Ein Freitod Leseprobe

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Ich habe geträumt, PaPa seI noch am Leben, Ich brauchte mIr bLoss seIne handynummer zu besorgen, was überraschend eInfach war. zufäLLIg wohnte er hIer In osLo.

Ich schIckte Ihm eIne sms, dass Ich Ihn gern treffen würde. darüber freute er sIch sehr.

er hatte befürchtet, Ich seI böse auf Ihn, weIL er so Lange weggewesen war, ohne sIch zu meLden. wIr verabredeten uns In eIner meIner stammkneIPen, das wiedersehen war äusserst herzLIch.

schön, dIch zu sehen, steffen.

find ich auch, PaPa.


dann wachte Ich auf und mIr fIeL eIn, dass er sIch 1981 das Leben genommen hatte.

auf dIesem foto von 1973, acht Jahre vor seInem seLbstmord, bIn Ich zehn. hatte er sIch da schon entschIeden?


moment maL, er kann gar nIcht In dem bLauen fIat gesessen haben, das war eIns unserer ersten autos. es muss der rote voLvo gewesen seIn.

Im auto muss es stark nach ausPuffgasen gestunken haben. vermutLIch hat mama es von ProfIs reInIgen und Lüften Lassen.

meIne frau LIv hat eInmaL erzähLt, dass beI menschen, dIe an eIner kohLenmonoxIdvergIftung gestorben sInd, dIe haut ganz rosa Ist. und Ist es nIcht so, dass man sIch Im augenbLIck des todes In dIe hosen macht? verfLucht, neIn, das wILL Ich nIcht zeIchnen.



8. JuLI 1981, ryfyLkegaten 24 b, haugesund. Ich bIn achtzehn und sItze mIt mama vorm fernseher. wIr wundern uns, dass PaPa nIcht nach hause kommt. das Ist ganz untyPIsch für Ihn. wIr machen uns zunehmend sorgen.

Im morgengrauen überbrIngt uns unser onkeL nILs harry dIe nachrIcht. Ich kann mIch gut daran erInnern, dass Ich In der nacht geträumt habe, PaPa seI tot. nIcht sehr verwunderLIch eIgentLIch, hatte Ich mIr doch vor dem eInschLafen sorgen um Ihn gemacht.


dass PaPa nIe mehr wIederkommt, Ist unwIrkLIch und unbegreIfLIch.

und rauchen. es Lag nahe, Ihr zu erzähLen, dass Ich mIt dem rauchen angefangen hatte. oder hatte Ich ganz zynIsch den ausnahmezustand genutzt, um mIch aLs raucher zu outen?

besonders schLImm Ist, dass es seLbstmord war. Jede noch so kLeIne erInnerung Löst schuLdgefühLe aus. mama und Ich sItzen den ganzen tag Im wohnzImmer, reden und heuLen.

wIr sPrechen vIeL über den armen tore, der eIne fLugschuLe In den usa besucht und nIemanden zum reden hat. er hat dIe nachrIcht am teLefon erhaLten.


mIt der zeIt zog es uns raus aus dem wohnzImmer, wIr brauchten eIne Pause von der trauer und woLLten zurück Ins normaLe Leben.

Ich schämte mIch nIcht für PaPas seLbstmord, Ich hatte nur keIne Lust, mIt Ihnen darüber zu reden. mIt mama redete Ich schon mehr aLs genug. Ich musste raus und wIeder sPass haben.

Ich weIss noch, dass Ich meInen kumPeLs sagte, sIe soLLten keIn mItLeId mIt mIr haben, sondern weItermachen, aLs seI nIchts PassIert.

trauer Ist etwas seLtsames. manchmaL, In Phasen der trauer, habe Ich das wIderLIche gefühL, meIne trauer eIgentLIch nur zu sPIeLen und vorzutäuschen, sogar wenn Ich aLLeIn bIn.


Ich weIss noch, wIe Ich nIcht Lange nach PaPas seLbstmord auf eIner bank Im dJuPadaLen sass. Ich zündete Jede neue zIgarette mIt der vorherIgen an.

es Passte nur zu gut zu dem romantIschen künstLermythos, den Ich PfLegte - dem mythos vom tragIschen, seLbstzerstörerIschen genIe, das von schweren zeIten, tod und eLend heImgesucht wurde.

konnten sIe mIr ansehen, wIe schLecht es mIr gIng? aLL den schmerz und dIe trauer sehen, dIe Ich In mIr trug? sah Ich Interessanter und tIefsInnIger aus? wenn sIe nur wüssten!

dass Ich das heute noch weIss, LIegt daran, dass Ich mIch dafür schäme, mIch Immer dafür geschämt habe. trauer wIrd durch eIteLkeIt beschmutzt.


wenn mIr kLar wurde, dass mIch Jemand bemItLeIdete, kamen mIr sofort dIe tränen. und wenn Ich dIe trauer eIn wenIg beIseIte geschoben hatte und meIn aLtes fröhLIches Ich Lebte, fIeL aLLes In sIch zusammen, sobaLd Ich bekannte traf.

haLLo, steffen!

am schLImmsten war eIn bestImmter tyP frau. sIe Legten den koPf schIef und starrten mIch so mItfühLend an, dass sIe dIe tränen fast aus mIr herausmoLken. wIe geht's dIr, steffen?

sIe waren ebenso gnadenLos, wIe Ich hILfLos war. schreckLIch, das mIt deInem vater.


der bLIck der anderen sPIegeLt etwas In uns wIder, das Ist es. sah Ich eInen bekannten, bevor er mIch entdeckt hatte, nahm Ich manchmaL grosse umwege In kauf, um meIne ruhe zu haben.

aber es gIbt keIn entrInnen. PLötzLIch kommt eInem der eIgentLIche grund der trauer In den sInn, und man fängt an, » echte« befreIende und reInIgende tränen zu vergIessen.


schon aLs grundschüLer und auch aLs teenager hatte Ich Immer wIeder das komIsche gefühL, beobachtet und beurteILt zu werden.

nIchts um mIch herum war echt, aLLes war kuLIsse, aLLes InszenIert. es gIng darum, wIe Ich In verschIedenen sItuatIonen reagIerte und mIch verhIeLt und ob Ich » sie« durchschaute.

waren mama und PaPa wIrkLIch meIne eLtern oder LedIgLIch schausPIeLer In dIesem grossen stück? gab es ausser mIr überhauPt noch menschen? hatte sIch PaPa wIrkLIch das Leben genommen oder war es nur eIn test gewesen, um meIne trauerreaktIon zu studIeren und zu messen, eventueLL auch Ihr ausbLeIben?


war Ich forschungsobJekt eInes kosmIschen ProJekts, das zwar nIcht böswILLIg, aber doch unangenehm und unbegreIfLIch war? Ich sPIeLte mIt und gab vor, es nIcht zu durchschauen. denn was PassIerte dann?

ganz habe Ich nIe daran gegLaubt. es war eher eIn gefühL von unwIrkLIchkeIt, das kam und gIng, eIne sPInnereI, oder eIn gedankensPIeL, das Im hIntergrund Lauerte aLs mögLIche, aber unwahrscheInLIche reaLItät.


Ich schätze, es war eIn nebeneffekt des reLIgIonsunterrIchts In der grundschuLe, davon, wIe wIr das chrIstentum eIngetrIchtert bekommen hatten. dIe autorItäre Lehre vom aLLmächtIgen, aLLwIssenden, aLLgegenwärtIgen und strafenden gott, der dort oben sItzt und sIeht, was man tut und denkt, überaLL, rund um dIe uhr.


war PaPa reLIgIös? gLaubte er an eIn Leben nach dem tod? Ich weIss es nIcht, kann es mIr aber nIcht vorsteLLen. Ich kann mIch nIcht erInnern, dass wIr Je darüber gesProchen hätten, nIcht eInmaL, aLs Ich mIch mIt fünfzehn zum atheIsten erkLärte und aus der staatskIrche austreten woLLte.

meIne mutter hatte Ihre eIgene sIcht der dInge, sIe gLaubte an das gute Im menschen und dass sIch dIe höLLe auf der erde befand. sIe mochte dogmatIsche Pfarrer und dIeses » Jesusgedöns« nIcht, schwärmte aber für das sakraLe und zeremonIeLLe In der kIrche. für sIe war kLar, dass PaPa kIrchLIch bestattet wurde.


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