2017 07 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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REINE LUFT HINTER DEM AUSPUFF

Freies Atmen schwer gemacht: Stickoxide über dem Grenzwert

NACH DEM FRÜHLING Türkische Aktivisten erzählen von enttäuschten Hoffnungen

ÜBER DAS LEBEN

Martin Suter und sein Kumpel von der Straßenzeitung


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Notizblock

6 Angespitzt 7

Reine Luft

Freies Atmen fällt schwer, Stickoxide verspesten unsere Städte. Auch in Niedersachsen: In Hannover, Hildesheim und Oldenburg werden regelmäßig die EU-Grenzwerte überschritten.

10 Nach dem Frühling

Vier Jahre nach dem Beginn der Demokratiebewegung in der Türkei: Was ist von der Aufbruchstimmung aus dem Istanbuler Gezi-Park geblieben? Sechs Aktive erzählen.

14 Über das Leben

Bestseller-Autor Martin Suter recherchierte für seinen Roman im Obdachlosenmilieu. Straßenzeitungsverkäufer Hans Peter Meier hat ihm geholfen. Beide im Interview.

18 Wer war eigentlich …? 19

Zurück in die Spur

Straßenjugendliche fanden lange keine adäquaten Hilfsangebote. Das hannoversche Projekt »WundA« bietet seit zwei Jahren Halt und Unterstützung. Eine Zwischenbilanz.

22 Aus der Szene 24 Aus dem Leben

von Asphalt-Verkäuferin Elke

27 Hinter Gaudi

Barcelona von unten: Ehemalige Obdachlose führen Touristen durch die katalanische Hauptstadt. Wo Glamour und Tristesse nebeneinanderliegen.

30 Das muss mal gesagt werden 31 Rund um Asphalt 34 Buchtipps 35 Juli-Tipps

diesmal von Asphalt-Verkäufer Micha

38 Impressum/Ihr Engagement

Titelfoto: Smileus/Fotolia.com

39 Silbenrätsel

Das Asphalt-Prinzip

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung.


gehört Rechtstaatlichkeit zu unseren gemeinsamen Werten? Die Türkei ist Natopartner und zumindest gab und gibt es Überlegungen, Mitglied in der EU zu werden. Sind Türken kulturell anders? Wird die Auseinandersetzung zwischen Kurden und Türken jetzt auch hier geführt? Oder zwischen Gülen- und Erdogan Anhängern? Warum sind von fast tausend Imamen der Ditib, die unter der Kontrolle einer staatlichen türkischen Behörde steht, fast 900 aus der Türkei? Nicht selten, so schrieb sinngemäß »Die Zeit«, ohne viel Verständnis für die deutsche Sprache und Kultur? Gibt es oder sollte es nicht doch eine Leitkultur geben- und zwar im Sinne eines europäischen Wertekonsenses unabhängig von Religion, Ethnie und Ursprungskultur? Was hält ein Land zusammen? Schaut man auf die Situation in der Türkei, gibt es noch mehr Fragen. Wie steht es dort um die Pressefreiheit? Um die zigtausenden, die aus dem Staatsdienst –manchmal direkt ins Gefängnis-entfernt wurden? Und was ist aus der Istanbuler Bewegung im Gezi-Park geworden, die vor wenigen Jahren erst mit so viel Hoffnung für eine neue Türkei eingetreten ist? Von sechs Menschen aus dieser Bewegung ist in diesem Heft zu lesen. Von ihren Idealen, ihren Ideen, – und von Realität heute, die so ganz anders als die Ideale ist. Die Bilanz könnte kaum negativer sein. Für mich ist das eine offene Frage: Wie gehen wir damit um? Wie gehen wir damit um, dass auch in Deutschland viele Türkinnen und Türken diesen Kurs von Erdogan demokratisch legitimiert haben? Wie gehen wir damit um, dass die Abstimmung über das Referendum Werte mehrheitsfähig macht, die viele von uns nicht teilen? Wie gehen Türkinnen und Türken, Kurdinnen und Kurden in Deutschland damit um? Es bleibt: Unterschiedliche Meinungen zu akzeptieren, fällt schwer. Es bleibt aber auch: Der Wert des anderen hängt nicht an seiner Meinung, und sei sie aus eigener Sicht noch so falsch. Jeder Mensch hat einen unverlierbaren Wert, in meiner, der christlichen Tradition, spricht man deshalb von der Unterscheidung zwischen Werk und Person. Das Werk kann und muss kritisiert werden, das sind wir uns schuldig. Der Wert des Menschen hingegen, der diese Meinung vertritt, bleibt unverhandelbar. Bei aller Auseinandersetzung – das wünsche ich mir als unverlierbaren Wertekonsens. Eine interessante Lektüre mit vielen weiteren Themen wünscht Ihr

Rainer Müller-Brandes · Diakoniepastor und Mitherausgeber von Asphalt

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

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Neun Rudel

Foto: Silas Stein/dpa

Hannover. In neun Rudeln leben insgesamt 100 Wölfe in Niedersachsen. Die meisten in der Lüneburger Heide. Jedoch mittlerweile auch in Südniedersachsen. Nach wiederholten Rissen von Schafen und Damwild fordern einige Nutztier­ halter und Jäger, den Wolf zu töten. Als Reaktion auf die Forderung hat jüngst auch Ministerpräsident Stefan Weil mitgeteilt, über eine Kontrolle des Bestands des scheuen Tieres mit der Bundesregierung sprechen zu wollen. Der Wolf steht unter strengstem Naturschutz. Bisher hat das Bundes­ umweltministerium die Bejagung kategorisch abgelehnt. MAC

Nichtschwimmerland Hannover. Mehr als jede und jeder zweite Zehnjährige kann nicht sicher schwimmen. Das ergab eine kürzlich erstellte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa. Demnach haben rund 60 Prozent aller Sechs- bis Zehnjährigen nicht einmal ein Bronze-Schwimmabzeichen. Eine rasante Entwicklung: Vor zehn Jahren waren es noch 30 Prozent. Doch »schwimmen zu können ist essentiell«, so die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG. Das Problem: Immer mehr Kommunen verzichteten auf immer mehr Schwimm- und Freibäder, weil die Sanierung zu teuer wurde oder die Bäder ebenfalls aus Kostengründen nicht mehr geheizt werden. Weniger Badegäste sind die Folge. Eine Abwärtsspirale. Rund 100 Bäder wurden bundesweit allein im Jahr 2016 geschlossen. »Wer Bäder schließt, um Kosten zu senken, handelt fahrlässig und verantwortungslos«, so DLRG Vizepräsident Achim Haag. MAC

Mehr Extremisten Hannover. 730 extremistische Muslime sind aktuell in Niedersachsen aktiv. Rund 100 davon werden vom Innenministerium als Gefährder und direkte Unterstützer eingestuft. Also Menschen, denen die Sicherheitsbehörden Anschläge zutrauen. Vor zwei Jahren waren es noch 520 Islamisten. Bundesweit ist ein Anstieg von 8.350 auf 10.000 extreme Salafisten festzustellen. Salafistische Tendenzen lassen sich, so Innenminister Boris Pistorius, in Niedersachsen flächendeckend nachweisen. Dennoch blieben Hannover, Hildesheim, Braunschweig und Wolfsburg Schwerpunkte der salafistischen Aktivitäten. Die Prediger, die dort auftreten, seien in das nationale und internationale salafistische Netzwerk eingebunden. Die Zahl der Ausreisenden nach Syrien und Irak ist laut Innenminister indes stark rückläufig. Weil die islamistischen Milizen in den Ländern militärisch stark unter Druck sind, kommen mehr Extremisten zurück. In 2017 bisher 33. Minister Pistorius: »Dass es immer mehr Sala­ fisten gibt, zeigt, dass wir noch lange mit dieser Problematik zu tun haben werden, genauso wie mit den Rückkehrern aus Syrien und dem Irak. Natürlich prüfen wir laufend Ansatzpunkte, um zum Beispiel islamistische Hotspots zu verbieten. Aber für solche Vereinsverbote gibt es zu Recht sehr hohe Hürden.« MAC


Hannover. Immer mehr Menschen haben nicht finanzierbare Schulden. Rund 810.000 Niedersachsen sind aktuell überschuldet, das ist rund jeder Zehnte. Mit 10,42 Prozent lag die Quote sogar leicht über dem Bundesdurchschnitt. Doch nur ein Prozent nutze bisher die Möglichkeit zur Schuldnerberatung. Darauf hat Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hingewiesen. »Trotz geringer Arbeitslosigkeit und guter Konjunkturentwicklung hat sich die Überschuldungsquote bundesweit erhöht. Eine gut aufgestellte Beratung ist dabei entscheidend, um Menschen wieder aus der Überschuldung zu führen.« Problem: Längst nicht in jeder Region gibt es ausreichend kostenlose Angebote. Die soziale Schuldner­beratung ist gesetzlich als kommunale Ermessensleistung ausgelegt, während die Insolvenzberatung in die Zuständigkeit der Länder fällt. Immerhin: Das Land fördert mit jeweils mehr als einer halben Million Euro jährlich Personalkostenzuschüsse für Schuldnerberatungsstellen. MAC

Hannover. Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel will die Nutzung von Gentechnik-Baukästen verbieten lassen. Die so genannten Do-it-yourselfKits (DIY-Kits), mit denen gentechnische Versuche durchgeführt werden können, w ürden derzeit vermehrt unkontrolliert im Internet gehandelt. Dort werben Hersteller damit, dass gentechnisch veränderte Organismen ganz einfach zu Hause selbst hergestellt werden können. »Diese Kästen müssen vom Markt genommen werden, um die Gefahr einer Ansteckung, Vermehrung oder Freisetzung von Krankheitserregern oder gentechnisch veränderten Krankheitserregern zu verhindern«, sagte Wenzel. Die DIY-Kits enthalten Versuche, die nach dem bundesdeutschen Gentechnikgesetz allein in besonderen Sicherheitslaboren durchgeführt werden dürfen. »Diese Kästen gehören schon gar nicht in Kinderhand«, sagte Wenzel. Wer es dennoch tut, muss mit Geldbußen bis zu 50.000 Euro rechnen. MAC

4,7 Mrd. Eier wurden in 2016 zwischen Ems und Elbe erzeugt. Niedersächsische Hühner haben damit mehr als jedes

dritte Ei (39 %)

in Deutschland gelegt. Mehr als die Hälfte der Eier stammte aus Bodenhaltung,

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21,2 % aus Frei-

landhaltung, 14,1 % aus Kleingruppenhaltung und

11,3 % aus ökologischer Legehennenhal-

tung. Die meisten Legehennen werden in Gruppengrößen zwischen

10.000 und

30.000 Tieren gehalten. Von den insgesamt 15,3 Mio. Hennen im Land stehen gut 4 Mio. in

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sachse hat 2016 im Schnitt 235 3 Eier mehr als im Jahr 2015.

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Baukasten-Gefahr

ZAHLENSPIEGEL »IM HÜHNERSTALL«

Mehr Schulden

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ANGESPITZT

Die Poesie hat ihre Tücken. Sie offenbart mitunter mehr über ihren Urheber, als diesem Recht sein könnte. Das lehrt uns auch ein Gedicht des jungen Karl Marx, das jüngst in der FAZ vorgestellt wurde: »Menschenleben / Stürmisch entfliehet / Der Augenblick; / Was er entziehet, / Kehrt nicht zurück. / Tod ist das Leben / Ein ewiger Tod; / Menschenbestreben / Beherrscht die Noth (…) Gierig Bestreben / Und elend Ziel / Das ist sein Leben, / Der Lüfte Spiel. / Groß es zu wähnen / Doch niemals groß, / Selbst sich zu höhnen, / Das ist sein Los.« Man ahnt bei diesen Zeilen, weshalb der Dichter die Poesie schließlich Poesie sein ließ und sich in reiferen Jahren lieber anschickte, die Welt zu verändern. Leider gibt es auch die umgekehrten Fälle. Einer, der sich selbst in Marxens Fußstapfen wähnte, obwohl es ihm an Veränderungswillen und geistiger Beweglichkeit gleichermaßen fehlte, erbrach noch im hohen Alter diese Verse: »Den Sozialismus in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf«. So dichtete Erich Honecker 1989 spät, starrsinnig und sich unfreiwillig selbst verhöhnend sein gereimtes Sinnbild des politischen und intellektuellen Leerlaufs, kurz bevor ihn das Leben bestrafte.

»BLÜTEN DER POESIE«

In wessen Fußstapfen sich Stefan Weil wähnt, wissen wir nicht, aber sein Auftritt auf dem Sommerfest des SPD-Landesverbandes Niedersachsen lässt Schlimmes befürchten: »Wenn am Himmel die Sonne lacht, dann hat’s die SPD gemacht«, stolperte der Ministerpräsident, der ansonsten gegen Experimente ist, durch das fremde Blumenbeet der Poesie. Und: »Ziehen sich die Wolken zu, dann war es bestimmt …« »Die CDU« ergänzten die Gäste freudig der Lüfte Spiel. Was lehrt uns dies? »Geschichte wiederholt sich«, sprach der Philosoph, »das erste Mal als Tragödie und das zweite Mal als Farce«. Ulrich Matthias


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Foto: Johan Larson/123rf

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DICKE LUFT Stickoxide reizen. Atemwege, Politik und Autobauer. Denn anders als beim Feinstaub haben alle technischen Neuerungen, Umweltplaketten und Umweltzonen bisher wenig Besserung gebracht. Im Gegenteil. Es besteht Luftnot und Handlungsdruck.

Ausgerechnet der neueste Dienstwagen vieler Spitzenpoliti- Dabei ist auch Autobauern längst bekannt: Stickoxide machen ker ist die größte Dreckschleuder. Der A8 Diesel, Flaggschiff ernsthaft krank. Das Gas sorgt für Entzündungen des Schleimder Autobauer von Audi, hat im Realtest in Sachen Schadstoffe hautgewebes im gesamten Atemtrakt. Im Zusammenspiel mit komplett versagt – trotz seiner angeblich sauberen neuen Feinstaub – ebenfalls unter anderem aus Automotoren – sorgt Euro 6-Norm, die ihn nach aktuellen Gesetzesvorhaben auch es in Folge für Atemnot, Husten, Bronchitis und Lungenödeme. künftig in deutsche Innenstädte lassen würde. Die Deutsche 50 bis 75 Prozent aller Stickoxidemissionen stammen von Umwelthilfe (DUH) hatte bei Straßenmessungen im Juni Autos, vor allem von Dieselfahrzeugen. In fast allen größeren Städten in Niedersachen, in Göttineinen bisher nie da gewesenen Stickoxidausstoß gemessen: 1.938 mg pro Kilometer. Ein Allzeithoch. Der Wagen flute »die gen, Hameln, Hannover, Hildesheim, Osnabrück – und als deutschen Innenstädte mit Rekordmengen des Dieselabgas- negativer Spitzenreiter Oldenburg – wurden und werden die giftes Stickoxid«, beklagte DUH-Chef Jürgen Resch nach dem von der EU im Jahr 2002 bzw. 2008 festgelegten Grenzwerte für das flüchtige Gas überschritten. Nicht überall im Stadtgebiet. überraschenden Test.


KOMMENTAR

Vielfach nur an den Messstationen der viel befahrenen Stra- die hohen Stickoxidkonzentrationen ßen, In Hannover zum Beispiel an der Friedrich-Ebert- und der schnellstens in den Griff zu kriegen. Die Vahrenwalder Straße, der Marien- und der Göttinger Straße. In tägliche Strafe setzt sich zusammen aus Hildesheim ist etwa die Schuhstraße schwer belastet, in Olden- einem Grundsatz multipliziert mit der Schwere, der Dauer und der Anzahl der burg der Heiligengeistwall. Nach Expertenschätzungen der Environmental Health Verstöße. Da geht es um mehrere hunAnalytics (LLC) sterben jährlich einige Hundert Deutsche vor- dert Millionen Euro. Und zukünftig wird zeitig wegen der hohen Stickoxidbelastung. An den Ring- und die zunehmende Urbanisierung dieses Durchfahrtstraßen wohnt man noch für 6 Euro pro Quadrat- Problem weiter verschärfen. Mehr Menmeter. In den boomenden Städten mit knappem Wohnraum schen mit immer mehr Autos auf den können sich das auch Ärmere und Transferleistungsempfän- Straßen: Da droht den Städten die Luftger leisten. Und ihre Kinder. Nach einer Meta-Analyse, in der not. Das erhöht den Handlungsdruck. »Im Rahmen der Überarbeitung des jüngst 41 unterschiedliche weltweit durchgeführte Kinderatemwegsstudien bewertet wurden, ist das relative Risiko, kind- Luftqualitätsplans werden alle Maßliches Asthma zu entwickeln, um 48 % höher wenn die mitt- nahmen überprüft, die geeignet sind, lere jährliche Belastung mit Stickoxiden 30 Mikrogramm pro den Stickstoffdioxidgehalt in der Luft zu Kubikmeter Luft (μg/m 3) überschreitet. Der EU-Grenzwert reduzieren«, bleibt die Stadt Hannover liegt sogar noch auf 40 μg/m 3. Und die Mittelwerte in vielen etwas nebulös. Ein Entwurf solle »vorStädten deutlich darüber. Der deutsche Kinderärzteverband aussichtlich in der zweiten Jahreshälfte GPA hat deshalb im vergangenen Mai den Gesetzgeber ein- der Öffentlichkeit und der Politik vorgedringlich aufgefordert, zumindest die Einhaltung der aktu- stellt werden«, bittet Hannovers Stadtellen Feinstaub- und Stickoxidgrenzwerte »kurzfristig durch sprecher Dennis Dix um Geduld. Ob geeignete gesetzgeberische und verkehrslenkende Maßnah- denn Dieselfahrverbote zu den Maßnahmen dazu gehören werden? »Straßenmen zu erzwingen.« Zu erzwingen! Sowohl in Hannover als auch in Oldenburg überarbeiten sperrungen sind nicht per se eine geeigdie Stadtverwaltungen derzeit fieberhaft die Reinhaltepläne nete Lösung«, gibt Dix die Verwaltungsder Stadtluft. Nicht nur, weil sie ihre Bevölkerung gesund erhal- meinung wieder. In Hannover werde nur ten wollen. Schaffen sie es nicht, die Grenzwerte mittelfristig auf bestimmten Straßen der Grenzwert einzuhalten, drohen Geldbußen der europäischen Union. Die überschritten. »Die Sperrung einzelEU-Kommission hatte Deutschland im Frühjahr abgemahnt, ner Straßen würde eine Verlagerung des

Diesel-Dilemma Im Frühjahr hatten die Grünen »Dieselfasten« vorgeschlagen. Freiwilliges Stehenlassen von Dieselautos zur Osterzeit. Da wurde gelacht. Man kann das witzig finden, oder – wie aktuell in Mode – wütend als Bevormundung. Doch der Hintergrund des Vorschlags ist unzweifelhaft: Dieselautos machen krank – trotz technischer Verbesserungen, wie das Beispiel des neuen A8 zeigt. Das Dilemma: Vor wenigen Jahren wurden Diesel noch empfohlen. Weniger Verbrauch, wenig CO2, hieß es. Jetzt ist die Wissenschaft weiter: Jede Menge Stickoxide. Autokäufer fühlen sich getäuscht. Gleichwohl gilt: Der Staat hat Vorsorge und Fürsorge für die Gesundheit seiner (armen) Bürger zu übernehmen. Sobald Gefährder ausgemacht sind, muss er handeln. Auch gegen eine große Gruppe von Einzelinteressen. Das muss Grundlage der ausstehenden Luftreinhaltepläne in Hannover wie Oldenburg sein. Dazu gehört Tempo 30 für mehr grüne Wellen, Infrastruktur für Elektroautos, möglicherweise Einfahrtbeschränkungen für Diesel auch neuester Bauart sowie Stärkung des ÖPNV. Und vielleicht auch mehr Moos in der Stadt. Volker Macke


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Die Mittelwerte Januar bis Mai 2017 Stickstoffdioxide (Grenzwert 40 μg/m³)

Stickstoffoxide (kritischer Wert 30 μg/m³)

Braunschweig

37

88

Göttingen

43

109

Hannover

47

102

Oldenburg 52

172

Osnabrück

111

46

Wolfsburg 35

75

Quelle: Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim/ Lufthygienisches Überwachungssystem Niedersachsen

Verkehrs und somit eine höhere Belastung auf anderen Straßen zur Folge haben, was dann dort möglicherweise zu Grenzwertüberschreitungen führt.« Zudem sei die rechtliche Lage in Sachen Fahrverbote noch zu unklar. Weil die große Koalition sich aktuell nicht auf Maßnahmen einigen kann, wartet man auch in Hannover lieber ab, wie sich die Rechtslage in Städten entwickelt, die gezwungenermaßen weiter sind, weil dort die Belastung noch problematischer ist. München, Hamburg, Stuttgart etwa. Ein Netzwerk für klare Luft, »Hannovair Connection«, hat der Stadt leicht süffisant jetzt Unterstützung bei der Suche nach Lösungen angeboten. »Liebe Stadt Hannover, Du hast Fragen, wie die Luft besser wird? Dann meld’ Dich bei uns. Wir freuen uns drauf und helfen gerne!« geht es in den sozialen Netzwerken seit Ende Juni rum. Hinter dem Post steht einen Initiative von engagierten Wissenschaftlern, Umweltverbänden und Radfahrerorganisationen. Mitte Juni hatte das junge Bündnis erstmals in Hannover für saubere Luft, mehr Transparenz hinsichtlich der gesundheitlichen Gefahren der Abgase und eine so genannte Verkehrswende demonstriert. Der Zuspruch zur ersten Demo war mit nicht viel mehr als 100 Teilnehmern allerdings noch recht verhalten. Audi hat nach dem verheerenden Test übrigens zunächst Schulterzucken signalisiert. Man wisse ja weder den »technischen Zustand des konkret vermessenen Fahrzeugs noch die exakten Messrandbedingungen.« Volker Macke

Politik in Hannover will Moos Zackenmützenmoos wird eine große Zukunft als Staubfilter attestiert. Vertikal in 3 x 4 Meter Stahlgestelle oder Holzgerüste eingepflanzt, filtern Moose Feinstaub aus Stadtluft. In Oslo beispielsweise, in Dresden oder Reutlingen stehen Prototypen der City-Tree genannten Mooskonstruktionen. Ob sie wirklich Feinstaub in nennenswertem Umfang filtern, wird aktuell noch von unabhängigen Experten erforscht. Erste Hinweise sind positiv. Der Erfinder der City-Trees, eine Firma aus Dresden, verspricht zumindest staubfreie Luft. Eine einzige Moosfläche schaffe so viel Sauberkeit wie 275 gewöhnliche Straßenbäume: 73 kg Feinstaub im Jahr. Vorausgesetzt die Moose werden regelmäßig über große Wassertanks feucht genug gehalten. Denn eigentlich mögen es Moose kuschelig feucht und schattig. Ob die Moose auch in der Lage sind, Gase wie Stickoxide aus der Luft zu verstoffwechseln, ist nicht geklärt. Gleichwohl hoffen Ampelkoalition und CDUFraktion im Rathaus von Hannover gleichermaßen genau darauf und haben die Verwaltung Mitte Juni mit der Prüfung solcher Moosbauten beauftragt. In Hannover stehen grenzwertüberschreitende Stickoxidemissionen jedoch weit vor dem Problem Feinstaub. Der ist zwar immer noch da. Aber seit langem unterhalb der EU-Grenzwerte. Foto: Green City Solutions

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Foto: REUTERS/Stoyan Nenov

NACH DEM FRÜHLING Da war kurz Aufbruch, Einigkeit Zukunft: Vor vier Jahren wurde aus einem Umweltprotest im Istanbuler Gezi-Park eine landesweite Demokratiebewegung für eine neue Türkei. Sechs waren dabei und erzählen von Hoffen und Harren. Istanbul, Mai 2013: Ein paar Dutzend Aktivisten haben sich im Gezi-Park versammelt, im Zentrum der Stadt. Der Park soll einer Shopping-Mall weichen. Das wollen sie verhindern. Die Polizei rückt an mit Wasserwerfern und Tränengas – das Ordnungsamt zündet die Zelte der Protestierenden an. Das ist jener Funke, der den bis dahin winzigen Protest zu einer Massen­ bewegung macht. Schon bald geht es nicht mehr nur um Grünflächen und Bäume, sondern um Demokratie und Freiheit. Die Menschen sind es leid, dass der Staat sie gängelt. Sie wollen Alkohol trinken, wann sie es wollen. Sie wollen Kinder kriegen, wann und mit wem sie wollen. Sie wollen in einer moder-

nen und säkularen Gesellschaft leben. Der Gezi-Park wird zur Kommune. Die jungen Leute demonstrieren hier nicht nur. Sie leben friedlich zusammen, teilen sich Zelte und Essen, richten in einer Ecke des Parks sogar eine Bücherei ein. Tausende werden aktiv. Nach einigen Wochen beendet die Polizei den Frühling der Türkei. Barrikaden, Straßenschlachten, Verletzungen. Insgesamt werden bei den Protesten acht Menschen getötet. Vier Jahre später: Putsch nach dem Putsch, Unterdrückung, Zensur, AKP-Anspruch auf Alleinherrschaft. Diese sechs Menschen vom Gezi-Park erzählen, was die Proteste für sie bedeutet haben und was heute davon übrig ist.


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Ferhat Talan, Fußballfan und Aktivist »Es gibt in der Türkei ein Sprichwort: Wenn ihr euch nicht gegen den Faschismus vereint, vereint euch der Faschismus im Gefängnis. Die Gezi-Proteste haben es geschafft, Einigkeit herzustellen. Plötzlich standen Kurden neben überzeugten Kemalisten, also den Anhängern des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk. Die hättest du vorher niemals zusammenbringen können. Wenn du für die gleiche Sache kämpfst und von der Polizei angegriffen wirst, dann merkst du, dass du Solidarität brauchst. Wir haben nicht nur gelernt, zusammen zu kämpfen, sondern auch, die anderen zu verstehen. Auch diejenige, die wir bis dahin nicht verstanden hatten. Ein bisschen ist davon erhalten geblieben. Ich habe viele Freunde, die vor Gezi überzeugte Kemalisten waren. Heute unterstützen sie die kurdische Bewegung. Als der Islamische Staat 2014 die syrisch-kurdische Stadt Kobane belagert hat, sind auch einige Kemalisten in den türkischen Grenzort Suruç gefahren, um ihre Solidarität zu zeigen. Auch im Fußball hat sich vieles verändert. Früher ging es im Be ş ikta ş-Stadion viel politischer zu. Heute wird alles überwacht, und wenn du mit einem politischen Banner erwischt

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wirst, bekommst du ein Jahr Stadionverbot. Nach Gezi ist auch die »Karşı Lig« entstanden, die »Gegenliga«. Da spielen verschiedene linke Gruppen gegeneinander. Gewerkschafter, Anarchisten, kurdische Feministinnen. Männer und Frauen spielen ohne Sexismus und Nationalismus zusammen. Das ist in der Türkei etwas völlig Neues.«

und Restaurants, die Alkohol verkaufen, werden immer stärker unter Druck gesetzt. Die Behörden suchen sich irgendeinen Grund um sie zu drangsalieren. Früher waren hier abends viele Jugendliche auf den Straßen. Stattdessen sieht man heute immer mehr arabische Touristen. Ich merke das sogar in meiner Nachbarschaft in Cihangir. Eigentlich ist es ein weltoffener Stadtteil, hier leben Künstler, Musiker und Schauspieler. Aber auch hier gehen die Leute abends nicht mehr so viel aus. Und die Gesellschaft wird immer religiöser und konservativer. Vor ein paar Monaten, im Ramadan, hat ein Freund von mir eine Party gefeiert. Wir waren in einer privaten Wohnung, haben Musik gehört und getanzt. Auf einmal stand eine Gruppe junger Männer vor dem Haus und begann laut rumzuschreien. Was uns denn einfallen würde, im Ramadan zu feiern, Männer und Frauen zusammen? Wir haben dann das Licht ausgemacht und gewartet, bis sie weg waren. Die Party Ayser Ali, Literatur-Agentin war vorbei. Wir hätten die Polizei rufen können, aber die hätte »Wir waren alle so unterschiedlich. Und haben es eh nichts unternommen. nur kurz geschafft, eine Verbindung zueinander Viele einstige Aktivisten fokussieren sich jetzt komplett auf ihre aufzubauen. Dann haben die Leute festgestellt, dass Arbeit und ihr Privatleben. Ich überlege, ob ich auswandern sie nicht dieselbe Vorstellung vom Leben haben. soll. Dabei will ich eigentlich nicht weg. Hier bin ich zuhause. Darum ist die Bewegung wieder verblasst. Die Falls ich aber irgendwann ein Kind bekomme, wandere ich aus. Stadt hat sich seitdem stark verändert. In den Aus- In dieser Unsicherheit will ich kein Kind großziehen.« gehvierteln rund um den zentralen Taksim-Platz Kurz nach dem Interview hat Ayser Ali die Türkei dann doch sind heute weniger Menschen unterwegs. Bars verlassen müssen. Sie lebt nun in England.


Fotos (6): F. Huesmann

Sedef Çakmak, LGBT-Aktivistin und Stadtrats­ abgeordnete von Beşiktaş »Ich war schon vor den Gezi-Protesten lange in der LGBT-Bewegung aktiv – die für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen kämpft. Ich habe Demonstrationen organisiert, Pressemitteilungen geschrieben und mich mit ausländischen Politikern getroffen. Mit Gezi wurde für uns auf einmal vieles anders. Viele Leute, die vorher nichts mit uns zu tun hatten, haben uns kennengelernt.

Gökçe Gökçen (25), Internationale Sekretärin des Jugend­ verbands der Republikanischen Volkspartei CHP »Als die Gezi-Proteste anfingen, habe ich gerade für meine Abschlussprüfungen an der Uni gelernt. Direkt nach der Prüfung ging ich dann selber in den Park und traf dort fast alle Menschen, die ich kenne. Meine unpolitischen Schulfreunde, meine Lehrer, meine Professoren. Alle waren da. Einige Professoren hatten ihre Prüfungen sogar verschoben, damit die Studenten auf die Straße gehen können. Ich war schon seit ein paar Jahren Mitglied der CHP. Gezi war für mich aber keine Bewegung der Parteien, sondern der jungen Leute. Die Parteien haben gar nicht verstanden, wovon wir sprechen. Seitdem hat die CHP versucht, sich zu öffnen. Unser Parteivorsitzender hat gesagt: Die Partei gefällt euch nicht? Dann werdet Mitglieder und verändert sie von innen. Ich habe keine große Hoffnung mehr für die Zukunft. Als Nächstes wird das Verfassungsreferendum kommen, und dann haben wir wohl ein Präsidialsystem. Wahrscheinlich wird es auch noch mehr Terroranschläge geben. Dabei fühlen wir uns schon heute nicht mehr sicher. Ich arbeite als Forschungs­

Wir waren sauer auf viele Oppositionspolitiker. Sie haben zwar immer gesagt, dass sie uns unterstützen. Doch wenn es hart auf hart kommt … . Also dachten wir uns: Warum gehen wir nicht selbst in die Politik und verändern etwas? Mein Freund Boysan hatte die Idee, in die CHP einzutreten, die Republikanische Volkspartei. Nach einer Weile hatten wir einen Termin bei dem Parteivorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu, und kurze Zeit später standen wir auf den Wahllisten unserer Bezirke. Wir haben seitdem einiges erreicht. Wir haben eine große Plakatkampagne in Be şikta ş gestartet. Auf den Plakaten haben LGBT-Aktivisten gemeinsam mit unserem Bürgermeister posiert. Es ging vor allem darum, Homosexuelle und Transsexuelle sichtbarer zu machen. Dadurch ist nicht die Hölle losgebrochen, sondern den Menschen hat das gefallen. Es gibt hier heute mehrere LGBT-Cafés, und die Leute können sich offener zeigen als vorher. Auch in der Stadtverwaltung schulen wir die Mitarbeiter, damit sie die Lebensumstände von Schwulen, Lesben oder Transsexuellen kennen. Das alles ist durch Gezi überhaupt erst möglich geworden. Die aktuelle Entwicklung im Land macht unsere Arbeit aber verdammt schwer. Nach Gezi waren mehr als 80.000 Leute bei der bunten LGBT-PrideParade. In den letzten beiden Jahren wurde die Parade verboten und von der Polizei angegriffen. Dabei ist die Polizei nicht mal die größte Gefahr. Wir fürchten uns heute viel mehr vor möglichen Selbstmordanschlägen. Eigentlich sollte der Staat uns davor beschützen. Er tut es aber nicht.«

assistentin an einer öffentlichen Uni. Mein Fachgebiet ist Verfassungsrecht. Wenn ich vor Studenten spreche, dann überlege ich immer genau, was ich sage. Und jedes Mal, wenn wieder Listen mit den Namen gefeuerter Mitarbeiter veröffentlicht werden, gucke ich direkt, ob ich auch darauf stehe. Ich habe mich vorher noch nie so hoffnungslos gefühlt.«


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Ali Ergin Demirhan, Journalist des gewerkschaftsnahen Magazins Sendika.org »Als die Proteste 2013 anfingen, haben wir Artikel quasi im Minutentakt veröffentlicht. Die Aktivisten auf der Straße haben uns angerufen, und wir haben deren Infos dann verifiziert und veröffentlicht. Das war wichtig, weil die MainstreamMedien alles gezeigt haben, nur nicht die Wahrheit. Nach ein paar Tagen haben wir einen Online-Fernsehsender gestartet und aus dem Gezi-Park heraus live ins Internet gestreamt. Wir haben die ganze Zeit darauf gewartet, dass die Regierung uns angreift. Lange ist aber nichts passiert. Erst einige Monate später hat sich das geändert. Am Anfang haben sie nur den Zugang zu einzelnen Artikeln gesperrt. Dann haben sie aber angefangen, unsere komplette Internetseite zu sperren. Wir haben uns daraufhin einfach von Sendika.org in Sendika1.org umbenannt. Mittlerweile sind wir bei Sendika12. Vor großen »Operationen« oder Festnahmen versucht die Regierung bis heute, den Zugang zu Informationen abzuschneiden. Allein schon aus wirtschaftlichen Gründen wird die Regierung das Internet nie langfristig abschalten. Kurzfristig hat sie es aber wiederholt lahmgelegt – und in ein paar Tagen kann eine

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Menge passieren. Darauf müssen wir reagieren können. Als das Internet vor kurzem wieder blockiert wurde, hat sich in Izmir jemand auf einer Fähre vor die Passagiere gestellt, und ihnen die Nachrichten zugerufen. Falls der Staat das Internet abschaltet, müssen wir auf die Straße gehen, Reden halten, Flugblätter verteilen und die Informationen an die Wände schreiben. Wir brauchen einen Plan.«

Die Leute haben dann angefangen, sich in den Parks in ihren Stadtteilen zu treffen und gemeinsam zu diskutieren. Daraus sind zum Beispiel die beiden besetzten Häuser im Stadtteil Kadıköy hervorgegangen, das Don Kişot und das Mahalle Evi. Ich war gerade mit meiner Mutter in einem Museum, als ich von der zweiten Besetzung erfahren habe. Ich habe ihr nur gesagt: Sorry, ich muss los, und habe sie im Museum stehen lassen. Wir haben das Haus zu einem Sozialen Zentrum für die Nachbarschaft gemacht. Es gab eine offene Küche, Workshops und Sprachkurse. Die Nachbarn fanden das super und haben uns dabei unterstützt. Wenig später hat die Polizei das Haus geschlossen. Damit starb eines der letzten Projekte, die aus den Gezi-Protesten hervorgegangen sind. Geblieben sind fast nur noch die privaten Freundeskreise. Ich habe keine Ahnung, wie es jetzt weitergeht. Ich weiß nur, Melis Özbakır, ehemalige Hausbesetzerin dass wir dickköpfig bleiben müssen. Dass wir die Hoffnung »Wir haben im Gezi-Park die ganze Zeit irgendwas nicht verlieren dürfen. Und wir müssen uns selbst schützen. gemacht: Irgendetwas organisiert, gekocht, aufge- Vor ein paar Monaten habe ich angefangen zu boxen, damit ich räumt. Dabei hat uns aber eins gefehlt: Wir hatten mich zumindest auf der Straße etwas sicherer fühle. Ich fürchte, keine organisierten Diskussionsforen. Wir haben für einen echten Wandel in der türkischen Politik bräuchte es nur individuell darüber gesprochen, wie es weiter- einen Bürgerkrieg im ganzen Land, oder eine schwere Wirtgeht. Wirklich geändert hat sich das erst, nachdem schaftskrise.« die Polizei uns aus dem Gezi-Park vertrieben hat. Felix Huesmann/correctiv org


Fotos: Miriam Künzli

»JEDE FRAGE BEANTWORTET« Martin Suters neuer Roman »Elefant« rund um das Thema Gentechnologie spielt unter anderem im Obdachlosenmilieu der Stadt Zürich. Bei den Recherchen geholfen hat dem Bestseller-Autor der »Surprise«-Straßenzeitungsverkäufer Hans Peter Meier. Manchmal treffen sich die beiden auch heute noch, an Hans Peters Verkaufsplatz zum Beispiel. Oder zum gemeinsamen Interview.


Hans Peter Meier: Sehr präzise. Wer sich in der Zürcher Obdachlosenszene etwas auskennt, erkennt sogar die eine oder andere Figur im Buch. Oder zumindest, von welcher realen Person sie inspiriert ist. Martin Suter: Das ist gut. Meier: Ganz allgemein habe ich den Eindruck, dass das Buch sehr genau recherchiert ist. Auch was das Feld der Genmanipulation und Biotechnologie angeht.

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Hans Peter, wie findest du den Roman von Martin Suter, was das Thema Obdachlosigkeit angeht?

man sich oft: ›Jetzt muss ich das nicht mehr machen.‹ Das habe ich selbst auch schon erlebt. Als junger Mann hatte ich einen Job in einer Werbeagentur. Als dann meine Beziehung in die Brüche ging, musste ich nicht mehr so viel Geld verdienen. Ich schmiss den Job hin und bewarb mich als Reisereporter bei Geo. In so einer Situation lebt man viel eher das, was man will.

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Das kann auch gefährlich sein. Herr Suter, weshalb haben Sie sich einen Obdachlosen als Protago- Suter: Ja. Alkohol wird dann zum Beinisten ausgesucht?
 spiel schnell zum Thema. Es wartet ja Suter: Das entsteht bei mir aus dem Stoff heraus. Ich wollte zunächst ein- niemand mehr zu Hause und wird sauer, mal die Geschichte dieses Elefäntleins schreiben, die ich schon lange mit wenn ich heimkomme und einen sitzen mir herumtrage. Vor etwa zehn Jahren zeigte mir ein Alzheimerforscher habe. Das ist eine kritische Situation, sein Labor, und in einem Nebensatz erwähnte er, dass es gentechnisch diese Mischung zwischen Freiheit und überhaupt kein Problem wäre, einen lebenden kleinen, rosaroten Elefan- Verzweiflung, da muss man aufpassen. ten herzustellen.

Kann es jeden treffen? Der im Dunkeln leuchtet? Suter: Das habe ich dazugedichtet. Jedenfalls ging mir die Bemerkung nicht mehr aus dem Kopf, und als ich mich dann an die Geschichte machte, war für mich klar: Sie musste damit beginnen, dass der kleine Elefant in einem Versteck von jemandem gefunden wird. Und wer sieht schon rosa Elefanten? Von da war es nur noch ein kleiner Schritt zum obdachlosen Alki. Manchmal fallen die Puzzleteile beim Schreiben einfach an ihren Platz.

Wie intensiv haben Sie auf der Strasse
recherchiert?
 Suter: Nur auf den Stadtrundgängen und in privaten Gesprächen mit Hans Peter und seinem Kollegen Ewald. Ich glaube nicht, dass ich näher rangekommen wäre, wenn ich undercover in die Szene eingetaucht wäre.

Was unterscheidet einen Obdachlosen oder Randständigen vom Rest der Gesellschaft?
 Suter: Der Mangel an Sicherheit. Nie zu wissen, was der nächste Tag bringt. Meier: Das ist sicherlich ein Faktor – insbesondere bei jenen, die wirklich draußen leben und auf Sozialhilfe verzichten. In Schweizer Städten ist das Angebot an sozialen Einrichtungen groß, man kann sich ziemlich sicher sein, dass man nicht hungern muss. Aber abgesehen davon weiß man wirklich nie, was kommt.

Herr Suter, an einer Stelle in Ihrem Roman schreiben Sie von der »Freiheit, kein reicher Mann zu sein«. Sind reiche Menschen unfrei? Suter: Da geht es um die Figur des Tierarztes Dr. Reber. Nach der Scheidung von seiner Frau entscheidet er sich gegen die Karriere und für seine wenig lukrative Leidenschaft: die Elefanten. In einer Lebenskrise sagt

Suter: Sagen wir: Wer in dieser Beziehung nicht gefährdet ist, hat sonst ein Problem.

Was für eins? Suter: Zu viel Kontrolle. Zu wenig Kreativität. Was meinst du, Hans Peter? Meier: Wenn immer alles nach Plan läuft, ist kaum Entwicklung möglich. Da braucht es etwas äußere Einwirkung. Wenn immer alles schön vor sich hinplätschert, weshalb sollte man dann etwas ändern? Suter: Das Risiko zum Absturz besteht, glaube ich, bei allen Menschen. Man schmeißt aus irgendeinem Grund alles

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die es im neuen Roman von Martin geht, nicht viel anders ist.

Fast alle Figuren sind auf ihre Art gescheitert oder gerade im Scheitern begriffen. Warum faszinieren Sie die Brüche im Leben so? Suter: Es hat mit Identität zu tun. Mich hat schon immer interessiert: Wer bin ich, und wer könnte ich sonst noch sein? In einer Krise treten auch die verborgenen Persönlichkeiten hervor, die in jedem von uns stecken. Erzählerisch gesehen sind Figuren ohne Krise langweilig. Alle meine Figuren befinden sich an einem Wendepunkt. Das war ja in der altgriechischen Dramatik nicht anders: Eine Figur ist am Ende eines Stücks nicht dieselbe wie zu Beginn. Mich interessiert diese Entwicklung. Die Art, wie eine Figur auf die Krise reagiert.

Bleiben im Gespräch: »Surprise«-Straßenzeitungsverkäufer Hans Peter Meier (links) und BestsellerAutor Martin Suter.

Deckt sich dieses literarische Mittel hin, lebt eine Zeit lang vom Ersparten, lässt sich gehen. Irgend- mit der Realität? Sind die Menschen wann ist man auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr erste Wahl. am interessantesten, wenn es ihnen schlecht geht?
 Das reicht. Suter: Es muss ihnen nicht unbedingt Meier: Meist kommen mehrere Faktoren zusammen: Man ver- schlecht gehen. Statt Krise kann man es liert den Job, die Beziehung geht in die Brüche, die Frau behält auch Umbruch nennen: Situationen, in die Wohnung, und schon stehst du auf der Straße. Das kann in denen wir unsere Identität in Frage stelder heutigen Zeit wahnsinnig schnell gehen. Ein Totalabsturz len. Wenn jemand den Job verliert oder aufgrund von nur einem einzigen Faktor ist aber selten. aufgibt, ist das ein radikaler Wandel. Aber es gibt auch eine Lust am Spiel mit Der Obdachlose Schoch im Buch sieht an der Tramstation, den Identitäten. Bis vor wenigen Jahran der er sein Bier trinkt, manchmal Leute aus seinem frü- zehnten wurde man in eine soziale Situation hineingeboren, und da blieb man. heren Leben. Ist Dir das auch schon passiert, Hans Peter? Meier: Früher, als ich noch am Paradeplatz verkaufte, gab es Ein Bäckersohn wurde Bäcker, fertig. Da das manchmal. Man wechselt dann ein paar Worte, aber ziem- konnte sich ein Schmied nicht als Ratslich distanziert. Es gab aber auch solche, die auf die andere herr anziehen. Heute ist diese Freiheit groß. Anlageberater röhren am WochenStraßenseite wechselten. ende mit der Harley in Lederkluft über Die meisten Hauptfiguren in Ihrem Buch sind Männer. den Gotthard.

Hat das einen Grund?
 Krisen sind einerseits ein Tabu, das man nicht mit allen teilt. Gleichzeitig interessieren uns andere Lebensläufe. Meier: Auf den Rundgängen sagen wir den Leuten: Es gibt in Wie ist das, wenn die Leute auf den der Stadt Zürich 380 Plätze für betreutes Wohnen, 80 davon sozialen Stadtrundgängen von »Sursind von Frauen besetzt. Das spiegelt ungefähr das Verhält- prise« persönliche Fragen zu euren nis. Ich kann mir vorstellen, dass es bei den Genforschern, um Geschichten stellen? Suter: Ich habe bei der Recherche nicht viele Frauen auf der Gasse gesehen.


Meine Großmutter hat daran geglaubt, und sie ging mit einem Lächeln auf den Lippen in den Tod. Das war für sie einfach ein Übergang in eine andere Phase. Beneidenswert.

Haben Sie Angst vor dem Tod? Sprechen wir über rosa Elefanten: Macht die Genforschung unsere Hirngespinste wahr? Suter: Unsere Hirngespinste und unsere Hoffnungen. Die Möglichkeit, so tief in die Natur eingreifen zu können, ist sehr brisant. In China gibt es bereits Fabriken, die Rinder und Schweine in riesigen Mengen klonen. Mit Menschen darf man das natürlich nicht machen, gleichzeitig eröffnen sich medizinische Möglichkeiten, die theoretisch bis zur Unsterblichkeit reichen. Das Ganze ist unglaublich paradox.

Neulich hingen zwei Schlagzeilen am Kiosk aus. Die eine versprach, dass uns die Zellforschung bald 125 Jahre alt werden lasse. Die andere berichtete, dass die Zahl der Sterbehilfefälle massiv zunehme. Weshalb können wir nicht einfach akzeptieren, dass mit 80 oder 90 Schluss ist? Suter: Nun, wir Menschen sind nicht sonderlich gut im Akzeptieren. Wenn es in der Natur des Menschen läge, Dinge einfach zu akzeptieren, dann gäbe es gar keine Medizin. Dann würden wir immer noch mit Mitte 20 sterben. Die Weigerung, Dinge zu akzeptieren, ist der Motor jeder Entwicklung.

Suter: Vor dem Tod anderer Menschen, die mir nahe sind. Der ist sehr bedrohlich. Über meinen eigenen mache ich mir weniger Gedanken. Wenn es fertig ist, bekomme ich ja nichts mehr mit. Das ist aber nicht das Thema meines Buches. Ich wollte einfach eine spannende Geschichte um einen kleinen, rosa leuchtenden Elefanten erzählen, dem zauberhaften Zufallsprodukt eines gentechnischen Experiments.

Zum Schluss die Gretchenfrage: Hat jemand hier am Tisch schon mal einen rosa Elefanten gesehen?
 Meier: Bestimmt keinen lebenden. Interview: Amir Ali/Surprise Mit freundlicher Genehmigung von INSP.ngo

Gibt es keine Grenzen? Suter: Die müsste es geben. Aber nehmen wir das Beispiel der Kernenergie: Da hieß es zuerst auch, man dürfe das nur für friedliche Zwecke nutzen. Irgendwann bauten einige dennoch Bomben und zogen daraus einen Vorteil. Gentechnisch wäre es heute bereits möglich, die Genome aller Menschen zu bestimmen und eine Art genetischer Landkarte zu erstellen. In China arbeitet man derzeit an einer solchen Datenbank. Man könnte dann chemische Waffen herstellen, die nur auf Personen mit bestimmten genetischen Eigenschaften wirken. Das ist keine reine Utopie mehr. Ich glaube, man kann das nicht kontrollieren. Meier: Ich denke, der Einzelne kann sich Grenzen setzen: Bis hier gehe ich und nicht weiter. Aber der Mensch an sich drängt immer nach Neuem. Die Forscher, die solche Entdeckungen machen, idealisieren ihre Innovationen oft. Und Leute, die sich über ethische Regeln hinwegsetzen, wird es immer geben.

Im Buch gibt es einen Dialog, in dem der rosa Elefant gleichzeitig als Beweis dafür dient, dass es Gott gibt und nicht gibt. Was für einen Unterschied würde es für Sie persönlich machen, ob es ihn gibt oder nicht? Suter: Der Glaube an Gott würde das Sterben natürlich unglaublich erleichtern. Weil das auch bedeutet, dass es nach dem Leben etwas gibt.

Für alle Martin-Suter-Fans verlosen wir auf der Seite 39 dreimal den neuen Roman »Elefant« – lösen Sie einfach unser Asphalt-Silbenrätsel!

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Meier: Viele Leute kommen auf die Tour, weil sie Rat suchen. Wenn sie in der Familie ein Problem mit Alkohol haben, fragen sie mich, wie ich weggekommen bin. Die Leute wollen etwas erfahren. Wir haben die Freiheit, so viel preiszugeben, wie wir wollen. Am Anfang der Tour sagen wir jeweils, dass die Leute fragen können, was sie wollen. Wir können auch Nein sagen. Aber bisher habe ich jede Frage beantwortet.

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WER WAR EIGENTLICH …

… CSILLA VON BOESELAGER?

Foto: Thaler Tamas/Wikimedia Commons

Hinter Csilla von Boeselager stanihre Heimat reiste. Beim Rundgang den und hofften am 10. Septemdurch eine Geburtsklinik musste sie ber 1989 hunderte aus der DDR mit ansehen, wie vor ihren Augen geflohene Menschen. Boeselager, im ein Säugling starb, weil das Beatroten Blazer mit Malteser-Aufnäher, mungsgerät versagte. Da beschloss stand vor einem TV-Gerät im Flüchtsie zu helfen und begann, Mitlingscamp im Garten der Kirchentel zusammenzutragen. Sie war gemeinde Szugliget in Budapest. Managerin, und sie hatte Charme. Sie übersetzte live die Ansprache »Ich wurde zur besten Bettlerin des ungarischen Außenministers Europas«, sagte Csilla von BoeseGyula Horn, der im Fernsehen die lager gerne über sich. Im Oktober ersehnten Worte sprach: DDR-Bür1987 fuhr der erste LKW mit Hilfsger dürften mit ihren Pässen Ungarn mitteln nach Ungarn. Mit Pfarrer in Richtung Westen verlassen. SpäImre Kozma gründete sie Ende testens an diesem Tag, 20 Tage vor 1988 den Ungarischen Malteserder berühmten Rede von AußenmiCaritas-Dienst, die damals erste nister Genscher in der Deutschen offiziell anerkannte NichtregieBotschaft in Prag, war Csilla von rungsorganisation in den Staaten Boeselager für viele zum »Engel des Warschauer Paktes. von Budapest« geworden. In den In den ersten fünf Jahren ihres Wochen zuvor hatte sie geholfen, Engagements für Ungarn fuhren mehrere tausend nach Budapest geflüchtete DDR-Bürger in mehr als 700 LKW mit Hilfsgütern in den Osten. Im Jahr 1991 Budapest unterzubringen. Für viele Menschen in Ungarn war gründete die Aktivistin die heute nach ihr benannte Csilla von sie da schon längst ein Gesicht der Hilfe und des Aufbruchs Boeselager-Stiftung, die auch in Polen, Serbien, Rumänien und geworden. der Ukraine Projekte unterstützt. »Ich möchte für mein Ideal Csilla Fényes von Dengelegh wurde im Mai 1941 in Buda- kämpfen, Europa zu verwirklichen«, sagte von Boeselager pest geboren. Als die Rote Armee 1945 vor den Toren der Stadt einmal. Die Völker des »Ostblocks« gehörten für die Deutschstand, floh die Familie nach Bayern, um zwei Jahre später nach Ungarin selbstverständlich dazu. Venezuela auszureisen. Die Eingewöhnung war nicht leicht, Die Flüchtlingsunterkunft in Budapest verließ sie in und doch blickte Csilla von Boeselager später freudig zurück den schwierigen Tagen im Herbst 1989 mehrmals, um nach auf ihre zehn Jahre in der KlosterDeutschland zu fliegen. Viele dachschule der Franziskanerinnen in ten, sie würde in Bonn mit Politi»Ich wurde zur besten Bettlerin kern verhandeln – dabei unterzog Caracas. Sie war eine gute, eine begabte Schülerin, konnte nach dem sie sich einer Chemotherapie. Schon Europas«, sagte Csilla von Abitur mit einem Stipendium im im Mai 1988 musste Csilla von Boeselager gerne über sich. Staat New York Chemie studieren. Boeselager wegen einer KrebserSie arbeitete im Marketing bei Shell krankung operiert werden. Sie war in New York und später bei Hoechst in Frankfurt. 1973 heira- selbst noch Patientin der Städtischen Kliniken Dortmund, als tete sie Wolfhard von Boeselager, bekam zwei Töchter und sie sie den Direktor dazu überredete, ausgemusterte Betten, nahm einen Pflegesohn auf. Über viele Jahre leitete sie ein Tou- Beatmungsgeräte und sogar einen Computertomographen ristikunternehmen, das zum Familienbesitz ihres Ehemanns kostenlos an die Ungarnhilfe zu übergeben. gehörte. Im Februar 1994 starb Csilla von Boeselager an den Folgen Die gläubige Katholikin engagierte sich schon einige Jahre ihrer Krebserkrankung. Ihre Stiftung ist bis heute in Osteuropa bei den Maltesern, als sie im Mai 1987 von der unzureichen- aktiv. den medizinischen Versorgung in Ungarn erfuhr und sofort in Gerd Schild


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Foto: Marion Coers

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AUSFAHRT INS WUNDA Ohne Wohnung, ohne Arbeit, ohne Perspektive: Straßenjugendliche fallen immer wieder durch das soziale Hilfesystem. Viele Einrichtungen stehen dem Bündel von Problemen, die beim Leben auf der Straße entstehen, relativ hilflos gegenüber. Das soll das Projekt WundA in Hannover ändern. Offenbar gelingt das ziemlich erfolgreich. Der Name ist Programm: WundA steht für »Wohnen und Arbeiten« und klingt in der Aussprache auch nicht zufällig so, als eröffneten sich hier neue Möglichkeiten. Zur Zielgruppe des Projekts zählen Straßenjugendliche, also junge Menschen ohne Wohnung und ohne Arbeit im Alter von 17 bis 25 Jahren. Allein für die Region Hannover gehen Schätzungen von

300 – 600 Betroffenen aus. Gerade die Übergangszeit nach der Schule beim Eintritt ins Erwachsenenleben ist für Jugendliche in schwierigen Verhältnissen eine kritische Phase. So wie bei Dennis. Mit 19 Jahren – dem Alter, in dem die meisten Straßenjugendlichen ihre »Karriere« beginnen – landete er das erste Mal auf der Straße. Dennis ist nach eigener


Fotos (2): U. Matthias

Im Aufenthaltsraum von WundA. Die 21-jährige Sophia tritt gegen Dennis im Krökeln an

Aussage »ohne Eltern aufgewachsen« und hat seine ganze Kindheit in Jugendhilfeeinrichtungen verbracht. Das sei nicht seine schlechteste Zeit gewesen, sagt er, die schlechten Tage seien erst später gekommen. In den Heimen hatte er immerhin eine Art Zuhause. Aber mit der Volljährigkeit war das vorbei. Plötzlich war er ganz auf sich allein gestellt; richtig vorbereitet fühlte er sich nicht, stand schließlich ohne Dach überm Kopf da, ohne Arbeit, ohne Plan. »Na ja, das ist dann auch scheiße gelaufen«, sagt Dennis. Sieben Monate war er obdachlos, schlug sich so durch und baute irgendwann Mist, wurde erwischt und verurteilt. Zehn Monate musste er im Jugendknast Hameln absitzen. Dadurch verbesserten sich seine Aussichten nicht gerade. Weder auf eine Wohnung, noch auf eine Ausbildungsstelle. Damit ist Dennis kein Einzelfall. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres stellt die Jugendhilfe in Deutschland ihr Bemühen bei dieser schwierigen Klientel in der Regel ein. Obwohl sie es nicht müsste und die gesetzlichen Vorgaben auch eine Begleitung in der Übergangszeit bis zum 21. Lebensjahr erlauben (und in Ausnahmefällen darüber hinaus). In den Wohnheimen für Wohnungslose werden die Jugendlichen in dem Alter auch nicht aufgenommen. So entsteht eine Lücke im System, durch die immer wieder Heranwachsende in die Obdachlosigkeit fallen. Und damit fangen die Probleme erst so richtig an. Dort möchte WundA ansetzen. WundA bietet den Ausweg aus der Straßenkarriere. Wie wichtig dieses Angebot ist, zeigt auch die Geschichte von Dennis. Der landete nach seiner Zeit in Hameln zunächst in

einem Wohnheim für Haftentlassene. Wirklich helfen konnte ihm dort niemand. »Die Sozialarbeiter hatten nicht einmal Zeit, mich bei Bewerbungen zu unterstützen«, sagt Dennis und das war noch nicht einmal das Schlimmste. Die Zustände in dem Heim empfand er als furchtbar, »viele dort haben harte Drogen genommen, damit wollte ich nichts zu tun haben«, sagt er. Irgendwann hatte er genug von dem Umfeld und ist ausgezogen, obwohl er keine andere Bleibe hatte. »Sonst wäre ich da aber total versumpft«. Danach war er wieder obdachlos, bis ihn jemand von Pace mobil (eine aufsuchende Job- und Qualifizierungshilfe für Jugendliche) auf WundA hinwies. Dort erhielt er zunächst ein Dach über dem Kopf, kam schließlich in einer der Wohngemeinschaften unter, die über das Stadtgebiet von Hannover verteilt sind. Bei WundA fühlt er sich gut aufgehoben, »hier passiert auch was«, betont der 24-Jährige. Seit zwei Jahren residiert das Projekt zentral in der Leinstraße 17 und 18 in der hannoverschen Innenstadt in Sichtweite zum Landtag. Eine Topadresse. Auch das Haus, eine Stadtvilla aus dem 19. Jahrhundert, verströmt keineswegs den üblichen Ver wahr- oder Behelfscharakter vieler sozialer Einrichtungen. Einen »Glücksfall« nennt Verena Altenhofen von Pro Beruf und Projektleiterin bei WundA denn auch Standort und Gebäude. Hier fühlt man sich nicht zu Besuch auf dem gesellschaftlichen Abstellgleis. Jeder und jede Neue bei WundA darf erst einmal drei Tage hospitieren, das Haus, die Leute und die Regeln kennenlernen, bevor er oder sie sich entscheidet zu bleiben. Oder eben nicht. Die strikten Regeln wirken da manchmal erst abschreckend, aber sie sind für das Miteinander in der Gruppe ausgesprochen wichtig, wie Altenhofen betont: »Durch die Regeln lernen die Jugendlichen wieder eine feste Tagesstruktur kennen und können sich so stabilisieren«. Das sei die


eigene Wohnung und ab ersten August einen Ausbildungsplatz als sozialpädagogische Assistentin«. Sie habe schon immer in diese Richtung gewollt, das sei ihr schon früh klar gewesen. Für WundA hat sie nur Lob, macht aber auch deutlich, dass die Jugendlichen ebenfalls gefordert sind: »Wer Ziele hat, kann hier auch erfolgreich rausgehen«. Den Jugendlichen zu helfen, die eigenen Vorstellungen umzusetzen (und manchmal auch erst zu entwickeln), das ist der Job von Gunnar Rump, einem Mitarbeiter des Jobcenters Hannover, der für die Arbeit bei WundA abgestellt wurde. »Ich bin vor allem dafür zuständig, den Jugendlichen die Angst vor Behördengängen zu nehmen«, sagt der 50-Jährige, der zuvor als persönlicher Ansprechpartner im JC gearbeitet hat. Bei WundA kommt also die Behörde ins Haus. »Wichtig ist es, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, wann die jungen Menschen für Qualifizierungsmaßnahmen bereit sind. Das mussten wir auch erst lernen«. Offenbar haben sie schnell gelernt bei WundA. Von bislang insgesamt 75 jungen Erwachsenen, die in den zwei Jahren seines Bestehens teilgenommen haben, haben 33 das Projekt erfolgreich durchlaufen. Das ist durchaus ein hoher Prozentsatz bei diesen jungen Menschen, die bis dahin keinen rechten Platz im Hilfesystem gefunden hatten. Die Gründe für ein vorzeitiges Ausscheiden waren ausgesprochen vielfältig und reichten von der Aufnahme einer Arbeit, Ausbildung oder eines Studiums, bis zum Antritt einer Haftstrafe, fehlender Motivation oder Schwangerschaft. Die Hälfte aller erfolgreichen WundA-Absolventen befindet sich heute in Arbeit, Ausbildung oder Studium. Nur drei Projekt-Teilnehmer sind arbeitslos, gegenüber 24 Teilnehmern, die die Maßnahmen vorzeitig abgebrochen haben. Auch Dennis schreibt heute an seiner persönlichen Erfolgsgeschichte. »Ab ersten August habe ich einen Ausbildungsplatz«, erzählt er stolz. Als Metallbauer, das sei zwar nicht unbedingt sein Traumberuf, der wäre eher Fahrzeuglackierer gewesen, aber doch nah dran, an dem was ihm vorschwebte. Fast ein WundA. Ulrich Matthias

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Voraussetzung dafür, weitere Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Das »Woh nen u nd A rbeiten« i n Wu nd A beschreibt die beiden zentralen Arbeitsfelder des Projekts. Denn ohne Arbeit ist es schwer, eine Wohnung zu kommen, ohne Wohnung ist es fast unmöglich, eine Arbeit zu kriegen. Dazu kommen alle Fragen, die mit diesen beiden Aspekten zusammen hängen, direkt oder indirekt, wie ein eigenes Girokonto, eine Krankenversicherung, ein Schulabschluss oder eine Ausbildung und vieles mehr. Damit die Hilfen gut ineinander greifen, kooperieren bei WundA die Region Hannover und Pro Beruf mit dem JobCenter und dem Karl-Lemmermann-Haus. Während das Jobcenter die Miete und das Tagesprogramm als Aktivierungshilfe finanziert, trägt die Region die Beratungsstellen über ihr Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit, sagt Altenhofen. Das Karl-Lemmermann-Haus übernimmt die Rufbereitschaften am Abend und am Wochenende für die Erstaufnahmewohnung in der Leinstraße 18 und die sechs über das Stadtgebiet verteilten Wohngemeinschaften mit insgesamt 19 Plätzen. Nach der bislang umfangreichsten Studie zu Straßenjugendlichen, die das Deutsche Jugendinstitut 2016 vorgelegt hat, sind »familiäre Gründe« hauptursächlich für eine »Straßenepisode« bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Und zwar umso mehr, je jünger die Befragten waren. Bei den unter 18-Jährigen nennen rund zwei Drittel die familiäre Situation als Auslöser. Auch bei der heute 21-jährigen Sonja (die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung sehen will), haben Auseinandersetzungen in der Familie ihre »Straßenepisode« eingeleitet. »Meine Eltern wollten nicht akzeptieren, dass ich lesbisch bin. Die haben das nur als Krankheit betrachtet und verlangt, dass ich Hormone gegen meine Homosexualität schlucke«. Irgendwann hat sie es nicht mehr ertragen und ist aus der eigenen Wohnung ausgezogen, weil die Mutter ihr keine Ruhe mehr gelassen hätte. Inzwischen ist der Kontakt zur Familie völlig abgebrochen. »Ich habe noch eine kleine Schwester, die ich aber nach dem Willen meiner Mutter nicht sehen darf«, sagt Sonja und hofft darauf, dass die Schwester später einmal selbst den Kontakt zu ihr suchen wird. Rund ein halbes Jahr war Sonja wohnungslos, dann kam sie bei WundA unter. Und das hat sich ausgezahlt: »Seit ersten Juni habe ich wieder eine

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Dennis fühlt sich bei WundA gut aufgehoben. »Hier passiert auch was«, sagt der 24-Jährige.


AUS DER SZENE

NUR ZUR BERUHIGUNG Die Stadt sah sich zum Handeln gezwungen. Ein »stärkeres Unsicherheitsgefühl« aufgrund der »Medienberichterstattung« und »aktuellen weltpolitischen Problemen« sei festzustellen, heißt es in dem Antrag, der jetzt in den politischen Gremien verhandelt wird. Von einer Zunahme von Straftaten oder Ordnungsdelikten ist nicht die Rede. Stattdessen wird bemerkt, dass »unordentliche Zustände« heute »kritischer und zum Teil auch angstbehaftet wahrgenommen« werden. Als unordentlich im Sinne dieses Konzepts gelten offenbar Bettler, Trinker und Straßenmusiker. Deren Treiben soll künftig von einem neuen städtischen Ordnungsdienst Grenzen gesetzt werden, der mit 49 Stellen relativ üppig ausgestattet wird und die Servicegruppe Innenstadt sowie die Parkranger ersetzen soll. Bis dieser Ordnungsdienst aufgestellt ist, sollen private Sicherheitsdienste auf den öffentlichen Plätzen gegen die unliebsame Klientel vorgehen. Für Bruno Adam Wolf von den Piraten, die mit der Linken eine Fraktionsgemeinschaft im Rat bilden, ist der »Einsatz von privaten Wachleuten ein Unding. Wir brauchen keine schwarzen Sheriffs, sondern ausgebildete Polizisten«. Vom Konzept der Stadt hält er auch sonst nicht viel: »Für die Verwaltung ist das bequem: Anstatt die Probleme anzugehen, ist es einfacher, die zu verscheuchen, die Probleme haben. Dabei ist doch der wahre Skandal, dass es einige nötig haben, auf der Straße um Geld zu betteln«. Die Bettler sind denn auch eine ausgewiesene Zielgruppe des Ordnungsdienstes. Künftig sollen alle aggressiven und organisierten Formen des Bettelns sanktioniert werden, die auch jetzt schon untersagt sind. Eine weitere Problemgruppe für die Stadt sind die Straßenmusiker. Diese müssen sich fortan an akribisch ausgetüftelte Regeln halten (Achtung, das Folgende ist keine Satire!): Sie dürfen nur noch an 17 genau definierten Plätzen in der Innenstadt und 9 Orten in der Lister Meile spielen, jedoch nur zwischen 12 und 20 Uhr, in der jeweils ersten halben Stunde dieses Zeitfensters und auch

Foto: U. Matthias

Ein neuer Ordnungsdienst, verstärkte Kontrollen und Beschränkung der Straßenkunst: das sind die Eckpunkte eines weitreichenden Konzepts für »Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum«, das die Verwaltung jetzt vorgelegt hat. Die Maßnahmen richten sich vor allem gegen Arme und Obdachlose in der Innenstadt.

Weiterhin erlaubtes Betteln: Still, unterwürfig und nicht organisiert.

nur einmal an einem Ort, der also vor dem nächsten Auftritt zu wechseln ist. Wer wann wo spielen darf, ob alle gleichzeitig vor der Parfümerie Liebe auftreten dürfen und ob Streitigkeiten per Faustkampf, Bestechung oder Los entschieden werden, ist noch unklar. Zum Konzept gehört zudem die Einrichtung eines sogenannten »Trinkraumes« hinter der Spielbank am Raschplatz. Norbert Herschel, Leiter der Zentralen Beratungsstelle der Diakonie (ZBS), die den Raum betreuen wird, möchte lieber von einer Art Begegnungsstätte sprechen, »wo wir mit einer Klientel – die sonst kaum vom Hilfesystem erreicht wird – in einen Dialog treten können«. Während die Stadt Wert auf die Feststellung legt, das Konzept für Sicherheit und Ordnung mit der Polizei, der City-Gemeinschaft und der Diakonie abgestimmt zu haben, schränkt Herschel vorsichtig ein: »Es ist sinnvoll, dass die Diakonie dabei ist, aber nicht, damit der Raschplatz gesäubert wird. Wir sind bei den Menschen, eben auch dort, wo es weniger gut riecht«. Die Einrichtung des Trinkraumes sieht auch Pirat Wolf »sehr positiv«, insbesondere wenn die sozialpädagogische Betreuung gewährleistet sei. Den Sicherheitsaspekten steht er jedoch kritisch gegenüber: »Es ist hochproblematisch, wenn Menschen von trockenen Plätzen wie dem Andreas-HermesPlatz fortgescheucht werden, als ob es keine Obdachlosigkeit mehr gäbe«, sagt Wolf. Von einem verstärkten Sicherheitsbedürfnis will er nicht reden: »Das ist nur eine Beruhigungspille zum Wahlkampf, den Bürgern kommt das jedenfalls nicht zu Gute«. Ulrich Matthias


Foto: U. Matthias

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Großer Bahnhof

Sozialarbeiter Heiko Öszemir vor dem geschmückten

Hannover. Es war einiges los beim Tag der offenen Tür im neuen Nordbahnhof. Der Tagestreff für wohnungslose Frauen und Männer hat mit dem kurzen Umzug in die Schulenburger Landstraße mehr als nur den Sprung nach Hainholz geschafft. Die neuen Räume in der ehemaligen Sparkassen­ filiale bringen die Mitarbeiter und die Nutzer der Einrichtung weit voran. Sozialarbeiter Heiko Özsemir von der Betreiberin Sewo schwärmt: »Wir haben eine viel bessere Atmosphäre und dadurch auch weniger Konflikte«. Alles gruppiert sich seit April um den großen hellen Saal mit der Theke und Kleiderausgabe. Eine Küche, eine Dusche und ein Sanitätsraum stehen ebenso zur Verfügung wie ein Krökeltisch und zwei Computer. Viel Anerkennung gab es von den Gästen, u.a. der Sozialdezernentin der Stadt Hannover, Constanze Beckedorf und Stammkunde Dariusz. Letzterer gab zu bedenken: »In dem großen Raum ist man mehr unter Kontrolle«. Aber auf diese Weise sei es ruhiger geworden. Und das sei denn doch ganz schön. UM

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Entree des Nordbahnhofs.

Hilfe im Sinne des Bäckermeisters Geringverdiener und Senioren.« Dass nun 80 der allerärmsten im Stiftungshaus wunderschön am Fluss und citynah wohnen, freue ihn besonders. »Denn auch diese Menschen haben es verdient, an einem schönen Ort zu wohnen, denn sie sind alles andere als Randständige«, so Schostok. Fahlbuschs Co-Vorsteherin Gunda Pollock-Jabbi betonte, dass die weitere Arbeit der Stiftung nur mit vielfacher Unterstützung und Ehrenamt als Wohnpaten, Kreativgruppenleiter oder Bergleiter der Bedürftigen zu Ämtern und Arztpraxen möglich sei. MAC

Foto: V. Macke

Hannover. Wohnen für Arme citynah: Seit mehr als 100 Jahren ist das in der Johann Jobst Wagenerschen Stiftung möglich. Zuletzt allerdings nur noch in leidlich akzeptablem baulichen Zustand. Zugig, kalt und feucht war das Leben in dem alten Gemäuer am Anfang der Spinnereibrücke nach Hannover-Linden. Nach zweijähriger Sanierungsarbeit sind die 80 Kleinstwohnungen für Bedürftige jetzt auf neuestem Stand: Energetisch saniert, modernisiert, mit modernen Wlan- und Rundfunkempfangssystemen ausgestattet. Den Abschluss der Renovierungen haben Bewohner, Unterstützer und allerlei Prominenz jetzt im Innenhofgarten der Stiftung gefeiert. »Die Kapitalien und Zinsen« seines Vermögens sollten, so hatte der hannoversche Bäckermeister Johann Jobst Wagener 1784 mit seinem Tode verfügt, »auf ewige Zeiten den armen, kranken, notleidenden und ratlosen« Bewohnern der Calenberger Neustadt helfen, stellte Stiftungsvorsteher Reinhold Fahlbusch (rechts im Bild) den Auftrag klar. Und so gibt es neben dem renovierten günstigen Wohnraum heute auch Sozialarbeit für die häufig physisch wie psychisch kranken Bewohnerinnen und Bewohner. »Die Relevanz der Stiftung ist ungebrochen von Bedeutung«, sagte Oberbürgermeister Stefan Schostok (Bild mitte). Hannover stehe vor enormen Herausforderungen des Wohnungsmarktes. »Wohnen ist ein Menschenrecht, wir müssen Wohnraum für alle schaffen, für Studierende, Familien,


»BIS ZUM UMFALLEN« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäuferin Elke (50) Elke, kann es sein, dass wir uns lange nicht gesehen haben? Ja, das kann sein, ich musste vor einiger Zeit einen Monat lang Pause machen, weil ich im Krankenhaus war. Mein Zucker wurde eingestellt, ich habe Diabetes. Aber ich verkaufe auch nicht so häufig Asphalt – nur sechs Tage im Monat.

Nur sechs Tage? Warum nicht öfter? Ich habe kaum Zeit. Meine Wochen sind durch die Hilfen, die ich bekomme, stark durchstrukturiert.

Anschluss fand ich eigentlich erst mit 18 oder 19 in der freikirchlichen Gemeinde, in die ein Freund mich mal mitnahm. Seitdem ist mein Glaube mir unheimlich wichtig. Im Moment habe ich keine feste Gemeinde, bin aber auf der Suche nach einer, in der ich mich wohlfühle. Ich bete jeden Tag und lese die Losungen, das gibt mir immer Trost und Geborgenheit. Auch meine Mutter habe ich damals mit in die Kirche genommen, wir fanden dort beide eine Gemeinschaft.

Vermisst du es, keine eigene Familie gegründet zu haben? Was für Hilfen sind das? Ich bekomme Unterstützung im Alltag: Zweimal die Woche kommt jemand, der mir beim Duschen hilft, einmal die Woche kommt jemand zum Einkaufen, und an einem anderen Tag habe ich eine Haushaltshilfe.

Kommst du körperlich nicht mehr allein zurecht? Körperlich schon, aber psychisch nicht. Ich habe Antriebs­ störungen und schaffe das nicht mehr allein.

Woran liegt das? 2004 hatte ich das, was man heute ein Burnout nennt. Ich war erschöpft, wurde depressiv. Ich bin examinierte Altenpflegerin von Beruf, habe nach meinem Realschulabschluss die Ausbildung gemacht. Aber nach zwanzig Jahren in der Pflege konnte ich nicht mehr. Ich konnte nicht mehr abschalten. Man muss in diesem Beruf am Ende des Tages sagen können: »Das war’s, Feierabend!« Aber das lief irgendwann nicht mehr: Die Arbeit ging über meine Kräfte. Ich habe immer gepowert – bis zum Umfallen sozusagen. Und dann ging gar nichts mehr.

2004 warst du ja erst Ende dreißig! Ja, das stimmt. Meiner Meinung nach sollte man in der Altenpflege überhaupt erst mit Mitte zwanzig anfangen, da ist man reifer und vernünftiger, hat schon mehr Lebenserfahrung. So viel Elend, so viel Tod, so viel Stress im Beruf – das ist für einen sensiblen jungen Menschen von vielleicht 16 oder 18 Jahren viel zu viel! Mit Ende dreißig war ich fertig.

Eigentlich nicht. Ich hatte viel mit meiner Mutter zu tun, die ich bis zum Tod zu Hause gepflegt habe; und dann hatte ich ja auch viel mit mir selbst zu tun. Es wäre mir eine zu große Verantwortung gewesen, ein Kind zu erziehen. Am liebsten hätte ich wieder eine oder zwei Katzen, so wie früher, im Moment ist das aber leider nicht drin. Voller Sehnsucht blättere ich manchmal in meinem Katzen-Bildband. Zum Glück habe ich gute Freunde. Am 29. Juli werde ich 50 Jahre alt, vielleicht gehe ich dann zum Feiern mit einzelnen von ihnen ein Eis essen – aber es ist ja auch Markttag an meinem Asphalt-Verkaufsplatz auf der Bult!

Wie und wann bist du denn Asphalt-Verkäuferin ge­worden? Ich arbeitete damals ehrenamtlich im SOS-Bistro mit, einer christlichen Anlaufstelle für Drogenabhängige und Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Dort gibt es jeden Tag ein Mittagessen zum Selbstkostenpreis. Nach meinem Zusammenbruch brachte mich im Bistro ein ehemaliger Asphalt-Verkäufer auf die Idee, es vielleicht selber mal mit Asphalt zu versuchen. Mir hat es gleich so gut gefallen, dass ich dabeigeblieben bin.

Empfindest du es als sozialen Abstieg, früher mitten im Berufsleben gestanden zu haben und jetzt Asphalt-Verkäuferin zu sein?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe meine Stammkunden und bin auf dem Markt anerkannt. Das sind alles kultivierte Leute, die wissen, wie man miteinander umgeht. Da macht mir der Zeitungsverkauf richtig Spaß, ich habe mich vom ersten Tag an angenommen gefühlt! Auch an meinem zweiten Verkaufsplatz im GDA-Wohnstift gefällt es mir gut – natürlich, ich bin Wie bist du vorher als junges Mädchen aufgewachsen? Mit meiner alleinerziehenden Mutter in Vahrenheide, im sozi- ja ehemalige Altenpflegerin! Dort habe ich sogar einen kleinen alen Brennpunkt sozusagen. Das war nicht immer alles ganz Verkaufstisch. einfach dort. Ich war sehr oft alleine, weil meine Mutter so viel Ich erfahre Wertschätzung, und das ist ein schönes Gefühl. arbeiten musste, bei Siemens in der Registratur. In der Schule Interview und Fotos: Jeanette Kießling war ich auch nicht wirklich glücklich, gehörte durch meine Schüchternheit dort eher zu den Außenseitern.


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Asphalt-Verkäuferin Elke steht samstags auf dem Bauernmarkt an der Alten Bult und verkauft im GDA-Wohnstift Waldhausen.


Setzen Sie auf das richtige Blatt und unterstĂźtzen Sie mit Ihrer Spende.

Online-Spenden unter www.asphalt-magazin.de Spendenkonto: Kto 602 230, BLZ 520 604 10, Ev. Kreditgenossenschaft Weitere Informationen auch unter 0511 – 30 12 69-0


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Fotos: W. Stelljes

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HINTER GAUDI Barcelona von unten: Ehemalige Obdachlose führen Touristen durch die katalanische Hauptstadt. Wo Glamour und Tristesse nebeneinanderliegen. Es ist eine Begegnung zweier Welten: Urlauber, die an Bord der »Mein Schiff 5« durch das westliche Mittelmeer kreuzen, tauchen für zwei, drei Stunden ein in die Welt der Obdachlosen. »Barcelona mit anderen Augen sehen« heißt der wohl ungewöhnlichste Landausflug für die Reisenden. 16 der 2.598 Passagiere haben sich für dieses Angebot entschieden. In den Tagen davor haben sie die schönen, ja glitzernden Seiten von Rom, Florenz und Monaco kennengelernt. Nun fahren sie mit dem Bus vom Terminal B im Hafen von Barcelona zur Plaça de Catalunya, vorbei am Alten Hafen und dem Columbus-Monument. Juan Conejero wartet bereits neben der Kathedrale, in der Hand ein Schild mit der Nummer »20«, rund und hellblau wie bei allen TUI-Cruises-Landausf lügen. Der 54-Jährige überrascht mit leicht schwäbischem Akzent. Er ist zwar gebürti-

ger Spanier, sagt Juan, aber in Pforzheim aufgewachsen. Über drei Jahrzehnte hat er in Deutschland gelebt. Seit 2002 ist er in Barcelona. Und Juan kann erzählen. Aus dem Leben eines Obdachlosen. Und aus der Geschichte dieser Stadt. Seine Führung beginnt bei der Kathedrale – kein Zufall, denn bereits in früheren Jahrhunderten trafen sich hier die Armen der Stadt. Die Straßen rund um die Kathedrale und im Gotischen Viertel waren über Jahre auch die Heimat von Juan. Geschlafen hat er zum Beispiel auf einer Treppe am Plaça del Rei, einem Platz, der zwar mitten in Barcelona liegt, aber doch so versteckt, dass ihn fast nur Ortskundige finden. Im königlichen Palast gleich nebenan w urde einst Christoph Columbus empfangen. Auch der Plaça de Sant Felip Neri ist so ein Platz.


War schon immer auch Schlafstätte von Obdachlosen,

Hauptumschlagsplatz für Drogen: Juan führt durch die Carrer dels

erzählt der selbst wohnungslose Juan: der Vorplatz der

Escudellero.

Kathedrale von Barcelona.

»Antoni Gaudí war oft hier«, sagt Juan. Neben schiedenen Klöstern, »nur Rhabarberkuchen haben die nicht«. dem Nachtlager der Obdachlosen eröffnete vor Und zum Plaça San Jaume: auf der einen Seite das Rathaus Jahren ein ex klusives Hotel. Anfangs schaute von Barcelona, auf der anderen der Sitz der katalanischen der Direktor bei ihnen vorbei, erzählt Juan. Und Regierung. Zwischendurch erzählt er seine Geschichte. Früh die Kellner brachten belegte Brötchen. Bis der kam er mit Drogen in Berührung. »Ich hab Haschisch und Andrang zu groß wurde. Wie viele Obdachlose es in Marihuana geraucht, weiche Drogen. Heute frage ich: Was Barcelona gibt? Knapp 5.000 haben die Statistiker ist daran weich? Gar nichts.« Nach dem Tod einer Tochter sei er vom Weg abgekommen. »Ich nahm Kokain, Heroin, alles.« gezählt, sagt Juan. »Aber es sind mehr.« Durch schmale Gassen führt Juan die Gruppe Als er zwei Kilo Haschisch von den Niederlanden nach zum »Caelum«, einem Café mit Süßwaren aus ver- Deutschland schmuggeln wollte, wurde er erwischt und zu

Unsere Stadtrundgänge im Netz Mögen Sie bei der nächsten Städtetour auch mal »das andere Gesicht der Stadt« sehen? Soziale Stadtrundgänge gibt es mittlerweile in vielen deutschen und darüber hinaus einigen europäischen Städten. Meist – aber nicht immer – wurden diese Touren vor Ort von Straßenzeitungen wie Asphalt initiiert, immer authentisch von und mit ehemaligen Wohnungslosen und Straßenzeitungsverkäufern. So entsteht gerade europaweit eine Bewegung für mehr soziales Bewusstsein. Ziel: Einheimische und Touristen darauf aufmerksam machen, dass es hinter glitzernden Fassaden und historischen Prachtbauten überall Armut und Verzweiflung gibt. Aber auch Hilfe und Chancen. Aktuell arbeiten wir unter Federführung unserer Freunde von der Straßenzeitung »Surprise« in Basel daran, die unterschiedlichen sozialen Stadtrundgänge, die Social Auch Asphalt bietet einen StadtrundCity Tours, auf einer gemeinsamen Internetseite zu bündeln. Noch im Aufbau, aber gand der besonderen Art an. Der nächste schon hilfreich für die nächste Reiseplanung. Ob Köln, Basel, Zürich oder München, Termin ist am 28. Juli 2017. Infos unter: Athen, Ljubljana oder Wien: Klicken Sie sich durch: socialcitytours.org MAC 0511 – 30 12 69-20.


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Die Hauptschlagader der Metropole: Juan kennt auch die Geschichten abseits der Rambla.

drei Jahren Haft verurteilt. Juan wurde vorzeitig entlassen und nach Spanien ausgewiesen. Zehn Jahre, so die Auflage, dürfe er sich nicht mehr in Deutschland sehen lassen. Er strandete in Barcelona, einer Stadt, die ihm völlig fremd war. »Von heute auf morgen habe ich auf der Straße gelebt«. Bis er Wolfgang Striebinger traf. Der ehemalige Pastor ist Gründer von »Chiringuito de dios«, dem »Kiosk Gottes«, einer kleinen Suppenküche. Dort arbeitete Juan als Freiwilliger. Eines Tages schaute Lisa Grace herein, die Gründerin von »Hidden City Tours«. Sie suchte Leute, die Touristen vom Leben auf der Straße erzählen können. Ähnliche Angebote gab es bereits in Hannover, Berlin und Hamburg. Aber noch nicht in Barcelona. Juan zögerte – und machte dann doch mit. Vier Wochen lang hat er sich in die Geschichte der Stadt eingelesen. »Heute kann ich nicht mehr aufhören.« Mit Details hält sich er sich dabei nicht lange auf. »Ihr ahnt ja gar nicht, wie viele Heilige es in Spanien gibt«. Natürlich führt Juan seine Gruppe auch über die Rambla. Touristen nippen am Bier, die Flasche für neun Euro. Eine der Seitenstraßen, die Carrer dels Escudellero, war früher Haupt­ umschlagplatz für harte Drogen. Juan krempelt seine Hose hoch. Das Bein ist blau: »Falsch gedrückt. Ich hatte einen Fuß wie ein Elefant.« Die Ärzte sagten: Entweder, er hört auf, oder sie nehmen ihm den Fuß ab. Juan hat sich entschieden. Er begleitet seine TUI-Gruppe noch zum Bus. Der Fahrer ist schon ungeduldig. Es hat mal wieder länger gedauert als geplant. Wolfgang Stelljes

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Das muss mal gesagt werden… Es fällt mir heute schwer, diesen Artikel zu schreiben, dessen Thema ich mir schon vor einiger Zeit vorgenommen habe. Fröhlich sollte er werden, so fröhlich wie ich war, als ich hörte, dass Hannover 96 wieder erstklassig spielen wird. Freudig und auch dankbar, als ich erfuhr, dass Hannover 96 jetzt Asphalt unterstützt. Frohgemut und mit Augenzwinkern wollte ich schreiben, dass Hannover 96 ja nicht auf die Idee verfallen soll, ab-auf-ab-aufzusteigen, um sich immer wieder ins goldene Buch einschreiben zu können und sich als Helden feiern zu lassen. Aber meine Freude und Fröhlichkeit hat einen bitteren Beigeschmack bekommen, als ich in der Presse registrierte, dass die 96-Spieler für den Aufstieg nun nachträglich einen Bonus verlangen. Alle Sympathie wird da auf eine harte Probe gestellt. Seid doch lieber dankbar, dass Bielefeld Braunschweig so grandios mit 6:0 (!) besiegt hat. Und freut euch auf die tollen Chancen in der ersten Liga. Wenn es dann aus eigener Kraft Richtung Europa geht, dann soll es von mir aus Prämien regnen. Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.


Foto: Svea Kohl

Asphalt hat eine neue Leitung. Im Juni hat die Gesellschafterversammlung den gelernten Bankkaufmann Georg Rinke mit der Geschäftsführung des gemeinnützigen Verlags betraut. Nach Jahren als Abteilungsdirektor einer Bank unter anderem in Johannesburg/Südafrika und als geschäftsführender Gesellschafter bei der Möbelspedition Schloms hat Rinke zuletzt an der Seite von Rainer Fahlbusch ehrenamtlich das Fairkaufhaus in Hannover weiterentwickelt und als freier Unternehmensberater gearbeitet. Der 56-Jährige will das Asphalt-Projekt in der Stadtgesellschaft künftig deutlicher positionieren und sucht dafür auch den Schulterschluss mit Vertretern der Wirtschaft. »Gemeinsam mit dem Team möchte ich eine der besten Straßenzeitungen Europas, wieder stärker in den Fokus der Menschen rücken. Asphalt ist ein wichtiges Bindeglied in die Gesellschaft, für Menschen mit einer nicht ganz so geraden Biografie. Deshalb brauchen wir auch eine noch größere Akzeptanz und eine bessere Verknüpfung in die Wirtschaft«, so Rinke. MAC

Foto: V. Macke

Asphalt unter neuer Führung

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RUND UM ASPHALT

30 31 Warme Ohren für Asphalt Wenn der Winter warm werden soll, muss man schon im Sommer dafür sorgen. Dachten sich die Schülerinnen und Schüler der Kreativ-AG des Erich Kästner Gymnasiums in Laatzen bei Hannover. Und so nähen die 46 Jungen und Mädchen schon jetzt Mützen und Schals, genauer gesagt Beanies und Loops mit elegantem Asphalt-Schriftzug. Denn modisch und warm sollen die 150 Asphalt-Verkäufer in den Winter starten können. AG-Leiterin Carolin Elsner, Schüler Clemens Tinnappel (14), Stufenkoordinatorin Ulrike Mensching, Schülerin Laura Rindler (15) sowie Ricarda und Udo Niedergerke haben jüngst die ersten Exemplare vor dem Asphalt-Vertrieb präsentiert. Das Ärzteehepaar Niedergerke finanziert aus ihrer gleichnamigen Stiftung die Materialkosten für das vorbildliche Schulprojekt. Die Idee hatten die Schülerinnen und Schüler anlässlich eines Besuchs von einem Asphalt-Verkäufer im Unterricht. Seit etwa zehn Jahren bietet Asphalt das Programm »Asphalt geht in die Schule« für weiterführende Schulen an. »Der Besuch von Günther und sein ganz persönliches Schicksal hatte uns sehr beeindruckt und gezeigt, wie schnell jeder von uns in Obdachlosigkeit landen kann«, sagte Laura. Im Herbst sollen alle Wintersachsen fertig sein. MAC

Kommen Sie mit – zum sozialen Stadtrundgang! Nächster Termin: Freitag, der 28. Juli 2017, 15 Uhr. Treffpunkt: Asphalt, Hallerstraße 3, 30161 Hannover. Bitte anmelden: 0511 – 30 12 69-20. Teilnahme auf Spendenbasis: ab 5 Euro pro Person. Kürzung ok?


RUND UM ASPHALT

Platte, Praxis & Politik

Mit Elektrofahrrädern haben Asphalt-Verkäufer die Region erkundet. Zwecks Gemeinsamkeit, Entspannung und Gesundheit. Zweimal im Jahr veranstaltet Asphalt für seine Verkäuferinnen und Verkäufer solche Touren. Dabei von Vorteil: Vorhandene Leistungsunterschiede fallen dank der E-Bikes kaum ins Gewicht. Alle Teilnehmer, ob noch jung und fit oder älter und erschöpft, kommen gleichzeitig ans Ziel. Die Räder hat die Step-Fahrradstation am Hauptbahnhof Hannover gegen kleines Geld zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Von dort ging es über den »Grünen Ring« rund 40 Kilometer weit am Maschsee vorbei über Hemmingen durch das Naturschutzgebiet Alte Leine, durch Laatzen, über den Kronsberg nach Anderten. Dort im »Alten Bahnhof«, langjährigen Freunden von Asphalt, gab es Hausmannskost zur Stärkung. Am Mittellandkanal entlang und durch die Eilenriede ging es zurück. MAC

Nach dem Riesenerfolg des vergangenen Jahres folgt die Wiederholung: Von Sonntag, den 23. Juli bis Sonntag, 30. Juli 2017, treffen sich in Freistatt bei Diepholz rund 120 engagierte Arme, Wohnungslose, Obdachlose und Ehemalige. Die Szene halt. »Alles verändert sich, wenn wir es verändern! Armut, Ausgrenzung, Obdachlosigkeit und Hilflosigkeit sind keine Naturgesetze« – das ist das diesjährige Motto des Wohnungslosentreffens. Im Mittelpunkt der Woche steht, sich kennenzulernen, untereinander auszutauschen, neue Standpunkte zu finden und daraus gemeinsame Vorhaben und Forderungen zu entwickeln. Eine ganze Woche Mitmachprogramm mit Workshops, Musik Bibel und Kino. Das Treffen einschließlich Verpflegung ist kostenlos, übernachtet wird in Zelten. Auch AsphaltVerkäufer werden wieder mit von der Partie sein und berichten. Wer jemanden kenn, der jemanden kennt, der Interesse hat: Das Sommercamp wird finanziert aus Mitteln der Aktion Mensch, vom Diakonischen Werk Niedersachsen und der Stiftung Bethel. Weitere Infos unter www. wohnungslosentreffen.de. MAC

Foto: Inge-Lore

Radeln ohne Unterschied

gesucht – gefunden Verkäuferin Martina: Ich suche einen funktionstüchtigen Schnellkochtopf. Darf bis zu fünf Euro kosten. [V-Nr. 2107] Kontakt: 0163 – 496 11 93.

Verkäufer Jens: Meerschweinchen zu verschenken. Bei Interesse bitte melden. [V-Nr. 2093] Kontakt: 0152 – 23 27 82 81.

Verkäufer Reinhold: Suche Arbeit als Hausmeister oder in der Gartenpflege. Arbeitswerkzeug sowie Erfahrungen (Hecken- und Baumschnitt, Holzbau, Rasenvertikutierung, Laubenrenovierung, Verkäufer Klaus: Ich suche ein (gebrauch- Malerarbeiten) vorhanden. Außerdem tes) Smartphone, das internetfähig ist. suche ich ein gut erhaltenes Damenfahrrad und einen Fahrradanhänger. [V-Nr. [V-Nr. 1418] Kontakt: 01520 – 599 56 82. 137] Kontakt: 0175 – 802 22 23.

Verkäufer Detlev: Suche dringend DVDs – gerne Krimis oder Comedy. [V-Nr. 733] Kontakt: 01525 – 159 89 52.

Verkäufer Jörg: Ich möchte an das »Cafe & Bar Celona« in der Altstadt einen lieben Dank senden und mich für die jahrelange Unterstützung in Form von Getränke- und Speisen-Sponsoring vor Ort bedanken. [V-Nr. 1894] Kontakt: 0176 – 62 07 77 06. Verkäufer Wolfgang: Ich suche einen HD tauglichen Flachbildfernseher – gern in größerem Format. [V-Nr. 597] Kontakt: 0177 – 916 42 90.


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Foto: LHH

Asphalt in der Plattenkiste Am 11. Juli heißt es um 12 Uhr: Radios an und auf 90,9 NDR 1-»Plattenkiste« hören! An diesem Tag macht Asphalt nämlich das Programm. Gemeinsam mit Asphalt-Verkäufer Günter Stedler und dem ehrenamtlichen Asphalt-Unterstützer Ulrich Oestmann wird Redakteurin Jeanette Kießling live im NDR-Studio zu Gast sein. In der seit Jahrzehnten erfolgreichen Radioshow am Mittag stellen sich täglich Clubs, Vereine, Teams oder Projekte vor. Am 11. Juli gibt es neben vielen Informationen rund um Asphalt natürlich auch tolle Musik: Aus über 700 Liedern dürfen die Asphalt-Mitarbeiter eine kleine Hitliste zusammenstellen. Vielleicht ist auch Ihr Lieblingstitel dabei   … RED

Spargel (macht) satt

Foto: V. Macke

Das ist mittlerweile schon echte Freundschaft: Rewe und Asphalt. Wieder mal haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von hannoverschen Rewe-Märkten ehrenamtlich für AsphaltVerkäuferinnen und Verkäufer gekocht. Spargel, Schinken, Kartoffeln satt. Zum Abschluss haufenweise Erdbeeren, ein Festessen. »Stundenlang stehen die Asphalter tapfer mit den Zeitungen auf ihren Verkaufsplätzen, toll, dass das von Rewe gewertschätzt wird«, dankte Asphalt-Herausgeber Rainer Müller-Brandes im Namen der Verkäuferinnen und Verkäufer. »Uns ist wichtig, uns sozial zu engagieren. Wir machen das gern. Gerade die Asphalter sind ja Leute, die ihr Schicksal nicht einfach hinnehmen, die tun was, das imponiert«, begründete Rewe-Verkaufsleiter Hannover Region, Maik Renner sein Engagement. »Lecker«, »super«, »hoch­genial«, den Asphaltern hat’s geschmeckt. MAC

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Unterstützung für Hannovers Bolzplätze Kickende Kids und eine verschwitztfröhliche Stimmung: So kennt man Hannovers Bolzplätze. Doch im Winter herrschte auf rund 40 Bolzplätzen Ruhe. Aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses mussten alle 147 öffent­lichen Bolzplätze im Stadtgebiet überprüft werden, wovon jene 40 bean­s tandet wurden. Kinder und Jugendliche sollen wieder grenzenlos kicken können. Deshalb wurden die meisten Plätze inzwischen wieder nutzbar gemacht. 96plus unterstützt die Stadt Hannover dabei, die Spielfelder instandzusetzen und dauerhaft haltbarer zu machen. Mit einem Testspiel zwischen Hannover 96 und dem FC Schalke 04 ist im März 2017 der Startschuss für das PROjekt Bolzplatz gefallen. Für 96plus stellt das Spiel auf dem Bolzplatz die »Ursprungsform des Fußballspiels« dar: »Hier werden Sozialverhalten und ein positives Miteinander von Kindern und Jugendlichen gefördert.«, so der 96plus-­Verantwortliche Mirko Woitschig.

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BUCHTIPPS Vom Glück und danach Svenja Gräfen ist Bloggerin, Poetry-Slammerin, Feministin, Berlinerin. Und wahrscheinlich hätte ich auch einen lauten, hippen, politischen Hauptstadt-Thesen-Roman von ihr gemocht. »Das Rauschen in unseren Köpfen« ist so ziemlich das Gegenteil – und großartig. Keine Wirkungsprosa, nichts Verspieltes, keine intellektuellen Breitbeinigkeiten, keine Pointen. »Das Rauschen in unseren Köpfen« ist ein Liebesroman. Ein richtiger. Getragen von einer fast hypnotischen Sprache. Svenja Gräfen erzählt leise, ernst und fast zögernd davon, wie alles sich auf einmal ändert. Der Roman beginnt mit einem »All in«: Lene ist mit ihrer besten Freundin zum Studium in die Großstadt gezogen, wo sie Hendrik in der U-Bahn trifft – der Beginn einer rauschhaften Liebe. Es ist ein Happy End als Anfang. In das dann mit der Zeit doch Vergangenheit sickert: So wird aus der Liebesgeschichte die einer zerrütteten und die einer behüteten Kindheit. Und die von einer Liebe vor der Liebe. Zwischen den Rückblenden geht Hendrik die Kraft und beiden die Sprache verloren. Und schließlich beide einander. BP Svenja Gräfen · Das Rauschen in unseren Köpfen
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Sogar die Bundesregierung will wissen, was schiefläuft in Sachsen. Eine von ihr beauftragte Studie erkennt einen »defizitären Demokratisierungsprozess«, der zu Pegida geführt habe und dazu, dass sich eine »autoritäre, ressentimentgeladene Minderheit zunehmend radikalisiert«. In »Unter Sachsen« liefern 40 AutorInnen Antworten, wie es soweit kommen konnte. Vom Abstellgleis wechselte Kurt Biedenkopf 1990 an die Spitze des Freistaats. Der Sonnenkönig dirigierte eine stramm konservative CDU, setzte auf Sachsens Glanz und ignorierte Gewalt und Rassismus. Im Schatten der »Feind steht links«-Rhetorik wuchsen fremdenfeindliche Milieus und verstörende Schulterschlüsse von Bürgern und Neonazis. Die Zeitjournalistin Heike Kleffner und der Tagesspiegelredakteur Matthias Meisner sammeln im ersten Kapitel kluge politische Analysen. Ein zweiter Teil liefert erschütternde Reportagen von Hoyerswerda bis Freital. Der dritte Teil ist überschrieben mit »Wie viel Hoffnung bleibt?« Ehrlich gesagt, am Ende ist wenig Hoffnung, dafür Respekt für die auf beinahe verlorenem Posten kämpfenden Initiativen, Projekte und Antifas. BP Heike Kleffner, Matthias Meisner (Hg.) · Unter Sachsen. · Ch. Links · 18 Euro


… diesmal persönlich ausgewählt von Asphalt-Verkäufer Michael

Gelegentlich genieße ich auch mal ein

bisschen Kultur, obwohl mir der Begriff selbst wenig sagt. Für mich ist es einfach: mal ins Kino gehen oder ins Theater oder ein Buch lesen. Da reicht mein Interesse von Fachbüchern über Zierfischzucht bis hin zu historischen Romanen. Ansonsten sage ich mit einem leichten Lächeln: Kulturen hat man im Kühlschrank, in der Spüle oder an den Füßen.«

Bilder durch Bilder Die hannoversche Künstlerinnengruppe BeckmannFrischeHellmuth präsentiert noch bis Ende des Jahres Kunstwerke in einer öffentlichen Ausstellung im Niedersächsischen Studieninstitut. Friederike Beckmann, Birgit Frische und Anne Hellmuth erschaffen Bilder, die durch ihre Farbigkeit, Formen- und Themenvielfalt beim Betrachter Bilder im Kopf und Gefühle im Herzen entstehen lassen sollen. Das Innere nach außen kehren, Gedanken darstellen und erlebbar machen, das Tun als schöpferische Kraft zu erleben, das ist das Credo der drei Künstlerinnen. Bei einem Mal-Workshop für Asphalt-Verkaufende versuchte auch ich mich mal in der Kunst des Malens – mit für meine Begriffe eher mäßigem Erfolg. Ich bewundere Künstlerinnen und Künstler, die mit Farben ausdrücken können, was sie fühlen und bei anderen ein Kopf-Kino damit anregen. noch bis 31. Dezember, Niedersächsisches Studieninstitut für kommunale Verwaltung e.V., Wielandstraße 8, Hannover. Ausstellungsöffnungszeiten: Mo – Fr, 8 – 18 Uhr. Eintritt frei.

Schlossführung Das Celler Schloss ist ohnehin schon einen Ausflug wert. Mit einer kostümierten Führung aber erst recht: Erleben Sie unterhaltsam, lebendig und mitreißend erzählte Geschichten rund um den Lebensalltag auf einer Burg. Erfahren Sie Amüsantes, Pikantes oder gar Gruseliges sozusagen aus erster Hand am Ort des Geschehens. »Von Burgen, Rittern und Gespenstern« handelt zum Beispiel die Führung am ersten Sonntagnachmittag im Juli. Dauer der Führung: 60 Minuten. Weitere Informationen und Anmeldungen bitte unter 05141 – 90 90 850 oder www.celle-fuehrungen.de. Burgen, Ritter und Gespenster: da kenne ich selber welche von, vor allem ne Menge Gespenster! 2. Juli, 14.30 Uhr, Celler Schloss, Schlossplatz 7, Celle. Eintritt: Erw. 10/Kinder 5 Euro

Die Veranstaltungstipps entstehen im Rahmen der Schreibwerkstatt für Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer. Leitung: Jeanette Kießling

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KULTURTIPPS

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Neue Wurzeln Gesichter und Geschichten von EinwanderInnen, von Menschen, die in Hannover heimisch wurden und neue Wurzeln geschlagen haben – das ist das Thema der Wanderausstellung, die ab Juli im Bürgersaal des Neuen Rathauses zu sehen sein wird. Das Migranten-Selbsthilfe-Netzwerk MiSO organisiert diese Aktion, die mit fotografierten und geschriebenen Porträts auf die Vielfalt der Menschen in unserer Stadt aufmerksam macht. Das ist sehr interessant. Ich selbst bin mehrere Jahre durch die Weltgeschichte gewandert und habe letztendlich auch in Hannover wieder meine Wurzeln gefunden. Vernissage: 4. Juli, 17.30 Uhr, Bürgersaal Neues Rathaus, Trammplatz 2, Hannover. Eintritt frei

Songwriter-Night

Jazz mit Spaß Die Hobo-Jazzbar ist sozusagen der JazzTreffpunkt der Kulturfabrik Löseke in Hildesheim mit Konzerten und Sessions. Im Juli kommt Kein Quartett – wie der Name verspricht mit mehr als zwei, aber weniger als vier Bandmitgliedern. Angelehnt an den Swing der 1950er und 1960er Jahre hauchen sie dem oft als ernst verschrienen modernen Jazz ordentlich Spaß und Leben ein. Mit dem Begriff »Hobo« verbinde ich freie reisende Menschen – in Deutschland nennt man sie Landstreicher. Wenn sich die Musik auch nach Freiheit anhört, wird dieser Abend ein Ohrenschmaus! 4. Juli, 21.30 Uhr, Kulturfabrik Löseke, Langer Garten 1, Hildesheim. Eintritt frei, um Spenden wird gebeten

Warum ich das empfehle? Weil man da sicherlich ein paar gute Newcomer hören kann: Im Kulturpalast Linden ist nämlich wieder Singer-SongwriterNight. Talentierte Musiker haben die Möglichkeit, ihre selbstgeschriebenen Songs auf der Bühne zu präsentieren – und zwar jede/r 45 Minuten lang. Diesmal sind dabei: Michelle Ailjets aus Oldenburg, John Appletree aus der Wedemark, Luke Knowles aus Bergen, Junodori aus Köln, Ella John aus Berlin und das Duo Frink aus Münster. Musikalisch reicht das Repertoire der KünstlerInnen von melancholischem Folk über humorvolle Chansons bis hin zu funkiggroovigem Gitarrensound. Und wenn alle dran waren, dann wünscht man sich, dass sie nochmal von vorne anfangen … 7. Juli, 20.45 Uhr, Kulturpalast Linden, Deisterstraße 24, Hannover. Eintritt: frei

Orgelkonzert Sie hören: Den Massiaen-Zyklus IV: »Les Corps glorieux« an einem Sonntagabend in der Marktkirche. An der Orgel: Prof. Emmanuel Le Divellec, international renommierter Organist und Professor für Orgel an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Das kann nur eindrucksvoll werden! Orgelmusik ist eigentlich immer gut. Ich höre das wirklich sehr gerne! Und in der Marktkirche klingt das bestimmt unheimlich toll. Das kann man sich mal geben! 8. Juli, 18 Uhr, Marktkirche, Hanns-Lilje-Platz 2, Hannover. Eintritt: 5/erm. 3,50 Euro


»Füsslis Nachtmahr«

Wie wollen wir im Alter leben? Welche Wohnformen gibt es? Welche Kontakte wünsche ich mir? Wie verändert sich mein Körper? Diese und andere Fragen werden in Form von künstlerischen Workshops, Filmabenden und Gesprächen in der »Blauen Zone« des Kulturzentrums Pavillon bearbeitet. Als »Blaue Zonen« bezeichnen Wissenschaftler die Gegenden mit besonders vielen fitten Hundertjährigen, in denen die Menschen also lange und gesund leben – davon gibt es derzeit fünf auf der Welt (in Griechenland, Japan, Italien, Kalifornien und Costa Rica). Das zwei Wochen dauernde hannoversche Kulturprojekt befasst sich in Zeiten des demographischen Wandels mit der aktiven Gestaltung des Ruhestandes hierzulande. Das Wichtigste am Alter ist: gesund bleiben und beweglich – geistig wie körperlich. Ich bin jetzt 58 und fühle mich (meistens) noch lange nicht so alt. Infos zu den einzelnen Veranstaltungen erhalten Sie unter 0511 – 23 55 550 oder unter www.pavillon-hannover.de. 17. bis 30. Juli, Kulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, Hannover. Eintritt: von 0 bis 20 Euro (für Workshops bitte anmelden!)

Johann Heinrich Füssli schuf 1781 das Gemälde »Der Nachtmahr«, das weltweite Berühmtheit erlangte und andere Künstler zu eigenen, immer neuen Interpretationen anregte. Eine Auswahl von über 100 Exponaten aus den Bereichen Handzeichnungen, Druckgrafiken, Bücher, Filme, Gemälde und Karikaturen vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart kommen nun im Wilhelm Busch Museum zusammen. Das Original von Füssli steht als Leihgabe des Frankfurter Goethe Museums im Zentrum. Das wird bestimmt richtig gut! Mich persönlich interessieren die politischen Karikaturen und die verschiedenen Darstellungen des Nachtmahrs, was ja ein anderes Wort für Albtraum ist. Ich habe meine Albträume zum Glück alle besiegt… 22. Juli bis 15. Oktober, Wilhelm Busch Museum, Georgengarten, Hannover. Eintritt: 6/erm. 4 Euro

Kinder bei den alten Römern Im Rahmen der Feriencard-Aktionen dürfen Kinder zwischen 9 und 12 Jahren sich im August-KestnerMuseum einmal wie im alten Rom fühlen: Ihr erfahrt, wie der Alltag dort ausgesehen hat, dürft euch kleiden wie alte Römerinnen und Römer und könnt eure eigene Öllampe aus Ton herstellen. Diese Aktion findet im Juli zweimal statt, ist anmeldefrei und auch für Kinder mit Handicap geeignet. Ach, die Römer! Alle Bände von Asterix und Obelix habe ich gelesen. Alle! Aber auch wer weniger davon kennt, bekommt hier bestimmt einen etwas anderen Eindruck – denn nicht alle Römer haben gesponnen! 18. Juli, 11 bis 13 Uhr oder 19. Juli, 14 – 16 Uhr, Museum August Kestner, Trammplatz 3, Hannover. Eintritt: mit Feriencard 3/ohne Feriencard 5 Euro/mit HannoverAktivPass frei

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Die blaue Zone

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Liebe, Lust und Kunst Ich selbst kenne die wahre Liebe und habe, auch wenn man es mir vielleicht auf den ersten Blick nicht ansieht, eine romantische Ader. Der Abend kann gewiss recht erquickend werden: »Liebesgeschichten: Abendliche Tour zu Muse, Modell, Partnerschaft und Lust« lautet der Titel dieser ganz besonderen Kunstführung der Reihe »Kunst umgehen« in der Innenstadt Hannovers. Zwischenmenschliche Beziehungen sind eines der häufigsten Themen in der Kunst. Die Überblicksführung mit Anna Grunemann folgt Motiven und Geschichten von Werken im öffentlichen Raum. 22. Juli, 20 Uhr, Startpunkt: Georgsplatz, Hannover. Teilnahme: 5/erm. 3 Euro/mit HannoverAktivPass frei. Treffpunkt: An der Brunnenplastik L’Air auf dem Georgsplatz. Dauer der Tour: 90 Minuten.

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Muss man hören: Hertzliches Hannover das Wohnungslosen-Magazin. Immer am 2. Montag im Monat, 17 Uhr. ... auf UKW 106.5 oder Kabel 102.5 und bei www.leinehertz.de


IHR ENGAGEMENT

Machen Sie mit! Impressum

Herausgeber: Prof. Dr. Heiko Geiling, Hanna Legatis, Rainer Müller-Brandes

Gründungsherausgeber: Walter Lampe

Geschäftsführung: Georg Rinke

Redaktion: Volker Macke (Leitung), Jeanette Kießling, Svea Kohl, Ulrich Matthias

Fotografin/Kolumnistin: Karin Powser

Freie Mitarbeit dieser Ausgabe: T. Kunze, E. M. Mentzel, B. Pütter, L.Stegner, W. Stelljes, E. Walitzek-Schmidtko, K. Zempel-Bley Anzeigen: Heike Meyer

Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer

Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter)

Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15 Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1

Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Herstellung: eindruck, Hannover

Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 25.000

Asphalt erscheint monatlich.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 23. Juli 2017

Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde.

An jedem letzten Dienstag im Monat trifft sich die Runde der Ehrenamtlichen in den hannoverschen Asphalt-Redaktionsräumen. Da werden Veranstaltungen organisiert, Info-Stände geplant und Ideen gesammelt, um die Arbeit von Asphalt engagiert zu unterstützen. Besonders für unsere Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer ist es wichtig zu spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen. Wir freuen uns, wenn Sie sich dieser lebendigen Runde anschließen möchten! Rufen Sie uns einfach vorher an: 0511 – 30 12 69-0. Das nächste Treffen ist am Dienstag, 25. Juli 2017, um 17 Uhr.

Asphalt dankt: R. + J. Bischkopf, H. Badt, U. Jaeger, E. + D. Becker, E. + G. Kiehm, D. + G. Wrogemann, S. Barkhoff, I. Kirstaetter, H. + J. Eppinger, R. Boerner, W. Riek, I. Bernhard, A. Steding-Perk, P. + I. Birkhaeuser, N. + I. Khaffaf, A. Credner, R. Haase, H. Eggers, H.-I. v. Marck, M. Mackelden, S. Schulze, H. Prasuhn, Euromediahouse GmbH, W. Friedrich, M. + Prof. Dr. H. Reichmann, G. + W. Bruch, G. + E. John, L. + R. Thiele, S. Bein, L. + H. Enke, K. Mildenstein, H. Weber-Hielscher, M. Toebben, W. Berghold, B. Peiser, R. Egts, W. Griesse, U. Peleikis, H. Wegener, M. Neumann, W. + E. Michels, P. Halm, H. Berlich-Schaefer, Ramin GmbH, H. Redeker, M. Muehlenkamp, K. Grueneklee, N. + U. Weger, L. + E. Schulz, R. Woelfert, R. Stoebener, I. Mueller, M. Wollmann, K. + J. Perl, R. Schwerin, C. Schattauer, A. + H. Jaspers, K. Grollich, M. Dzambasevic, P. + A. Komatowsky, M. Otto, U. Beyse, B. Flemme, E. Krebs, B. Buethe, B. Berger, E. Silomon, L. Zimmer, B. Pust, K. Mathias, V. Dagtekin, A. Beneke, G. Bettels, K.-H. Block, H. Soch, H. Ruhnke, U. + M. Broetz, W. Deppe, D. Lemke, K. Lindenberg, D. Schreiber, A. B. Nagel, W. Koehl, B. Gerth, R. + D. Greulich, A. LangeKaluza, S. + M. Welzel, S. Hansen, B. Kellermann, C. Hölscher, B. Toennies, R. Welzel, G. Hölscher, L. Hölscher, C. Schmidt-Eriksen, C. Muehlisch, AWO, E. Franke, J. Reiter, W. Siemers, Sparkasse Hannover, SPD Orts­ verein List, H. Eisele, KA Hildesheim, Fam. Klein, Ev.-luth. Apostel-Kirchengem., W.-D. Mechler, H. Kuck, M. + G. Eichler, R. Limprecht, J. Bahlau, J. Mensing-Schraven, U. Wolf-Peltzer, H. + E. Kolberg, K. Schiller, S. Schueller, S. Pokropp-Aring, R. + E. Mueller, H. Melchinger, J. Bock, A. Greuer, W. Haarmann, J. + P. Walkewitz, H. Zacher, M. Struss sowie allen anonymen Spendern und allen Asphalt-Patinnen und -Paten.

Gesellschafter:

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger

Verkäuferausweise

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Aus den nachfolgenden Silben sind 22 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben – jeweils von oben nach unten gelesen – einen Spruch von Lothar I. (795 – 855, deutscher Kaiser) ergeben: an – as – bar – baum – bel – beth – boot – chem – co – dem – der – dia – dienst – dre – druck – ei – ein – eli – ent – er – grad – hahn – il – in – ing – keit – li – licht – ma – men – men – na – na – ne – neh – nen – nig – no – on – quid – rei – rei – rin – ros – sa – schnur – see – sei – sel – ßen – tan – ten – ter – tiz – tur – un – wech – wer – zer

1. Schmuckstück 2. Heilpflanze 3. Harmonie 4. Papier kaputt machen 5. Gnade 6. Bewohner eines Subkontinents 7. Nadelgewächs 8. Wirkung auf andere 9. Gewebestrang

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir dreimal den neuen Roman »Elefant« von Martin Suter (wir hoffen, Sie haben unser Interview auf den Seiten 14 bis 17 gelesen!). Die Geschichte ist spektakulär, aber nicht unrealistisch: Es geht um Genmanipulation und ganz große Geschäfte. Der Obdachlose Schoch, der eines Tages aufwacht und einen kleinen, rosa leuchtenden Elefanten in seiner Schlafhöhle sieht, kommt nach und nach dahinter. Ebenfalls dreimal haben wir die CD »…im Portrait« von Mario Hené für Sie. Eine Mischung aus melancholisch-nachdenklichen Texten, ausgefeilten Arrangements und gekonntem Gitarrenspiel. Mario Hené, der mit diesem Album sein 40-jähriges Bühnenjubiläum feiert, spielt seit seinem 12. Lebensjahr Gitarre. Seine 21 Songs, die an Konstantin Wecker oder Klaus Hoffmann erinnern, führen elegant durch sein musikalisches Leben. Viermal verlosen wir »Die schönsten Schulgeschichten« – spannende Erlebnisse aus dem Schulalltag für Kinder ab 5 Jahren, die von echter Freundschaft, gemeinsamem Lernen und dem ein oder anderen Streich im Klassenzimmer erzählen. Die Schultüte ist bis zum Rand gefüllt, der neue Ranzen sitzt auf den Schultern, der erste Schultag kann kommen! Die Lösung des Juni-Rätsels lautete: Das Glück ist ein Besucher, kein Dauergast. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de Einsendeschluss: 31. Juli 2017. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

10. Männername 11. Aussondern 12. Lebenswelt 13. hierarchische Stufe 14. Frauenname 15. Gewürzpflanze 16. Vermerk 17. Regel bei Mannschaftssportarten 18. nicht zahlungsfähig 19. Stadt an der Mosel 20. betrogener Ehemann 21. Teil der Marine 22. künstliche Beleuchtung

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SILBENRÄTSEL

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