2018 10 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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HANDARBEIT MAFIÖS

BAUERNSCHLAU

WÜTEND

Was die »Flüchtlingswelle« mit unseren Tomaten zu tun hat

Wie Meter für Meter Ackerränder verschwinden

Was Sänger Bosse neben der Bühne denkt


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Notizblock

6 Weggepflügt Immer wieder überpflügen Bauern Ackerränder und öffentliche Wege. Für ihr rechtswidriges Verhalten werden sie sogar noch belohnt.

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Gefesselt am Bildschirm Computerspiele gehören für viele Menschen zum Leben dazu. Doch für manche wird das Zocken zum Problem.

14 Tomaten für Deutschland Die Migranten, die auf den Feldern Südita­ liens schuften, sind oft billiger als Maschinen. Nun keimt Hoffnung auf.

18 Wer war eigentlich … Edwin Oppler?

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Nicht blankziehen Zum Start der neuen Talk-Reihe im hannoverschen ka:punkt war Wohnungsnot das Thema.

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Lust und Liebe Die pro familia-Beratungsstelle in Hannover wird 50. Ein Grund zum Feiern.

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Aus der Szene

23 Das muss mal gesagt werden 24 Aus dem Leben von Asphalt-Verkäuferin Natalie

26 Die Guten Seit zehn Jahren helfen Dr. Ricarda und Dr. Udo Niedergerke mit ihrer gleichnamigen Stiftung. Ein Gespräch zum Jubiläum.

28 Rund um Asphalt 30 Grenzenlos Er ist in einem kleinen Dorf in Niedersachsen aufgewachsen. Jetzt singt er seine sehr persönlichen Songs in großen Hallen: Axel Bosse.

33 Briefe an uns/Zoo-Rätsel 34 Buchtipps 35 Oktober-Tipps

Titelfoto: mongione/shutterstock.com

38 Impressum/Ihr Engagement 39 Silbenrätsel Das Asphalt-Prinzip Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung.


Pizza, Pasta, Pesto, mit dem reinen süßen Leben lockt uns Italien. Tomaten sind die Grundlage von fast allem. Doch wenn das Kilo Tomaten vom Stiefel für uns nicht mehr als drei Euro kosten soll, dann müssen schon die Migranten ran. Die »illegalen«, die aus Afrika. Die übers Meer Gekommenen. Wirtschaftsflüchtlinge sind in der Tomatenernte Italiens noch billiger als der Einsatz von Maschinen. Das weiß natürlich auch der fremdenfeindliche Innenminister Salvini. Armselige Bezahlung, elendige Unterkünfte, mafiöse Strukturen – lesen Sie unsere Geschichte von Hervé, dem Wirtschaftsflüchtling aus Senegal, der auf den Tomatenfeldern Italiens ein kleines bisschen Menschenwürde verteidigen will. Wir könnten natürlich auch einfach mehr bezahlen. Bauernschläue sagt man ihnen nach. Sicherlich pfiffig ist es in jedem Fall, wenn heimische Agrarier nicht das Grundstück des Nachbarn, sondern lieber öffentliche Wege und blühende Ackerränder unterpflügen. Aus Versehen natürlich. Doch Meter für Meter. Das ist nicht gut für die Pflanzenvielfalt an den Ackerrändern und im Wortsinn irreführend, wenn man mal wandern geht. Bei all der komplizierten Welt ohne jede Einflussmöglichkeit flieht so mancher in fremde Welten. Irreale. »World of Warcraft« heißt so eine oder »Star Wars Old Republic« oder »Final Fantasy XIV«. Da kann man Held sein. Stundenlang. In Folge werden die Spielsuchtambulanzen an den großen Kliniken immer voller. Depressionen, Ängste, Störungen der Impulskontrolle: Im Juni hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) »Gaming Disorder« offiziell als Krankheit anerkannt. Therapie kann helfen: Ben spielt jetzt Fußball. So richtig mit Ball. Auch diese Geschichte möchte ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, wärmstens zur Lektüre empfehlen. Einen goldenen Herbst wünscht

Volker Macke · Redaktionsleiter

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Liebe Leserin, lieber Leser,

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Foto: Jelca Kollatsch

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Lehrer wollen mehr Geld Hannover. Ihr Einkommen ist ihnen zu niedrig, ihre Arbeitsbedingungen zu schlecht. Deshalb haben anlässlich der Haushaltsberatungen des Niedersächsischen Landtags jüngst rund 3.000 Lehrerinnen und Lehrer auf dem hannoverschen Platz der Göttinger Sieben demonstriert. Während der Kundgebung am Landtag forderte die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth eine Abkehr von der Schuldenbremse, die zur Bildungsbremse verkomme. »In den Schulen gibt es schlicht zu wenige Lehrkräfte. Es fehlen auch pädagogische und therapeutische Fachkräfte. Viele Beschäftigte arbeiten bis zum Umfallen«, betonte Pooth. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert konkret eine Anhebung der Besoldung für verbeamtete Grund-, Haupt- und Realschullehrkräfte von A 12 auf A 13. Sie erhalten bisher monatlich bis zu 500 Euro brutto weniger als Lehrkräfte an beispielsweise Gymnasien. Außerdem verlangt die Gewerkschaft deutliche Entlastungen für Lehrkräfte, weil diese pro Jahr in Niedersachsen in Summe 2,47 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet hätten. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) zeigt sich gegenüber den Gehaltsforderungen offen. Ein Stufenplan zur Aufstockung sei in Arbeit. Ende des Jahres soll es Beschlüsse geben. Kommt die Anhebung wie gefordert, muss das Land rund 200 Millionen Euro mehr ausgeben. MAC

Zu wenig Neubauten Hannover. »Bis 2035 werden in Niedersachsen etwa 296.000 zusätzliche Wohnungen benötigt.« Das hat Niedersachsens Bauminister Olaf Lies (SPD) anlässlich einer Anfrage der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag mitgeteilt. »Davon wird der größte Teil in den nächsten zehn Jahren benötigt, vor allem in den Ballungsräumen.« Rund 15.000 nötige Neubauwohnungen pro Jahr, so der Minister. Wie groß der Sozialwohnungsanteil am Neubaubedarf sei, konnte Lies nicht abschließend quantifizieren, wohl aber den zu erwartenden Schwund. Von heute noch insgesamt 78.000 Sozialwohnungen im Land würde bereits innerhalb der nächsten sechs Jahre die Hälfte aus der Mietpreisbindung herausfallen, also jährlich rund 6.500 Wohnungen. Dem gegenüber stehen aktuell nicht einmal 1.300 Sozialwohnungsneubauten pro Jahr. Wie er das offenkundige Angebot-Nachfrage-Missverhältnis in Zukunft lösen will? Der Minister blieb in der Antwort vage: »Ich gehe davon aus, dass es – bei bestimmten Fördermodalitäten – bis zum Jahr 2030 möglich sein wird, 40.000 Sozialwohnungen neu zu schaffen.« Wie die Modalitäten konkret aussehen sollen, sagte Lies nicht. MAC

FDP gegen Clans Hannover. Die FDP fordert mehr Engagement der Landesregierung zur Bekämpfung krimineller Familiennetzwerke. »Clankriminalität ist bereits vor über 30 Jahren entstanden, die konsequente strafrechtliche Verfolgung wurde aber leider oft jahrzehntelang verschleppt«, so der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Marco Genthe. Es sei zwar zu begrüßen, dass die Landesregierung mit der Landesrahmenkonzeption einen »ersten, wichtigen Schritt« zur konkreten Bekämpfung krimineller Clans unternommen habe, die FDP fordere darüber hinaus aber »eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft ›Organisierte Kriminalität Clan‹, um die enge und reibungslose Zusammenarbeit mit den zentralen Ermittlungsgruppen zu gewährleisten«, so Genthe. Auf diese Weise sollten die Clans durch alle damit befassten Behörden eingekreist und bekämpft werden. »Es wird Zeit, deutlich zu machen, dass der liberale Rechtsstaat sehr wehrhaft ist und damit jede Diskussion um die sogenannte ›Beutegesellschaft‹ ein für alle Mal endet.« Hintergrund: Immer öfter muss die Polizei gegen organisierte Kriminalität vor allem von EU-Ausländern mit Schnittstellen zur Rockerkriminalität vorgehen. Als Hochburgen krimineller Clans gelten aktuell Celle, Nienburg, Diepholz, Delmenhorst und Syke. MAC


ZAHLENSPIEGEL »SCHULTAUGLICH«

Hannover. Der Städte- und Gemeindebund hat dringend Investitionen gegen hohe Mieten vor allem auf dem Land sowie in kleinen und mittleren Städten gefordert. »Nur mit einem breiten Angebot von staatlich gefördertem Wohnraum, guter Infrastruktur, einem verlässlichen Personennahverkehr, guten Straßen, Radwegen und schnellen Breitbandverbindungen auch außerhalb von Großstädten schaffen wir Alternativangebote, die Wohnraum wieder bezahlbar machen«, sagte der Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Thorsten Bullerdiek. »Nicht zuletzt bedarf es attraktiver Arbeitsplätze außerhalb großer Zentren.« Vor allem auf den Inseln und in einigen Zentren müsse zudem eine gesetzliche Grundlage gegen die wachsende Zweckentfremdung von Wohnraum geschaffen werden, erklärte Bullerdiek. MAC

A1 falsch kalkuliert Hannover/Bremen/Hamburg. 778 Millionen Euro wollte der private Autobahnbetreiber »A1 mobil« vom Bund haben, weil er mit falschen Einnahmen kalkuliert hatte. »A1 Mobil« betreibt einen 65 Kilometer langen Streckenabschnitt der A1 zwischen Hamburg und Bremen. Er hatte den Bereich in den Jahren 2008 bis 2012 auf sechs Spuren ausgebaut, dafür wurden ihm die Mauteinnahmen zugesprochen. Doch das LKW-Aufkommen auf der Strecke blieb hinter den Erwartungen des Investors zurück. Im Gegenteil: Wegen der Wirtschaftskrise sei der LKW-Verkehr zwischenzeitlich sogar um 20 Prozent eingebrochen. Das unternehmerische Risiko wollte »A1 mobil« nun vom Staat ausgeglichen haben. Das Landgericht aber hat der Klage nicht stattgegeben. Die Landesregierung begrüßte die Klarstellung. Die Grünen fordern zudem eine Abkehr der im Jahr 2005 von CDU und SPD beschlossenen Privatisierung (ÖPP) der Autobahnen. »Wenn ein Unternehmen auf Risiko setzt und scheitert, kann nicht die öffentliche Hand die Einnahmeausfälle kompensieren. Die Verantwortung trägt das Unternehmen. Wir lehnen ÖPP-Projekte insbesondere im Straßenbau auch weiterhin ab«, so der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Detlev Schulz-Hendel. MAC

Über 40 % der Einschulungskinder zeigen nicht ausreichende Sprachentwicklung, so das Sozialministerium zur SchuleingangsuntersuAnzeige

chung 2017. Im Jahr 2010 lag der Anteil noch bei 35 %. Andere untersuchte Felder waren Verhal-

ten, Fein- und Grobmotorik. 55,3 % der untersuchten Kinder haben keinerlei Auffälligkeit. In mindestens einem der Untersuchungsbereiche befinden sich 26,1 % der Kinder bereits in

Behandlung und bei 24,9 % der Kinder wurde eine ärztliche Abklärung empfohlen. Im Einschulungsjahr 2017 wurden insgesamt 68.815 Jungen und Mädchen erstmalig im Rahmen der Schuleingangsunter­suchung untersucht.

Beratung sofort nach Beitritt! Jetzt Mitglied werden! Kompetente Hilfe bei allen Fragen zum Mietrecht. Herrenstraße 14 · 30159 Hannover Telefon: 0511–12106-0 Internet: www.dmb-hannover.de E-Mail: info@dmb-hannover.de Außenstellen: Nienburg, Hoya, Celle, Neustadt, Springe und Obernkirchen.

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Investitionen auf dem Land gefordert

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Foto: Soru Epotok/fotolia.com

WEGGEPFLÜGT Meter für Meter Natur reißt sich die Landwirtschaft unter den Nagel. Immer wieder überpflügen Bauern nicht nur Ackerränder samt Blühstreifen, sondern auch öffentliche Wege. Für ihr rechtswidriges Verhalten werden sie belohnt: durch den höheren Ertrag und durch EU-Subventionen, die nach bewirtschafteter Fläche berechnet werden. Die holländische Wandergruppe, die bei Dornburg auf der Suche nach dem Hildegardisfelsen durch die Landschaft pilgerte, staunte nicht schlecht: Erst war der Weg, der auf der Karte verzeichnet war, verschwunden und sie fanden sich in einem Getreidefeld wieder, und dann tauchte auch noch der Landwirt

auf und wollte von ihnen Geld kassieren, Wegezoll sozusagen. In den Wochen zuvor hatte er seinen Acker einfach mal eben um einige Meter erweitert und dabei den Weg komplett überpflügt. Wie 20 weitere Kilometer Wegfläche in der kleinen Gemeinde ebenfalls. Heimat- und Wandervereine machten das


Weniger Wildblumen Christian Helmreich, einer von 23 Naturschutzbeauftragten in der Region Hannover, hat die Grundstücksüberschreitungen mit eigenen Augen gesehen. Während seines Studiums arbeitete er an einem Geoinformationssystem(GIS)-Projekt im Raum Hildesheim/Sehnde mit. »Dabei war auffallend, dass nie die Grenze zum Nachbarn überpflügt worden war, sondern immer nur der ökologisch wichtige Ackerrandstreifen. Ich vermute mal, dass der Nachbar-Landwirt die Grenzen gut kennt und protestieren würde.« Moderne Landmaschinen haben GPS-Ortung und ermöglichen eine genaue Einschätzung der Abstände. In den Jahren 2015 und 2016 hat der BUND Region Hannover in dem Projekt »Artenreiche Wegeseitenränder« mit finanzieller Unterstützung der Region den Zustand landwirtschaftlicher Wegraine in mehreren Gemeinden untersucht. Darunter Kolenfeld, Pattensen, Schwüblingsen, Dollbergen, Ihme-Roloven, Schneeren und Sorgensen. »Wir haben errechnet, dass in einer der Gemeinden sogar mehr als 10.000 Quadratmeter, also ein Hektar Wegeseitenraum der Natur verloren gegangen sind.«, berichtet Renè Hertwig, Naturschutzreferent vom BUND. »Manchmal wurden vier bis sechs

Manchmal verschwinden ganze Wege unterm Pflug.

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Grenzfrevler spuken als Gespenst Wer einen Grenzstein oder -pfahl verrückte oder in böser Absicht entfernte, hatte früher ganz schlechte Karten. Zumindest musste er damit rechnen, nach dem Tod nachts als feurige Gestalt mit einem Pfahl auf dem Rücken oder einem Stein in der Hand in der Nähe seiner Missetat herumzuspuken und alle Wanderer zu fragen, wo er ihn hinsetzen sollte. Er konnte erst dann erlöst werden, wenn ein mutiger Mensch ihm die richtige Antwort gab: »Setz ihn, wo du ihn nahmst«. Diese Sage ist weit verbreitet und auch von den Brüdern Grimm überliefert. Im Mittelalter und in den Jahrhunderten danach erwarteten Grenz­frevler grausame Strafen: So sollte ihnen eine Hand abgeschlagen werden, oder sie sollten auf dem Feld, wo sie den Grenzstein versetzt hatten, in der Erde eingegraben werden. Dann sollten zwei ungezähmte Pferde vor einen extra scharf geschliffenen Pflug gespannt und den Delinquent überfahren und köpfen.

Foto: Stefan Lefnaer

beobachtete Umackern seinerzeit zum öffentlichen Skandal. Auch in Niedersachsen sind Gebräuche wie im Westerwald nicht unbekannt. Vor einigen Jahren musste ein Burgdorfer Landwirt einen städtischen Grasweg neu vermessen und herrichten lassen. Er hatte den auch bei Reitern beliebten Weg über mehrere Jahre immer wieder überpflügt und eingesät. Zwei anderen Burgdorfer Landwirten ging es ebenso: Auch sie wurden verdonnert, die illegal beackerten städtischen Wege wieder herzustellen.

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Foto: Luc Viatour/https://lucnix.be

Kornblumen und Klatschmohn gedeihen da, wo der Bauer Ruheränder lässt. Immer öfter aber werden diese untergepflügt.

Meter breite Streifen rechtswidrig umgepflügt. Oft geschieht so etwas aber nicht böswillig, sondern aus Gewohnheit, oder weil die Arbeit von einem Lohnunternehmer gemacht wurde.« Zur Ehrenrettung: Auch seien Flächen stehen gelassen worden, die durch»Wo kein Kläger, da aus zu bearbeiten ist auch kein Richter.« gewesen wären. Biobauer Carsten Poschadel »Wenn beispielsweise Grünland, auf dem eine alte Eiche steht, in Ackerfläche umgewandelt worden ist, wird um den Baum großzügig herumgepflügt, um ihn zu schonen.« Insgesamt jedoch seien weit mehr Flächen bearbeitet – und damit mehr EU-Direkt-

zahlungen eingenommen – worden, als nach der Karte der Flurstücksgrenzen erlaubt gewesen wäre, berichtet der Umweltfachmann.

Fördergeld für neue Blühstreifen »Die Masse der Bauern hält sich an die Grenzen«, ist dagegen Silke Breustedt-Muschalla vom Landvolk Niedersachsen überzeugt. »Wo ein Grenzstein versehentlich umgepflügt wurde, muss eben neu vermessen werden.« Der Bauernverband informiere seine Mitglieder über Blühstreifen und fördere die freiwillige Anlage. Wenn Bauern sich verpflichten, fünf Jahre lang solche Rückzugsgebiete für Insekten anzulegen, tun sie das nicht umsonst: Pro Hektar gibt es jährlich 700 bis 875 Euro Förderung. Für den aufwändiger


Guter Wille – wenig Kontrolle Meinhard Abel vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund ist das Überpflügen von Ackerrändern kein unbekanntes Thema. »Es kommt regelmäßig vor, aber es sind doch immer Einzelfälle«, erklärt der Referent. »Die Gemeinden setzen aber meist auf gute Zusammenarbeit mit den betreffenden Landwirten. Wenn es nämlich Differenzen um Grenzsteine gibt, will ja die Gemeinde nicht auf den Kosten für die Vermessung sitzenbleiben.« Für Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) ist die Sache klar: »Das Überpflügen über die Ackergrenze hinweg darf nicht sein, es wäre rechtswidrig – auch aus Gründen des Artenschutzes. Ackerrandstreifen sind wertvolle Rückzugsgebiete für Insekten.« Vom Insektensterben seien nämlich auch Vögel und Fledermäuse, die sich von ihnen ernähren, betroffen. So hat die Zahl der Glühwürmchen weltweit bereits um die Hälfte abgenommen. »Aus Artenschutzgründen ist parzellenscharfe Bewirtschaftung wichtig. Doch die Gemeinde vor Ort ist es, die darauf achten muss«, betont Düsterdiek. Daran scheint es aber zu hapern. Jedenfalls wird nicht flächendeckend kontrolliert, ob sich alle Landwirte bei der Bewirtschaftung an die eigenen

Sabine Szameitat

Lange rote Liste 1.432 Insektenarten sind in eine Gefährdungskategorie der Roten Listen Niedersachsens eingestuft. Wie die Perlmutterfalter, die Ackerränder zum Leben brauchen (Foto). Sie gelten in Niedersachsen als gefährdet oder bald ausgestorben. Auch bei den insektenfressenden Vogelarten zeigen sich markante Bestandsrückgänge im Zeitraum der letzten zwölf Jahre. Nach der aktuellen Roten Liste der in Niedersachsen gefährdeten Brutvögel (2015) sind mehr als die Hälfte der 212 niedersächsischen Brutvogelarten vom Erlöschen bedroht oder gefährdet. Zwar bezeichnet die Landesregierung das Insektensterben in Niedersachsen als dramatisch und ernst. Gleichwohl: Seit dem 15. Juli 2018 dürfen die mit Umweltsubventionen für Bienen und andere Bestäuber einst extra angelegten Brachflächen und Bienenweiden abgemäht und zerstört werden.

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Grenzen halten. »Wir bekommen immer wieder Hinweise von Kommunen oder Privatleuten auf Landwirte, die unberechtigt Wegeseitenräume nutzen«, erklärt Nora Kretzschmar, Fachreferentin für Naturschutz und Umweltrecht in der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Oldenburg. »Dann weisen wir immer wieder darauf hin, dass das eine privatrechtliche Angelegenheit zwischen Eigentümer und Nutzer der Fläche ist. Die Parteien müssen das untereinander klären.« Die Landwirtschaftskammer weise auch immer wieder auf diesen Punkt und auf den Wert von Blühstreifen hin. Wenn ein Landwirt für eine Fläche Subventionen einstreicht, die ihm gar nicht gehört, kann das lange unbemerkt bleiben. »Bei den Kontrollen zur Agrarförderung wird nicht automatisch geprüft, ob die gemeldeten Flächengrenzen auch die Eigentumsgrenzen einhalten«, erklärt Nora Kretzschmar. »Allerdings – wenn Zweifel auftauchen und beispielsweise der Eigentümer eines Wegeseitenrandes der Landwirtschaftskammer konkrete Hinweise liefert, kann die Nutzungsberechtigung überprüft werden. Pauschale Hinweise oder Verdächtigungen reichen dagegen nicht aus.« Das Verschwinden von Wegen, die der Allgemeinheit gehören, fällt oft gar nicht auf. »Wo kein Kläger, da ist auch kein Richter«, meint Biobauer und BUND-Aktivist Carsten Poschadel aus Lehrte-Ahlten. »Der Landwirt wird subventioniert nach der bewirtschafteten Fläche. Wenn ich noch einen Weg dazunehme, können je nachdem einige Tausend Euro dazukommen.« Dabei könne man auf einen Blick sehen, wo etwas weggepflügt wurde; man müsse nur die Karte mit den Flurstücksgrenzen und Luftaufnahmen übereinanderlegen, wirbt der Aktivist für mehr Aufmerksamkeit. Wie die vom Katasteramt festgelegte Breite eines Weges ermittelt wird, erklärt die BUND-Broschüre »Wegraine und Gewässerrandstreifen – Bedeutung und rechtliche Grundlagen«, die auf www.bund-niedersachsen.de heruntergeladen werden kann.

Foto: Andreas Eichler

anzulegenden und zu pflegenden strukturreichen Blühstreifen muss der Landwirt Saatgut einkaufen, das auch mehrjährige Blühpflanzen wie Steinklee, Markstammkohl, Luzerne und Mauretanische Malve enthält und sich beim Säen, Mähen, Abschlegeln und Durchgrubbern an die Vorschriften des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums halten.

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ASPHALT 10/18 Foto: picture alliance/Sueddeutsche Zeitung Photo

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GEFESSELT AM BILDSCHIRM Computerspiele gehören für viele Menschen zum Leben dazu. Doch für manche wird das Zocken zum Problem: Die Ambulanz für Spielsucht ist oft ihre letzte Hoffnung. Wer die Krankheit nicht kennt, mag sich wundern. Denn das, was Ben seinen Leidensgenossen erzählt, ist für ihn ein bedeutender Teilerfolg, ein Schritt Richtung Normalität. »Ich habe spontan Fußball gespielt«, berichtet der 25-Jährige, dessen Namen wir auf Wunsch (ebenso wie bei den anderen Betroffenen) geändert haben. »Fußball«, wiederholt er, als könne er es selbst noch nicht glauben. »Das hätte ich früher nie gemacht.« Ben sitzt in einem Stuhlkreis mit drei anderen jungen Männern und einem Therapeuten. Das Mobiliar – Flipchart, Bücherregale, gepolsterte Stühle – könnte auch in einer Universität stehen, was gut zu Ben passt, denn er ist tatsächlich Student.

In den vergangenen Jahren hatte er sich aber kaum für Vorlesungen interessiert, auch nicht für Freunde, und schon gar nicht für Sport. »Das Spiel war meine größte Herausforderung«, sagt er nachdenklich, und genau deshalb sitzt er nun im Stuhlkreis. Ben ist, wie alle anderen im Raum, abhängig. Seine Sucht: Computerspiele. Bei Ben waren es die niemals endenden Schlachten von »World of Warcraft«, die ihn am Bildschirm fesselten. Millionen von Spielern loggen sich in die Online-Welt ein, um in die Rollen von Elfen, Orcs oder Druiden zu schlüpfen. Für die meisten ist das »Zocken« ein netter Zeitvertreib, nichts anderes als Ten-


Foto: S. Przybilla

Dr. Kai Müller, Ambulanz für Spielsucht, Mainz.

nis spielen oder ins Kino gehen. Doch es gibt auch diejenigen, die sich in dem Fantasiereich verfangen. Für sie ist die »Ambulanz für Spielsucht« oft der letzte Ausweg. Patrick ist hin- und hergerissen. Auch er hat es geschafft, den PC mal auszulassen. Am Wochenende war er mit Freunden feiern, hatte eine gute Zeit. »Aber sobald ich zu Hause war, bin ich in alte Muster verfallen«, berichtet der 22-Jährige. Und dann wären da noch die Ausraster. »Ich hab‘ einen Aschenbecher gegen die Wand geworfen und eine volle Flasche Jack Daniel’s zertrümmert. Das hat mich selbst schockiert.« Der Therapeut fragt nach, was der Auslöser für solche Wutanfälle sei. Patrick sinkt verschämt zusammen. »Wenn das Spiel nicht so läuft, wie ich will, raste ich aus. Dabei bin ich im echten Leben der ruhigste Mensch der Welt.« Die Leiden der Patienten, die in die Ambulanz kommen, gleichen sich. Die meisten sind zwischen 18 und 26 Jahre alt, fast immer männlich, in vielen Fällen sozial isoliert. In der Regel ist es die Abhängigkeit von Online-Spielen, die sie nach Mainz führt, manchmal auch ein nie endender Drang nach Internet-Pornografie oder sozialen Netzwerken. »Viele spielen so lange, bis ihnen die Augen zufallen«, sagt Kai Müller, Diplompsychologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Ambulanz. »Was für gesunde Menschen selbstverständlich ist, müssen wir den Erkrankten erst wieder beibringen.« Das könne ein Spaziergang an der frischen Luft sein oder ein Treffen mit Freunden. »Der Sucht die Grundlage entziehen«, nennt es Müller. Zum Kennenlernen treffen sich Patient und Therapeut zuerst zum Einzelgespräch. Sie sitzen dann in einem lichtdurchflute-

Mediensucht-Beratung in Niedersachsen In Niedersachsen wird der Aufbau von speziellen Angeboten zur Beratung und Hilfe bei Mediensucht oder Mediensuchtgefährdung im Rahmen des Projekts »Re:set!« gefördert. Re:set! wird von der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen (NLS) gefördert und verfügt über Beratungsstellen in 16 niedersächsischen Städten. Das Beratungsangebot richtet sich an Betroffene und Angehörige von Suchtgefährdeten. Ambulante Therapien können in der Regel in den jeweiligen Fachstellen absolviert werden. Re:set!-Fachberater Christian Krüger von der DROBS Hannover empfiehlt, immer zunächst eine Beratung aufzusuchen. »Wenn wir den Eindruck haben, eine stationäre Behandlung sei angeraten, geben wir Empfehlungen, notfalls auch bundesweit«. Eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche in der Landeshauptstadt mit Suchtproblemen ist »Teen Spirit Island« beim Kinderkrankenhaus Auf der Bult (Tel.: 0511 – 8115-5538). Dort werden immer einige Zimmer für Patienten mit exzessivem Medienkonsum freigehalten.

Weitere Adressen in Niedersachsen MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover. Tel.: 0511 – 532-9190 Fachstelle für Sucht und Suchtprävention d. Evangelischen Diakonieverbandes in Ostfriesland. Friesenstr. 65A, 26789 Leer. Tel.: 0491 – 9768320 Fachstelle Sucht der Diakonie in Oldenburg, Ofener Str. 20, 26121 Oldenburg, Tel.: 0441 – 3615596 Fachstelle Sucht und Suchtprävention der Diakonie Hannover, Berliner Allee 8, 30175 Hannover, Tel.: 0511 – 878138-0 DROBS Hannover – Fachstelle für Sucht und Suchtprävention, Odeonstr. 14, 30159 Hannover. Tel.: 0511 – 70146-27 Suchthilfe Hildesheim – Fachstelle für Suchtprävention und Rehabilitation, Pfaffenstieg 12, 31134 Hildesheim. Tel.: 05121 – 1677230 Fachstelle für Sucht und Suchtprävention Hameln, Münsterkirchhof 10, 31785 Hameln. Tel.: 05151 – 7667 Anonyme Drogenberatungsstelle Delmenhorst, Scheunebergstr. 41, 27749 Delmenhorst. Tel.: 04221 – 14055 Fachambulanz für Suchtprävention und Rehabilitation des Caritasverbandes für die Landkreise Diep­ holz und Nienburg li. der Weser, Steller Str. 22, 27239 Twistringen. Tel.: 04243 – 93340


ge erzielten und die, bei denen sich gar keine Verbesserungen feststellen ließen. »Viele wünschen sich einen kontrollierten Konsum«, weiß Müller. Das kenne man von Alkoholikern. »Aber bei einer Suchterkrankung schließt sich das normalerweise aus. Deshalb setzen wir auf Abstinenz.« Also gar keine Computerspiele, um nicht doch wieder in Versuchung zu kommen. Bei Ben hat es funktioniert. 15 Wochen nach Beginn der Therapie hält er sich noch immer von der virtuellen Welt fern. Auch Patrick beteuert, keine Aschenbecher mehr gegen die Wand zu werfen und Online-Spiele zu meiden. Und Kilian, der auf keinen Fall seine Avatare löschen wollte? »Hier verbuchen wir einen Teilerfolg«, sagt Kai Müller. Kilian, der zuvor arbeitslos war, hat einen Job als Chemikant gefunden. Er spielt nun häufiger Volleyball, geht zum Leichtathletik-Training und trifft sich wieder mit Freunden. Komplett verschmähen kann oder will der 26-Jährige die Spielewelt aber nicht. Sie ist für ihn ein wichtiger Teil des Lebens. Immer noch. Steve Przybilla

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ten Zimmer, das aus einem Ikea-Katalog stammen könnte: Bettvorleger, Couch, Regale mit Plastikblumen. Die Wand ist weiß, die Tür hellgrün gestrichen. Auf dem Stuhl sitzt Kilian (26); auch er kommt von »World of Warcraft« nicht mehr los. Das Spiel fesselt ihn, allen voran die Möglichkeit, Gorillas zu zähmen. »Könnten Sie sich vorstellen, »Wenn jemand zwölf Ihre HauptcharakStunden vorm PC sitzt tere zu löschen?«, und alle sozialen Beziefragt der Therapeut. Kilian wirkt schohungen abgebrochen ckiert. »Nein«, sagt hat, hilft nur noch die er schließlich, »weil stationäre Behandlung.« ich mit denen schon Kai Müller ziemlich viel mitgemacht habe.« Um solche Muster zu durchbrechen, kommen die Patienten über 15 Wochen lang jeweils einmal pro Woche zur Gruppen-Therapie. Zusätzlich gibt es Einzeltermine. »Der eigene Wille muss da sein«, betont Kai Müller. Man könne nur diejenigen behandeln, die ihr Problem selbst erkannt hätten. Zumal es auch in der Spielsucht-Ambulanz gewisse Grenzen gebe. »Wenn jemand zwölf Stunden vorm PC sitzt, alle sozialen Beziehungen abgebrochen hat und keinen Tag-Nacht-Rhythmus mehr kennt, dann hilft nur noch die stationäre Behandlung.« Computerspielsucht galt lange Zeit nicht als eigenständige Krankheit. Therapeuten diagnostizierten andere Leiden, die mit übersteigertem Medienkonsum einhergehen: Depressionen, Ängste, Impulskontrollstörungen. Auf diese Weise wurden die Therapie- und Wohnkosten (bei stationären Einrichtungen) von Krankenkassen oder Jugendämtern meist erstattet – aber erst nach allerlei Papierkram. Immerhin dieser Aufwand dürfte den Angehörigen in Zukunft erspart bleiben: Im Juni hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die »Gaming Disorder« offiziell als Krankheit anerkannt. Wer nachweislich darunter leidet, hat künftig ein Anrecht auf eine Behandlung. Der Fachverband Medienabhängigkeit – ein Zusammenschluss aus Wissenschaftlern, Pädagogen und Therapeuten – begrüßt die neue Regelung, weil dadurch mehr öffentliche Gelder in Präventionsprojekte fließen könnten. Auch die ambulante Therapie zahlt sich aus. Laut Müller können rund zwei Drittel der Behandelten ihr Suchtverhalten überwinden. Das restliche Drittel lasse sich unterteilen: in diejenigen, die Teilerfol-

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TOMATEN FÜR DEUTSCHLAND Die Migranten, die auf den Feldern Süditaliens schuften, sind oft billiger als Maschinen. Auf einer verlassenen Farm keimt die Hoffnung auf eine kleine stille Revolution der Würde. Wenn Ibrahim vom Feld zurückkommt, steigt er die Stufen hoch und steht für ein paar Minuten einfach nur da, auf dem Flachdach des weißen, zweistöckigen Betonklotzes. Nichts versperrt seine Sicht, kein Haus und kein Hügel, und er blickt auf die Straße, die wie mit dem Lineal gezogen durch die Ebene von Foggia führt, gesäumt von Feldern, Olivenhainen und Äckern.

Eine halbe Stunde dauert die Fahrt von hier zur Adriaküste, zu Sandstränden, Buchten und Luxushotels. Zum Italien der Touristen, das Ibrahim nicht kennt, obwohl er weiß, dass es dort hinten irgendwo liegt. Wenn im August und September die Sonne gnadenlos vom Himmel brennt und die Urlauber zum Strand fahren, wird Foggia zum Mekka für Menschen wie Ibra-


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Fotos: Martin Valentin Fuchs

him: Migranten, die auf den Feldern zu Niedriglöhnen schuften. Die meisten von ihnen leben in Ghettos am Rande der Stadt – Orte der Gewalt, der Armut, der Anarchie. Von dort ist Ibrahim abgehauen. Zuflucht hat er in der »Casa Sankara« gefunden. Einem Ort, an dem alles besser werden soll. Rund 200 Menschen wohnen in dem Gemeinschaftsprojekt, nur ein winziger Bruchteil der Arbeiter, die hier in der Region schuften. Wie unwürdig das Leben als Feldarbeiter im Süden Italiens ist, zeigt sich auch an den alltäglichen Selbstverständlichkeiten, die für die Bewohner der »Casa Sankara« schon eine Errungenschaft sind. Ein Stockbett für jeden, Duschräume, warmes Essen – für Ibrahim und seine Mitbewohner ist das Luxus. Wenn Ibrahim vom Dach herunterkommt, um sich in dem schlecht verputzten Betonklotz in sei-

nem Stockbett auszuruhen, träumt er von einer Karriere als Fussballspieler. Seine Zimmerkollegen nennen ihn deshalb »Iniesta«, nach dem spanischen Star des FC Barcelona, der jährlich fünf Millionen Euro verdient. In Europa nennt man Ibrahim nicht »Iniesta« sondern »Wirtschaftsflüchtling«. Dabei hat sich hier längst eine komplette Flüchtlingswirtschaft etabliert. Junge, kräftige Männer in Sizilien, Kalabrien oder wie hier im apulischen Foggia ernten zu Niedriglöhnen Tomaten, Orangen, Oliven oder Auberginen. Die Landwirtschaft profitiert von der Migration. Während die italienische Regierung in Rom mit der libyschen Küstenwache verhandelt, um möglichst viele Menschen daran zu hindern, in ein Boot zu steigen, gehören Süditaliens Gemüseproduzenten zu den Nutznießern der irregulären Zuwanderung. Denn trotz zunehmender Automatisierung und dem Einsatz von Maschinen auf den Feldern ist die italienische Landwirtschaft unter Druck. China exportiert nicht nur Textilien nach Italien, sondern auch immer mehr Agrarprodukte, insbesondere Tomaten. Von einer »roten Flut« schrieb jüngst das deutsche Handelsblatt. Um in diesem Preiskrieg zu bestehen, sind die Landwirte auf billige Saisonarbeiter angewiesen; neben Afrikanern, die über die Mittelmeerroute nach Europa geflüchtet sind, auch auf Bulgaren, Rumänen beziehungsweise Roma und Sinti. In Süditalien arbeiten die Saisonarbeiter für einen Stundenlohn von drei bis vier Euro. Sie leben in Ghettos am Rande der Städte, in stillgelegten Fabriken oder verlassenen Kornspeichern. Ibrahims Erzählung von seiner Zeit im Ghetto handelt von improvisierten Elendssiedlungen, weit weg von den Blicken der Einheimischen. Die Menschen leben dort ohne Strom und Wasser, in alten Wohnwagen, Containern und Holzverschlägen. Aus Karton, Pressspanplatten und Plastikplanen zimmern sie sich Unterkünfte für den Sommer. Nach der Tomatenzeit ziehen sie weiter nach Kalabrien, an die Spitze des italienischen Stiefels, wo sie Zitrusfrüchte ernten. Ihr Leben ist einer strengen Hierarchie unterworfen: Einige wenige kontrollieren alles: Shops, Diskotheken, Prostitution, Drogenhandel und den Transport zu den Feldern. Die Bosse werden »Caporali« genannt, eigentlich eine Bezeichnung für einen militärischen Rang. Die Capos besorgen den Landwirten billige Arbeiter aus dem Ghetto und verdienen selbst daran mit: 50 Cent pro gefüllter Tomatenkiste und fünf Euro für die Fahrt auf die Felder. Sie sind die Kommandanten in diesem Heer von Erntearbeitern. »Wer 2.000 bis 3.000 Menschen auf einmal Arbeit verschafft, der hat Macht«, sagt Hervé über die Caporali. »Und genau deswegen müssen wir aufpassen.« Hervé, 55 Jahre alt, heisst eigentlich Faye Papa Latyr. Er trägt noch heute den Spitznamen, den ihm sein Großvater gab, als er ein kleiner Junge war. Groß gewachsen, mit sportlicher Kleidung und einer Kette aus Holzperlen um den Hals, wirkt er jugendlich. Sein Ziel: Die Menschen in den Ghet-

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tos sollen eine Alternative bekommen. Eine Option. Sie sollen die Wahl haben, unter menschenwürdigen Bedingungen leben zu können – ohne Gewalt, Hierarchien, Drogen. Vor zehn Jahren verließ Hervé seine Heimat Senegal, um nach Italien zu gehen. Zuerst arbeitete er als fliegender Händler, verkaufte Sonnenbrillen und billigen Schmuck an den Stränden der Adria, dann wurde er zum Feldarbeiter und erntete Kirschtomaten. Dann, als er eigentlich so weit gewesen wäre, um von dem System zu profitieren, das ihn jahrelang ausgebeutet hatte, stieg er aus. Männer wie Hervé, die schon lange genug hier sind, um fließend Italienisch zu sprechen, werden in der Regel selbst zu Capos. Hervé hingegen wurde vom Tomatenpflücker zum Lobbyisten, wandte sich an die Behörden, traf sich mit Politikern und Gewerkschaften. Die Stadtregierung von Foggia stellte ihm einen verlassenen Hof zur Verfügung. Hervé schuf »Casa Sankara«, einen Rückzugsort für Getriebene wie ihn. Der Ort, an dem für die Erntemigranten von Foggia alles anders werden soll, ist benannt nach Thomas Sankara, sozialistischer Revolutionär, Freiheitskämpfer und in den Achtzigerjahren Präsident von Burkina Faso. Auf einem Wandgraffiti sieht man ihn die Faust in die Höhe recken. Und Hervé nennt das, was hier im Kleinen seinen Anlauf nimmt, stolz »eine Revolution«, wenn auch eine stille. Auf dem Areal der »Casa Sankara« leben die Menschen in blauen Zelten, die man aus den großen UN­-Flüchtlingslagern kennt, in zweistöckigen Beton-

Im Ghetto verdienen die Capos an allem mit.

häusern und Stahlcontainern. Der Unterschied zum Ghetto, neben dem Luxus eines eigenen Bettes: Alkohol, Drogen und jegliche Form der Gewalt sind verboten. So steht es in der Charta, die jeder un»Dort könnte jemand terschreiben muss, bevor sterben, und niemand er hierherzieht. würde es merken.« In einem Container, Hervé Latyr der als Büro dient, surren die Ventilatoren. Draußen sind es 39 Grad, die Woche zuvor war es noch heißer. Die Hitze macht träge und müde, auf dem Feld kann sie tödlich sein, wenn man nicht genug Wasser trinkt. »Und im Ghetto«, sagt Hervé, während er sich auf einen Stuhl niederlässt, »ist nichts gratis«. Transport, Essen, Wasser, Vergnügen: An allem verdienen die Caporali mit. Im Ghetto existieren keine staatlichen Gesetze oder Kontrollen. »Dort könnte jemand sterben, und niemand würde es merken«, sagt Hervé. Er sitzt an seinem Schreibtisch und heftet Passfotos in Papierausweise. In der »Casa Sankara« wird jeder Bewohner und jede Bewohnerin, vom Erwachsenen bis zum Kind, mit Namen, Geburtsdatum und anderen Daten registriert. Hervé macht das, um den Behörden völlige Transparenz zu signalisieren. Ist das nötig? »This is Italy!«, lacht Hervé. Regeln, Gesetze, Vertrauen? All das gibt es in Foggia nicht. An einem Ort wie diesem, wo die Polizei bestochen und Staatsanwälte von Mafiabossen erpresst werden, wirken seine Ziele zu schön, um wahr zu sein. Er möchte auf seinen Feldern seine Farm vergrößern und genügend Arbeit für die Bewohner schaffen: zu fairen Bedingungen und fairen Preisen. Dann möchte er seine eigenen Tomaten verkaufen. Nicht nur Bio, sondern auch »Caporalifree« sollen sie sein, frei von Ausbeutung. In der Küche will Hervé dann frisch geerntetes Gemüse verarbeiten. Die Bewohnerinnen der »Casa Sankara« sollen ein kleines Restaurant betreiben, in dem die lokale Bevölkerung und die afrikanischen Erntearbeiter sich begegnen. Das baue Vorurteile ab und verbessere das Klima. »Es ist unsinnig zu glauben, dass eine Person dieses System stürzen kann«, sagt Hervé, »aber jeder muss seinen Beitrag leisten. Ich kämpfe dafür, dass die Leute eine Möglichkeit haben, in einem anderen Umfeld zu leben.« Hervé führt über das Gelände der Farm, immer wieder schüttelt er Hände, umarmt den einen oder anderen Bewohner, weist einige aber auch forsch zurecht, dass sie ihren Müll wegräumen sollen. Hier


»This is Italy«, sagt Hervé. Regeln und Vertrauen: All das gibt es in Foggia nicht.

gilt: Jeder soll mithelfen. Ibrahim teilt das Mittagessen aus, andere putzen die Duschen oder erledigen die Wäsche. Wovon Hervé allerdings noch weit entfernt ist: die 200 Bewohner der Farm vor Ausbeutung zu schützen. Denn auch vor den Toren der »Casa Sankara« halten morgens um fünf Uhr die weißen Minibusse der Caporali. Davon erzählt Ibrahim, der junge Mann aus Gambia, der von einem Leben als Fußballstar träumt. Und davon berichtet auch Abdoulaye Barry, der jetzt neben Hervé Platz nimmt und schildert, wie es ihm bei der Arbeit ergeht. Er spricht, als würde er einen Vortrag vor versammeltem Publikum halten. Davon, wie hart die Arbeit ist und wie schwer es ihm fällt, mit den anderen mitzuhalten. Davon, dass es den Arbeitern besser ergehen würde, wenn die großen Konzerne nicht zum billigsten Preis produzieren müssten. Am Ende sagt Abdoulaye Barry: »Europa hat uns zu Maschinen gemacht. Wir sind Motoren, mehr nicht.« Im Stadtzentrum von Foggia liegt das Büro von Daniele Iacovelli, Vorsitzender der italienischen Gewerkschaft Flai­CGIL. Iacovelli hat dasselbe Ziel wie Hervé: die Arbeitsbedingungen verbessern und die Caporali schwächen. Doch der Italiener spricht weniger euphorisch als der Senegalese. Die Realität hat ihn nüchtern gemacht, seit Jahrzehnten haben sich die Bedingungen nicht merklich verbessert. Früher erledigte vornehmlich die arme italienische Bevölkerung den Job der Erntearbeiter. In den Neunzigerjahren kamen Bulgaren und Rumänen, jetzt mehr und mehr Afrikaner. 50.000 Menschen sollen laut Gewerkschafter Iacovelli auf den Feldern rund um die Provinzhauptstadt Foggia arbeiten. Apulien ist eines der größten Tomatenanbaugebiete Europas: Zwei Millionen Tonnen Tomaten werden allein in der Region Foggia jedes Jahr geerntet und weiterverarbeitet. In Fabriken werden sie geschält, gewürfelt und zu Soße und Mark konzentriert. Die Konserven landen in den Regalen europäischer Supermärkte; wichtigste Abnehmer sind

Franziska Tschinderle Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Surprise/INSP.ngo

Hervé vor dem Graffiti von Sankara.

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Deutschland, England und Frankreich. Auf den Feldern des Südens wird für den Export in den Norden geschuftet. Auf die Frage, wie sich die Bedingungen verbessern lassen, seufzt Iacovelli. Das Problem sei die internationale Produktions- und Lieferkette, die ihre Kosten möglichst tiefhalten und die Margen vergrößern wolle. Ein Landwirt in Foggia bekommt für ein Kilo Tomaten gerade einmal 10 Cent. Zwischen den Supermarktketten tobt ein Preiskrieg. Die wenigsten Erntearbeiter begehren gegen die schlechten Bedingungen auf. Alle wissen: Wer sich beklagt oder Ein Bauer in Foggia mehr Geld verlangt, wird bekommt 10 Cent für sofort ersetzt. Die Ghettos das Kilo Tomaten. sind voller junger, arbeitsloser Männer, die bereit sind, unter widrigsten Bedingungen zu schuften. Hervé war einmal einer von ihnen. Alles, was er bisher tun konnte, ist, einem Bruchteil von ihnen ein Dach über den Kopf zu bieten. Und eine Dusche. Das ist immerhin ein Anfang.

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WER WAR EIGENTLICH …

… EDWIN OPPLER?

Foto: Wikimedia Commons

Nach etwa sieben Jahren BauDie Endlichkeit, die gilt auch für zeit wurde die Synagoge 1870 eingeArchitekten – und ihre Werke. Das weiht. Weitere Oppler-Synagogen in wusste Edwin Oppler natürlich, Breslau, Karlsbad, Hameln und aneiner der großen hannoverschen deren Städten folgten – einige wurArchitekten des 19. Jahrhunderts. den in der Reichspogromnacht im Dass aber seine zwei wohl wichNovember 1938 von Nazis und ihren tigsten Werke, die Synagogen von Mittätern niedergebrannt. Hannover und Breslau, gut 600 KiEdwin Oppler war nicht nur ein lometer voneinander entfernt, in eiangesehener Architekt, er war auch ner einzigen Nacht zerstört würden, äußerst beliebt bei seinen Kunden. lag sicher außerhalb seiner VorstelNicht, weil er ihnen schmeichellungskraft. te. Sondern, wie der vor wenigen Edwin Oppler wurde 1831 in Oels Jahren durch einen wahnwitzigen in Niederschlesien geboren. Der Raubkunstfund bekannt geworSohn einer jüdischen Kaufmannsdene Cornelius Gurlitt in einem familie besuchte die Schule in BresBuch schrieb: Oppler vereinte den lau. Mit 18 Jahren ging Oppler nach Wunsch zu repräsentieren mit BeHannover, ab 1854 studierte er in haglichkeit. Man konnte also mit eider Georgstraße an der Polytechnischen Schule, der Vorläuferin der heutigen Leibniz Universität. nem Oppler-Haus beeindrucken, man konnte sich darin aber Oppler wurde ein Schüler und Mitarbeiter von Conrad Wilhelm auch wohlfühlen. Und auch die Familie wusste sein Talent zu schätzen: Im Hase, einem der wichtigsten Vertreter der Neugotik im 19. Jahrhundert. Und Oppler wurde selbst bald ein Vorreiter der soge- rheinischen Schlangenbad baute er ein Haus für seinen Schwiegervater, den Bankier Albert Cohen. Über das Privatleben Oppnannten neugotischen Hannoverschen Schule. Der Liebe wegen zog es ihn nach Paris, es war die Liebe für lers ist wenig bekannt. Als fleißig beschreiben ihn praktisch alle die Gotik. Oppler arbeitete in verschiedenen Architekturbüros Weggefährten. Sein privates Glück fand er in der Ehe mit der mit, auch bei einem Glasmaler. Und er half, es muss für ihn Bankierstochter Ella Cohen, die er am 31. Juli 1866 heiratete. ein Traum gewesen sein, bei der Restaurierung der Kathedrale Die Opplers bekamen vier Söhne. Der Jüngste, Sigmund, war noch bis 1939 in Hannover als Rechtsanwalt tätig. Notre-Dame de Paris. Edwin Oppler war sicher ein liberaler Jude, entwarf er doch Zeitgenossen beschreiben Oppler als rastlosen Architekten mit einer suggestiven Gabe, Bauherren für seine Ideen zu auch evangelische Kirchen, Abendmahlgegenstände und Kruzifixe. Aber er war auch bestimmt: begeistern. Seine ersten eigenen Ein Judentum, das in Staat und Aufträge waren Geschäftshäuser Kultur aufgehen wolle, müsse also Oppler vereinte den Wunsch zu und Villen für reiche Hannoverauch den hiesigen Kirchenbaustil aner, für Grafen, Barone, Prinzen repräsentieren mit Behaglichkeit annehmen – und sich nicht hinter und Industrielle. Oppler war noch einem maurischen Stil verstecken, ein junger Architekt, erst ein Jahr selbstständig, als 1862 die jüdische Gemeinde auf ihn zuging wie er damals noch üblich war. So sah er das, so arbeitete er. Edwin Oppler starb 1880 an einem Herzleiden. Er liegt und ihn mit der Planung einer neuen Synagoge beauftragte. 1.100 Mitglieder hatte die jüdische Gemeinde Hannover da- auf dem Jüdischen Friedhof An der Strangriede in Hannovers mals, 1.100 Sitzplätze sollte die Synagoge bieten. Oppler plante Nordstadt begraben, den er selbst gestaltete. Dort kann man den markanten Kuppelbau mit seinen vier Schaufenstern groß heute noch die von ihm entworfene Predigthalle mit den marund sichtbar in zentraler Lage in der Bergstraße in der Calen- kanten roten Backsteinen bewundern. berger Neustadt. So eine Verortung war damals nicht in jeder Stadt typisch, weil man Anfeindungen fürchtete. Gerd Schild


ASPHALT 10/18 Foto: V. Macke

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NICHT BLANKZIEHEN Zum Start der neuen Talk-Reihe im hannoverschen ka:punkt war Wohnungsnot und mögliche Lösungen das Thema der Stunde. »Wenn man heute jemanden kennen lernen will, dann meldet man sich zur Wohnungsbesichtigung an.« Launiger Einstieg in ein ernstes Thema. Wohnungsnot in den Ballungsräumen Niedersachsens: teils 100 Menschen in der Schlange für eine einzige Wohnung. Im ka:punkt hatte der Sprecher der Landesarmutskonferenz, Thomas Uhlen von der Caritas, den einstigen sozialpolitischen Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen, Thomas Schremmer (links im Bild), zu Gast. »Eine Besichtigung gleicht mittlerweile einem Casting. Was Vermieter alles wissen wollen, da muss man schon blankziehen«, führte Uhlen ins Thema ein. Warum ist das so, warum dürfen die das? Was macht Wohnungsverlust und Armut mit den Menschen? Und warum wirken Stadt und Staat so ungeheuer hilflos gegenüber dem wachsenden Problem fehlenden Wohnraums? Premiumwohnungen würden eventuell auch gebraucht, sagte Schremmer. »Denn Städte brauchen auch Menschen, die Geld in die Stadt bringen.« Das Grundproblem aber: Viele Menschen in Deutschland könnten sich Mieten mit mehr als sechs oder sieben Euro pro Quadratmeter nicht leisten. Gebaut würde aber viel zu viel im hochpreisigen Segment. Zumindest dort, wo es Arbeitsplätze, gute Versorgung mit Konsummöglichkeiten, Gesundheit und Kultur gibt. Weil es Rendite bringt. »Da ziehen die Menschen hin, denn eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland gibt es definitiv nicht mehr«, so Schremmer. »Hannover ist so ein Ort. Und hier sind in den letzten fünf Jahren die Mieten um rund 20 Prozent gestiegen.« Als großen Fehler der Vergangenheit hat Schremmer den Verzicht auf das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz samt dazugehörigem sozialen Wohnungsbau ausgemacht. »Das hatte früher dafür gesorgt, dass Wohnraum kaum als Spekulati-

onsobjekt genutzt werden konnte.« Gewinne aus Vermietung mussten zu einem bestimmten Prozentanteil reinvestiert werden, nur wenige Teile konnten als Gewinne abgeschöpft werden. Doch Anfang der 90er kam der Paradigmenwechsel: Das regulierende Gesetz wurde abgeschafft, die Floskel vom sich selbstregulierenden Markt eingeführt. »Man kann es privaten Unternehmern nicht vorwerfen, dass sie schnelles Geld verdienen wollen, aber die Folgen sind unübersehbar, es fehlt günstiger Wohnraum und sozialer Wohnungsbau. Die Frage der Gesellschaft ist doch jetzt: Wollen wir weiter drauf setzen, dass der Markt das regelt?« Die Antworten aus dem Publikum waren eindeutige persönliche Schicksale. Von Menschen, die erst die Arbeit verloren haben und in Folge jetzt vom Jobcenter in kleinere Wohnungen gezwungen werden sollen. »Die aber gibt es nicht, nirgends«, so eine alleinerziehende Mutter, die offiziell auf sechs Quadratmeter zu viel Fläche lebt. Menschen, die durch die anhaltende Arbeitslosigkeit ohnehin schon gedemütigt und verängstigt seien, drohe so noch der Verlust der Teilhabe und des sozialen Umfeldes, kritisierte ein anderer. »Ist das so gewollt?« Die Lösung ist für Schremmer klar: »Der Staat muss sich trauen, wieder in den Wohnungsbau einzusteigen. Den eigenen Wohnungsbau steuerfrei stellen und darüber dann aber niedrige Mieten garantieren. Wie in Wien, wo die Hälfte aller Wohnungen der Stadt gehören. Das aber erfordert Mut, sich mit der Wohnungswirtschaft auseinanderzusetzen.« Volker Macke

Die nächste Folge der Talk-Reihe im ka:punkt Hannover am 18.10., 16 Uhr. Thema: »Stichwort Geld: Brauchen wir eine gerechtere Umverteilung?«

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LUST UND LIEBE Sie steht für selbstbestimmte Sexualität und eigenverantwortliche Familienplanung. Jetzt wird die pro familia-Beratungsstelle in Hannover 50. Ein Grund zum Feiern. Alles begann in Kassel, als Ärztinnen 1952 pro familia, damals noch unter dem Namen Deutsche Gesellschaft für Ehe und Familie, gegründet haben. Damit wollten sie einen gemeinnützigen, nicht-staatlichen und nicht-konfessionellen Fachverband erschaffen, der zu Fragen der Familienplanung und Sexualität berät. »Los ging das Ganze dann mit verschiedensten Projekten, von kleinen Beratungsstellen bis hin zu Beratungsbussen, die auf Marktplätzen gestanden haben. Viel Ehrenamt war das damals«, weiß Ulf Gronau, Leiter der pro familia Beratungsstelle Hannover.

Mit Hilfe des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes wurde 1968 in Hannover die erste pro familia gegründet. Damals lag der Fokus noch auf der studentischen Beratung zur Familienplanung. Das heißt: »Studentinnen und Studenten wurden dahingehend beraten, wie sie zum Beispiel Rezepte für die Pille oder andere Verhütungsmethoden bekommen können, denn damals waren noch nicht alle Mediziner pro Pille eingestellt«, erzählt Gronau. Mittlerweile gibt es in ganz Niedersachsen 19 Beratungsstellen, einige kleinere Außenstellen und einen übergeordneten


Text und Fotos: Grit Biele

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pro familia Landesverband. In der pro familia Beratungsstelle Hannover stehen sieben Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter den Hilfesuchenden in den Bereichen Familienplanung, Schwangerschaftund Schwangerschaftskonfliktberatung, Paar- und Sexualberatung und dem großen Bereich der sexuellen Bildung zur Seite. Allein im vergangenen Jahr führten sie mehr als 2.400 Beratungen durch, darunter allein 660 zum Schwerpunktthema Schwangerschaftskonfliktberatungen. In den vergangenen fünf Jahrzehnten haben sich die Themen der Beratung zwar nicht wesentlich verändert, dennoch sind sie jetzt »bunter und auch vielfältiger. Das Themenspektrum ist einfach viel größer geworden«, bemerkt Sozialarbeiterin Cornelia Anhelm-Dieng. Jüngstes Kind in der Beratungsstelle ist der Bereich Sexualität und Alter. »Hier arbeiten wir zum Beispiel mit Pflegeeinrichtungen an Konzepten, wie Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, ihre Sexualität trotzdem leben können«, so die 64-Jährige. Viele Erfolge kann die pro familia in Hannover seit ihrer Gründung schon verbuchen. Trotzdem gibt es auch in der Zukunft noch einiges zu tun. »Unter anderem streben wir an, dass Menschen mit geringem Einkommen ein Recht auf kostenlose Familienplanung und Verhütungsmittel, beispielsweise in Form von Verhütungsmittelfonds bekommen«, betont Gronau. Jetzt gibt es aber erstmal einen Grund zum Feiern, denn die pro familia Beratungsstelle Hannover wird in diesem Monat 50. Zu ihren Geburtstagsgästen zählen unter anderem die Niedersächsische Sozialministerin Carola Reimann, Regionspräsident Hauke Jagau, Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostock sowie die Vor»Das Themenspek­ sitzende des Paritätischen trum ist einfach viel Wohlfahrtsverbandes Niegrößer geworden.« dersachsen e.V. Birgit EckCornelia Anhelm-Dieng, hardt. Gemeinsam mit der Sozialarbeiterin Journalistin Hanna Legatis werden sie in einem Podiumsgespräch der Frage nachgehen, was eine Gesellschaft, eine Region von einer Institution wie pro familia hat. Für die Unterhaltung sorgen Ninia LaGrande mit Poetry Slam und das profa-Team mit viel Musik.

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Für Beratungen im Bereich sexuelle Bildung nutzen Ulf Gronau und Cornelia Anhelm-Dieng gern Anschauungsmaterial aus ihrem Verhütungsmittelkoffer

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AUS DER SZENE

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Spiele ohne Grenzen

HANNOVERS GRÖSSTER LATERNENUMZUG am 08. November Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne – 96plus lädt zusammen mit seinem Hauptpartner Johnson Controls, sowie dem Staatstheater Hannover alle Kinder, Jugendlichen, Eltern und Großeltern aus der Stadt und Region Hannover zum mittlerweile achten gemeinsamen Laternenumzug ein. Von Musikzügen begleitet, marschieren wir mit selbst gebastelten Laternen vom Opernplatz durch die Straßen unserer schönen Landeshauptstadt bis zum Innenraum der HDI Arena. 96plus-Hauptpartner Johnson Controls spendet einen Euro für jedes mitlaufende Kind an eine soziale Einrichtung. In diesem Jahr kommt die Spende dem Projekt „Kindertafel“ der Hannöverschen Tafel zugute. Ablauf 17:00 Uhr Begrüßung auf dem Opernplatz mit Pressefoto 17:15 Uhr Start des Laternenumzugs 18:00 Uhr Einlauf in die HDI Arena 18:15 Uhr Gruppenfoto aller Kinder 18:45 Uhr Ende der Veranstaltung

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Asphalt-Verkäufer Hasso Diedrich: Vom Wohnungslosen-

treffen in Freistatt (s. Asphalt 9/18) sind im Anschluss sieben Personen zu einer internationalen Veranstaltung nach Enschede (Niederlande) gefahren. 800 Teilnehmer kamen aus den Niederlanden, Deutschland, Dänemark, Litauen und Polen zu den Social Inclusion Games. Bei den Games konnte man sich in verschiedenen Sportarten ausprobieren: Minitischtennis, Bogenschießen, Badminton und Volleyball und noch mehr. Am Abend wurden die Gewinner geehrt. Die meisten Medaillen haben die Dänen bekommen. Ich glaube, sie haben eine bessere Sportförderung in der Wohnungs­ losenhilfe. Danach gab es jeden Abend noch Disco und Konzerte. In zwei Jahren sollen die Social Inclusion Games in Berlin stattfinden.

Trinkraum soll bleiben Hannover. Der »Kompass«, der Trinkraum für Obdachlose hinterm Bahnhof, soll weiterarbeiten. Zumindest bis 2020. So empfiehlt es die Stadtverwaltung. Die hatte den Raum seitens der Diakonie im letzten Jahr in Folge einer Medienkampagne gegen die Trinker einrichten lassen, um die Szene am Raschplatz auszudünnen. Von 11 bis 19 Uhr kann am Endpunkt der Linie 10 seitdem in Ruhe getrunken, unterhalten, gestritten werden. Bis zu 50 Menschen haben dort auf engem Raum Platz. Rund zwei Drittel der Nutzer kommen aus Osteuropa, 25 Prozent sind deutsche Staatsbürger. Die Arbeit für die Sozialarbeiter vor Ort gilt als schwierig, weil sie einerseits emotional sehr belastend ist und sie andererseits kaum Möglichkeiten haben, den Menschen weiterzuhelfen. Nichtdeutsche haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung, Transferleistungen oder Wohnheimen. Für den Betrieb bis Ende 2020 hat die Verwaltung der Diakonie jetzt 884.000 Euro zugesagt.

50 % mehr Kältebus Hannover. »Ein Einsatz des Kältebusses an mehr als drei Werktagen wird nicht als sinnvoll eingeschätzt und würde erhebliche Mehrkosten verursachen«, so lautet die zentrale Antwort der Landeshauptstadt auf eine Anfrage der Ratspolitik. Anlass war der extrem kalte Winter 2017/2018, der bundesweit sieben Kältetote gefordert hatte, davon einen in Hannover. Bisher erhielten die Johanniter, die mit dem Bulli Obdachlose aufsuchen, für ihr weitgehend ehrenamtliches Engagement während der Winterperiode eine Kostenerstattung für zwei Fahrten pro Woche in Höhe von 5.500 Euro. Dabei wurden warmes Essen, Getränke, Decken und Schlafsäcke zu den Treffpunkten der Obdachlosenszene gebracht. 500 Menschen leben in Hannover auf der Straße. Der finanzielle Aufwand für dieses Angebot sei deutlich höher, hieß es jetzt. Zumindest eine Aufstockung auf künftig 11.000 Euro für den Kältebus hat Sozialdezernentin Konstanze Beckedorf jetzt in Aussicht gestellt. MAC


Heute möchte ich einmal ein sehr persönliches Erlebnis ansprechen, nicht, weil ich mein Schicksal auf »meiner blauen Seite« beklagen möchte, sondern weil ich denke, dass auch andere Menschen betroffen sind. Ich wurde in die Notaufnahme der MHH gefahren und dort etwa eine Woche lang behan­ delt. Dann bekam ich eine Empfehlung für eine Creme zur Wundbehandlung für meinen Hausarzt mit. Der verschrieb mir diese Creme, ich registrierte nicht, dass es sich um ein Privatrezept handelte. Erst als ich in der Apotheke 73 Euro bezahlen sollte, stellte ich es fest. Nach persönlicher Rücksprache mit meinem Hausarzt erklärte er mir, diese Creme, die ich laut MHH dringend brauche, würde die Krankenkasse nicht bezahlen, eine Alternative gebe es nicht. Eine Freundin hat mir 75 Euro geschenkt und ich konnte das Rezept einlösen. Je länger ich darüber nachdenke, desto empörter bin ich über diese Situation. Mir hat jemand geholfen. Was aber passiert mit den Menschen, die niemanden haben, an den sie sich wenden können, die niemanden haben, der ihnen auch einmal finanziell zur Seite steht? Leben wir heute wirklich schon wieder in einer Gesellschaft, in der es zumindest in der Medizin eine so krasse Zwei-KlassenGesellschaft gibt? Ein Film aus dem Jahr 1956 mit Bernhard Wicki in der Hauptrolle hieß »Weil du arm bist, musst du früher sterben.« Ich hatte gehofft, dass wir heute weiter sind. Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden …

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»WIE EINE THERAPIE« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäuferin Natalie (48).

Am 9. Oktober ist dein 48. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, Natalie! Du hast gleich mehrere Outfits für dein Foto mitgebracht … Ich konnte mich nicht entscheiden. Deshalb habe ich mir ausgesucht: einmal sportlich, einmal mit Asphalt-Jacke, einmal »feine Dame« und einmal mit Kaftan – afrikanischer Look, weil ich ja Muslimin bin. So gehe ich in die afrikanische Moschee … Ich ziehe gerne unterschiedliche Sachen an. Wenn ich Asphalt verkaufe, loben mich auch manche Frauen für meine Outfits. Mit Mode verkauft man sich besser. Das ist mein Hobby. Auch meine kleine Tochter guckt jetzt immer in meine Kleiderschränke und verkleidet sich.

Vor zwei Jahren hast du das letzte Mal aus deinem Leben erzählt: von deinem Glaubenswechsel zum Islam und auch von deinen drei Kindern. Wie geht es ihnen? Sie haben sich gut entwickelt. Mein Großer ist am 23. August 23 Jahre geworden. Er geht arbeiten. Mein zweiter Sohn ist am 2. Juli elf geworden und meine Tochter ist neun. Die Kleinen leben noch bei der Erziehungsstelle. Ihnen geht es sehr gut. Ich sehe sie einmal im Monat. Sie dürfen jetzt auch bei mir übernachten, aber getrennt voneinander, beide auf einmal schaffe ich nicht.

Toll, dann ist ja einer deiner Wünsche aus dem letzten Interview in Erfüllung gegangen: mehr Zeit mit deinen Kindern … Ja! Mein Sohn ist so ein großer Eisenbahn-Fan. Ich muss immer den ganzen Samstag mit ihm durch die Gegend fahren – mit dem Niedersachsenticket. Und meine Kleine kann ganz toll malen. Sie gibt sogar anderen Kindern Zeichenunterricht.

Lass uns über deinen Glaubenswechsel sprechen. Fühlst du dich noch so wohl im Islam wie vor zwei Jahren? Mein muslimischer Glaube gibt mir Kraft, aber ich rede nicht mehr so viel darüber. Ich behalte ihn in meinem Herzen. Ich finde, dass ich mich dadurch zum Positiven verändert habe. Seit ich meinen Glauben gewechselt habe, geht es mir auch seelisch etwas besser. Ich kann jetzt vergeben und verzeihen.

richtig laufen kann. Ich kann mein Gleichgewicht nicht halten. Ich muss deshalb auch verschiedene Arztpraxen besuchen. Ängste sind auch da. Ich habe manchmal das Gefühl, mein Körper schubst mich, als wenn meine Füße und Hände sich von alleine bewegen – dann kriege ich Angst. Einmal habe ich mich deshalb auch schon versteckt. Ich muss auch starke Medikamente nehmen, weil ich eine Vorstufe zur Epilepsie habe. Seit meiner Geburt habe ich das. Aber: An meinem Verkaufsplatz kann ich schon viel besser laufen.

Das freut mich. Was denkst du, woran das liegt? Beim Verkaufen habe ich weniger Ängste. Das Verkaufen ist wie eine Therapie für mich. Das macht mir großen Spaß. Ich bekomme Lob und Anerkennung. Ich kann mit Menschen sprechen. Mit zwei Kunden spreche ich auch immer Russisch. In Russland habe ich gelebt, bis ich 13 Jahre war.

Wie lange verkaufst du schon Asphalt? Etwas über vier Jahre. Ich habe damals einen Asphalt-Verkäufer gesehen und zu ihm gesagt: »Wenn ich Geld habe, kaufe ich eine Zeitung.« Ich habe mir die Zeitung angeguckt und fand die ganz toll und dann habe ich mich bei Asphalt angemeldet.

Und vor Asphalt? Ich war im Gesundheitswesen, bei den Pfeifferschen Stiftungen. Ich hatte viele Aufgaben im Hauswirtschaftsbereich. Wegen meinen seelischen Problemen, meinen Angstzuständen, ging das nicht mehr. Das war sehr schlimm damals. Seit 2001 bekomme ich Rente, weil ich nicht mehr arbeiten kann.

In unserem letzten Gespräch hattest du dir einen Ehemann gewünscht. Hast du ihn gefunden? Nein. Ich bin solo. Ich habe Freunde, mit denen ich mir schreibe oder telefoniere, aber ich habe keinen Mann. Ich wünsche mir immer noch einen guten Ehemann.

Hast du noch mehr Wünsche für die Zukunft?

Wie geht´s dir gesundheitlich?

Meine Wünsche sind alle geblieben: Zeit mit meinen Kindern, Gesundheit und dass alle in Frieden zusammenleben – egal, welchen Glauben sie haben. Und vielleicht noch etwas Neues: Ich möchte noch mal nach Paris reisen. Und ich wünsche mir, dass meine Kochrezepte gut klappen. Ich probiere gerne Rezepte aus: russische Küche, indisch, afrikanische Küche. Am 13. Oktober gehe ich mit meiner Mama und meinem kleinen Sohn zum Afrika-Mambo-Fest, in den Zoo in Magdeburg. Da gibt es auch afrikanische Küche. Das wird toll!

Im Moment geht´s mir gut. Ich bin nur traurig, dass ich nicht

Interview und Fotos: Svea Kohl

Lernst du noch Arabisch? Arabisch ist sehr schwer. Ich lerne jetzt Französisch – meine Lieblingssprache. Meine Lieblingsstadt ist Paris, die Stadt der Liebe. Ich war einmal dort: mit einer Reisegruppe. Da war mein großer Sohn vier Jahre alt.


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Natalie verkauft Asphalt in der Niki-de-Saint-Phalle Promenade am Krรถpcke vor Ditsch.


Foto: Thomas Kupas

DIE GUTEN Seit zehn Jahren helfen Dr. Ricarda und Dr. Udo Niedergerke mit ihrer gleichnamigen Stiftung in Hannover und darüber hinaus Armen und Obdachlosen. Ein Gespräch zum Jubiläum. Sie könnten Ihren Ruhestand einfach nur genießen. Stattdessen haben Sie eine Stiftung gegründet, mit der Sie seit fast zehn Jahren gut beschäftigt sind. Warum? Natürlich genießen auch wir unseren Ruhestand. Wir reisen mehr und gönnen uns täglich freie Zeit. Wir waren 30 Jahre lang mit Leidenschaft und Freude den lieben langen Tag für unsere Patienten da und haben abends noch Hausbesuche gemacht. Wir haben keine Kinder. Ohne sinnvolle Aufgabe in den Tag hineinzuleben, das konnten und können wir uns nicht vorstellen.

stürzten nach Schicksalsschlägen regelrecht ab, hatten kein Dach über dem Kopf, konnten sich keine Krankenkasse, häufig noch nicht einmal den Fahrschein zur Facharztpraxis leisten. Uns berührt vor allem die Scham derjenigen, die an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden, die durch die Raster unserer Versorgungsstrukturen und Hilfesysteme fallen, die nicht mehr sichtbar sind. Und das sind viele! Diese Menschen haben keine Lobby und scheuen sich häufig, ihre individuellen Zwangslagen preiszugeben. Wir möchten dazu beitragen, dass auch sie ihr Leben in Würde gestalten können. Dafür erfahren wir viel Wertschätzung. Das macht uns zufrieden.

Aus welchen Gründen engagieren Sie sich in erster Linie für Menschen, die obdachlos oder krank sind und oft keine staatlichen Hilfen bekommen?

Wie hilft Ihre Stiftung?

Wir sind engagierte Christen und leidenschaftliche Ärzte. Mit unseren Praxen hatten wir uns bewusst in einem Stadtteil niedergelassen, der nicht zu den wohlhabenden Bezirken Hannovers gehört. Dabei erlebten wir viele Menschen in Not: Manche

In Absprache mit der Bürgerstiftung unterstützen wir Projekte von Wohlfahrtsverbänden in der Region Hannover, für die wir persönlich und mit Benefiz-Aktionen Spenden sammeln. Häufig ist auch unser medizinischer Sachverstand gefragt. Wir


Warum ist es für Ihre Arbeit so wichtig, Spenden und Sponsoren einzuwerben? Für das Stiftungskapital haben wir private Mittel eingesetzt. Da hieraus aktuell kaum Erträge zu erwirtschaften sind, müssen zusätzlich Spender gewonnen werden, um Projekte realisieren zu können. Dazu dienten unter anderem auch zwei Kunstauktionen, auf denen Bilder aus unseren Praxen veräußert wurden.

Fällt es Ihnen eigentlich leicht, Menschen anzusprechen und diese um Unterstützung oder Spenden für Ihre Stiftung zu bitten? Anfangs war das nicht so. Dass wir uns quasi selbst vermarkten müssen, um unsere Stiftungsziele zu erreichen, war zunächst sehr ungewohnt. Wir wollten uns nie in die erste Reihe drängen oder als sogenannte Gutmenschen profilieren. Faktisch müssen wir betteln gehen, um Stiftungsprojekte realisieren zu können. Wir sind durch eine harte Schule gegangen, mittlerweile aber einigermaßen skrupellos. Mit vornehmer Zurückhaltung könnten wir den Menschen, denen wir helfen wollen, keinen Dienst erweisen.

Wie werben Sie Fördermittel ein? Unsere Haupteinnahmequelle ist der Erlös unseres jährlichen GOP-Benefizabends. Dabei wirken Künstler, Moderatoren, Freiwillige unentgeltlich mit. Das Varieté-Theater verzichtet auf Miete. Außerdem haben wir dafür einige Unterstützer. Am 22. Oktober ist es wieder soweit. Ansonsten besuchen wir regelmäßig viele Veranstaltungen in der Region Hannover, spinnen an diversen Netzwerken, sprechen mit potentiellen Partnern über neue Projekte und bemühen uns stets um Spenden und Sponsoren. Das ist richtig Arbeit!

sive Deutschkurs und einer umfassenden Umzugsbegleitung, wenn es in die eigene Wohnung geht. Die Stadt Hannover hat das Projekt mittlerweile in die Regelförderung übernommen. Der Bedarf ist aber so groß, dass wir 2017 eine zusätzliche Sozialarbeiterstelle für die Caritas-Wohnheime finanziert haben.

Ihr Engagement wurde 2012 mit dem Stadtkulturpreis vom Freundeskreis Hannover ausgezeichnet, 2014 folgte die Stadtplakette der Stadt Hannover. Wie fanden Sie das? Diese Form der offiziellen Wertschätzung und öffentlichen Anerkennung hat uns sehr, sehr gefreut und auch ein wenig stolz gemacht auf unsere Arbeit. Wir sagen noch einmal vielen Dank!

Wie geht es weiter mit der Ricarda und Udo Niedergerke Stiftung? Wir machen natürlich weiter. Wir wollen uns künftig noch intensiver um unser Kernthema, die Obdach- und Wohnungslosigkeit, kümmern. Bereits jetzt leben allein in der Region Hannover etwa 400 Menschen mehr oder minder dauerhaft auf der Straße. Der Wohnungsmarkt ist so heiß umkämpft wie nie: Kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Studierende, Migranten und Flüchtlinge konkurrieren um bezahlbaren Wohnraum, der quasi nicht mehr zur Verfügung steht. Auch diese Menschen sind von Obdachlosigkeit bedroht. Wir möchten dazu beitragen, dass die Diskussion um neue Wohnformen und -modelle in der Region Hannover intensiv geführt wird und so schnell wie möglich in Taten und in konkreten Projekten mündet – Wohnen ist Menschenrecht. Interview: Britta Grashorn

Klein oder groß – uns ist jedes Projekt wichtig, das Menschen in Not hilft und Ihnen ein Leben in Würde erlaubt. Fahrkarten für den Arztbesuch oder Sehhilfen halten wir für ebenso unverzichtbar wie wetterfeste Jacken oder Fahrräder für die Asphalt-Verkäufer, die Unterstützung von Anlaufstellen wie den Mecki-Laden, die Straßenambulanz oder Sprechstunden für Menschen ohne Krankenversicherung, Schwimmunterricht, Sprach- und Nähkurse für Migranten. Besonders stolz sind wir auf unser Modellprojekt Raphaelo, das wir gemeinsam mit der Caritas Hannover im Jahr 2013 ersonnen haben. Ziel ist es, Flüchtlingen mit Aufenthaltsgenehmigung dabei zu helfen, auch wirklich anzukommen. Raphaelo bietet Beratung und Unterstützung in allen Alltags- und Lebensfragen, inklu-

Foto: Wolfgang Weihs

Welche Projekte sind Ihnen besonders wichtig?

Die Wohltäter in der von ihnen im vergangenen Jahr initiierten Obdachlosenfotoausstellung »Mein Hannover« im Neuen Rathaus, zu der Asphalt ein Sonderheft erstellt hat.

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springen auch in Einzelfällen ein, wenn Behandlungen oder dringend benötigte Hilfsmittel von den Kassen nicht übernommen werden.

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RUND UM ASPHALT

Cup der Guten Hoffnung

Foto: G. Biele

»Es war ein voller Erfolg. Das schreit nach Wiederholung«, resümierte Christian Ahring, Sozialarbeiter bei Asphalt, zufrieden die erste Auflage vom Cup der Guten Hoffnung. Bei dem Bowling-Turnier für soziale Einrichtungen in Hannover, veranstaltet von Asphalt-Magazin und Bowling World Hannover, standen Spiel und Spaß im Vordergrund. Ein bisschen sportlichen Wettstreit gab es aber dennoch. Die neun Teams aus den Einrichtungen Caritas, Werkheim, Karl-Lemmermann Haus, Asphalt, Saftladen und Paul Oehlkers-Haus bowlten um die Plätze. Die drei besten Teams durften sich am Ende jeweils über einen Pokal und Schlemmergutscheine freuen, für den Letztplatzierten gab es einen Bowling-Pin als Trostpreis. GB

Markus Glaubitz unterstützt schon lange die Ärmeren der Bevölkerung. So achtet Inhaber der Kaffee-Rösterei »24 grad« beim Kauf seiner Rohbohnen auf eine faire Bezahlung der kleinen Kaffeebauern. Der 45-Jährige legt Wert auf eine transparente Kette von der Kaffee-Plantage bis zur Rösterei. Den letzten Schliff für den perfekten Geschmack bekommen die Bohnen in seiner Kaffee-Rösterei. Nicht immer gelingt das gleich beim ersten Mal. Diese nicht ganz so perfekten aber trotzdem schmackhaften Röstungen will Glaubitz künftig an Asphalt spenden. Die ersten 60 kg frisch geröstete Kaffeebohnen konnte Asphalt-Vertriebsleiter Thomas Eichler auch schon in Empfang nehmen. Das gesamte Asphalt-Team sagt herzlich danke und freut sich auf weitere, nicht ganz so perfekte Röstungen. GB Anzeige

Das Seniorenheim Springer Hof sucht ab sofort

Altenpfleger/in oder Krankenschwester/Krankenpfleger für leichte, stundenweise Altenbetreuung. Gern älter und unter­brochener Arbeitstätigkeit (Krankheit). Wohnung und Kost im Haus. Bitte senden Sie Ihre Bewerbung per E-Mail an: springerhof@freenet.de

Foto: G. Biele

Kaffee für Asphalter

gesucht – gefunden Verkäuferin Cordula: Ich suche einen großen, gut erhaltenen Kleiderschrank. Maße: 3 m breit, 2 m hoch. Kann selbst abgeholt werden. [V-Nr. 1683] Kontakt: 0176 – 69590763. Verkäufer Klaus: Suche Smartphone. [V-Nr. 1418] Kontakt: 0152 – 29775595. Verkäufer Jörg: Ich suche eine Mikrowelle und einen Kleiderschrank, 1,80 m breit. [V-Nr. 2117] Kontakt: 0176 – 34440825. Verkäufer Uwe: Ich suche ein Smartphone. Meins ist runtergefallen und nun defekt. Preis VB. [V-Nr. 1865] Kontakt: 0157 – 51993769.


Betriebsausflug sozial Im Rahmen ihres Betriebsausfluges konnten die MitarbeiterInnen des Niedersächsischen Sozialministeriums zwischen verschieden Ausflugszielen wählen. Von den rund 120 Ausflüglern haben sich knapp 30 für den sozialen Stadtrundgang von Asphalt entschieden. Nach einer kurzen Einführung übernahm Asphalt-Verkäufer Thomas die Gruppe und führte sie in die Welt der Obdachlosen und Suchtkranken. Er zeigte Plätze und Einrichtungen, in denen Wohnungslose Schutz, Essen aber auch medizinische Hilfe bekommen können, wie unter anderem den Mecki-Laden und die Einrichtung »Bed by night« für Straßenkinder. Vielen ist das Problem der wachsenden Armut und Obdachlosigkeit zwar bewusst, aber: »diese Probleme hier hautnah zu erleben, ist dann doch noch mal was ganz anderes«, sagte Frank Hildebrand, Sachbearbeiter im Sozialministerium beeindruckt. GB

Kommen Sie mit – zum sozialen Stadtrundgang! Nächster Termin: 26. Oktober 2018, 15 Uhr. Treffpunkt: Asphalt, Hallerstr. 3, 30161 Hannover. Bitte anmelden unter: 0511 – 301269-20. Teilnahme auf Spendenbasis: ab 5 Euro pro Person. Gruppen vereinbaren bitte gesonderte Termine!

Engagierte Löwinnen Lang war die Menschenschlange, als die Damen vom Lions Club Viktoria Luise aufgeregt Punkt 10 Uhr die Türen zum 24. Secondhand-Basar im Freizeitheim Döhren öffneten. Wie schon in den Jahren zuvor, boten sie auch in diesem Jahr wieder hochwertige Herren- und Damenbekleidung, Abendgarderobe, Schuhe, Taschen und Accessoires zum Schnäppchenpreis an. Mit einer bunten Auswahl an selbstgebackenen Kuchen- und Tortenspezialitäten verwöhnten die rund 30 Lions-Damen die Kauflustigen. Den Erlös aus den Verkäufen spendet der Lions Club Viktoria Luise an soziale Projekte wie »Bärenstark« und »Leckerhaus«. Und auch Asphalt darf sich wieder über eine 1.000 Euro-Spende in Form von 25-Euro-Gutscheinen freuen. GB

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Seit dem Frühjahr 2012 hatten sie die Geschicke bei Asphalt mitbestimmt: die beiden Herausgeber Hanna Legatis und Professor Heiko Geiling. Damals noch vom Gründungsherausgeber Walter Lampe berufen, haben die Fernsehjournalistin und der Politikwissenschaftler ehrenamtlich in den vergangenen knapp sieben Jahren vor allem bei öffentlichen Auftritten, Podiumsdiskussionen und in Fachkreisen für Asphalt gewinnbringend gewirkt. Gemeinsam mit Redaktionsleiter Volker Macke haben beide seit 2015 zudem die Neuaufstellung des Heftes samt gesonderter Nordwest-Asphalt vorangetrieben. Nun ist ihre Arbeit für Asphalt beendet. Wir bedanken uns auch an dieser Stelle für das langjährige Engagement und die fruchtbare Zusammenarbeit und wünschen von Herzen alles Gute. RED

Foto: G. Biele

Foto: G. Biele

Herausgeberschaft beendet

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Foto: Tim Bruening

GRENZENLOS Er ist in einem winzigen Dorf in Niedersachsen aufgewachsen. Jetzt singt er seine sehr persönlichen Songs in großen Hallen: Axel Bosse. Seine Markenzeichen: Dreitagebart, legerer T-Shirt-Look, Baseballkäppi. Am 12. Oktober wird sein siebtes Soloalbum veröffentlicht. Vorab im Asphalt-Interview. Welchen Sound hatten Sie sich für das neue Album »Alles ist Jetzt« vorgestellt? Ich habe mir von vornherein gesagt: Es gibt keine Grenzen! Jeder Song sollte diesmal bekommen, was er verdient. Völlig egal, ob das ein Beat ist oder ein altes Beatles-Schlagzeug. Es sollte so bunt sein, wie es nur geht. Dann habe ich Jochen Naaf und Tobi Kuhn angerufen; der eine steht für einen satten elektronischen Sound, der andere hat mit Feine Sahne Fischfilet und den Toten Hosen gearbeitet. Jeder Song auf der Platte hat das bekommen, was Tobi, Jochen und ich konnten.

Wie entstehen Ihre Songs? Ich brauche immer einen Grund, einen Text zu schreiben. Über den Text kommt dann meistens die Musik. Und im besten Fall schreibe ich dann beides zusammen fertig.

Ist der Gesang bei einem Song das Wichtigste überhaupt? Der Text ist auf jeden Fall ein Schwerpunkt. Diesmal fand ich auch die Rhythmussektion sehr wichtig. Ich habe im Studio immens viel Djembe und Bongos gespielt. Mit diesem Unterbau singe ich anders und finde andere Melodien. Ich war nie


Sie gelten als Autodidakt mit unverwechselbarem Sound. Ich war nie auf einer Musikschule, ich habe mir fast alles im Proberaum beigebracht. Ich hatte aber mal Klavierunterricht und spiele gut Schlagzeug, weil ich das wirklich gelernt habe.

In »Alles ist Jetzt« singen Sie von »vielen dummen Menschen, die ihren Hass weitergeben«. Fühlen Sie sich verstrickt in diesen Hass? Es geht ein immenser Rechtsruck durchs Land und es herrscht eine große Unzufriedenheit. Gerade über die Montagsdemos war ich immer geschockt, wenn ich vor dem Fernseher saß. Die Reaktion darauf muss sein, Haltung zu zeigen und für ein buntes Land zu plädieren, für Mitmenschlichkeit und Empathie. Und das versuche ich auf dem Album hier und da. Ich bin sehr oft unterwegs und spreche viel mit jungen Leuten und mit Geflüchteten. Man muss miteinander kommunizieren, weil die Zeit, in der wir leben, sehr kompliziert ist. Die dümmsten Menschen waren schon immer Nazis. Und der ganze Rest, der da so mitläuft, muss bekehrt werden.

Hat sich bei Ihnen in letzter Zeit viel Wut aufgestaut? Jeder schlimme Seehofer- oder AfD-Kommentar macht mich unfassbar wütend. Diese Wut kann ich mir aber zunutze machen, indem ich mich mit meiner Musik, in meinen sozialen Netzwerken und auf meinen Konzerten äußere. Damit kann ich etwas bewirken. Ich habe jetzt das erste Mal in meinem Leben richtig Haltung gezeigt mit einem Album. Meine Platten waren bisher höchstens mal gesellschaftskritisch geprägt, aber nie in diesem Maße. Irgendwann ist mir bewusst geworden, dass Dinge wie Pressefreiheit, Multikultur und Mitmenschlichkeit die Hauptgründe waren, warum ich Musiker geworden bin.

Ist Deutschland noch das Land, in dem es sich zu leben lohnt? Ich habe schon in vielen Ländern gelebt und muss sagen: Deutschland ist ein Land, in dem man super leben kann. Es gibt hier viele tolle Leute, eine tolle Kulturszene, eine freie Presse, ein tolles soziales System, das sicherlich noch ausgebaut werden muss. In vielen anderen Ländern gibt es nicht mal einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Die Altersversorgung in Deutschland muss aber noch besser werden, weil das einer der Hauptgründe ist, weshalb Leute unzufrieden sind und plötzlich anfangen, die AfD zu wählen.

Wie schaffen Sie es, »cool zu bleiben bei dem ganzen Overkill«?

»Overkill« ist ein Song, der vom Bummeln handelt. Ich habe den Tänzer Herrn Spiegelei von Deichkind eingeladen, mit mir den Text zu singen. Ich treffe ihn immer auf seinem Landsitz, das ist eine alte Holzhütte direkt am Kanal. Er schaukelt da immer in der Hängematte und erfreut sich des Lebens. Sein Bauch ist schön vollgefressen mit Sachen vom Grill. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, ich sehne mich nach solchen Auszeiten im Grünen. Aber ich freue mich auch immer, wenn ich mich im japanischen Restaurant eines Freundes durchfressen kann und mich danach leicht angetrunken in einen Park lege.

Schneller, höher, weiter bedeuten Ihnen nichts mehr. Wofür möchten Sie sich gern mehr Zeit nehmen? Besonders gut im Nichtstun bin ich immer dann, wenn ich ganz viel geschafft habe und der Körper sich nicht mehr so richtig bewegen kann. Bei Verschleißmuskelkater kann ich mich richtig entspannen und drei Tage lang nur irgendwo hingucken. Irgendwann fängt es aber wieder an zu kribbeln und Die dümmsten ich muss etwas tun. Ich muss Menschen waren noch lernen, nicht zu früh unruhig zu werden. Aber vielschon immer Nazis. leicht bin ich auch so geprägt.

Sie sind in dem Dorf Hemkenrode im Landkreis Wolfenbüttel aufgewachsen. Auf der Platte besingen Sie Ihre »Hometown«. Welche Orte Ihres Lebens werden Sie nie vergessen? Das ist ein »Riechen-Fühlen-Erinnern«-Song. Wenn ich heute so durch mein altes Dorf tapse und rieche, wie die Nachbarin gerade etwas mit Speck kocht und wie die Wäsche in ihrem Garten nach Perwoll riecht, dann fühle ich mich wieder wie fünf und habe noch mein BMX-Rad. In Hamburg habe ich lange auf St. Pauli gewohnt. Ich hätte unsere Straße mit verbundenen Augen am Geruch erkannt.

Hatten Sie eine unbeschwerte Kindheit in Hemkenrode? Ich hatte eine herrliche Kindheit. In diesem Dorf wird gesoffen, wenn jemand geboren wird, und gesoffen, wenn jemand stirbt. Und sonst ist Schützenfest. In meiner ganz frühen Kindheit bin ich mit meinem BMX-Rad immer zum Bauern gefahren, der hieß Fritz Jordan. Er bekam dann einen Sohn, den er Michael nannte, ohne dass er je von dem gleichna-

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der Typ, von dem die Leute sagen, er hätte eine besonders tolle Stimme. Ich fühle mich eher als ein Texter, der seine eigenen Worte interpretiert.

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Foto: Manuel Lopez/dpa

lieber eine Ausbildung bei der Sparkasse machen. Ich persönlich hatte auf jeden Fall die Zeit, ganz viel zu spielen und ganz viel falsch zu machen. Ich habe trotzdem immer Alben veröffentlicht, die hat aber anfangs niemand gekauft. Ich habe bis heute locker über 1.000 Konzerte gespielt. Zum Glück wurde ich nicht so schnell erfolgreich und konnte mich entspannt entwickeln.

Sind Konzerte für einen Musiker die größte Herausforderung, weil man zeigen muss, was man wirklich kann?

Axel Bosse beim Music Festival Open Air Gampel in der Schweiz.

migen Baskettballspieler gehört hatte. Wir hatten also Michael Jordan im Dorf! Der war natürlich der King, als sein Namensvetter berühmt wurde. Ich habe in meiner Kindheit sehr viele Rübenblätter weggefahren und Felder geerntet, ich saß immer mit auf dem Trecker.

Die Königsdisziplin ist, sich locker zu machen und Freude zu haben. Auftritte sind für mich der Hauptgrund, weshalb ich mit der Musik angefangen habe. Mit Freunden auf der Bühne zu stehen, loszulassen und im Moment zu sein. Seit 16 Jahren schaue ich inzwiIch hatte genug schen meinem Gitarristen Zeit, ganz viel Thorsten in die Augen und falsch zu machen. weiß: jetzt passiert‘s! Und wenn da Leute im Publikum sind, die das berührt, dann passiert da etwas Tolles. Konzerte haben einen hohen Suchtfaktor. Auf der anderen Seite steht das Schreiben, sich Gedanken machen und sich kitzeln.

Waren Ihre Eltern Landwirte? Nein, aber die Dorfgemeinschaft war so toll, dass alle Kinder immer beim Bauern mit auf dem Trecker sitzen durften. Wir hatten im Dorf Pferde, Kühe und einen super Wald. Ich hatte eine tolle Kindheit zwischen Schnitzen und Kühe umstoßen.

Fiel es Ihnen schon immer leicht, Ihre Gefühle über die Musik auszudrücken? Das fühlte sich von Anfang an natürlich an. Ich habe als Schlagzeuger angefangen, aber für meine Bands meistens auch schon getextet. Meine erste richtige Band hieß Des Nachts. Wir trugen Hüte und Fake-Brillen und haben intellektuellen Zupfkram gemacht. Unter anderem vertonten wir Gedichte von Else Lasker-Schüler. Und auf einmal hatte ich fünf Bands.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie genügend Zeit hatten, sich zu entwickeln? Ja, jahrelang. Entwickeln heißt ja, dass man in Ruhe das machen kann, was man möchte. Bis man irgendwann merkt, dass man das vielleicht anders machen sollte. Und dafür auch genug Zeit hat. Junge Bands denken heute, sie hätten überhaupt keine Zeit, aber ich sage denen immer, sie sollen erstmal 60 Nummern schreiben. Und vielleicht will deren Bassist ja doch

Auf dem Album heißt es: »Was du träumst, das musst du machen!« Braucht man viel Mut und Kraft, um seine Träume zu realisieren? Genau das sagt der Song. Ich wollte einmal den Wasserstand durchgeben, wie es mir gerade so geht und was ich so mache. Die Quintessenz daraus lautet: Alles ist jetzt! Interview: Olaf Neumann

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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Zu dem Interview »Nichts ist, wie es scheint« in der August-Ausgabe

Asphalt schätze ich sehr. Themen aus dem »sozialen Bereich«, detaillierte Berichte, Sorgfalt in der Darstellung und sprachliche Qualität gefallen mir. In der August-Ausgabe haben Sie allerdings m.E. mit dem Thema Verschwörungstheorie und dann auch noch mit dem angemaßten und Elite konformen Michael Butter daneben gegriffen. Herr Butter hat eine Darstellung zu den sogenannten Verschwörungstheorien entwickelt, die den zunehmenden Missbrauch dieses Wortes zur Abqualifizierung unerwünschter Recherchen unterstützt. Ich befasse mich mit Wissenschaftstheorie, und dazu gehört die Bildung von Theorien und deren Bestätigung oder Falsifikation. Es gibt aus diesem grundlegenden Ansatz überhaupt keinen Bedarf für das Wort »Verschwörungstheorie«. Vielleicht ist es hilfreich, um die Chemtrails und Aluhüte zusammenzufassen, aber da würde auch eine Bezeichnung wie »schräg«, »lustig«, »absurd« genügen. Das Wort »Verschwörungstheorie« jedoch dient seit langem dazu, eben die Methode der Falsifizierung immer dann zu diffamieren, wenn eine Theorie, die dem Mainstream dient bzw. die bestehenden Machtstrukturen stützt, in Zweifel gezogen wird. Dann werden die Zweifler, die kritisch und oft gründlich recherchieren, diffamiert und in einem Schwung ihre kritischen Fragen in die Schmuddelecke gestellt. Thomas Teichmann, Frankfurt/Main VERBORGEN

VERSTÄRKT

Alles passt ins Muster und ist doch ganz anders

Auf leichten Pfoten: Ratten helfen bei der Landminensuche

Seit 90 Jahren stehen Gitarren unter Strom – Rock sei Dank

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Zu unkritisch

DER SCHEIN TRÜGT

VERSCHWOREN

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Sehr klimaschädlich

In dem Interview sprechen sie erfreulicherweise das Thema Klimawandel an. Die Antwort von Herrn Kaminer ist aus meiner Sicht sehr dünn. Denn eine achttägige Ostseekreuzfahrt bringt es mit 400 km Bahnanreise nach Kiel auf insgesamt 1.800 kg CO2. Eine zwölftägige Kreuzfahrt in der Karibik kommt auf 3.000 kg CO2 plus die notwendige Flugreise ab Frankfurt mit 3.900 kg, macht in der Summe 6.900 kg CO2. Das klimaverträgliche Jahresbudget einer Person liegt bei 2.300 kg CO2 – laut Atmosfair.de. Und die durchschnittliche Jahresemission eines Deutschen beträgt 10.000 kg CO2. Gut gefallen hat mir Kaminers Satz: … »dass Touristen überhaupt nicht mehr klar kommen mit ihrer Umgebung. Sie erkennen sie gar nicht als solche.« Vielleicht eine Beschreibung unserer Gesellschaft. Paul Simons, Hannover WÜRDE

KOSTBAR

Landtag will Beschäftigungsprogramm für Obdachlose

PLANBAR

SCHIFF(S)BAR

Wohnungsnot ist kein Schicksal: Wladimir Kaminer über Zeit zu handeln! Kreuzfahrten, Trump und Theken

Vielen Dank für Ihre Meinung! Die Redaktion behält sich vor, Briefe zur Veröffentlichung zu kürzen. Bitte vergessen Sie nicht, Ihre Absenderadresse anzugeben.

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Asphalt verlost 10 x 2 Karten für den Zoo Hannover

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Foto: Zoo Hannover

Seltene Schildkröte geschlüpft Im Erlebnis-Zoo Hannover ist eine winzige Madagassische Spinnenschildkröte geschlüpft. Das Jungtier ist so klein wie eine 2-Euro-Münze und wiegt gerade einmal 13 Gramm. Ihr Muster auf dem Panzer erinnert an ein Spinnennetz und ist, wie der Fingerabdruck des Menschen, bei jedem Tier einzigartig. Die Spinnenschildkröte zählt zu den kleinsten Landschildkröten der Welt und ist in den Trockenwäldern Madagaskars zu Hause. Die Weibchen legen pro Jahr nur ein einziges Ei. Nach zehn bis elf Monaten schlüpft das kleine Schildkröten-Baby und kann bis zu 70 Jahre alt werden. Neben Hannover züchtet in der Bundesrepublik nur noch der Zoo Berlin diese kleinen Reptilien. Wegen ihrer hohen Beliebtheit bei Terrarienbesitzern wird die Spinnenschildkröte von Tierhändlern oft nach Europa geschmuggelt, wodurch sie in freier Natur vom Aussterben bedroht ist. Mit Asphalt könne Sie zwei Tagestickets für den Zoo Hannover gewinnen! Beantworten Sie uns einfach folgende Frage: Wie viele Eier können Spinnenschildkröten pro Jahr legen?

Zum Interview »Auf hoher See« in der September-Ausgabe

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BRIEFE AN UNS

Schicken Sie uns eine Postkarte, eine E-Mail oder ein Fax mit Ihrer Antwort und dem Stichwort »Zoo« bis zum 31. Oktober 2018 an: Asphalt-Redaktion, Hallerstr. 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover, gewinne@asphalt-magazin.de, Fax 0511 – 301269-15. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Die Lösung unseres letzten Zoo-Rätsels lautet: »eine Schabe«.

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BUCHTIPPS Enttäuschte Liebe Can Merey war lange Türkei-Korrespondent von dpa, im Juli hat er die Leitung des Washingtoner Büros übernommen. In »Der ewige Gast« erzählt er die Geschichte seines Vaters Tosun, der Ende der 1950er Jahre aus Istanbul zum Studieren nach Deutschland kommt. Er heiratet eine Bayerin und wird mit deutschem Freundeskreis und einer Vorliebe für Schweine­braten und Weißbier so etwas wie ein Musterdeutscher. Nur, dass es in Deutschland so einfach nicht ist. Anders als Tosuns Schwester, die nach der Auswanderung in die USA einfach und vollständig US-Amerikanerin wird, bewegen sich die Zuwanderer in der alten Bundesrepublik im Niemandsland der Zugehörigkeiten: Hier »Mitbürger mit Verfallsdatum«, in der alten Heimat Almancılar, »Deutschländer« – bis Erdoğan kommt und sich des tief gekränkten Stolzes der Deutschtürken annimmt. Auch Tosun, der kluge, weltgewandte Musterdeutsche, hat im hohen Alter den Versuch aufgegeben, als Deutscher anerkannt zu werden und wird zum Erdoğan-Versteher. »Der ewige Gast« ist ein bewegendes Porträt, eine bittere Bilanz deutscher Integrationsgeschichte, der wohl substantiellste Beitrag zur Özil-Debatte und eine kluge Analyse zur Gegenwart der deutsch-türkischen Eiszeit. BP Can Merey | Der ewige Gast. | Blessing | 17 Euro

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Warum bist du arm?

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Vielleicht ist William Vollmann ein bisschen verrückt. Verschroben zumindest. Und ein manischer Schreiber, der stückchenweise ins Deutsche übersetzt wird. Er schreibt über Prostitution und Fukushima, über Obdachlose und Klimawandel – oder mal eine 3.000-Seiten-Collage über Gewalt (»Rising Up and Rising Down«). Der Una-Bomber ist er nicht, auch wenn ihn das FBI zwischenzeitlich im Verdacht hatte. Vollmann ist einer, der sich der Welt aussetzt. Kein Soziologe, auch wenn er so klingen kann, kein Porträtmaler, einer, der sich hineinwirft. Verletzlich, distanzlos, unverantwortlich – und, weil das eben auch so ist, manchmal ratlos. Er trifft in Thailand Sunnee, die putzen geht und zu viel trinkt, in Russland die bettelnde Natalia, die Epileptikerin ist, und in Kyoto die Obdachlosen Kleiner Berg und Großer Berg. Er befragt Fischer im Jemen, Prostituierte in Kenia – und die Leute, die auf dem Parkplatz vor seinem Haus in Sacramento leben. (Knapp hundert Fotoseiten mit Porträts sind dem Text angehängt.) Von allen will er wissen: Warum bist du arm? Eine eigensinnige Annäherung an die Erklärungen, Begründungen, Rationalisierungen oft kaum auszuhaltender Ungleichheit. BP William T. Vollmann | Arme Leute. Reportagen | Suhrkamp | ca. 22 Euro | Epubli | 12,90 Euro


Unterhaltung

Konzert Trio Milina Ein buntes Programm aus Balkan Folklore, gemixt mit Jazz, Tango und Funk, bietet das Trio Milina in der Marlene Bar. Die vier Musiker um Akkordeonist Jovica Ivanovic haben alle eine klassische Ausbildung, viel Erfahrung in Improvisation und verleihen Tradition, Klassik und Moderne ganz eigene Interpretationen. Milina, was auf serbisch »das schönste Gefühl« bedeutet, versuchen die vier Künstler mit ihrer Musik in jeden ihrer Gäste zu zaubern. Donnerstag, 11. Oktober, 20 Uhr, Bar Marlene, Prinzenstraße 10, Hannover, Eintritt frei.

Foto: Stephan Lengsfeld

Crossover an der Orgel

Staunen, lachen und träumen Visuelle Comedy, exzessive Mimik, dynamische Emotionen, Tanz, Pantomime und Schauspiel – das ist »Duo Mimikry«. Die beiden Schauspieler, Nicolas Rocher und Elias Elastisch, erzählen auf geschickte Weise Geschichten ganz ohne Worte. Ob ein Bestattungsinstitut ohne Kunden oder eine postmoderne Neuinszenierung von Rapunzel – die Künstler verleihen der Pantomime einen ganz neuen, modernen Charakter und bringen ihr Publikum zum Lachen, Staunen und Träumen. Samstag, 6. Oktober, 20 Uhr, Kunst & Bühne, Nordwall 46, Celle, Karten in der Tourist Information im alten Rathaus oder unter www.celle-tourismus.de, Eintritt 17 Euro, erm. 11 Euro.

Spricht man von einem Orgelkonzert denken viele als Erstes an Kirchenmusik und Bach. Doch die Konzerte von Joa­ chim Thoms sind ganz anders. Cross­ over-Konzerte als geschlossenes Bühnenprogramm, thematisch und musikalisch durchgearbeitet, ist sein Markenzeichen. In seinem neuen Programm »Sahara« spielt der Berliner Organist verschiedene Stile und Tänze wie Tango, Jazz und Flamenco. Mit unterhaltsamen Geschichten und kleinen Überraschungen führt der Künstler seine Gäste höchstpersönlich durchs Programm. Freitag, 19. Oktober, 19.30 Uhr, St. Martinskirche Hannover-Linden, An der Martinskirche 15, Hannover, Eintritt frei.

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KULTURTIPPS

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Foto: Alexander Hess

Naturparkkino Magie der Moore In vielen Filmen lassen sie uns erschaudern, wenn Menschen oder Tiere langsam in ihnen versinken. Den meisten sind sie unheimlich, voller Mystik und schauriger Geschichten – die Moore. Doch intakte Moore sind viel mehr als ein mystischer Ort. Sie haben eine große Bedeutung für den Klimaschutz und zahlreiche Pflanzen und Tiere. In seinem Film »Magie der Moore« zeigt Naturfilmer Jan Haft die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt dieser faszinierenden Landschaft. Sonntag, 21. Oktober, 15 Uhr, Naturpark Infozentrum Steinhude, Am Graben 4 – 6, Wunstorf-Steinhude, Eintritt frei.

Sonstiges Talk zu sozialer Gerechtigkeit »Stichwort Geld: Brauchen wir eine gerechtere Umverteilung?« So lautet in diesem Monat der Titel der neuen Polit-Talk-Reihe von Caritas, LAK und Asphalt im ka:punkt. Jörg Bode, Ex-Wirtschaftsminister und stellv. Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, stellt sich in zwangloser Runde den Fragen von Klaus-Dieter Gleitze, Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz Niedersachsen, und selbstverständlich gern auch dem kritischen Nachhaken aus den Reihen des Publikums. Für entspannte Atmosphäre sorgen Kaffee und Kuchen kostenlos. Donnerstag, 18. Oktober, 16 – 17 Uhr, Treffpunkt ka:punkt, Grupenstr. 4, 30159 Hannover, Eintritt frei.

Mythos Oktoberfest Seit über 200 Jahren zieht das Münchener Oktoberfest Millionen von Menschen aus aller Welt in seinen Bann. Doch was treibt die Besucherinnen und Besucher jedes Jahr aufs Neue auf die Wiesn? Wie kann es sein, dass sich der Trachtenlook mit Dirndl, Lederhose und Co. immer mehr als Modetrend durchsetzt? Darüber diskutiert Moderatorin Tanja Schulz mit ihren Gästen, Diplom-Psychologin Brigitte Veiz, Hannover-Concerts-Geschäftsführer Nico Röger, Gil Maria Koebberling vom Exposeeum e.V., und dem Publikum im Haus der Region in der Reihe »Matinee im Foyer«. Titel: »O’zapft is! Mythos Oktoberfest«. Sonntag, 14. Oktober, 11 Uhr, Haus der Region, Hildesheimer Straße 18, Hannover, Eintritt 3 Euro/Getränke sind frei.

Interkulturelle Modenschau Mode, Musik und Tanz vereint auf einer Bühne – das Barock-Ambiente der Herrenhäuser Galerie bietet erneut die perfekte Kulisse für die FASHION & DANCE. Zehn Hannoversche Designerinnen und Designer zeigen auf der Modenschau einen bunten, durch viele Kulturen beeinflussten Mode-Mix. Präsentiert werden die Designerstücke von Tanzgruppen und Models, die durch HipHop, Street Dance, Ballett sowie orientalische und zeitgenössische Tänze interpretiert werden. Samstag, 27. Oktober, 17 und 20 Uhr, Galerie Herrenhausen, Herrenhäuser Straße 3a, Hannover, Karten erhältlich unter www.vvk-kuenstlerhaus.de oder www.eventim.de, Eintritt 1. Reihe 35 Euro, 2. Reihe 25 Euro, 3. Reihe 15 Euro, erm. 30 Euro, 20 Euro, 10 Euro, zzgl. Verkaufsgebühren.


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Ausstellung Falco privat Mit Liedern wie »Rock me Amadeus«, »Jeanny« und »Vienna Calling« stieg Falco einst zum Weltstar auf. In seinem Musikerleben feierte er viele Erfolge, musste aber auch Rückschläge einstecken. Viel zu früh starb der österreichische Ausnahmekünstler. Die Ausstellung »Falco, in Gars am Kamp« zeigt jetzt die private Seite hinter der Kunstfigur, den Menschen Johann Hölzel. Zum ersten Mal werden über 100 originale Exponate und persönliche Erinnerungsstücke aus seiner Villa in Gars am Kamp ausgestellt und großformatige Innen- und Außenaufnahmen der Öffentlichkeit präsentiert. Eröffnet wird die Ausstellung am Freitag, den 19. Oktober, um 21 Uhr. Der Eintritt hierfür ist frei. Bis 17. März 2019, dienstags bis freitags und sonntags 14 – 19.30 Uhr, Theatermuseum, Prinzenstraße 9, Hannover, Eintritt 5 Euro, erm. 3 Euro.

36 Am Lindener Berge 38 30449 Hannover · Telefon 45 44 55 www.jazz-club.de

OKTOBER 2018 Dienstag, 2. Oktober ARI HOENIG Eintritt: 15 Euro/erm. 10 Euro Samstag, 6. Oktober STEPHAN ABEL & PHILIPP KACZA The Best Of Jazz Classics Eintritt: 20 Euro

Mein Hannover All diejenigen, die die erste Ausstellung verpasst haben, bekommen nun eine zweite Chance. „Mein Hannover – Menschen ohne Wohnung fotografieren ihre Stadt“ geht in die nächste Runde. Eröffnet wird die Ausstellung im Freizeitheim Linden mit einem Vortrag zur Wohnsituation im Ihmezentrum durch den Diakoniechef Rainer Müller-Brandes. Rolf Nobel, Professor und Gründer des Lumix Festivals, gibt anschließend einen Einblick in die Besonderheiten der Straßenfotografie. Nach einem Rundgang durch die Ausstellung führt ein Asphaltverkäufer auf einem sozialen Spaziergang durch Linden zum Ihmezentrum, wo der zweite Teil der Ausstellung eröffnet wird. Das Sonderheft zur Ausstellung gibt es bei Ihrem Straßenverkäufer oder direkt bei Asphalt. Samstag, 3. November, 14 Uhr, Freizeitheim Linden, Windheimstraße 4, Hannover, Eintritt frei.

Freitag, 12. Oktober EB DAVIS The Blues Ambassador Eintritt: 20 Euro Montag, 15. Oktober Die Jazz Musiker Initiative & Jazz Club präsentieren NDR INFO LIVE RECORDING TOM RAINEY „OBBLIGATO“ Eintritt: 20 Euro Freitag, 19. Oktober JAZZ ART NIEDERSACHSEN ENSEMBLE In Wahrheit: Jazz! Eintritt: 20 Euro/erm. 15 Euro Samstag, 20. Oktober FRIEND & FELLOW Live 2018! Eintritt: 20 Euro/erm. 15 Euro

Foto: Sylvia R.

Samstag, 27. Oktober Antenne Métropole und der Jazz Club präsentieren VINCENT PEIRANI Living Being II – Nightwalker Eintritt: 20 Euro Konzertbeginn jeweils um 20.30 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr

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IHR ENGAGEMENT

Herausgeber: Rainer Müller-Brandes Gründungsherausgeber: Walter Lampe Geschäftsführung: Georg Rinke Redaktion: Volker Macke (Leitung), Grit Biele, Svea Kohl, Ulrich Matthias Fotografin/Kolumnistin: Karin Powser Gestaltung: Maren Tewes Freie Mitarbeit dieser Ausgabe: B. Grashorn, O. Neumann, S. Przybilla, B. Pütter, G. Schild, S. Szameitat, K. Zempel-Bley Anzeigen: Heike Meyer Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter) Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15 Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1 Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 25.000 Asphalt erscheint monatlich. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 24. September 2018 Für unaufgefordert eingesandte Manus­ kripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben. Unsere vollständige Datenschutzerklärung finden Sie auf www.asphalt-magazin.de/impressum. Alternativ liegt diese zur Ansicht oder Mitnahme in unserer Geschäftsstelle aus. Gesellschafter:

Machen Sie mit! Die Runde der Ehrenamt­lichen trifft sich an jedem letzten Dienstag im Monat in den hannoverschen Asphalt-Redaktionsräumen. Da werden Veranstaltungen organisiert, Info-Stände geplant und Ideen gesammelt, um die Arbeit von Asphalt engagiert zu unterstützen. Besonders für unsere Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer ist es wichtig zu spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen. Wir freuen uns, wenn Sie sich dieser lebendigen Runde anschließen möchten! Rufen Sie uns einfach vorher an: 0511 – 30 12 69-0. Das nächste Treffen ist am Dienstag, 30. Oktober, um 17 Uhr.

Verkäuferausweise

Foto: hakase420/fotolia.com

Impressum

Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei VerkäuferInnen mit gültigem Ausweis! Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Hellblau

In eigener Sache: Ihre Daten Liebe Leserinnen und Leser, bisher fanden Sie an dieser Stelle eine wunderbare Sammlung von Namen, von Menschen, die es gut mit Asphalt und den Asphaltern meinen. Menschen, die Asphalt mit Spenden in unterschiedlicher Höhe unterstützt haben. Die Namensliste war unser Dankeschön an Sie. Und auch irgendwie ein fortlaufendes Dokument einer großen Asphalt-Familie. Gerne hätten wir das weiter so gemacht. Aber nun gibt es die neue europäische Datenschutzrichtline DSGVO. Sie setzt uns – strafbewehrt – sehr enge Grenzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Wenn Sie uns Geld spenden, dann ist Ihr Name gemäß DSGVO für die Ausstellung einer Spendenquittung nötig und die Verarbeitung dafür erlaubt. Für ein öffentliches Dankeschön unsererseits aber dürfen wir den Namen ohne explizites Einverständnis nicht mehr veröffentlichen. Deshalb hier ein großes Dankeschön an Sie alle. Volker Macke Anzeige

Muss man hören: Hertzliches Hannover das Wohnungslosen-Magazin. Immer am 2. Montag im Monat, 17 Uhr.

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger

... auf UKW 106.5 oder Kabel 102.5 und bei www.leinehertz.de


Aus den nachfolgenden Silben sind 19 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben – jeweils von oben nach unten gelesen – ein Sprichwort der Tuareg ergeben: ado – as – bel – chen – der – dia – eg – en – er – er – erd – ge – gen – ger – gro – heit – in – in – kar – kauf – lei – mant – mehr – mus – na – na – ne – ne – nen – neu – nig – nin – nis – no – null – nuss – on – on – re – rif – rös – sa – si – stau – ta – thu – ti – tron – ver – wahr – we

1. Prophet 2. sich wundern 3. gratis 4. schwedischer Chemiker im 19. Jahrhundert 5. der größere Teil einer Gruppe 6. Hahnenfußgewächs 7. Elementarteilchen 8. sehr wertvolles Mineral

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir viermal den raffinierten Roman »Alles was glänzt«. Marie Gamillscheg nimmt den Leser mit in eine allmählich verschwindende Welt. Vielstimmig und untergründig erzählt ihr Debüt von einer kleinen Schicksalsgemeinschaft im Schatten eines großen Bergs und vom Glanz des Untergangs wie des Neubeginns. Ebenfalls viermal können Sie den spannenden Roman »Summ, wenn du das Lied nicht kennst« von Bianca Marais gewinnen. Ein weißes Mädchen und ihre schwarze Kinderfrau trotzen dem Hass des Apartheidregimes. Südafrika 1976. Die neunjährige Robin wächst behütet in einem Vorort von Johannesburg auf. Als ihre Eltern getötet werden, führt das Schicksal sie zu Beauty Mbali, einer verwitweten Xhosa-Frau, die sich allein um ihre Kinder kümmert. Eine innige Beziehung entwickelt sich ... Insgesamt dreimal gibt es die wunderbare CD »Badiane – Song Of The Blue Tree« zu gewinnen. Mit Geige, Kontrabass, Mandoline, Banjo(!), Perkussion und Vibraphon lässt Badiane einen akustischen Kosmos erklingen, der in seiner sinnlichen Oppulenz seinesgleichen noch sucht. Dem belgischen Quartett gelingt es, ganz unterschiedliche Stilistiken von Folk über Ethno bis »Minimal« in einem homogenen Konzept zu vereinen. Die Lösung des September-Rätsels lautet: Lächeln ist das Kleingeld des Glücks. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 301269-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de. Einsendeschluss: 31. Oktober 2018. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

9. Mädchenname 10. Edelgas 11. geringe Menge 12. Begeisterung 13. Stadt in Holland 14. Umsatz, Abgabe einer Ware 15. landwirtschaftliches Gerät 16. Seelenwanderung, Wiedergeburt 17. Fluss in Hannover 18. Bewohner eines asiatischen Subkontinents 19. tropische Kulturpflanze

ASPHALT 10/18

SILBENRÄTSEL

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