2019 08 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

08 19 25 JAHR

NEUER ANTISEMITISMUS? MENSCHENFEINDE

MENSCHENWÜRDE

MENSCHENRECHTE

Antisemiten bedrohen nicht nur Juden

Armenbegräbnisse lassen wenig Raum für Abschied

Straßenzeitungen aus aller Welt bei Asphalt

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Notizblock Der Hass kehrt zurück Antisemitismus I: Wie Trump und das Internet Rassismus und Antisemitismus fördern. Und wo der Hass in Deutschland seinen Nährboden findet.

10 Eine neue Bedrohung Antisemitismus II: Rebecca Seidler über jüdisches Leben in Deutschland, ihr Engagement für Toleranz und Demokratie und den Wert von Begegnungen.

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Nachts ist´s dunkel Rainer Müller-Brandes über das Schlafen obdachloser Menschen auf öffentlichen Plätzen.

16 Meine Worte Texte aus der Asphalt-Schreibwerkstatt.

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Wer war eigentlich ... Wilhelm Bluhm?

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Aus der Szene Kein Platz für Engel Bernd ist tot. Er war ein armer Mann und bekam nun ein Armenbegräbnis. Wie Hunderte jährlich allein in Hannover.

23 Das muss mal gesagt werden 24 Aus dem Leben von Asphalt-Verkäufer Micha

26 Briefe an uns 28 Rund um Asphalt 29 Zoo-Rätsel 29 30

Impressum/Ihr Engagement Gelernt und gefeiert 25 Jahre Asphalt und 25 Jahre INSP. Zum Doppeljubiläum war das Netzwerk der Straßenzeitungen zur Konferenz in Hannover.

34 Buchtipps 35 August-Tipps 38 Silbenrätsel Titelbild: natushm/shutterstock.com

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Brodowys Momentaufnahme

Das Asphalt-Prinzip Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung. Spenden Sie bitte an: Asphalt gGmbH bei der Evangelische Bank eG, IBAN: DE35 5206 0410 0000 6022 30, BIC: GENODEF1EK1


es ist ernst. Die Grenze des Sagbaren wird Stück für Stück immer weiter verschoben. Die Folge: Anschläge in unmittelbarer Nachbarschaft, wie jüngst auf das jüdische Ehepaar in Hemmingen, haben eine so kurze Aufmerksamkeitsspanne der Öffentlichkeit, dass es einen erschaudern lässt. Noch sitzen sie nicht auf gepackten Koffern. Aber man sehe sich in der jüdischen Community in Deutschland – auch hier in Hannover/ Niedersachen – bereits nach festen Koffern um, sagt Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde im Interview zu unserem Aufmacherthema. Denn Antisemitismus hat Konjunktur. »Etz-Chaim – Baum des Lebens« heißt das Gemeindezentrum von Rebecca Seidler. Längst bekommt es regelmäßig Drohmails. »Baum des Lebens« hieß auch die Synagoge, die im vergangenen Jahr zum Ziel eines rechtsextremen Terroranschlags in Pittsburgh in den USA wurde. Elf Menschen hatte der Antisemit ermordert, sechs weitere verletzt. Er habe sich irgendwie bedroht gefühlt, sagte er später. Von betenden Menschen? Antisemitismus ist ein globales Phänomen, hat Jonathan Weisman, Redakteur der renommierten New York Times, in Folge des Anschlags umfassend recherchiert. Er tauchte ab ins Internet, in die Hatespeech-Seiten politischer Organisationen, aus denen sich der Hass nährt, und in die Verklausulierungen, die Codes der rechten Antisemiten. Auch mit ihm haben wir gesprochen. Über Trump, Alt-Right, über Missverständnisse und Brüche auch innerhalb der jüdischen Community und über die »Banalität des Bösen«. Offen sein, Verständnis, Dialog und Information sind jetzt die angezeigten Werkzeuge. Einen kleinen Beitrag wollen wir mit dieser Ausgabe leisten. Denn Asphalts Kern, Augenhöhe und Würde, kennt keine Grenzen. Eine interessante Lektüre wünscht

Volker Macke · Redaktionsleiter

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

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Foto: G. Biele

Mehr Geld für Geisteswissenschaften Hannover. »Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften fördern das Verständnis für die Vergangenheit, schärfen den Blick auf die Gegenwart und setzen Impulse für die Gestaltung moderner Gesellschaften«, hat das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) erkannt. Deshalb werden Projekte von überregionalem Interesse aus diesen Bereichen über das Programm Pro*Niedersachsen gefördert. Im nächsten Jahr werden dafür 4,5 Millionen Euro bereitgestellt, wie das MWK mitteilt. Zu den ausgewählten Projekten zählt auch – Fridays for future lässt grüßen – die Erforschung von Postwachstumsökonomien aus der Perspektive Jugendlicher im Kontext einer gesellschaftlichen Transformation. Soll heißen: wie geht’s weiter, wenn der Spaß vorbei ist? UM

Hannover. Sieben Tage lang haben Altenpflegerin Anna Glokowska (li. im Bild) und ihre KollegInnen an verschiedenen stark besuchten Standorten in Hannover eine Mahnwache abgehalten. Mit ihrer Aktion wollten Pflegekräfte aus ganz Niedersachsen die Bevölkerung erneut auf die Missstände und den dramatisch angestiegenen Personalnotstand im Pflegebereich aufmerksam machen. »Aktuell kommen im Krankenhaus etwa 30 Patienten auf eine Pflegefachkraft, in Pflegeheimen sind es teilweise sogar bis zu 120 Bewohner, für die gerade mal eine einzige Pflegefachkraft zuständig ist. Unter diesen Bedingungen ist eine menschenwürdige Pflege gar nicht mehr möglich«, kritisierte Glogowska. Der Fachkräftemangel wirkt sich aber nicht nur auf die Qualität aus. Einige Krankenhäuser mussten bereits Patienten abweisen, in manchen Häusern kam es zu Schließungen ganzer Stationen. Eine Verbesserung der Zustände ist nicht in Sicht. Auf knapp 1.000 offene Stellen in Niedersachsen kämen derzeit gerade mal etwas mehr als 300 Bewerber. Auch die heftig umstrittene, neu eingerichtete Pflegekammer betrachten die Protestierenden als abschreckend für Berufseinsteiger. Dabei gibt es von Seiten der Pflegekräfte bereits Lösungsvorschläge. »Die Privatisierung muss endlich gestoppt und Krankenhäuser sowie Alten- und Pflegeheime wieder in öffentliche Hände gegeben werden. Leider wird das von der Politik aber nicht umgesetzt, weil ihr Fokus auf der Wirtschaftlichkeit liegt. Doch Wirtschaftlichkeit hat in keinem sozialen Bereich etwas verloren. Schon gar nicht im Gesundheitswesen«, bemängelt Glogowska. GB

ZAHLENSPIEGEL »ARBEIT UND DANACH«

»Pflegenot = Menschentod«

Im Jahr 2018 waren in Deutschland

51,8 Mio. Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 66 Jahren. Bis zum Jahr 2035 wird die erwerbsfähige Bevölkerung um bis zu 6

Mio. schrumpfen.

Ohne Nettozuwanderung gar um 9 Mio.. Die Zahl der Menschen im

Alter ab 67 Jahren stieg bereits zwischen 1990 und 2018 um 54 % von 10,4 auf 15,9

Mio.. Sie wird bis

2039 um weitere 5 bis 6 Mio. auf mindestens 21 Mio. wachsen. Die Zahl der Menschen im Alter ab 80 Jahren wird von 5,4 Mio. im Jahr 2018 auf 10,5 Mio. im Jahr 2050 wachsen.


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Hannover. Die Armutsrisikoquote lag in Niedersachsen 2017 bei 15,8 Prozent, wie das Landesamt für Statistik Niedersachsen bekannt gab. Damit gelten 1,24 Mio. Menschen in Niedersachsen als von Armut betroffen. Die Landesarmutskonferenz (LAK) Niedersachsen bezeichnet die Situation in den Ballungsräumen als besonders prekär: 44 Prozent aller Haushalte in Oldenburg müssten mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für ihre Miete (brutto-kalt) ausgeben, in Hannover 43,3 Prozent und in Braunschweig 41,1 Prozent. Von einer Wende ist derzeit nichts zu spüren: Die Landeshauptstadt Hannover sehe sich in einem aktuellen Städtevergleich unter 15 Großstädten in Deutschland auf dem drittletzten Platz nach fertiggestellten Wohnungen und sei bei der Erteilung von Baugenehmigungen Vorletzte, wie die Ratsfraktion der Linken kritisiert. Mindestens 3.000 Wohnungen müssten jährlich allein in Hannover gebaut werden. Die LAK fordert deshalb die Gründung einer gemeinnützigen Landeswohnungsbaugesellschaft. UM

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Foto: Jens Schulze/ Repro: V. Macke

Hohe Mieten schaffen Armut

Vor 25 Jahren – Wie alles begann

DIE AUFREGUNG STEIGT

25 JAHR

Alle Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, damals im August 1994. Das Heft ist geplant, die meisten Texte sind geschrieben, die Zeichnungen fast fertig. Sogar manche Anzeige hat »Bobesch« von der H.I.o.B. (li. Im Bild) bereits akquirieren können. Bald soll sie erscheinen, die erste Ausgabe von Asphalt, die erste Ausgabe der sozialen Straßenzeitung für Hannover. Das Vertriebsteam, angeleitet vom immer noch »Platte machenden« Richard Hoffmann (2. v. li.), stellt bereits Verkäuferausweise aus – die Hoffnung ist groß in der Wohnungslosenszene, dass sich mit Asphalt etwas ändern wird. An den ganz persönlichen und an den sozial­ politischen Verhältnissen in Hannover. Ein Info-Nachmittag in den Redaktionsräumen in der Schuhstraße für die künftigen Verkäuferinnen und Verkäufer platzt aus allen Nähten. Aus der benachbarten Kneipe in der Knochenhauerstraße müssen Stühle ausgeliehen werden. Der Wirt gibt gern, wie er glauben viele in diesen Tagen im Sommer 1994 an den Erfolg des einmaligen sozialen Projekts. Zum Beispiel auch Thomas Walter (re. im Bild): Der gerade frisch angetretene neue Sozialdezernent der Landeshauptstadt spendet 3.000 Mark. Für drei der engagierten Asphalt-MacherInnen können ABM- und BSHG-Stellen eingerichtet werden. Asphalt soll keine Eintagsfliege in Hannovers Medienlandschaft bleiben. Auf 25 Jahre Erfolg aber wettet damals noch keiner. Der Fokus liegt zunächst auf Ende August. Für den 28.8. wird der große Aufschlag geplant. Auf dem Platz vor der Oper soll es losgehen … Fortsetzung in Asphalt 09/2019

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Foto: Hadrian/shutterstock.com

DER HASS KEHRT ZURÜCK Elf Tote bei einem Attentat auf eine Synagoge in den USA, ein Brandanschlag auf das Privathaus eines älteren jüdischen Ehepaars, mitten in Deutschland, bei Hannover. Der Judenhass kehrt zurück, nicht zuletzt auch über die Sozialen Medien. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein hat Juden davor gewarnt, überall in Deutschland die Kippa zu tragen. Er sehe eine zunehmende gesellschaftliche »Enthemmung und Verrohung«, die dem Antisemitismus neuen Nährboden liefere. So schlimm es klingt, überraschend kommt diese Entwicklung nicht. Der Antisemitismus schwimmt in der Bugwelle einer breiteren Bewegung, die den liberalen Soziologen Ralf Dahrendorf bereits 1997 vermuten ließ, wir stünden vor einem autoritären Jahrhundert. Tatsächlich waren autoritäre, nationalradikale Einstellungen bereits zu Beginn der 2000er Jahre weit verbreitet, wie der Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer analysierte. Vor allem drei Faktoren verhinderten lange ihre Manifestation: das enge Netz des Sozialstaates, die als legitim

anerkannte politische Repräsentation und das fehlende parteipolitische Angebot. Mit Hartz-IV, der Flüchtlingsbewegung von 2015 sowie dem Entstehen der AfD sind diese Barrieren für viele fortgefallen. Und das Internet mit den Sozialen Medien dient den Hassbotschaften als mächtiger Verstärker.

Das Internet der Hater Der US-amerikanische Journalist Jonathan Weisman wurde gewaltsam in die hasserfüllten Ecken des Internets eingeführt. Es begann, als er ein Zitat aus einem Artikel twitterte und eine ungewöhnliche Antwort erhielt. »Hallo (((Weisman)))« twitter-


Was war der Anlass für Sie, mit der Arbeit an diesem Buch zu beginnen? Das war der Aufstieg des weißen Nationalismus in den Vereinigten Staaten, der sich seit geraumer Zeit verstärkt hat. Die weiße nationalistische Bewegung, die sogenannte Alt-Right, hat zwar ihre Anfänge in 2007, 2008, aber der Wahlsieg von Donald Trump hat dem weißen Nationalismus und seinem autoritären Fanatismus neues Leben und neuen Atem eingehaucht. Es ist eine globale Bewegung, die nun an Fahrt gewinnt. Ein fanatischer Autoritärer hat gerade die Präsidentschaft in Brasilien gewonnen, in Österreich, Italien und den Philippinen gewinnt die Bewegung an Macht. Und wenn ich mir ansehe, was in Frankreich geschieht, ahne ich, was alsbald folgen wird. Diese Entwicklung fühlt sich beängstigend an, und es ist an der Zeit festzustellen, dass wir vor einer echten globalen Krise der Demokratie stehen.

Foto: Gabriella Demczuk

Sie haben über Ihre Erfahrungen mit dem »belling«, der Kennzeichnung im Internet geschrieben. Wie lief das ab?

Jonathan Weisman ist Redakteur der New York Times in Washington. In seinem neuen Buch »(((Semitism)))« schreibt er über den wachsenden Rassismus und Antisemitismus im Amerika des Donald Trump.

Ich war verblüfft von der schieren Menge an Angriffen, die auf mich zukamen. Die meisten von ihnen waren auf Twitter, aber dann ging es auf Facebook weiter und ich erhielt E-Mails und Sprachnachrichten und ich fragte mich, woher so viele Leute wissen, wer Jonathan Weisman ist? Es war befremdlich, das Volumen und die enorme Geschwindigkeit. Wenig später erfuhr ich, dass die drei Klammern, die um meinen Namen herum auftauchten, mehr als nur eine Markierung waren. Die drei Klammern bedeuten »jüdisch«.

Deshalb dieser seltsame Buchtitel: (((Semitismus))). Aber wie verbreitet sich diese Kennzeichnung? Es gibt eine Software namens Coincidence Detector. Bei der Google-Suche werden im Allgemeinen keine Satzzeichen erfasst. Aber wenn Sie diese Software in Ihr System integrieren,

können Sie nach den drei Klammern suchen. Es ist schon erstaunlich. Die American Defamation League hat einen Bericht über jüdische Journalisten verfasst, die während des Wahlkampfes 2016 ins Visier genommen wurden. Wir sprechen hier über Milliarden Aufrufe auf Twitter mit diesen drei Klammern. Ich war in der Top 10 Liste aller Personen, die ins Visier genommen wurden. Die Nummer eins war Ben Shapiro, denn der galt als Apostat. Er ist Jude, er hatte für Breitbart [rechte Website] gearbeitet, doch dann verließ er das Magazin, weil es antisemitisch war, und ich schätze, das galt als die schlimmste aller Sünden, weil er Teil der Bruderschaft war und sie nun anprangert.

Was war das für eine Erfahrung für Sie, diese Nachrichten zu erhalten? Man sieht diese Bilder, Holocaust-Bilder, antisemitische Bilder, dann kommen die Gewaltandrohungen und man ist geneigt, einfach darüber hinweg zu gehen, weil es nur das Internet ist - es gibt eben viele dumme Dinge im Internet. Aber was mir Angst machte, war die Organisiertheit. Es war ja nicht so, dass einige zufällige Leute mich entdeckt haben, sondern ich wurde ins Visier genommen und es gab eine Organisation dahinter.

Wie organisieren sich diese Gruppen, wie finden sie ihr Publikum? Wenn man anfängt, sich in diesen Kreisen zu tummeln, wird man mit viel gewalttätigen Elementen in Berührung kommen. Das ist es, was eigentlich etwas beängstigend ist, denn früher hatten die Fanatiker dieser Welt ihre eigenen kleinen Ghettos. Sie sprachen mit sich selbst, sie hatten Newsletter und ihre Websites wie den Daily Stormer oder Stormfront. Dann lernten sie jedoch, wie sie ihre Ideologie an Orte bringen konnten, an denen sie andere Menschen erreichen können. Heute kann man in Chatrooms oder auf YouTube gehen und ohne Probleme rassistische und antisemitische Kommentare oder Geschwätz sehen. Das ist absichtlich so.

Es gibt aber nicht nur die klaren Hassbotschaften, sondern oft auch verklausulierte Äußerungen? Genau. Sie halten sich selbst gerne für ironisch. Sie haben ein eigenes Vokabular, das man kennen muss. Sie halten es für lustig. Es soll schlau wirken und nur für die Eingeweihten verständlich sein, wie mit dem

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te »CyberTrump«. Was folgte, war eine Flut von Beschimpfungen und Drohungen auf Twitter, in Weismans Posteingang und auf seinem Anrufbeantworter. Mit den Dreifachklammern war er gekennzeichnet worden (sogenanntes »belling«), eine Konvention, die von der Alt-Right-Bewegung erfunden wurde, um jemanden als »jüdisch« zu markieren. Doch Weisman ließ sich nicht einschüchtern, verfasste stattdessen ein Buch über seine Erfahrungen: (((Semitismus))). Ein Gespräch über den Antisemitismus im globalen Netz und in den USA.

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Foto: John Gomez/shutterstock.com

Da Goyim, der alles weiß. Sie verwenden jede Menge Phrasen. Ich erinnere mich an eine Pro-Trump-Kundgebung in Huntington Beach, Kalifornien. Dort gab es einen Kerl, der ein Schild mit der Aufschrift »Da Goyim weiß alles« hochhielt. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung einer weltweiten jüdischen Verschwörung. Der ganze Satz lautet: »Da Goyim weiß es, beendet es.« Indem er dieses Schild hielt, zeigte dieser Typ allen, die wissen, was dieser Spruch bedeutet, dass sie hier sind und dass sie alle Teil einer einzigen Bruderschaft sind, die sich gegen die angebliche Verschwörung stellt.

Also dann, wie fühlt es sich an, ein Mitglied dieser weltweiten Verschwörung zu sein? Wissen Sie, im Grunde ist es lustig, weil Juden immer mit der Behauptung konfrontiert werden, dass sie Hollywood regieren, die Medien beherrschen und dann werden alle Juden gezeigt, die tatsächlich in herausgehobenen Positionen sind. Aber wir sind kein besonders organisiertes Volk. Wir stecken nicht unter einer Decke. Die Idee, dass wir alle vereint sind, um die Welt zu regieren, ist verrückt, weil wir alle hauptsächlich miteinander

Protestplakat gegen Trumps rassistische Politik mit Anspielung auf den Ku-Klux-Klan (KKK).

kämpfen. Seit dieses Buch herauskam, kostete mich der Streit mit Juden unheimlich viel Energie.

Worum ging es bei dem Streit?

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a m n e s t y a f t e r wo r k Schreiben Sie für die Menschenrechte – gegen Verfolgung, Gewalt und Folter

Gemeinsam für die Menschenrechte Sie können helfen: Wir laden Sie herzlich ein, uns montags zu besuchen. Lassen Sie Ihren Tag mit einer guten Tat bei Kaffee, Tee und Gebäck ausklingen, indem Sie sich mit Faxen, Petitionen oder Briefen gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einsetzen. Öffnungszeiten: Montag 18 bis 19 Uhr after work cafe Dienstag 11 bis 12 Uhr, Donnerstag 18.30 bis 19.30 Uhr amnesty Bezirksbüro Hannover Fraunhoferstraße 15 · 30163 Hannover Telefon: 0511 66 72 63 · Fax: 0511 39 29 09 · www.ai-hannover.de Spenden an: IBAN: DE23370205000008090100 · BIC: BFSWDE33XXX Verwendungszweck: 1475

Viele konservative Juden denken, dass ich alles falsch verstanden habe, dass die Bedrohung da draußen nicht der rechte Antisemitismus oder der rechte Fanatismus ist, sondern der linke. Es gibt viele orthodoxe Juden, die ziemlich fanatisch sind und alles der Verteidigung Israels unterordnen. Solange Trump alles tut, was die israelische Regierung von ihm will, wird man sagen, er sei der pro-jüdischste Präsident aller Zeiten. Aber ihre Version, ihre Definition von pro-Jüdisch, ist nicht einmal pro-Israel, es ist pro-Likud [rechte, israelische Regierungspartei]. Das liberale amerikanische Judentum hat sich in gewisser Weise zu einer eigenen Religion entwickelt. Es ist fortschrittlich, es konzentriert sich auf die Aufnahme des Fremden, die Wiederherstellung der Welt um es herum. Aber das orthodoxe Judentum hier ist wirklich wie das orthodoxe Judentum überall sonst. Es konzentriert sich mehr auf die Rituale des Judentums und die Gesetze. Im Grunde sind das heute zwei verschiedene Religionen. Interview: Ashley Archibald (Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt unter Mitwirkung von Miriam Reiling. Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Real Change/INSP.ngo)

Antisemitismus in Deutschland Auch in Deutschland haben sich in den letzten 20 Jahren rechte und nationalistische Tendenzen verstärkt. Das lässt sich nicht nur an den Wahlerfolgen der AfD ablesen, sondern auch an den zunehmenden Hasskommentaren im Internet und den rechts-


Jüdisches Leben in Deutschland zwischen Normalität und neuer Bedrohung.

mehr als verdreifacht »Heute kann man ohne (von 7,51 auf 30,18 ProProbleme rassistische zent). Nach einer Studie und antisemitische von 2016 vertreten zehn Kommentare sehen.« Prozent der deutschen Bevölkerung klassisch antisemitische Positionen, bis zu einem Drittel bejaht »sekundär-antisemitische« Aussagen wie »Juden nutzen den Holocaust zu ihrem Vorteil« und mehr als 20 Prozent teilen Ansichten des israelbezogenen Antisemitismus. Was fehlt? Der Aufstand der Anständigen zum Beispiel. Zunehmende gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist nicht allein ein Problem von Minderheiten. Der Hass und die Bedrohungen machen etwas mit diesem Land. Nicht erst, wenn die verbale Gewalt in physische umschlägt. Ulrich Matthias

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gitimer Kritik an der israelischen Regierung und der klar antisemitisch motivierten Leugnung des staatlichen Existenzrechts Israels liegt. Aber gerade die »Israelkritik«, betont die Antisemitismusforscherin Monika Schwarz-Friesel, verbreite judenfeindliche Stereotype vom rechten Rand in weite Teile der Zivilgesellschaft, bis in die »Mitte« und das linke politische Spektrum. Zwischen 2007 und 2017 haben sich judenfeindliche Online-Kommentare auf den Seiten der Qualitätsmedien (FAZ, Spiegel, Süddeutsche, taz, etc.)

Foto: Patrick Seeger/Picture-Alliance/dpa

extremen Gewalttaten. Diese fallen typischerweise oft in die Kategorie der »gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit«. Dabei handelt es sich um abwertende und ausgrenzende Einstellungen gegenüber Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. So können Ausländer, Obdachlose, Juden, Moslems, Christen, Atheisten und viele andere zur Zielscheibe von Hass und Drohungen werden. In den letzten Jahren wurde die Grenze des Sagbaren immer weiter verschoben. Die Forschung sieht in der Regel drei »Meilensteine« dieser Entwicklung: Die Paulskirchenrede des Schriftstellers Martin Walser (»Dauerpräsentation unserer Schande«) von 1998, das Buch des ehemaligen Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin (»Deutschland schafft sich ab«) von 2010 und zuletzt die Kritik des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer an der Flüchtlingspolitik als »Herrschaft des Unrechts« (2016). Diese »Tabubrüche« suggerieren einen akuten Notstand, eine Außerkraftsetzung des Rechtsstaates. Autoritäre Nationalradikale nutzen diese Vorlagen, um die deutsche Erinnerungskultur zu diffamieren und einen Widerstand gegen das herrschende System und die politische Kultur als Pflicht zu propagieren, der am Ende auch klare Gesetzesverstöße einschließt, bis hin zur offenen Gewalt. Einen enormen Motor dieser Propaganda stellt das Internet dar und zwar ganz besonders die Sozialen Medien. Das liegt vor allem daran, dass Facebook, Twitter, Instagram & Co unterschiedslos faktenbasierte Informationen, Gerüchte, Verschwörungstheorien, Aufklärung und einfache Lügen transportieren und sie nicht nach vernünftigem Gehalt, sondern nach Aufmerksamkeit gewichten. Kurz gesagt: In den Sozialen Medien zählt nicht das kluge Wort, sondern die emotionale Aussage. Und Hass weckt extrem starke Emotionen. Daher sind es nicht nur die radikalen Nationalisten, die Losungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit verbreiten, sondern auch die mächtigen Algorithmen der verschiedenen Plattformen, die den Hass um vieles stärker streuen, als jeden kritischen Einwand. Heute können rassistische, sexistische und antisemitische Tiraden überall im Netz gelesen werden. Sie werden zur gewöhnlichen, als zunehmend normal empfundenen Umgebung aller Internetnutzer. Im Fall des Antisemitismus zeigt sich das besonders deutlich: seine Stereotype stammen aus dem Mittelalter und fallen auf den fruchtbaren Boden alter Vorurteile. Gleichzeitig können auch Neonazis den Zivilisationsbruch von Auschwitz nicht einfach ignorieren; eine Vielzahl von Publikationen und Posts versucht daher den Holocaust zu leugnen oder die Opfer zu den eigentlichen Tätern zu erklären. Seit den 2000er Jahren rückt jedoch eine dritte Form des Judenhasses in den Blickpunkt: der »israelbezogene« Antisemitismus. Auch in der Forschung ist heute durchaus umstritten, wo genau die Grenze zwischen le-

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»EINE NEUE QUALITÄT VON ANTISEMITISMUS« Rebecca Seidler ist Unternehmensberaterin und Lehrbeauftragte an der Hochschule Hannover. Sie engagiert sich seit Jahren in der liberalen jüdischen Gemeinde und in der Ausein­ andersetzung mit dem Antisemitismus. Wir sprachen mit ihr über jüdisches Leben in Hannover, die neue Bedrohungslage und über die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft, sich der Judenfeindlichkeit entgegenzustellen.

Frau Seidler, vor wenigen Wochen wurde ein Brandanschlag auf ein älteres Ehepaar in Hemmingen bei Hannover verübt. Damit erst gar kein Zweifel an den antisemitischen Motiven aufkam, sprühten die Täter das Wort »Jude« an den Eingangsbereich. Müssen wir die Tat als Ausdruck einer neuen Gefährdungslage ansehen? Ja, das ist eine neue Dimension. Angriffe gegen jüdische Institutionen oder auch gegen Personen, die im jüdischen Kontext auftreten, damit sind wir schon sehr lange konfrontiert und das kennen wir auch, aber dass es nun ein privates Haus trifft, von einem älteren Ehepaar, das auch überhaupt nicht in irgendeiner jüdischen Funktion war oder ist, sondern völlig zurückgezogen lebt, das ist eine neue Qualität von Antisemitismus.

Spielen die Sozialen Medien in diesem Fall eine Rolle? Das spielt auch eine Rolle. Durch die Sozialen Medien wird Antisemitismus weiterverbreitet, werden auch Leute als Juden kenntlich gemacht, die selbst gar nicht öffentlich in Erscheinung treten. Manchmal merkt man das nur durch Zufall. Mein Mann hat kürzlich festgestellt, dass ihm ein Rechtsradikaler auf

Twitter folgt. Da fängt man dann schon an zu überlegen, was man postet und was nicht. Wir hatten auch den Fall eines jüdischen Jungen, dessen Foto plötzlich auf rechten Seiten auftauchte und der damit markiert wurde.

Wird nun nur sichtbarer, was früher eher verdeckt existierte? Nicht nur. Durch die sozialen Medien wächst die Organisiertheit und die Propaganda der rechten Gruppen und die AfD hilft, die roten Linien, die Grenze des Sagbaren immer weiter zu verschieben. Und das merken wir auch im jüdischen Alltag, dass bestimmte Hemmschwellen immer weiter sinken und man mit Sprüchen konfrontiert wird, von denen man vor zehn Jahren noch glaubte, da sind wir doch drüber hinweg? Der Antisemitismus wurde lange nur gedeckelt und jetzt ist dieser Deckel weg. Aber es ist schwierig zu sagen, ob der Antisemitismus tatsächlich zugenommen hat oder ob er heute nur offensiver auftritt.

Gibt es die rote Linie, ab der das Gesagte umschlägt in Gewalt? Solche Politik bereitet Gewalt natürlich vor. Die Gedanken sind im Kopf, jetzt werden sie auch ausgesprochen und die Gefahr steigt dadurch. Der Fall in Hemmingen verdeutlicht auch die Rücksichtslosigkeit. Die Täter haben in der Nacht die Fußmatte angezündet und nur weil der Türrahmen aus Metall war, ist nicht noch Schlimmeres passiert. Aber das wird inzwischen bewusst in Kauf genommen. Antisemitismus wird bedrohlicher, auch physisch.


Macht Deutschland da zu wenig, um Juden zu beschützen? Also, es reicht nicht aus, immer nur den toten Juden zu gedenken, es ist wichtig, sich um die lebendigen Juden und Jüdinnen zu kümmern. Wenn man sich allein die Wahlplakate der Partei »Die Rechte« aus dem EU-Wahlkampf anschaut, wo stand: »Israel ist unser Unglück«, dann ist das eindeutig eine Übertragung der Losung: »Die Juden sind unser Unglück« von Treitschke. Ich sehe hier eindeutig den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt und bin sprachlos, dass die Staatsanwaltschaft in Hannover es offensichtlich anders sieht. Es reicht nicht, nur bloße Worthülsen von sich zu geben, »wir wollen, dass Jüdinnen und Juden hier sicher leben können«, sondern wir brauchen Taten, die zeigen, dass wir auch zu Deutschland gehören, dass wir hier auch ein Zuhause haben und vor allem auch geschützt sind.

Die Partei »Die Rechte« wollte ja offensichtlich bewusst provozieren. Wertet man mit einer Anzeige eine solche Kleinstpartei nicht unnötig auf? Mir ist es wichtig, dass Politik und Gesellschaft diese schleichenden Prozesse auch ganz bewusst wahrnehmen und dass sie darauf hingewiesen werden. Denn solange die Mehrheitsgesellschaft schweigt, desto mehr Möglichkeiten haben die Extremen, sich Gehör zu verschaffen. Wir haben hier in Deutschland ein

Wo können oder sollten wir da als Zivilgesellschaft, aber auch als Einzelne ansetzen, um den autoritären Tendenzen, speziell dem Antisemitismus zu begegnen? Also, ganz wichtig ist die Schule. Ich mache ja auch viele Begegnungen mit Schulklassen und da muss ich inzwischen sagen, das Schwierige sind eher die Lehrer als die Schüler. Die Schüler sind in der Regel neugierig, die fragen ganz viel und ohne Hemmschwelle kommt da alles raus. Das finde ich super. Allerdings ist es so, dass die Lehrer doch oft unsicher sind und sich für ihre Schüler und Schülerinnen genieren. Daher glaube ich, sollte es auch ein Aspekt der Lehrerausbildung sein, sich mit dem Thema Rassismus und »Für Antisemi­ Antisemitismus auseinanderzusetzen. Ganz wichtig finde ich hier tismus braucht immer: weg von der Moral. Es geht es keine Juden.« beim Thema Antisemitismus nicht um Moral, sondern um das Thema Ehrlichkeit und wie wollen wir gemeinsam hier unsere Zukunft gestalten. Und was kann der Einzelne tun? Ich sage immer, ruhig auch mal der Spielverderber sein. Etwa bei Stammtischen, irgendwelchen gemütlichen Runden, wenn der eine oder andere Spruch kommt, da sollte man eben den Mut haben, auch mal zu sagen: »Ey, ich finde, das geht gar nicht, warum sagst du das?« Es ist wichtig, dass man einfach mal den Mund aufmacht. Schließlich kann man

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Ja, auf jeden Fall. Es ist noch nicht so, dass wir auf gepackten Koffern sitzen, aber wir schauen doch schon mal, wo stehen sie eigentlich, die Koffer und wir vergewissern uns, dass sie da sind. Und da spielt Israel für uns Juden in der Diaspora eine ganz große Rolle, weil wir wissen, wir können jederzeit dort hingehen, wir werden dort auf jeden Fall aufgenommen und wir können dort als Juden leben und erfahren dort eben auch Schutz.

grandioses Grundgesetz und eine Demokratie, aber das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen es immer wieder lebendig und aufrecht erhalten und wir müssen es vermitteln, gerade auch von klein auf.

Fotos: Jelca Kollatsch

Sie sagten einmal, Israel ist für sie immer ein sicherer Hafen. Haben Sie das immer so im Hinterkopf, ist das für sie eine Rückversicherung?

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Foto: dpa/Picture-Alliance

Die Kita Tamar der liberalen jüdischen Gemeinde Hannover nimmt bis zu 40 Kinder auf.

es nicht uns überlassen, wir sind ja so wenig, gerademal 0,01 Prozent der Gesamtbevölkerung von Deutschland. Also, viele Menschen werden in Deutschland nie auf einen Juden treffen. Daran wird übrigens auch deutlich: für Antisemitismus braucht es überhaupt keine Juden.

Das hat man früher auch nach dem Nationalsozialismus von Leuten oft gehört, wenn sie auf die Shoa angesprochen wurden: »Wir haben überhaupt keine Juden gekannt.« Ja, und gerade in Milieus, wo noch nie Kontakt zu Juden bestand, da ist natürlich auch der Raum groß für Fantasien über Juden. Und dadurch entstehen Gerüchte. Ich hatte das auch schon häufiger bei Begegnungen, dass mir gesagt wurde, »ach, so normal sehen »Unterschiede tun Juden aus«? Die dachten, man sieht den Juden ihr Jüdischsein an und allein schon, ja gar nicht weh.« dass sie mich angesehen haben und gemerkt haben, Juden sind ganz normale Menschen, das macht etwas aus. Mein Mann und ich sind in der Synagoge auch mal von einer christlichen Besuchergruppe gefragt worden, ob sie uns mal anfassen dürfen, weil sie noch nie einen Juden angefasst hätten. Und ich habe gefragt: »Wie, sie haben noch nie einen Menschen angefasst?« Da waren die total irritiert, weil die offensichtlich dachten, wir fühlen uns anders an. Also, es hat manchmal etwas Exotisches.

In der Liberalen Jüdischen Gemeinde machen sie immerhin einiges, um diese Vorurteile abzubauen, mit Führungen in der Synagoge, öffentlichen Veranstaltungen in der Bibliothek, mit dem Kindergarten ... Ja, das ist der erste jüdische Kindergarten seit der Shoa in Hannover. Wir haben viele jüdische Kinder, aber meist eben christlich geprägte Kinder und wir erleben, mit welcher Selbstverständlichkeit die Kinder dort aufwachsen. Auch bei den Schulklassenbegegnungen beziehe ich die Kinder immer mit ein, befrage sie zu ihren religiösen Gebräuchen und Hintergründen und schaue, wo gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede und wir können dann feststellen: Unterschiede tun ja gar nicht weh. Danach merke ich auch immer, dass die ein ganz anderes Bild vom Judentum gewinnen und ich hoffe und glaube schon, dass diese Begegnungen bei dem einen oder anderen Schülern auch im Herzen verankert bleiben und wenn es in einer Klasse auch nur bei einer Person ist, auch dann haben wir etwas erreicht. Aber im Moment habe ich tatsächlich eher das Gefühl, dass wir mehr erreichen.

Auf der einen Seite haben wir eine wachsende Bedrohungslage für Juden in Deutschland, auf der anderen Seite auch sehr lebendige Communities. Viele junge Juden ziehen heute nach Berlin, man hört von dort: Israel sei zu dogmatisch, Brooklin zu gewöhnlich, aber in Berlin geschehe derzeit Neues ... Ja, Berlin ist wirklich spannend, das ist eine riesige Szene, da passieren kulturell viel spannende Sachen, da ist ein Impuls, ähnlich wie in Tel Aviv spürbar. Aber ich bin Hannoveranerin, ich bin auch totale Lokalpatriotin, das heißt, mich zieht es nicht nach Berlin, sondern ich möchte lieber hier den jüdischen Lifestyle verankern, auf die Art, die uns hier möglich ist.

Ich hadere ja noch immer mit meinem Lokalpatriotismus ... Also ich finde, Hannover ist schon eine tolle Stadt! Sehr grün, mit der Eilenriede haben wir den größten Stadtwald Europas, die Stadt ist mit dem Maschpark und dem Maschsee sehr schön und auch nicht zu groß. 96 könnte jetzt mal so langsam besser werden, aber das ist eine andere Sache (lacht).

Frau Seidler, ich bedanke mich für das Gespräch. Interview: Ulrich Matthias


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Foto: G. Biele

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Nachts ist´s dunkel Eine Betrachtung von Asphalt-Mitherausgeber Rainer Müller-Brandes über das wachsame Schlafen obdachloser Menschen auf öffentlichen Plätzen und Straßen. Ein Wort zur Nacht vorab: Viele sind nachts unterwegs, viele arbeiten nachts. Dabei gehören wir eigentlich nicht zu den nachtaktiven Lebewesen. Denn in der Nacht ist unsere Wahrnehmung eingeschränkt. Sind wir trotzdem nachts wach, dann sind wir manchmal wie kleine Inseln in einem lichtlosen Ozean. Dann geht in unseren Seelen der Vorhang auf. Und jeder von uns, der nachts schon mal wachgelegen hat weiß: Dann schlägt die Stunde des Kopftheaters. Als Student habe ich nachts in der Telefonseelsorge mitgewirkt. Nachts waren die Nöte am Größten. Über dreitausend nächtliche Telefonate wurden allein in unserer Telefonseelsorgestelle hier in Hannover in diesem Jahr geführt. Die Nacht macht uns manchmal Angst, aber sie hat auch das andere, das Verlockende. Nachts rückt man irgendwie enger zu-

sammen. Auch deshalb ist die Nacht für Partygängerinnen und Partygänger unverzichtbar. Mit Freunden gerade auf öffentlichen Plätzen unterwegs zu sein – das hat was. Das ist Trend. Und schon sind wir mitten drin. Denn auf öffentlichen Plätzen halten sich auch Menschen auf, die keine Partygänger sind. Menschen, die dort ihren Existenzkampf ausfechten. Menschen, die in Parks oder auf Plätzen nach einem Rückzugsraum suchen, nach einem Raum, der ihnen Schutz bietet. Denn in der Nacht, im Schlaf, sind wir angreifbar, wehrlos.

Welten stoßen aufeinander Trotzdem wurde in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert, dass Obdachlose, die draußen übernachten, einen öffentlichen Platz unpassierbar machten. Dabei kenne ich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keinen, der freiwillig draußen über-


nachtet. So gut wie alle hätten lieber ein Bett in einer eigenen Wohnung. Zumal der Konflikt ja vorgezeichnet ist: Denn, wenn die Partygänger ab 23.00 Uhr, öffentlich erlaubt und akzeptiert, vor- und ab drei Uhr morgens nachglühen und 200 Meter weiter liegt ein Obdachloser in seinem Schlafsack, dann stoßen hier Welten aufeinander. Welten, die sonst so gar nichts miteinander zu tun haben. Gleichzeitig schlafen und feiern schließt sich nun einmal aus. Im letzten Jahr wurde nachts auf einem abgelegenen Teil vom Gleis 14 im Hauptbahnhof ein Wohnungsloser im Schlaf überfallen, zusammengeschlagen und ins Gleisbett geworfen. Sein Gesicht war angeschwollen, ein einziges Hämatom. Als wir den Mann fanden, brachten wir ihn zu unserer Krankenschwester im Kontaktladen »Mecki«, die sich schließlich um ihn kümmerte. Wir schalteten die Polizei ein, was aber kann sie tun? Kameraüber-

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wachung überall wollen und können wir nicht haben. Auch wenn das Ausnahmen sind, die Angst vor Übergriffen ist ständig da. Was macht das mit jemandem, der draußen schläft? Immer damit rechnen zu müssen, dass jemand kommt. Was hat das für Folgen – auch für die Gesundheit? Ich weiß noch, wie schockiert ich als Kind war: Da hat meine Mutter einen Obdachlosen, der darum bat, bei uns übernachten zu dürfen, nicht aufgenommen. Das ist mir in Erinnerung geblieben. Weil hier Erziehung und Praxis nicht übereinstimmten. Aber es gibt unsichtbare Grenzen, die man als Kind eben noch nicht sieht.

Hilfe statt Vertreibung Unsichtbare Grenzen gibt es anscheinend auch beim viel diskutierten Platz hinter dem Hauptbahnhof – dem Raschplatz. Grenzen der Sicherheit und der Sauberkeit wurden nicht eingehalten, so die Kritik aus der Vergangenheit. Hier wurde nachgebessert. Wie gut, dass wir in einer Stadt leben, die nicht nur »Sicherheit« und »Sauberkeit«, sondern auch das dritte »S«, das »Soziale« im Blick hat. Aber ist es sozial, dort Schlaf suchende Menschen des Platzes zu verweisen? Und führt das häufig gewünschte Durchgreifen des Ordnungsdienstes nicht dazu, dass obdachlose Menschen dann in die nähere Umgebung ausweichen? Mit der Folge, dass sicher nicht nur ich regelmäßig E-Mails mit Bildern von Vermietern aus der Innenstadt bekomme, die sich darüber beschweren, dass Menschen in ihren Hauseingängen übernachten. Nur: In Luft auflösen können sich Obdachlose nicht. »Wir sollten uns klar werden, wo wir Suchtkranke und Wohnungslose akzeptieren möchten«, hieß es aus der Politik.

Notunterkünfte oft unzumutbar »Warum denn nur« – und diese Frage steht im engen Zusammenhang mit der nächtlichen Situation auf öffentlichen Plätzen – »gehen die Menschen nachts nicht in die Notunterkünfte? Warum müssen sie die Parks und Plätze bevölkern?« Das werde ich öfter gefragt. »Es muss doch keiner draußen übernachten.« Das stimmt. Die Landeshauptstadt hält über tau-


nachten.« Ist es dann wirklich so schlimm für uns, wenn Sie draußen übernachten? Ist es nicht viel schlimmer für sie? Manchmal bin ich bei dieser gesamten Diskussion auch etwas überrascht. Etwa wenn sich Kneipenwirte oder Lebensmittelmärkte mit Alkoholverkauf auf einem öffentlichen Platz über die Trinkerszene beklagen. Die Geister, die ich rief … Die Frage ist doch: Gibt es ein bürgerlich akzeptiertes Trinken? Und ein zu sanktionierendes Trinken? Vermutlich ja. Ich will auch nicht von einem

Junge Frauen, nicht selten aus Osteuropa, drogensüchtige Frauen und auch ältere Frauen. Auch das gehört zur Realität der Nacht und ist noch mal ein ganz eigenes Thema. Kurz: Nächte – zumal auf öffentlichen Plätzen – sind nicht nur in Hannover zum Ereignis geworden. Unsere Nächte werden zunehmend beleuchtet, aber Beleuchtung und Erleuchtung sind immer noch zwei Dinge. Das stellt man fest, wenn man sich die Situation obdachloser Menschen nachts auf öffentlichen Plätzen anschaut. Deshalb muss der Eroberung der Nacht auch eine Topographie der Hilfe folgen. Und da sind wir definitiv noch nicht am Ziel.

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Betrunkenen angepöbelt werden. Das ist nervig, anstrengend und macht mich auch manchmal aggressiv. Aber noch einmal: Ich habe ein Schlafzimmer. Hinzu kommt: Wenn ich mich mit Menschen unterhalte, die Platte machen, etwa fünfzehn Prozent von ihnen sind Frauen, dann suchen sie in der Regel Ecken, wo sie nicht gestört werden. Wo sie für sich sind. Wo sie sich selber nicht fürchten müssen. Viele sehen zu, dass sie morgens, bevor die Straßenreinigung kommt, aufgestanden sind. Denn wenn soziale Dichte auf öffentlichen Plätzen mit sozialer Isolierung einhergeht, wird es anstrengend für die Isolierten. Wir haben, das sei zum Schluss erwähnt, nachts auf gewissen Plätzen und an einigen Straßen auch einen Straßenstrich.

Foto: G. Biele

send Plätze in Notunterkünften vor. Und sie baut die Platzzahl aus. Aber: Die Zustände dort sind so, dass man – zumindest im Sommer – manchmal doch lieber draußen übernachtet. Eine Nacht habe ich dort im Mehrbettzimmer zugebracht. Ok, was will man schon erwarten. Ein Geräusch- und Geruchspegel, der hart am Rande des Erträglichen war. Und ein Bett, das ein Bettnachbar vor meinem Kommen nass gemacht hatte. Ich will das nicht weiter ausmalen, nur soweit: Ich bin morgens sehr früh aufgestanden. Ich weiß, das ist besser als nichts. Aber wir wissen auch, dass es Menschen gibt, die von ihrer psychischen Konstitution sagen: »Ich kann da nicht über-

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Meine Worte

Texte aus der Asphalt-Schreibwerkstatt. Diesmal aus unserer neuen Reihe »Ein Tag in meiner Kindheit« mit einem Text von Inge-Lore. Außerdem zwei Haikus von Hakan und lyrische Gedanken von HaDe zur Aktualität von Georg Büchner in Hartz-IV-Zeiten.

Ein Tag in meiner Kindheit Ich war sieben Jahre alt, da zogen wir von Salzgitter-Lesse nach Lengede. Mein Vater war Bergmann. Eines Tages fand ich im Schlammteich (heute Naturschutzgebiet) eine kleine, getigerte Babykatze. Vermutlich wurde sie ausgesetzt. Ohne mich wäre sie gestorben, so wie ich später ohne sie. Ich durfte sie behalten. Sie bekam verdünnte Dosenmilch aus einem Plastikfläschchen, in dem vorher Liebesperlen waren. Die Katze war mein Ein und Alles, denn Freunde hatte ich damals noch nicht in dem neuen Ort Lengede. Meine kleine Muische war Tag und Nacht bei mir. Ich zog ihr Puppenkleider, Jäckchen und Mützchen an und fuhr sie im Dorf im Korbpuppenwagen mit rosa Perlonkissen und Deckchen spazieren. Sie lag wie eine Puppe auf dem Rücken, Pfötchen oben drauf und hatte nichts dagegen, so durch die Gegend gefahren zu werden. Die Leute im Dorf erschraken, wenn sie das Püppchen ansehen wollten und da lag eine lebendige, kleine Katze. Es war schön mit ihr. Sie brachte mich sogar zur Schule und holte mich ab. Zwischendurch war sie auch mal zu Hause. Beim spielen im Schlammteich hatte ich eine kleine Wunde am Zeh. Nicht so schlimm, dachte ich. Doch am nächsten Tag in der Schule bekam ich ganz schlimme Schmerzen im Fuß. Vor Schmerz konnte ich nicht gehen. Ich weinte, war aber zu schüchtern, es einem der Lehrer zu sagen. Meine liebe Katze saß vor der Schule und wartete auf mich. Sie schaffte es mit Miauen, mich schrittweise nach Hause zu locken. Meine Mutter sah den roten Streifen von der Blutvergiftung, der schon fast bis an die Leiste reichte. Sie brachte mich sofort auf dem Arm zum Arzt. Dort bekam ich gleich eine Spritze gegen Tetanus. Ohne die Hilfe meiner Katze hätte ich es nicht nach Hause geschafft und wäre wohl im Rinnstein, in der Gosse gestorben. Früher durften wir als Kinder allein in der Natur spielen. Da bin ich heute noch gern und freue mich über das, was man da finden kann: schöne Käfer, vierblättrigen Glücksklee oder eine Katze, wie meine liebe Muische. Inge-Lore


Hakan

Friede den Hütten … Arm zu sein bedarf ´s nur wenig,

Den armen Reichen geht’s nicht schlecht.

wer gar nichts hat wird Bettlerkönig.

Die Politik macht´s ihnen recht.

Denn seit »Agenda 2010«

Reich durch Arbeit ? Nee, durch Sterben,

müssen viele betteln geh’n.

Reichtum steuerfrei vererben.

Billig-Jobs im Überfluss

Medien? Verkommen zur Meinungsmache,

mehrere man haben muss.

machen mit den Reichen gemeinsame Sache.

Dennoch bleibt die Küche kalt,

»Unterschicht-Fernsehen«, große Klasse,

der Lohn reicht nicht zum Unterhalt.

schafft Dummheit für die breite Masse.

Die Tafeln in den Städten,

Wer dumm und ungebildet bleibt,

die platzen aus den Nähten.

sich stets nur an noch Schwächeren reibt.

Flaschensammler gibt’s vermehrt,

Tritt nach unten, nie nach oben;

die Tonnen sind stets fix entleert.

irgendwie die Wut austoben.

Nicht nur Flaschen werden gesammelt,

Denn wird das Volk nur dumm gehalten,

auch Lebensmittel, teils vergammelt,

ändert sich nix, bleibt es beim Alten.

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Ohne Sonne die Umrisse der Gesichter angsteinjagend

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greift Arm sich aus des Mülles Grund und schiebt es hungrig in den Mund.

Darum: »Friede den Hütten« und »Krieg den Palästen«,

In diesem reichen Lande hier,

damit sich die Reichen nicht weiterhin mästen.

fast jeder Zehnte kriegt Hartz IV. Hat keine Arbeit, keinen Lohn,

HaDe

Keine Kerze im Haus nebenan ist nur ein Klavier zu hören Hakan

Im Rahmen der Asphalt-Schreibwerkstatt können Menschen in Grundsicherung, mit Sozialhilfe- oder ALG-II-Bezug kreativ Texte produzieren, spielerisch Ausdrucksweise und Wortschatz pflegen und insgesamt ihre sprachlichen und literarischen Kompetenzen verbessern.

Foto: Robert Kneschke/fotolia.com

muss betteln geh´n, das ist ein Hohn.


WER WAR EIGENTLICH …

… WILHELM BLUHM? gefährlicher war: Die Zeitung unter die Leute zu bringen. So verschwiegen Bluhm und seine Mitstreiter waren, so vorsichtig, die Gestapo kam ihnen auf die Spur und verhaftete etwa 300 Mitglieder der Sozialistischen Front. Und so wurde Wilhelm Bluhm am 15. September 1936 festgenommen und wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu fünf Jahren und zwei Wochen Zuchthaus in Hameln verurteilt, die er dort mit vielen anderen politischen Gefangenen verbrachte. Nach der verbüßten Strafe nahmen die Nazis Bluhm in sogenannte Schutzhaft, er wurde in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Von dort schrieb er noch an die Mutter, dass er sich auf Linden freue und auf die Blumen auf dem Lindener Berg. Die unmenschlichen Zustände im KZ überlebte er nicht. Am 25. Juli 1942 starb Wilhelm Bluhm in Sachsenhausen. Seine Mutter Karoline Bluhm wurde drei Wochen später durch einen Brief über den Tod ihres Sohnes informiert, demnach sei er an den Folgen einer Tuberkulose gestorben. Die Urne mit seinen sterblichen Überresten wurde einen Monat später auf dem Ricklinger Friedhof beigesetzt. Zeitzeugen beschreiben die Beerdigung als Demonstration, mit mindestens 250 Lindener Genossen – und vielen und aufrecht Beobachtern der Gestapo. Vor zehn Jahren setzte der Künstler Gunter Demnig einen seiner Stolpersteine aus Messing vor den Eingang im Haus Nedderfeldstraße 8, in dem Wilhelm Bluhm geboren wurde und in dem er bis zu seiner Verhaftung lebte. Schon 1950 war in Linden-Nord die Gummistraße in Wilhelm-Bluhm-Straße umbenannt worden. Im Eingangs­ bereich von Faust, nur wenige Meter von der ehemaligen Wohnung der Bluhms entfernt, erinnert heute ein Wandrelief des Lindener Bildhauers Wolfgang Supper an den Widerstandskämpfer. Es zeigt gebeugte Körper und einen aufrechten – den des Wilhelm Bluhm. Foto: Niedersächsisches Landesarchiv Hannover

Es ist nicht viel Persönliches überliefert aus dem Leben von Wilhelm Bluhm. Ein Familienmensch war er, ein Arbeiter, und ein Streiter für die Rechte der Arbeiter. Sicher ist: Der Mann mit der kleinen runden Metallbrille sah die Gefahr durch den Nationalsozialismus früher kommen als die meisten, er kämpfte dagegen und bezahlte diesen Kampf mit seinem Leben. Wilhelm Bluhm wurde an Heiligabend 1898 in Linden geboren. Nach der Volksschule begann der junge Wilhelm noch als Jugendlicher bei der Hanomag in Linden eine Schlosserlehre, die er 1917 abschloss. Im selben Jahr starb auch sein Vater, wie der Junior Metallarbeiter, so dass er mithelfen musste, die acht Geschwister durchzubringen. Zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg wurde er nicht eingezogen, wurde als körperlich untauglich eingestuft. Bluhm wuchs im »roten« Linden auf, die damals noch eigenständige Stadt vor den Toren Hannovers war eine Hochburg der Arbeiterbewegung. Auch Wilhelm Bluhm schloss sich früh der Sozialistischen Arbeiterjugend, der Naturfreundejugend und dem Metallarbeiterverband an, später trat er in die SPD ein. Gewissenhaft und aufrecht, so erinnerten sich später Genossen an Wilhelm Bluhm. Sie machten ihn Gewissenhaft zum Schatzmeister der 23. Abteilung in Linden-Nord. Und er galt als verschwiegen, denn nicht einmal Mutter und Schwester, mit denen er später im zweiten Stock im Haus Nedderfeldstraße 8 wohnte, wussten von seiner Arbeit im Widerstand. Denn schon 1929 trat er dem Reichsbanner Schwarz-RotGold bei, einer Organisation im Dunstkreis der SPD, die sich dem Kampf gegen Rechts verschrieben hatte. Nach der Macht­ übernahme durch die Nazis ging der Kampf im Untergrund weiter für Wilhelm Bluhm, in der Sozialistischen Front, einer der größten Widerstandsgruppen im Reich. Bluhm half mit, die »Sozialistischen Blätter« zu drucken, dieser Untergrundzeitung unter Leitung von Werner Blumenberg, und er tat, was noch

Gerd Schild


Foto: A. Sonnenberg

Foto: U. Matthias

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AUS DER SZENE

Schüler backen für Obdachlose

BBC rockt Werkheim

Hannover. Wenn alle an einem Strang ziehen, können sie viel erreichen. Das bewiesen Schüler und Schülerinnen des siebten Jahrgangs der Käthe-Kollwitz-Schule aus Hannover. Aus einem zweitägigen Projekttag zum Thema Obdachlosigkeit entstand der Wunsch, auch praktisch etwas für die Betroffenen zu bewegen. »Für uns stand von Anfang an fest, dass wir auch helfen wollen«, sagte Helin. Nicht zuletzt dank der eindringlichen Schilderung des Asphalt-Verkäufers Günther, der bei einem Schulbesuch von seinen eigenen Erfahrungen auf der Straße berichten konnte, entschlossen sich die GymnasiastInnen, zugunsten Obdachloser Waffeln und Crêpes zu backen. Eine Woche lang, immer in den großen Pausen. »Die Initiative ging allein von den Schülern aus«, bestätigte Lehrer Marc Wichmann. Die Schule und auch die Eltern unterstützten das Vorhaben, mit Erfolg: nach zwei Tagen konnten schon mehr als 200 Euro eingenommen werden. Mehr als zu erwarten war. »Wir wollten an die Obdachlosen eigentlich nur Essengutscheine für das SOS-Bistro verteilen, jetzt werden wir wohl auch einen Teil des Geldes spenden«, sagte Vanessa. Asphalt spendet auch, nämlich Anerkennung und Beifall. Die fleißigen BäckerInnen von links: Isabella, Maira, Luca, Helin, Mircan, Berfin, Vanessa, Eleni und (nicht im Bild) Marla. UM

Hannover. Wenn die Tage so lang geworden sind, wie die Verkehrstaus auf der Vahrenwalder Straße im Feierabendverkehr, ist bald Hoffest bei Werkheim. So auch in diesem Jahr wieder, bei Sonnenschein, mit vielen Aktivitäten und langem Grilltresen. Richtig eingeheizt wurde traditionell von »Büttners Best Choice« (BBC), der mittlerweile legendären Rockband von Bandleader Willi Schönamsgruber, der seine Mitspieler aus dem Männerwohnheim in der Büttnerstraße rekrutiert. Grund zum Feiern gab es schließlich reichlich: Der Stadtbezirksrat Vahrenwald-List bedachte das Rockprojekt mit dem Bürgerpreis. Neben einer Urkunde bringt das auch dringend benötigtes Geld. Mit den ausgelobten 1.000 Euro kann BBC endlich das Equipment modernisieren, das inzwischen schon allerhand mitmachen musste. Durchaus zur Freude der Musiker. Denn BBC ist gefragt und hat mittlerweile einen vollen Terminkalender. Für die Bewohner eine tolle Sache, die so ihre Kreativität entfalten können, findet Werkheim-Abteilungsleiterin Astrid Rehmert. Und was in der Musik gut läuft, sollte auch in anderen Bereichen funktionieren: »Am ersten August eröffnen wir unsere Kreativwerkstatt«, sagte Rehmert, »das Land Niedersachsen fördert das Projekt für drei Jahre, um SGB-II-Bezieher näher an den Arbeitsmarkt heranzuführen«. Zwei Kunsttherapeuten und ein Handwerker werden mit fachlichem Rat die Bewohner unterstützen, die sich als Bildhauer, Maler oder in Holzarbeiten versuchen wollen. UM

Neue Räume für die DROBS Hannover. Stühlerücken bei STEP: die DROBS zieht um. Von der Innenstadt wechselt die Beratungsstelle für Sucht und Suchtprävention in die Calenberger Neustadt, in die schicke Esplanade im langen Schatten des Ihmezentrums. »Wir wollen unser Beratungsangebot so niedrigschwellig wie möglich anlegen«, sagt Sprecherin Stefanie Schünemann vom Träger STEP. Nicht nur Betroffene sollen ohne Angst den Weg zur DROBS finden, sondern auch Angehörige von Suchtkranken oder Suchtgefährdeten, die sich Rat holen wollen. Ganz unverbindlich reinschnuppern können Interessierte am 6.9. zum Tag der offenen Tür bei der DROBS in den neuen Räumen in der Calenberger Esplanade 6. An mehreren Stationen erteilen Fachleute Auskunft, etwa zum Medienkonsum oder zu Cannabis. Natürlich ist auch für das leibliche Wohl gesorgt. Besonders Eltern möchte die DROBS motivieren, bei Sorgen oder Bedenken hinsichtlich möglicher Suchtgefahren ihrer Kinder, die Beratungsstelle aufzusuchen. UM

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Foto: V. Macke

KEIN PLATZ FÜR ENGEL Bernd ist tot. Schnell gestorben. Mancher Krebs lässt nur noch ganz wenig Zeit. Bernd war Asphaltverkäufer und seit Jahren Führer des sozialen Stadtrundgangs. Er war ein armer Mann und bekam nun ein Armenbegräbnis. Wie Hunderte jährlich allein in Hannover. Eigentlich einsam. KollegInnen, Freunde und Pastorin haben es sich dennoch nicht nehmen lassen, ihm das letzte Geleit zu geben. Der Gips-Engel, den Natascha neben das Loch im Boden, das Loch mit der Urne gestellt hat, ist jetzt längst beiseite geräumt. Hier auf dem Grabfeld ist Schmuck am Grab nicht erlaubt. Zur Beerdigung des Vaters ihres jetzt Dreijährigen hatte die Asphalt-Verkäuferin den Engel besorgt. Von dem wenigen Geld, das sie hat. »Eigentlich damit Philipp und ich wissen, wo wir hinkönnen. Für die Trauer und so.« Die Blumen am Grab dürfen solange bleiben, bis sie verwelkt sind. Danach aber wird nur noch eine aufgebrochene Erdkruste im Rasen daran erinnern, dass darunter Bernds Überreste ruhen. Man könne nachträglich eine kleine Grabplatte anfertigen lassen, wurde Natascha erzählt. »Aber das können wir uns nicht leisten.« Rund die Hälfte der anderen Urnengräber hier haben solche etwa 20 x 30 Zentimeter großen Platten, die anderen Gräber ringsum wirken wie plattgetretene Maulwurfhügel. In der Nähe ist eine kleine

Sammelstelle für Erinnerungen an die hier irgendwo bestatteten Menschen. Kerzen, Windlichter, kleine Figuren stehen da beisammen, auch Nataschas Engel steht jetzt dazwischen. Rund 300 bis 400 Mal im Jahr werden vom städtischen Fachbereich Öffentliche Ordnung anonyme Bestattungen in Auftrag gegeben. »Grundsätzlich haben Angehörige von Verstorbenen für die Bestattung zu sorgen. Und zwar unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Wohnort des verstorbenen Menschen«, heißt es seitens der Stadt. Können Angehörige nicht ermittelt werden oder können diese ihre Aufgabe, auch aus finanziellen Gründen, nicht erfüllen, wird von Amts wegen bestattet. Paragraph 74 aus dem SGB XII ist offenbar einschlägig. Üblicherweise erfolge die Bestattung dann als Einäscherung mit anschließender Beisetzung ohne Zeremonie. »Aber pietätvoll, in der Regel in einem der anonymen Urnengräberfelder in


Beistand am Grab: Asphalt-Sozialarbeiter Christian Ahring mit Asphalterin Natascha.

Volker Macke

Foto aus glücklicheren Tagen: Bernd und Natascha.

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zu machen. Verkäufer und Verkäuferinnen kamen, soweit in Schale wie das eben geht, wenn man seit Jahren oder gar Jahrzehnten kaum Geld hat. Aufrecht gingen alle hinter dem Friedhofsmitarbeiter mit der Urne hinterher. Ein paar Freunde noch, auch Bernds letzter Vermieter. »Bernd mochte das Wasser, ging gern Angeln und schwimmen, zuletzt auch zum Babyschwimmen mit Phillip. Und er war großer 96-Fan, verkaufte Asphalt in der Nordkurve bei den Heimspielen, aber auch vorm HCC, dem NDR-Funkhaus. Sein Stammplatz, und daher kennen ihn die meisten, war aber Rewe am Schwarzen Bären«, so Schröder weiter. Tränen, viele Tränen, Jeremia-Zitat, Gebet, der Wind in den Bäumen. »Wir legen sein Leben in Gottes Hand. Wer ihn geliebt und geachtet hat, trage diese Liebe und Achtung weiter. Wen er geliebt hat, danke ihm für alle Liebe.« Abschied. Natascha hat nach der wunderbaren Armen-Zeremonie durch Pastorin Schröder dann noch versucht, sich gemeinsam mit Asphalt-Sozialarbeiter Christian Ahring zwischen all den gleich aussehenden Erdkrusten die Lage der Urne einzuprägen. Und hat zur Sicherheit einen kleinen Kiesel, mit Edding beschriftet mit seinem Namen, in den Sand vor dem Grad eingebuddelt, flach mit Erde bedeckt. Nataschas Grabstein für Bernd. Sie hofft, dass die Friedhofsverwaltung es nicht gesehen hat. Oder ein Auge zudrückt und ihn dort vor dem Grab begraben sein lässt.

Foto: Asphalt-Archiv/Mark Eickhorst

Foto: V. Macke

Stöcken, Lahe, Ricklingen durch städtische Mitarbeiter«, so die Information der Stadt. Bernds Urne liegt jetzt auf dem Stadtfriedhof in Ricklingen. In einem dieser Felder. Ruhig ist es da, mit mächtigen alten Bäumen ringsum. Natascha ist nicht Bernds Angehörige. Aber gezahlt hätte sie gern, wenn sie es gekonnt hätte. Verheiratet war das einstige Paar nie. Die Beziehung ging kaputt, kurz bevor Bernd Ende 2018 die Diagnose bekam. Gleichwohl aber waren sie weiterhin Eltern, liebevolle, fürsorgliche Eltern beide, das verbindet auch nach der Zeit der Liebe. Deshalb der Engel. »Wir wollen uns erinnern, was wir gemeinsam mit Bernd erlebt haben. Was uns schwer fiel, was Spaß gemacht hat, was seine Persönlichkeit ausgemacht hat. Was wir an Erinnerungen festhalten und mit in die Zukunft nehmen wollen«, sagte Christine Schröder, Pastorin der Apostelkirche am Grab. Sie hatte von Nataschas Verzweiflung gehört, mit ihrer Überforderung mit der Situation. Asphalt ist einmal im Monat zur Verkäuferversammlung in den Räumen der Gemeinde zu Gast. Vielleicht hat sie die Asphalter längst ein bisschen adoptiert. Prompt jedenfalls hatte Schröder beschlossen, aus der eigentlich einsamen Armenbestattung einen Abschied

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AUS DER SZENE

Rollende Hütten

Foto: U. Matthias

Hannover. Die Little Homes, kleine Bretterbuden, in die kaum mehr als ein Bett und ein Stuhl passten, spalteten im letzten Winter die Szene. Während einige hier eine wirksame Soforthilfe für Obdachlose sahen (wie auch unsere Kolumnistin Karin Powser), verspotteten andere sie als »Hundehütten«. Unbestrittener Nachteil jedoch: Die Hütten dürfen nicht ohne ausdrückliche Genehmigung abgestellt werden. Eine kaum überwindbare Hürde für die meisten Obdachlosen. Das hat Ümit Kurt motiviert, eine praktische Lösung zu finden. »An jeder Ecke sieht man jemanden liegen. Ich finde, man muss diesen Menschen helfen«, sagt Kurt. Die Welturaufführung erlebte »Meine Bleibe« (MB) hinterm Pavillon auf dem Andreas-Hermes-Platz während der Essensund Kleiderausgabe des Vereins »Obdachlosen helfen«. Und wir sehen, es geht noch kleiner. Dafür ist die Hütte mobil, soll sogar als Fahrradanhänger taugen. Unbestrittener Vorteil: damit ist sie nicht-genehmigungspflichtig und kann überall abgestellt werden. Bei den anwesenden Obdachlosen stieß MB daher durchaus auf Interesse. So auch bei Peter Kirch (48), der seit dreieinhalb Wochen auf der Straße lebt und es sich nicht nehmen ließ, gleich Probe zu liegen. »Die Hütte würde ich sofort nehmen, wenn sie mir jemand bezahlen würde«, bestätigt Kirch. So ganz billig wird die Sache allerdings nicht, immerhin 1.000 bis 1.500 Euro veranschlagt Kurt für den Bau. UM

Wen-Do-Kurse für Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigung Gerade Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigungen sind oft wehrlos gegen Angriffe. Deshalb hat der Frauennotruf Hannover ein spezielles Wen-Do-Training für sie entwickelt. Da aber viele dieser Frauen oft nicht die Möglichkeit haben, Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse aus eigener Tasche zu finanzieren, hat 96plus 1975 Euro für das Projekt bereitgestellt. Johann-Friedrich Dempwolff von 96plus-Hauptpartner Clarios und Mirko Woitschig, Leiter von 96plus, haben sich das Programm von Trainerin Ira Morgan erklären lassen. Wen-Do bedeutet „Weg der Frauen“ und ist ein Präventionsprogramm gegen Gewalt. Es ist ein speziell auf Frauen und Mädchen zugeschnittenes Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungsprogramm. Helena Behrens vom Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen Hannover e. V.: „Die Wen-Do-Kurse im Freizeitheim Vahrenwald ermöglichen den Frauen, sich besser durchzusetzen, sich in brenzligen Situationen zu wehren und auch mal laut zu sein. Oftmals befinden sich gerade Frauen mit Beeinträchtigung in Abhängigkeitssituationen und können sich schwer abgrenzen. Es ist toll, dass 96plus und Clarios uns ermöglichen, Wen-Do Kurse anzubieten.“


Respekt – respektieren – sind das nur noch leere Worthülsen? Ich bin einigermaßen fassungslos, wie wenig Respekt wir heute gegenüber unseren Mitmenschen empfinden. Einstige Selbstverständlichkeiten, wie das Aufstehen jüngerer Menschen in Bus und Bahn, um alten Leuten Platz anzubieten, erlebe ich nicht mehr. Das Aufhalten von Türen, ein »Bitte« oder »Danke« – Fehlanzeige. Ganz zu schweigen von der totalen Respektlosigkeit gegenüber denjenigen, die tagein/ tagaus nichts anderes tun, als im Notfall anderen Menschen zu helfen, seien es nun Ärzte, Polizisten, Feuerwehrleute, um nur einige zu nennen. Im Internet wird hemmungslos gedroht, beleidigt, werden Menschen mit Hasskommentaren überschüttet – es ist ja anonym, da kann sich jeder Idiot – und ich benutze dieses Wort ganz bewusst – ohne Repressalien befürchten zu müssen, äußern. Ich begrüße die moderne Technik dieses Jahrhunderts durchaus, aber das ist meiner Meinung wirklich die Schattenseite dieser Errungenschaft. Wenn ich lesen muss, dass bei vielen Menschen sogar das Leben bedroht wird, Menschen, die sich für die Interessen anderer einsetzen, die helfen, wo Menschen in Not sind, finde ich das absolut erbärmlich. Wie tief muss jemand gesunken sein, der derart widerlich und niveau­ los agiert? Ich hatte geglaubt, dass wir in Deutschland zivilisierter geworden sind, dass wir aus Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Es ist bitter, dass dem nicht so ist. Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden …

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»GEFÜHLSEBENE« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäufer Micha (60). Hallo Micha. Du bist dieses Jahr 60 geworden und hast eine besondere Überraschung bekommen, oder? Ja, das stimmt. Vor drei Jahren habe ich eine Umschulung gemacht und jetzt habe ich eine halbe Stelle in einem Altenheim als Betreuer. Zu meinem Geburtstag haben die anderen Betreuer und die Bewohner einen Kuchen für mich gebacken, eine Gir­lande gab es auch. Und sie haben mir ein Bild gemalt. Darauf sind Fische, weil das doch so meine Leidenschaft ist und dann steht da drauf: »Oldtimer, über 60 Jahre gelaufen, kein Rost, nur leichte Gebrauchsspuren, top Zustand!« Find ich gut. Eine Geste, mit der hätte ich nie gerechnet!

Wow, mit Ende 50 noch mal was ganz Neues! Ich bin gelernter Imker. Die Idee zur Umschulung kam von meiner Frau. »Du kannst doch so gut mit Leuten«, hat sie gesagt. Und dann bin ich das angegangen. In der Umschulung hatten wir verschiedene Fächer mit weitgefasstem Themenkreis: Krankheitsbilder, Erste Hilfe, Recht … Ich habe mich selbst noch besser kennengelernt. Mit einigen Baustellen, die ich in meiner Seele rumgetragen habe, konnte ich dadurch abschließen.

Baustellen aus deiner Zeit auf der Straße? Manche. Das ist länger als 25 Jahre her, dass ich Platte gemacht habe. Einige Erlebnisse sitzen tief. Ich bin in der Zeit durch die Weltgeschichte getrampt, habe es bis nach Barcelona geschafft, aber nicht nur lustige Dinge erlebt – vor allem hier in den Wohnheimen nicht. Ich habe Sachen gesehen, die wollte ich nicht sehen. Ich habe Dinge getan, die wollte ich nicht tun. Und ich habe Dinge gelernt, die wollte ich nicht lernen. Wenn du mal nichts gehabt hast, dann weißt du, was Luxus ist. Das fängt bei mir damit an, dass ich nach Hause gehen und die Tür hinter mir zu machen kann. Auch duschen – heißes Wasser: Nichts ist geiler auf dieser Welt! Oder: Ich habe Hunger, dann esse ich was. Ich muss nicht erst schnorren!

Und wie sieht dein beruflicher Alltag als Betreuer aus? Meine Aufgabe ist es, den Bewohnern eine gute Zeit zu schenken. Wir Betreuer unterstützen das Pflegepersonal. Und wenn sich die Leute freuen, dass ich da war, habe ich meinen Job gut gemacht. Mit meinen Gruppen mache ich zum Beispiel Brettspiele oder lese ihnen was vor. Die Gruppen sind gemischt: von Leuten, die eigenständig dort leben über demente bis total demente Personen. Ein Außenstehender könnte denken, sie merken nichts mehr, aber das stimmt nicht. Sie merken, ob es jemand gut oder schlecht mit ihnen meint: Das geht nicht über das Gedächtnis, sondern über die Gefühlsebene.

arbeitet. Manche kennt man jahrelang, mag sie und dann sterben sie irgendwann – das sollte man verwinden können. Wenn jemand stirbt, macht das natürlich was mit mir, aber ich nehme das nicht mit nach Hause. Der Job an sich ist klasse, leider habe ich jetzt aber weniger Zeit für Asphalt. Das ist der geilste Job, den es gibt, da kann der neue nicht mithalten. Über 20 Jahre verkaufe ich schon.

Fast so lange bist du auch schon trocken, oder? Seit 19 Jahren. Ich lebe prima ohne Alkohol! Zuletzt war ich entweder immer noch oder schon wieder besoffen. Ja und dann habe ich mich fast totgesoffen. In dem Augenblick wusste ich: »Ok, Alter, nun is vorbei!« Du merkst, wenn du stirbst. Das ist nicht schlimm, ein komisches Gefühl, ja … Ein bisschen traurig war ich damals aber schon, denn zu dem Zeitpunkt war meine jetzige Frau gerade gegenüber eingezogen und ich hätte sie zu gerne noch mal kennengelernt.

Heute sitzt du hier und sprichst von deiner jetzigen Frau! Die haben mich gefunden, der Gerichtsvollzieher war es wohl. Im Krankenhaus hat mich dann die damalige Sozialarbeiterin vom Lindener Tagestreff aufgespürt. Ich habe ihr die Adresse meiner Nachbarin aufgeschrieben und ihr gesagt, dass mich dieser Mensch unbedingt besuchen kommen muss. Sie ist gekommen! Ich war zu dem Zeitpunkt aus der geschlossenen Abteilung raus, hatte die ersten drei Wochen der Therapie hinter mir. Wir sind durch den Park, haben den ganzen Tag mitein­ ander gesprochen. Seitdem sind wir zusammen. Sie hat mir das Leben gerettet. Ich habe die beste Frau überhaupt und tausche sie nicht ein – für nichts in dieser Welt! Merkwürdigerweise kriege ich ab und an tatsächlich noch Avancen. Und auch, wenn es mir schier die Brust zerreißt: Mein Herz gehört einer anderen schon! Manchmal sage ich dann: »Hey, lass uns Freunde bleiben!« Der Klassiker, der signalisiert: du nicht!

Wenn eine gute Fee zu dir käme und dir drei Wünsche erfüllen würde, welche wären das? Ich würde dein Angebot – du bist doch meine gute Fee, oder? – nur annehmen, wenn die Wünsche auch für meine Frau gelten, ansonsten kannst du sie behalten! Wenn ja, dann: ein langes Leben, Glück und Gesundheit – dann kommt der Rest von allein. Mehr Wünsche habe ich nicht, meine gute Fee mit dem Lächeln, das ein kaltes, altes Herz zum Schmelzen bringt.

Gleich werde ich rot, Micha! Hey, lass uns Freunde bleiben ...

Du hast dort viel mit dem Tod zu tun. Fällt dir das schwer? Wenn man so einen Job ergreift, sollte man wissen, wo man

Interview: Svea Kohl


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Foto: S. Kohl

Foto: privat

Foto: S. Kohl

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Micha verkauft Asphalt vor »Rewe« in der Wunstorfer Str. in Hannover-Limmer.


BRIEFE AN UNS

Zu Asphalt allgemein 2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

Flohmarkttermine Zwar kaufe ich »ASPHALT« nicht regelmäßig, aber wenn ich eine Verkäuferin oder Verkäufer sehe, der dies Magazin verkauft, kaufe ich sofort ein Exemplar - das ich auch durchlese. Dabei kam mir gestern eine gute Idee in den Sinn: Am Morgen (2.6.2019) recherchierte ich bez. aktueller Flohmärkte in der Region Hannover im Internet. Das Ergebnis war nicht sehr befriedigend!!! Was halten Sie davon, wenn Sie in Zukunft – wie für den Jazzclub – immer für einen Monat alle Flohmarkttermine in Ihrem Magazin veröffentlichen. Ich bin der Meinung, dass dadurch Ihre Auflage sprunghaft ansteigen würde!!! Vielleicht greifen Sie meinen Vorschlag auf. Udo Thomale, Gehrden

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Zu Asphalt 5/19 Thema: »Wer war eigentlich …«

Hinrichtung

danke für die erinnerung an benno ohnesorg! ergänzend möchte ich hinzufügen, dass es sich um eine gezielte hinrichtung handelte. im ndr kultur war am 30.05.2017 ein feature von margot overath zu hören, das über diese hinrichtung berichtete und sie damit begründete, dass einige polizisten in die leichenhalle gingen zu dem toten benno und ihm die knochen aus seinem schädel rund um das einschussloch rausbrachen, um die beweise zu vernichten. das ist so erschütternd, dass es einem die sprache verschlägt. uwe timm hat über seine freundschaft mit benno das buch geschrieben: der freund und der fremde. constanze chryssos, Hannover ZEIT FÜR NEUES

25 JAHRE

NEUSTART

NEULAND

NEUAUFLAGE

Lena Meyer-Landrut über Krise, Gefühle und Musik

Telemedizin soll Mangel an Landärzten ausgleichen

Asphalt sucht Zeitzeugen für Fotoprojekt

Zu Asphalt 5/19 »Aus einer anderen Zeit« Anzeige

Erinnerungen an die Kindheit

WohnGlück Mit Hannoverherz & Immobilienverstand begleiten wir Sie in eine lebens- & liebenswerte Zukunft.

hanova.de

Ich lese gerade heute den Artikel »Aus einer anderen Zeit«...... und denke dabei an meine eigene Kindheit (geboren 1953). Ich bin in Kleefeld aufgewachsen und auch wir hatten in unserem Stadtteil ein Barackenlager. Es zog sich über die Mecklenburger Straße, bis hin zur Eilenriede, auf unbebautem Acker/Feld. Als Kind war ich dort einige Male, warum weiß ich nicht mehr so genau. Vielleicht waren von dort Kinder in meiner Schulklasse (Hinrich-Wilhelm-Kopf-Grundschule). Ich fand es auf jeden Fall unheimlich interessant und faszinierend. Ich weiß auch noch, dass es »Bretterbuden« waren und dass eine alte Frau auf einer Bank draußen vor der Tür saß. Wann das Lager geräumt wurde, weiß ich nicht.... aber ich weiß auch noch, dass im Pferdeturm, am Schnellweg, Menschen gelebt haben. Vielleicht war es in Vinnhorst ja ähnlich. Kathrin Warnke, Hannover

Zu Asphalt 5/19: Zu Schreibwerkstatt, dort Beitrag von Ahlem-Micha:

Hoffnungsvoll Super-Bericht. Du solltest öfter schreiben. Wir brauchen mehr positive Nachrichten in der Welt und mehr hoffnungsvolle Menschen! Danke, dass du einer von denen bist! Gabi Hanigh, Hannover


2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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JAHRE

Menschenrechte sind unverhandelbar

Vielen Dank für die klare Positionierung in Ihrem Vorwort. Menschenrechte sind unverhandelbar. Sie zu bewahren sollte unser aller Anspruch sein. Guido Pfeiffer, Hannover BEREIT SEIN

INSTRUMENTALISIERT

DIAGNOSTIZIERT

POSITIONIERT

Lebensrettung bringt deutsche Kapitänin in Italien vor Gericht

Neue Studie soll Ausbruch des Typ-1-Diabetes verhindern

Margot Käßmann über Rechte, Frieden und Rechtsextreme

Zu Asphalt 6-7/19 Zum Editorial

Deutsche Art? Sie schwimmen auf der Welle der Mehrheit mit. Sie wissen aber schon, dass die Mehrheit noch nie Recht hatte. Ihre Welt endet mit dem »t« in dem Wort Humanität. Da aber fängt die wahre, grausame Realität durch die Kanzlerinnen-Migranten erst an. Wer so einen Kommentar schreibt wie Sie, ignoriert die Realität in ihrer Gänze. Folgendes scheinen Sie offensichtlich nicht zu wissen (Nur einige Beispiele, alle von Migranten verübt) Vergewaltigungen von 90-jährigen Omas. Vergewaltigungen durch bis zu 15 Mann mit anschließender »Ablegung« des Opfers. Messerstechereien ohne Zahl. Menschen vor einfahrende U-Bahnen geschubst. Menschen die U-Bahntreppen hinunter getreten. Schikane von Fahrgästen in Bahnen und Bussen. Und das ist nicht deutsche Art! Wie ist es um Ihre Humanität bestellt bezüglich der unzähligen Migranten-Opfer und ihrer Verwandten, die nie wieder glücklich werden? Helmut Lick, Hannover

Zu Asphalt 6-7/19 Thema: »Auf den Kopf gestellt«

Schön und kompetent Inzwischen halte ich das – wie immer – sehr schön und kompetent gemachte Asphalt Heft mit unserem Thema [Diabetes, Anm. d. Red.] in den Händen. Mir gefällt die Mischung der Themen sehr gut – Gratulation. Karin Lange, Hannover

Zu Asphalt 6-7/19 Thema: »Traueranzeige Bernd Groß«

Großes Geschenk Ich schlage die neue Asphalt auf, blättere – und sehe auf einmal diese Anzeige. Bernd Groß – tot? Wenn da nicht dieses Foto gewesen wäre, hätte ich mit dem Namen nichts anfangen können. So aber sehe ich: das ist der Mann, der mir in Zeiten, als es mir selbst nicht gut ging, ein großes Geschenk gemacht hat. Nicht einmal. Sondern mehrmals. In meinem Alltag ist es oft so, dass ich anderen eine Freude machen möchte, aber nicht weiß, wie. Oder nicht weiß, ob es aufdringlich wirkt. Oder meine Geste wird zurückgewiesen: »Das ist doch nicht nötig«. Oder: »Ich komme schon zurecht.« Bei Bernd Groß habe ich mich trauen können, ihn einfach zu fragen: »Kann ich Ihnen was mitbringen?«, wenn er vor dem Rewe stand und die Asphalt verkaufte. Und er hat sich einfach eine Kleinigkeit gewünscht, die ich ihm dann mitbringen konnte. Das war sein Geschenk an mich. Als er dann von seiner neuen, kleinen Familie berichtete, habe ich gedacht: da müsste man unterstützen. Es ist doch nicht einfach, in diesen Zeiten gemeinsam ein Kind großzuziehen. Ich habe es nicht getan. Eigene Probleme waren da, und auch die Angst, nicht genug, nicht das richtige tun zu können. Jetzt würde ich gerne unterstützen. Ich kann leider nicht da sein, weil ich selbst in der Familie gebraucht werde. Aber ich möchte gern beim Großwerden helfen. Mein Dank erreicht Bernd Groß nicht mehr, aber vielleicht andere Asphalt-Verkäufer/innen. Eine Asphalt-Leserin (Name ist der Redaktion bekannt).

Vielen Dank für Ihre Meinung! Die Redaktion behält sich vor, Briefe zur Veröffentlichung zu kürzen. Bitte vergessen Sie nicht, Ihre Absenderadresse anzugeben.

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Zu Asphalt 6-7/19 Zum Editorial

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RUND UM ASPHALT

Ausflug mit Fahrrad und Fähre

»Asphalt ist unverzichtbar!«

Auch in diesem Jahr haben unsere Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer erneut die Region mit dem Rad erkundet. Anders als die Jahre zuvor, fuhren sie dieses Mal nicht mit E-Bikes sondern mit den eigenen Fahrrädern. Gemeinsam mit Sozialarbeiter Christian Ahring ging es für die insgesamt sieben Asphalter zunächst aber mit der Regionalbahn nach Nienburg an der Weser. Dort angekommen führte der erste Weg etwa einen Kilometer durch die Stadt bis zum eigentlichen

Asphalt bedeutet für mich Hoffnung! Ich schätze soziale Projekte und Arbeiten sehr und unterstütze sie, wann immer möglich. Außerdem finde ich Themen wie Gesundheit, Menschen und lokale Politik sehr spannend und wichtig. Asphalt informiert und hilft ganz Hannover, für mich unverzichtbar!

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it ohne seine soziale Arbe … dass Asphalt ben Ne rt? zie hüsse finan öffentliche Zusc sind die n se lö er en d Anzeig den Verkaufs- un rderer die r Freunde und Fö Spenden unsere ierung. zur Gesamtfinanz wichtigste Stütze ende: indung für Ihre Sp Unsere Bankverb Asphalt-Magazin 30 0410 0000 6022 IBAN: DE35 5206 EK1 BIC: GENODEF1 nk Evangelische Ba

… mehr als eine gute Zeitung!

Foto: Guido

Steven Cherundolo, 96-Rekordspieler

Beginn der Weser-Fahrradroute Richtung Verden. Völlig unerwartet endete die Route plötzlich nach etwa 20 Kilometer direkt vor der Weser bei Schweringen. Jetzt hieß es absteigen und mit der Fähre übersetzen. »Das war das erste Mal, dass ich bei einer Fahrradtour eine Fähre nehmen musste. Und das bei einer der wenigen Fährfrauen an der Weser – das war schon was Besonderes«, schwärmte Asphalt-Verkäufer Guido. Auf ihrer rund 50 Kilometer langen Fahrradtour durch die Natur konnten unsere Ausflügler neben vielen Pflanzenarten auch Greifvögel, Fasane und andere Wildtiere beobachten. In Verden angekommen, gab es noch ein gemeinsames Essen, bevor es schließlich mit der Regionalbahn zurück nach Hannover ging. GB

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Der Zoo Hannover freut sich über ganz besonderen Nachwuchs. Denn dort sind im April drei Sibirische Tiger-Babys auf die Welt gekommen. Im Dschungelpalast erkunden die drei Brüder bereits neugierig ihre Umgebung. Säulen und Stufen werden erklettert, Holzstämme zerkratzt und Grashalme erlegt. Unter den wachsamen Augen von Mutter Alexa pirschen sich die Drillinge an Schmetterlinge an, plantschen im Wasser oder toben ausgiebig mit ihrer Tiger-Mama. Der Sibirische Tiger, auch Amur-Tiger genannt, ist auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als »stark gefährdet« eingestuft. In Russland leben nicht einmal mehr 500 Tiere in freier Wildbahn. Die größte Bedrohung: Wilderei, der Verlust des Lebensraums und der Mangel an Beutetieren – Schuld daran ist der Mensch.

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Mit Asphalt könne Sie zwei Tagestickets für den Zoo Hannover gewinnen! Beantworten Sie uns einfach folgende Frage: Wie viele Babys hat Tiger-Mama Alexa geboren?

Schicken Sie uns eine Postkarte, eine E-Mail oder ein Fax mit Ihrer Antwort und dem Stichwort »Zoo« bis zum 31. August 2019 an: Asphalt-Redaktion, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover, gewinne@asphalt-magazin.de, Fax 0511 – 30126915. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Die Lösung unseres letzten Zoo-Rätsels lautet: »am Donnerstag«.

gesucht – gefunden

Machen Sie bei uns mit!

Verkäufer Olaf: Wer verschenkt einen MP3-Player, mit dem ich Musik abspielen kann? [V-Nr. 1612] Kontakt: 0177 – 6415750.

Die Runde der Ehrenamt­lichen trifft sich an jedem letzten Dienstag im Monat in den hannoverschen Asphalt-Redaktionsräumen. Da werden Veranstaltungen organisiert, Info-Stände geplant und Ideen gesammelt, um die Arbeit von Asphalt engagiert zu unterstützen. Besonders für unsere Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer ist es wichtig zu spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen. Wir freuen uns, wenn Sie sich dieser lebendigen Runde anschließen möchten! Rufen Sie uns einfach vorher an: 0511 – 30 12 69-0.

Verkäuferausweise Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei VerkäuferInnen mit gültigem Ausweis! Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Grün

Das nächste Treffen ist am Dienstag, 27. August, um 17 Uhr.

Impressum Herausgeber: Matthias Brodowy, Dr. Margot Käßmann, Rainer Müller-Brandes Gründungsherausgeber: Walter Lampe Gesellschafter: Diakonisches Werk Hannover, H.I.o.B. e.V. Geschäftsführung: Georg Rinke Redaktion: Volker Macke (Leitung), Grit Biele, Svea Kohl, Ulrich Matthias Fotografin/Kolumnistin: Karin Powser Gestaltung: Maren Tewes Freie Autoren in dieser Ausgabe: B. Pütter, G. Schild, W. Stelljes, K. Zempel-Bley

Anzeigen: Heike Meyer Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter) Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15

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Fellknäuel auf Riesentatzen

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Gewinnsp

Foto: Zoo Hannover

Asphalt verlost 10 x 2 Karten für den Zoo Hannover

Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1 Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 22.500 Asphalt erscheint monatlich. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 22. Juli 2019

Für unaufgefordert eingesandte Manus­kripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weiter­ gegeben. Unsere vollständige Datenschutzerklärung finden Sie auf www.asphalt-magazin.de/impressum. Alternativ liegt diese zur Ansicht oder Mitnahme in unserer Geschäftsstelle aus.


Foto: Andreas Fuchs

RUND UM ASPHALT

Typisch INSP: Dänisch-koreanischschweizerischer Dialog mit einem Asfalt-Exemplar aus

Foto: Sebastian Sellhorst

Stavanger/Norwegen.

Unsere internationalen Gäste des International Network of Street Papers (INSP) im Hof vom Haus der Region.


GELERNT UND GEFEIERT JAHR

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Foto: Sebastian Sellhorst

25 Jahre Asphalt und 25 Jahre INSP. Zum Doppeljubiläum war das Netzwerk der Straßenzeitungen zur viertägigen Konferenz in Hannover zu Gast. Und Ministerpräsident Stephan Weil erinnerte anlässlich unserer großen Jubiläumsfeier »25 Jahre das Herz der Straße« in aller Freundschaft an Gründungsherausgeber Walter Lampe.

Neues Netzwerk gegründet: Ein Zusammenschluss der sozialen Stadt-

Foto: Sebastian Sellhorst

rundgänge. Dazu bald mehr in Asphalt.

Welche Strategie wofür? Aufruf zu den round table discussions.

Unsere Konferenz Die in Glasgow ansässige Wohltätigkeitsorganisation INSP (International Network of Street Papers) wurde wie Asphalt im Jahr 1994 gegründet. Sie unterstützt mehr als 100 Straßenzeitungsprojekte in 35 Ländern, die in 25 Sprachen veröffentlicht werden. Die im Netzwerk verbundenen Straßenzeitungen erreichen zusammen weltweit 4,6 Millionen LeserInnen. Im letzten Jahr verkauften die INSP-Straßenzeitungen 19,4 Millionen Exemplare mit einem Erlös von insgesamt 27 Millionen Euro für die Straßenzeitungsverkäuferinnen und -verkäufer. Die jährlich in der Heimatstadt einer anderen Mitgliedszeitung stattfindende Konferenz – der INSP-Summit – thematisiert vier Tage lang in Vorträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen gemeinsame Fragen. Auf unserer Konferenz in den Räumen der Region Hannover vom 17. – 20. Juni diesmal ganz vorn: Wie kann man verelendeten Migranten helfen? Was können StraßenzeitungsverkäuferInnen tun, wenn fast nur noch mit Karte gezahlt wird? Können wir weitere Vertriebswege erschließen, ohne an den VerkäuferInnen vorbei zu handeln? Wie reagieren wir auf die Bedürfnisse von LeserInnen nach digitalen Angeboten? Und wie können wir eine gemeinsame Nachrichtenagentur zu unseren Kernthemen realisieren? Gut, wenn man gemeinsam vier Tage lang mit Kollegen aus Seattle, Belgrad, Canberra, Kopenhagen, London oder Wien die Köpfe zusammenstecken kann. Formales wurde auch geklärt: Bastian Pütter von bodo aus Dortmund und Volker Macke von Asphalt sind ein weiteres Jahr die offiziellen Sprecher der deutschsprachigen Straßenzeitungen. Stadt, Region und Land haben den INSP-Summit gefördert. Danke dafür. Der nächste Summit findet 2020 in Mailand statt. MAC

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RUND UM ASPHALT

Foto: Selim Korycki

Foto: Selim Korycki

Unser Jubiläum Wir haben gefeiert, unsere 25 Jahre! Die Asphalt-VerkäuferInnen, der Ministerpräsident, unsere Ehrenamtlichen, die Spen­ derInnen, PatInnen, engagierte PolitikerInnen, Oberbürgermeisterkandidaten, das Team von Asphalt. Im Hannover Congress Cen­ trum (HCC), stolz, festlich, aber nicht übertrieben. Wie Asphalt so ist. Und wie es gerade Spenderinnen und Spender auch erwarten dürfen. Eine bunte Sause war das. Mit sehr persönlichen Festansprachen (Stephan Weil), launigen Einlagen (Herbert Royal), ehrlichen, harmonischen Gesängen (Obdachlosenchor), musikalischem Glamour (Sister Gold) und wohlwollenden Gästen. Asphalt sagt ganz herzlich Danke! MAC

Er sei schon immer fasziniert von der »verstärkten Höflichkeit meines Freundes«, sagte MP Weil über das nicht nachlassende Bohren dicker sozialer Bretter von Gründungsherausgeber Walter Lampe.

Alle auf Augenhöhe: Die Asphalt-Familie aus Verkäufern, Spendern, Paten und Politik.

Das Herz der Straße 25 Jahre Asphalt. Unsere Jubiläumsausgabe liefert Rückblicke, Ausblicke, Daten und Fakten. Asphalt-Gründer Walter Lampe spricht über die Gründungstage, über Dankbarkeit, Freundschaft und das Notwendige. Verkäufer der ersten Stunde erzählen über ihr Leben mit Asphalt. Die Jubiläumsausgabe gibt es ab sofort für 2,20 Euro auf Straßen und Plätzen. Die Hälfte davon bekommt wie immer der Verkäufer.


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Und meine Gesundheitskasse um die Ecke. 121x persönlich und nah vor Ort

#DasGibtsNurHier Asphalt ist seit 25 Jahren das soziale Straßenmagazin für Hannover und Niedersachsen. Asphalt ist einmalig, stadtbildprägend und in hohem Maße sozial anerkannt. Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer bringen durch den Verkauf des Magazins wieder Struktur in ihr Leben. Wir von der AOK Niedersachsen finden das gut und gratulieren Asphalt herzlich zu den ersten 25 Jahren! asphalt-magazin.de


BUCHTIPPS Dativ raus Der Berliner Romancier Abbas Khider (»Die Ohrfeige«), in Saddams Irak inhaftiert und gefoltert, war nach Europa mit überschaubarem deutschen Wortschatz geflohen: Hitler, Scheiße, Lufthansa. Er durchlief die Mühlen eines deutschen Asylverfahrens und die des deutschen Bildungswesens und schreibt als studierter Literaturwissenschaftler nach erfolgreichen Romanen ein satirisches Lehrbuch für ein reformiertes »Deutsch für alle«. Im fröhlichen Ton erklärt Khider den Muttersprachlern die kaum zu bewältigenden Hürden beim Lernen einer irrationalen und eigentlich nur aus Ausnahmen bestehenden deutschen Grammatik. Und er verordnet eine Rosskur: Radikale Schnitte bei Konjugation und Deklination, Schluss mit Dativ und Genitiv, Ordnung in die Nebensätze, weg mit unaussprechlichen Um- und hässlichen ch-Lauten. Heraus kommt ein Gebrauchsdeutsch mit der schönen Effizienz von Pidgin-Englisch oder Indonesisch, zu lernen in drei Wochen. Fundiert genug, um »Sprachschützer« auf die Palme zu bringen, alle anderen hören zwischen den Sätzen Khiders ansteckendes Lachen. BP Abbas Khider | Deutsch für alle. Das endgültige Lehrbuch | Carl Hanser | 128 S. | 14 Euro

Aufs Land Wie wohnen: »Freiraum« ist ein Buch über das Wollen und das Müssen. Ein Roman über die ökonomischen Zwänge, die ein Wohnen in der Großstadt zunehmend verunmöglichen, und über eine Suche. Vela und Maren, ein lesbisches Paar Anfang dreißig, landen auf der Suche nach einem Ort, an dem man noch wohnen kann, in einem Wohnprojekt außerhalb der Stadt, mit Garten, Wald und Hofladen im Nachbarort. »Freiraum« ist auch ein Buch über Zweisamkeit und Gemeinschaft, über den Verlust des gemeinsamen Blicks: Während Maren das Leben in der Gruppe genießt, wachsen in Vela Widerstände gegen die verdeckten Brüche im Gemeinsamen und gegen Theo, den Macher, der in mancher Hinsicht gleicher als gleich zu sein scheint. Auch wenn das sich wie eine Wiederaufführung der Diskussionen und Sprechhaltungen ab Mitte der 1970er Jahre ausnimmt, ist »Freiraum« doch eine gänzlich gegenwärtige Versuchsanordnung. Die Krisen, auf die die Millenials reagieren, sind die eines sehr gegenwärtigen, weitergedrehten Kapitalismus, ihre Lösungen sind nicht sehr neu. BP Svenja Gräfen | Freiraum | Ullstein | 256 S. | 16,99 Euro

Die weiße Norm 2014 schrieb die schwarze Londoner Journalistin Reni Eddo-Lodge einen wütenden Blogpost über die Vergeblichkeit, mit Weißen über Hautfarbe zu diskutieren. Ihr »Trennungsbrief« erzielte eine immense Reichweite und machte sie paradoxerweise zu einer der wichtigsten Stimmen gegen den strukturellen Rassismus in der britischen Gesellschaft. In Ihrem nun auf Deutsch erschienenen Buch beschreibt Reni Eddo-Lodge Rassismus nicht als moralische Verfehlung, sondern als systemische Strategie zum Machterhalt. Das, was sie das »weiße Privileg« nennt, die Abwesenheit von Diskriminierung, die bewusstlose Erfahrung, es leichter zu haben, führe dazu, dass Weiße, konfrontiert mit Schilderungen von erfahrenem Rassismus an Objektivität und Vernunft appellierten und zu Gelassenheit mahnten. Statt die konsequent ungleichen Startbedingungen in den Blick zu nehmen, grassiere die »Lüge der Farbenblindheit«. »Warum ich nicht länger …« ist ein kontrollierter Wutausbruch. BP Reni Eddo-Lodge | Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche | Tropen | 263 S. | 18 Euro


Foto: Ivo Kluce

Musik

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KULTURTIPPS Bluesrock Sie sind wieder auf Tour – Ole Morisse, Danny Lee, Christian Krause und Jürgen Streithorst alias Green Blues Band. Mit im Gepäck: ihr neues Album. Stilistisch kann man den Sound der Band zwischen dem dreckigen Blues der Red Devils und dem knackigen Rock moderner Bluesgrößen wie Jonny Lang und Kenny Wahne Sheppard einordnen. Auch wenn Stücke dieser Künstler durchaus im Programm der Green Blues Band auftauchen, so hat sie doch ihren individuellen Stil und eigene Songs entwickelt, mit denen sie einen frischen Wind in das Genre des Blues trägt. Mittwoch, 14. August, Einlass 21 Uhr, Beginn 21.30 Uhr, Club VEB Loretta, KulturFabrik Löseke, Langer Garten 1, Hildesheim, Eintritt frei.

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Hameln im Ausnahmezustand

Asphalt verlost 3 x 2 Karten für das Lobetal Open Air

Sechs Bühnen, 80 Bands, zwei DJ-Areas, mehr als 113 Stunden Live-Musik und über 100.000 Besucher: Das Pflaster wird beben. Ob Rock oder Soul, ob Pop oder Punk – alle Bands haben nur einen Auftrag: Die Rattenfängerstadt drei Tage lang in den Ausnahmezustand zu versetzen. Mit dabei unter anderem »Out of Order«, die wohl älteste und immer noch aktive Band aus Hameln, »VOLARA« aus Hannover mit dynamisch melodischem Alternative-Rock, »Nobody Knows« mit Folk- und Country-Rhythmen sowie das 25-köpfige Orchester »LABIBA« mit ihrer afro-kubanischen Musik im Bigband-Sound. Ausgelassene Stimmung vorprogrammiert. Freitag, 30. August, 17 Uhr, bis Sonntag, 1. September, 20 Uhr, Altstadt, Hameln, Eintritt frei.

Zeitreise in die wilden 80er Mit seinem Nr.1-Hit »Ich will Spaß« stürmte Markus 1982 erstmalig an die Spitze der Hitparaden. In diesem Jahr will er genau diesen auf die Festwiese beim Lobetal Open Air bringen. Spaß für Jeden, wenn die diakonische Lobetalarbeit, die vor allem Menschen mit Behinderung betreut, ihr Freigelände öffnet. Neben Markus sorgen Marques mit ihren Hitklassikern »Vayamos Compañeros« oder »Arriba« für jede Menge Sommerfeeling. Und auch SputniX sind endlich wieder dabei. Mit deutschen Rock- und Pop-Klassikern und mit aktuellen Hits lassen sie es richtig krachen. Für die Reise in die wilden 80er können Sie mit Asphalt 3 x 2 Karten gewinnen. Rufen Sie uns dafür am 20. August zwischen 12 und 13 Uhr unter der Telefonnummer 0511 – 301269-18 an und beantworten folgende Frage: Wie hieß der erste Nr.1-Hit von Markus? Die ersten drei Anrufer mit der richtigen Antwort dürfen sich über die begehrten Tickets freuen. Samstag, 24. August, Einlass 17.30 Uhr, Beginn 17.45 Uhr, Festwiese der Lobetalarbeit, Fuhrberger Straße 219, Celle, Eintritt VVK 17 Euro, AK 19 Euro, Kinder zwischen 6 bis 14 Jahre 9 Euro, Kinder bis 5 Jahre frei.


Ausflug

Baumarten erkennen

Spielfreude im Grünen

Nadelbaum oder Laubbaum? Eiche, Buche, Kastanie oder doch was anderes? Anhand ihrer Blätter lassen sich Bäume recht gut erkennen und bestimmen. Doch woran erkennt man sie im Winter, wenn sie ihr Laub verloren haben? Dann ist das gar nicht mehr so einfach. Auf einer kleinen Wanderung stellt Naturpark-Ranger Hendrik Holte heimische Laub- und Nadelbaumarten vor und erklärt, wie sich die Bäume auch ohne ihre Blätter bestimmen lassen. Mittwoch, 14. August, 10 bis 12.30 Uhr, Düdinghausen (Auhagen): Ecke »Auf der Hütte« – »Wiesenstraße«, Wiesenstraße 1, Auhagen, Anmeldung erforderlich unter 5033 939-134, Teilnahme Erwachsene 3 Euro, Kinder 1 Euro.

Ab in den Wietzepark! Natur-Parcours und Bogenschießen, Yoga und No-Touch-Rugby – das Spiel-Aktiv-Fest im Wietzepark, unter dem Motto »Bewegung im Grünen«, sorgt für viel Abwechslung. Rechts und links der Wietze herrscht die pure Spielfreude. Mit Gummistiefel-Weitwurf und Schubkarren-Rennen werden die Besucher auf eine aktive Spätsommersaison im Garten vorbereitet. Die Obstbaumwiese im Wietzepark überrascht mit alten, vergessenen und seltenen Sorten. Pflücken und Naschen erwünscht! Sonntag, 18. August, 10 bis 17 Uhr, Wietzepark, Landwehrdamm 1, Isernhagen, Eintritt frei.

Foto: stille hunde

Für Kinder

Geschichte vom kleinen Maulwurf Als der kleine Maulwurf eines Tages seinen Kopf aus der Erde steckte, um zu sehen, ob die Sonne schon aufgegangen war, passierte es … Platsch! Etwas rundes, braunes fiel vom Himmel. Und das Schlimmste – es fiel ihm direkt auf den Kopf. Weil der kleine Maulwurf darüber sehr wütend wurde, machte er sich auf den Weg, den Übeltäter zu finden. Eine turbulente Suche nach dem Schuldigen beginnt. Mit viel Spielwitz und einfachen Theatermitteln haben Christopher Huber und Stefan Dehler von der freien Theaterformation »stille hunde« aus Göttingen aus dem Kult-Bilderbuch ein anarchisches Clownstheater gemacht. Das Stück findet im Freien statt und ist für Kinder ab vier Jahren geeignet. Sonntag, 25. August, 11 bis 12 Uhr, Schloss Marienburg, Marienberg 1, Pattensen, Eintritt 7 Euro.

Sonstiges Fußball verbindet »Straße trifft…« geht in die nächste Runde. Dieses Mal tritt das Team der Wohnungslosen, bestehend aus Asphaltern und den Kickern von Werkheim, gegen die Wohnungswirtschaft und gegen eine Mannschaft von Hannover 96 Ü40 an. Mit dieser Aktion wollen Werkheim e.V. und der Fanclub Rote Reihe e.V. wohnungslosen Menschen die Möglichkeit geben, am öffentlichen Leben teilzuhaben, das Selbstbewusstsein zu stärken und die unterschiedlichsten Persönlichkeiten im Wettkampf auf Augenhöhe zu verbinden. Zwischen beiden Partien haben Betroffene die Gelegenheit, gemeinsam mit Matthias Herter, Geschäftsführung Meravis, Klaus-Dieter Gleitze von der Landesarmutskonferenz, Uwe Beyes, Präsident Rote Reihe e. V., und Andreas Sonnenberg von Werkheim e.V. über das Thema »Ohne Wohnung ist alles nichts!« zu diskutieren. Geleitet wird die Talkrunde von Asphalt-Mitherausgeber Rainer Müller-Brandes. Für den musikalischen Rahmen sorgt die Werkheim-Band Büttners Best Choice. Sonntag, 11. August, ab 12 Uhr, Sportplatz VfR Döhren, Gustav-Brandt-Straße 82, Hannover, Eintritt frei.


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Foto: Christian Wyrwa

Hildesheimer Pflasterzauber Artisten, Clowns, Sänger oder auch Tänzer – beim Internationalen Festival der Straßenkünste »Pflasterzauber« verwandelt sich die Hildesheimer Innenstadt in eine große Freilichtbühne für Theater, zeitgenössischen Zirkus, Tanzperformances, Komik und Musik. An insgesamt neun Spielorten begeistern die Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt das Publikum durch fantasievolle, lustige und skurrile aber auch spektakuläre und verblüffende Darbietungen auf höchstem Niveau. Freitag, 30. August, bis Samstag, 31. August, jeweils 16 bis 22.30 Uhr, Innenstadt, Hildesheim, Eintritt frei.

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Gewinnsp Asphalt verlost 3 x 2 Karten für Slammin‘ Musik

Slam in den Gärten Einen fulminanten Musik-Slam gibt es zum Abschluss des Poetry Slam-Wochenendes im Gartentheater Herrenhausen. Unter der Moderation von Johannes Berger zeigen sich prominente SlammerInnen und Singer/SongwriterInnen von ihrer musikalischen Seite. Mit dabei: Florian Wintels aus Bielefeld, Marie Diot aus Hannover, Emily Mae Lewis aus Hamburg und Jakob Meyer aus Freiburg. Ob HipHop, Folk, Punkrock oder Elektro – auch beim Musik-Slam gilt: Am Ende kürt das Publikum die schönsten Songs des Abends. Und natürlich darf auch getanzt werden. Für den Live-Musik-Slam können Sie mit Asphalt 3 x 2 Karten gewinnen. Rufen Sie uns dafür am 14. August zwischen 12 und 13 Uhr unter der Telefonnummer 0511 – 301269-18 an und beantworten Sie folgende Frage: Wie heißt der Moderator beim Musik-Slam? Die ersten drei Anrufer mit der richtigen Antwort dürfen sich über die begehrten Tickets freuen. Sonntag, 18. August, 17 Uhr, Gartentheater Herrenhausen, Herrenhäuser Straße 4, Hannover, Eintritt Abendkasse 20 Euro, erm. 16 Euro, VVK 16 Euro.

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SILBENRÄTSEL Aus den nachfolgenden Silben sind 20 Wörter zu bilden, deren erste und fünfte Buchstaben – jeweils von oben nach unten gelesen – ein Sprichwort ergeben: ba – de – de – der – du – du – eber – edel – eder – el – end – ent – ese – fah – flie – ge – ge – gen – hard – hen – ho – kum – kur – lan – le – leh – lich – lin – me – nan – ne – nord – nord – ost – reit – rer – rönt – se – see – sicht – sis – stau – stüm – tal – tall – ten – tor – tran – trei – über – un – weit – wurf

1. eine Sportart 2. weibliches Grautier 3. er unterrichtet Sport mit einem Tier 4. ein Paar im Zweikampf 5. z. B. Gold, Silber, Platin u.a. 6. südamerikanischer Strauß 7. Bauelement der Elektronik 8. ein Gewässer in Hessen

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir viermal die dramatische Familiengeschichte »Wir, die wir jung sind« von Preti Taneja. Der alte Devraj, Chef eines mächtigen indischen Konzerns, will sein Erbe verteilen. Er hat drei Töchter. Ranjit Singh, sein Teilhaber, hat zwei Söhne, die ebenfalls mit bedacht werden sollen. Wer wird sich durchsetzen in diesem umfassenden Machtkampf, der auch ein Geschlechterkampf ist? Ebenfalls viermal können Sie den Roman »Eine gewisse Ungewissheit oder der Zauber der Mathematik« von Gaurav Suri und Hartosh Singh Bal gewinnen. Heimlich belegt Ravi in Stanford ein Seminar über die Unendlichkeit. Eines Tages findet der junge Inder zufällig heraus, dass sein geliebter Großvater, ein berühmter Mathematikprofessor, 1919 in den USA inhaftiert war … Außerdem gibt es das wundervolle Kinderbuch »Wenn 10 kleine Burggespenster träumen ...« von Susanne Göhlich viermal zu gewinnen. Jedes der Burggespenster träumt nachts seine eigenen Träume. So träumt Raffi davon, auf einem Piratenschiff zur Schatzinsel zu fahren, Rufus sieht sich als stolzer Ritter in einem Turnier. Am Ende schweben alle zehn Gespenster in einem Traum vereint auf einem fliegenden Teppich. Die Lösung des Juni/Juli-Rätsels lautet: Wo die Hoffnung aufhört fängt die Furcht an. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de. Einsendeschluss: 31. August 2019. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

9. schnell, heftig 10. Flagge 11. Männername 12. Teil einer Tracht 13. ein Heilverfahren 14. flüchten 15. Puder zur Verwendung im Sport 16. Physiker im 19./20. Jahrhundert 17. Plan von einer Situation 18. Körner 19. nach langer Zeit 20. Himmelsrichtung


Foto: Tomas Rodriguez

n f u a t n Mome

Als ich neun Jahre alt war, haben mich meine Großeltern zum ersten Mal mit in den Urlaub nach Bayern mitgenommen. So weit weg war ich zuvor noch nie. Und für den kleinen Hannoveraner, der bis dato keine Berge gesehen hat, die höher waren als sein Rodelberg am Silbersee in Langenhagen, war das atemberaubend. Aber nicht nur die Berge begeisterten mich, sondern auch die Wiesen und ihr wunderbarer, unverwechselbarer Duft nach Sommer und Ferien. Bis dato hatten Sommer und Ferien für mich einen anderen Duft, nämlich diese Melange aus Chlor und Pommesfett. Freibadluft halt. Wussten Sie eigentlich, dass Chlor an sich nicht wirklich riecht? Der starke Chlorgeruch entsteht erst, wenn Chlor mit Harnstoff reagiert. Je stärker es im Schwimmbad also danach duftet, umso … Lassen wir das! Zurück ins Jahr 1981: Der Duft der Bergwiesen, die Pracht der Wildblumen, die Alpenarchitektur mit ihren geraniengeschwängerten Holzbalkonen, das Panorma – all das ließ mich schier aus dem Häuschen sein. Und dann noch dieses herrliche Gesöff, das ich dort kennenlernte: Spezi! Das echte Spezi gab es damals nur in Bayern. Im Zuge der Globalisierung hat es nunmehr auch den weiten Weg nach Norddeutschland gefunden, damals gab es das ausschließlich am Originalschauplatz. Und selbst heute würde ich mich, wenn mich jemand fragt, ob ich ein Glas des besten Weines haben möchte oder ein Spezi, für letzteres entscheiden. Obgleich ich weiß, dass es eigentlich nur ein ungesundes Zuckerwasser ist, schmeckt es so herrlich nach Erinnerungen. Aber kommen wir einmal zum Foto, zu der Momentaufnahme: Es zeigt die am Fuße der Zugspitze gelegene Kirche St. Johannes der Täufer. Sehr barock vor das Wettersteingebirge gebaut mit klassischem Zwiebeltürmchen. Unbestreitbar ein formidables Fotomotiv. Der kleine Ort Grainau, von dem aus man mit der Zahnrad- oder der Seilbahn auf Deutschlands höchsten Berg fahren kann, hat in unserer Familiengeschichte eine besondere Bedeutung, denn dorthin sind meine Großeltern auf Hochzeitsreise gefahren. Eigentlich hatten sie dafür gar kein Geld. So kurz nach dem Krieg. Jeder Pfennig musste zehnmal umgedreht werden. Und in einem Café zu sitzen und eine Torte zu essen, dazu ein Kännchen Kaffee zu trinken, das war ein fürstliches Mahl, dessen Genuss Jahrzehnte angehalten hat, weil es etwas so ganz besonderes war, das man sich eigentlich gar nicht leisten konnte. Auf der Zugspitze waren sie dann erst drei Jahrzehnte später mit mir. Diesen Blick über die Bergwelt werde ich nie vergessen. Die Weite, das Monumentale, dieser Hauch von Ewigkeit, der über allem liegt. Es ist ein bißchen wie in Reinhard Meys Lied »Über den Wolken«: Dort oben wird alles nichtig und klein. Auch all die mächtigen Herren dieser Welt, die sich aufblasen und wie eitle Gockel durch die Geschichte spazieren, verblassen vor der gewaltigen Kulisse der Berge, an denen sie, auf sich allein gestellt, nur gnadenlos scheitern könnten. Darauf ein Spezi! Matthias Brodowy/Kabarettist und Asphalt-Mitherausgeber

ASPHALT 08/19

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