unten ein sehr, sehr ungewohntes Gefühl mit nach oben genommen. Und dann ein ganz erstaunlicher Versuch nur mit Bauch und HALTUNG gemacht. Und ein weißes Pferd fliegt wie ein Federchen vergnügt um mich herum. Und ich könnte heulen. Klingt total blöd, oder? Will ich, dass 600 Kilo schwere, weiße Kinder in der Kälte im Kreis um mich herum laufen? Äh, jetzt hab ich den Faden verloren. Egal. Schuhe anziehen, wir wollen los. Schuhe anziehen! Hallo!

Über Kleins Welt Stephan und Beate Klein, Eltern von Lennard und Benno, arbeiten seit 2006 mit ihrem Children Concept Store HERR UND FRAU KLEIN in Wien ideologieresistent und pragmatisch an der Quadratur des Dreiecks: gutes Design – hohe Funktionalität – saubere Herkunft. www.herrundfrauklein.com


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Blogger und ihre Stadt

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Frankfurt

Text – Noel Klein-Reesink

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Fotos – Christian Grewe

Darf ich vorstellen? Mein Frankfurt. Noel Klein-Reesink lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Er ist Geschäftsführer von KarmaKonsum und versucht den Claim „Do good with your money“ tagtäglich mit Leben zu füllen. Frankfurt, sagt er, braucht ein bisschen. Wenn man in diese Stadt kommt, sollte man sich ein wenig mehr Zeit lassen, bis sie sich einem öffnet. Hier zeigt er uns, wo der perfekte Ort ist, sich einen Hochzeitsanzug zu kaufen, Brotbacken zu lernen oder das beste Touri-Foto zu machen. Lernen, ein dickes Brot zu backen Der Dottenfelder Hof liegt 10 Kilometer nördlich vom Frankfurter Hauptbahnhof, am Rande der fruchtbaren Wetterau, zwischen Vilbel und Dortelweil. Der Hof wurde im Jahre 976 erstmals urkundlich erwähnt und wird seit 1968 von einer großen Hofgemeinschaft auf 150 Hektar Boden nach strengen Demeter-Richtlinien bewirtschaftet. Hier gibt es Getreide, Möhren, Kartoffeln, Rüben, Klee, Beeren, Kern- und Steinobst, Salate, Lager- und Feingemüse, 80 Milchkühe, 700 Legehennen, 6 Sauen, einen Eber, Gänse, Schafe, Arbeitspferde und Ponys, eine hofeigene Gutskäserei und das Holzofenbackhaus. In diesem Gebäude lodert das Feuer und lädt jeweils samstags von 10.00 bis 14.00 Uhr zum Brotback-Workshop ein. Dottenfelder Hof (Bad Vilbel) 70

Kindheitserlebnisse einkaufen Bei Ketchup & Majo findest du die Dinge, die du aus deiner Kindheit kennst: die Bettwäsche mit den grünen Äpfeln oder Decken aus dem Flugzug. Die Mädels von Ketchup&Majo machen aus alten Textilien neue, individuelle und streng limitierte Kleider, Oberteile oder Accessoires, die allesamt ihre eigene Geschichten erzählen. Genäht werden die Sachen bei dem städtischen Sozialunternehmen Werkstatt Frankfurt e.V., wo übrigens auch die weltbekannten Taschen von Affentor produziert werden. Ketchup & Majo Shop (Wallstr. 26, Ecke Brückenstra­ße), Affentor Laden (Fahrgasse 23)


Frankfurt

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Blogger und ihre Stadt

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BIORAMA

Sich einen Überblick verschaffen Auf dem Rückweg vom Dottenfelder Hof kommst du am etwa 185 Meter hohen Lohrberg vorbei, dem Hausund einzigen Weinberg Frankfurts. Über den Lohrberg verläuft ein Teilabschnitt der „Hohen Straße“, die wiederum Bestandteil der „Via Regia“ ist, eine seit dem Mittelalter bedeutende Reichs-, Pilger- und Handelsstraße. Hier wurden übrigens die Relikte des fossilen Säugetieres aus der Gattung des Flußschweins gefunden – dem Hippopothamus seckbachensis, der „Seckbacher Kohlensau“.

Die Straßen verstopfen

Sich einen Hochzeitsanzug kaufen

Ein weltweit bewegender Zufall: In vielen großen Städten der Welt treffen sich Radfahrer und fahren zufällig gemeinsam durch ihre Stadt. „Critical Mass“ heißt das und organisiert sich von selbst. Bei gutem Wetter sind 200 Junge und Alte, Freaks und Normalos, Fixie- oder Hollandradfahrer unterwegs. Treffpunkt ist immer an der Alten Oper am ersten Sonntag im Monat um 14.00 Uhr sowie am darauffolgenden Freitag um 19.00 Uhr. Critical Mass (Treffpunkt Alte Oper, Opernplatz)

Ökosoziale Abendgarderobe für den Herren im besten Alter ist eigentlich kaum zu bekommen. Zwar nicht direkt in FFM, aber zumindest im Hessnatur Laden in Butzbach. Rund 40 Kilometer nördlich von Frankfurt liegt der Flagshipstore des 33-jährigen Öko-Unternehmens. Hessnatur Laden (Butzbach, Marie-Curie-Str. 7)

Ein schönes Frankfurt-Andenken-Foto machen Einer der unterschätzten Plätze für ein hochwertiges Frankfurt-Foto ist die Flößebrücke in Nähe des Literaturhauses. Hier, im aufstrebenden Osten der Stadt, hast du einen wirklich grandiosen Blick auf „Mainhattans“ Skyline. Vor allem die Abendstunden bieten bei gutem Wetter allerfeinste Licht- und Motivbedingungen. Flößerbrücke (Ecke Oskar-von-Miller-Str./ Obermainanlage)

Schön runtercoolen Im stylishen Laden von „Das Eis“ bekommst du das beste Bio-Eis, das ich kenne. Warum das cool ist? Weil sie bei „Das Eis“ auf Aroma-, Farb- und Konservierungsstoffe sowie industriell raffinierten Zucker verzichten. Stattdessen wird auf saisonale Zutaten, echten Geschmack und ein Lächeln gesetzt. Im Winter gibt’s hier übrigens auch warme Speisen wie Suppen oder Snacks. Und vom Florian das ganze Jahr über heiße Party-Tipps jenseits des Mainstreams. „Das Eis“ (Hasengasse 1–3) 71


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Der Nachruf

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Text – Ursel Nendzig

Gletscher

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Foto – Corbis

Der Nachruf Adieu, Gletscher. Seit wir denken können schmilzt du schon vor dich hin. Und bist immer noch da. Zuckst wie ein klinisch Toter mit dem letzten bisschen Leben, das in dir steckt. Lässt dir deine spärlich beeisten Ausläufer mit Planen abdecken, stümperhaft verarztet sozusagen. Nur, weil du der Tatsache nicht ins Auge blicken willst. Dass du stirbst! Dass du keine hundert Jahre mehr hast, wenn es so weiter geht. Wann machst du endlich ernst? Jeden Tag lesen wir in der Zeitung wie viel der Meeresspiegel nicht schon wieder klettert, weil du angeblich dahinläufst wie ein Eis in der Sonne, wöchentlich müssen wir uns Schenkelklopfer vom doch nicht ewigen Ewigen Eis anhören. Nur um dann wieder zu hören, nein, so schlimm ist es doch nicht. Vielleicht können wir doch noch alles stoppen, und alles wird wieder gut. Es reicht! Mach jetzt bitte Nägel mit Köpfen. Damit wir beginnen können zu trauern. Dieser Abschied auf Raten ist zermürbend. Denn eigentlich fällt er uns schwer, der Abschied. Wir wollen ja, dass unsere Ururenkel noch im Hochsommer Skifahren können. Wir wollen, dass die Alpen auf dem Satellitenbild eine majestätisch weiße Krone tragen. Wir wollen Klarheit. Weil du anscheinend selbst nicht mit deinem Siechtum zurechtkommst. Früher einmal warst du beeindruckend. Mächtig. Wie Gestein, dem du ja auch durch deine Bewegung nacheiferst. Hast in deinen Spalten ganze Generationen ver72

schluckt, damals hieß es noch: Wer im ewigen Eis stirbt, kommt nie wieder zutage. Denn eigentlich bist du durch deine helle Oberfläche so gut vor der Einstrahlung deiner Erzfeindin Sonne geschützt, dass du dich ständig vergrößerst. So sollte es sein. Und die Leichen immer weiter, immer tiefer in dir begräbst. Und dann kam Ötzi an die frische Luft geschmolzen. Dein Problem, das ist uns schon klar, sind die ansteigenden Temperaturen, auf die du nicht wie wir mit einem Pulli weniger reagierst. Eineinhalb Grad Celsius, so viel stieg die Temperatur im Alpenraum in den letzten 150 Jahren, sind für dich eben schon eine Menge. Schlaue Köpfe haben errechnet, dass du in vierzig Jahren nur noch ein Viertel so groß sein wirst wie jetzt. Immer wieder hören wir von Leuten, die dich gut kennen, dass du da oder dort vor zwanzig Jahren viele Meter dick warst. Und jetzt aber bist. Wir sind traurig. Bis der nächste

Wissenschaftler sagt, dass es ganz normale Schwankungen sind, denen du unterliegst. Kann denn das wahr sein?

Sollen wir dir verraten, was wir glauben? Du streckst uns eiskalt die Zunge raus. Und wahrscheinlich bist du in dreihundert Jahren immer noch da. Dem Tode geweiht, aber noch am Leben. Der mieseste Zustand, den wir uns vorstellen können. Unser Beileid.



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TO DO Liste

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Stefan Sagmeister

Was ist zu tun, damit es einem selbst und der Welt rundherum ein bisschen besser geht? Hier räumen wir diesen Dingen Platz ein. Es gibt immer was zu tun. Und wenn es nur Kleinigkeiten sind. TO-DO-Liste von Stefan Sagmeister ist eigentlich eine 74

„Ich packe meinen Koffer“-Liste. Er ist einer der revolutionärsten und wichtigsten zeitgenössischen Designer. Der vielfach preisgekrönte Österreicher, geboren 1962 in Bregenz, lebt in New York. Sein Buch heißt „Things I have learned in my life so far“. www.sagmeister.com


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