2019 04 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

25 JAHR

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04 19 REANIMIERT

BAND & BUCH

PFLEGE & CHANCE

BETT & WLAN

Bela B übers Schreiben, Nazis und Ärzte-Krisen

Kliniken werben im Ausland um Fachkräfte

Mehr Sicherheit und Teilhabe für Obdachlose


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Notizblock

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Angespitzt

7 Reanimiert Nach jahrelanger Sendepause sorgen »Die Ärzte« mit neuem Song »Abschied« für reichlich Verwirrung – und amüsieren sich wahrscheinlich prächtig.

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Stift statt Sticks Im Asphalt-Interview spricht Bela B Felsen­ heimer über Verschwörungstheorien, das Comeback der »Ärzte« und »Fiesta Mexicana« als Roman-Soundtrack.

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Wer war eigentlich ... Jörg Fauser?

14 Briefe an uns 15 Das muss mal gesagt werden 16 Hilfe für die Pflege Da der Mangel an Fachkräften im eigenen Land zu groß wird, fand das Klinikum Oldenburg jetzt neue Pflegekräfte in Manila.

19 Tot durch Markt Eine Mahnwache für einen verstorbenen Obdachlosen und eine politische Tragödie.

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Wir retten Leben Bessere Bedingungen in den Unterkünften für Obdachlose. Der sozialpolitische Sprecher der CDU-Ratsfraktion Hans-Georg Hellmann dazu im Asphalt-Gespräch.

23 Gut zu wissen 24 Aus dem Leben von Asphalt-Verkäufer Sascha

26 Rund um Asphalt 29 Impressum 30

Offenes Ohr für Patienten In Krankenhäusern bekommen Patienten Unterstützung von ehrenamtlichen Patientenfürsprechern.

34 Buchtipps 35 April-Tipps 38 Silbenrätsel 39 Brodowys Momentaufnahme

Titelbild: Nela Koenig

Das Asphalt-Prinzip Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung. Spenden Sie bitte an: Asphalt gGmbH bei der Evangelische Bank eG, IBAN: DE35 5206 0410 0000 6022 30, BIC: GENODEF1EK1


Foto: Markus Lampe

»Die Ärzte« sind zurück. Sogar im Fitnessstudio hört man sie manchmal. Das Interview mit Bela B, dem bald sechzigjährigen singenden Schlagzeuger dieser Band, hätte ich sonst nie gelesen, wenn es nicht in Asphalt stünde. Vom »Schrei nach Liebe«, vom »Pakt zum Glücklichsein« ist da zu lesen, ganz existentielle Fragen stehen dahinter. Überhaupt werden die Musiker älter. Roland Kaiser plakatiert gerade für seine Tour, AC/DC, in meiner Kindheit eine der ersten Bands, die ich wahrgenommen habe, sind weiterhin unterwegs; und Herbert Grönemeyer, Jahrgang 1956, hat beschlossen, 96 Jahre alt zu werden, einfach weil er noch so viele Ideen und Träume hat, die er verwirklichen will. Das Alter kann zwei Gesichter haben, das aktive, das gute und das andere. Beide kommen in diesem Heft vor. Deshalb sind auch Pflegekräfte aus den Philippinen Thema. Als Geschäftsführer der Diakoniestationen Hannover tausche ich mich oft mit Kolleginnen und Kollegen aus – bis hin zu der gesamtgesellschaftlichen Frage, wer uns einmal pflegen wird. Es gibt Agenturen, so ein Kollege, die bieten Touren nach Sarajewo an und dort stellen sich dann junge Pflegekräfte vor, die Deutsch auf dem Niveau von B2 können sollen – mit diesen Sprachkenntnissen käme man hier gut zurecht. Kostenpunkt: 15.000 Euro für die Agentur, wenn es zu einem Vertrag hier in Deutschland kommt. Nur hier angekommen, stellen viele dann doch fest, dass das Heimweh stärker ist, alles ist fremd. Wie muss es dann für jemanden sein, die oder der aus einer ganz anderen Kultur aus Übersee kommt? Hier fehlen uns Antworten. Antworten fehlen uns manchmal auch, wenn wir ins Krankenhaus müssen. »Ich kam mir da fast entmündigt vor, weil ich kaum wusste, was als Nächstes anstand und wann es passieren würde«, erzählte mir jetzt ein Bekannter. Patientenfürsprecherinnen und –fürsprecher sind vielleicht eine Idee, um hier etwas Abhilfe zu schaffen. In Niedersachsen ist jedes Krankenhaus gesetzlich dazu verpflichtet. Einen kleinen Blick in die Realität dieses Amtes können Sie in diesem Heft werfen. Zurück zum »Schrei nach Liebe« und dem »Pakt zum Glücklichsein«: Das sind große Worte, die man herunterbrechen muss, egal ob alt oder jung. Dass uns das in der vor uns liegenden Osterzeit, die inhaltlich gar nicht so weit weg davon ist, immer wieder gelingt: das wünsche ich uns.

Ihr

Rainer Müller-Brandes · Diakoniepastor und Mitherausgeber von Asphalt

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Liebe Leserin, lieber Leser,

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1000 für Werte statt Konzernprofite Oldenburg. Für eine bäuerliche Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung, für faire Lebens- und Arbeitsbedingungen und für regionalen Umweltschutz haben rund 1.000 Menschen samt 20 Treckern in Oldenburg demonstriert. Vom Bahnhofsvorplatz am Julius-Mosen-Platz vorbei zum Schlossplatz. Aufgerufen hatte ein Agrarbündnis Niedersachen in dem unter anderem BUND und Nabu, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Milchviehhalterverband, die Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (Also) und der Landestierschutzbund verbunden sind. »Von Oldenburg geht ein Signal an die Ministerinnen Klöckner und Otte-Kinast: Kämpfen Sie mit uns zusammen gegen das Höfesterben!«, forderte Georg Janssen, Geschäftsführer der AbL. Die globale Agrarindustrie habe die Menschen aus dem Blick verloren, so Bündnissprecherin Canan Barski. Mit ihrem Wachstumsparadigma bedrohe sie durch Monokulturen, Pestizideinsatz und dem extremen Preisdruck die Arbeitsbedingungen und die Gesundheit der Menschen und der Ökosysteme. Der katholische Prälat Peter Kossen kritisierte die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der Wanderarbeiter in den Schlachtbetrieben der Region: »Billig, billig, billig hat einen hohen Preis. Die Landwirte bezahlen mit ihrer Existenz, die rumänischen und bulgarischen Arbeiter mit ihrer Gesundheit und die Natur mit ihrer Vielfalt und dem ökologischen Gleichgewicht.« MAC

Emden/Wilhelmshaven/Hamburg. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat mehr Anstrengungen für den Gewässerschutz in hochsensiblen und ökologisch wertvollen Flussmündungen von Elbe, Ems und Weser gefordert. »In diesen Gewässern wird der in der Wasserrahmenrichtlinie geforderte ‘gute Zustand‘ flächendeckend verfehlt«, so Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND. Elbe, Ems und Weser seien massiv beeinträchtigt durch Vertiefungen, Hafenbauten und die Vernichtung der Auenlebensräume infolge des Deichbaus. Flussvertiefungen seien weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar. »Durch die Begradigung kann die Flut fast ungebremst und damit viel schneller in die Flussmündung einströmen. Dadurch gelangen große Mengen von Sedimenten und Schlick in die Unterläufe, was zu starker Trübung, Sauerstoffmangel und letztlich Fischsterben führt«, so Susanne Gerstner, Geschäftsführerin des BUND Niedersachsen. Insbesondere im Sommer sinke bei hohen Temperaturen der Sauerstoffgehalt so enorm, dass sich tote Zonen im Fluss bilden. »Die Unterems ist heute über weite Strecken ein nahezu lebloses Gewässer. Ein mehrere 100 Millionen Euro schweres, über 35 Jahre laufendes Sanierungspaket musste geschnürt werden, um die europäischen Natur- und Gewässerschutzziele zu erreichen. Vorbeugen ist besser und kostengünstiger als reparieren. Deshalb dürfen sich die an der Ems durch übermäßigen Ausbau gemachten Fehler an Weser und Elbe nicht wiederholen.« MAC

ZAHLENSPIEGEL »PORTEMO­N­ NAIE IN ROSA UND BLAU«

Foto: ALSO

Mündungsschutz angemahnt

Frauen haben 2018 rund 20 % weniger verdient als Männer. Im Jahr 2006 hatten Frauen rund 25 % weniger im Geldbeutel. Laut Landesamt für Statistik hatten Frauen einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 16,19

Euro, Männer von 20,27 Euro. Im Vergleich zu 2017 stiegen die Verdienste in Niedersachsen 2018 bei den Frauen um

2,7 % und bei den Männern um 2,9 %. Bundesweit verdienten Frauen 17,09 Euro,

Männer 21,60 Euro.


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Wahlen inklusiv Hannover. Der bisherige pauschale Ausschluss von behinderten Menschen mit gesetzlich bestelltem Betreuer von Wahlen ist verfassungswidrig, urteilte im Februar das Bundesverfassungsgericht. In Folge hat das Land Niedersachsen jetzt das inklusive Wahlrecht auf den Weg gebracht. Bei vereinzelt für Mai angesetzten Kommunalwahlen in Niedersachsen sollen nunmehr auch rund 9.500 Menschen in Vollbetreuung sowie rund 300 schuld­ unfähige psychisch kranke Straftäter wählen können. »Jeder Mensch mit Behinderungen, dem nicht infolge Richterspruchs das Wahlrecht entzogen wurde, hat das Recht, sich politisch aktiv und/oder passiv einzubringen«, sagte der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Peter Wontorra. Die Grünen fordern, das inklusive Wahlrecht auch auf die Europawahlen anzuwenden. MAC

Schulen ohne Leitung Hannover. In Niedersachsen sind rund 180 Schulen ohne Leitung. Das hat die Landesregierung auf Anfrage der FDP-Landtagsfraktion mitgeteilt. Die bisherigen Entlastungen der Schulleiter reichten offenbar nicht aus, analysierte daher der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Björn Försterling. »Besonders in den Grundschulen müssen die Leitungen mehr Entlastungsstunden erhalten.« Auch die Entlohnung müsse attraktiver werden: Kein Schulleiter dürfe unter der Besoldungsstufe A 14 geführt werden. Um auch im ländlichen Raum Lehrkräfte zu finden, die sich bereit erklären, Verantwortung als Schulleiterin oder Schulleiter zu übernehmen, forderte die FDP-Fraktion, das Amt künftig auch für Teilzeitstellen zu öffnen. MAC

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Vor 25 Jahren – Wie alles begann

GESUCHT: EIN NAME Eine Zeitschrift, keine Zeitung soll es werden, ein Straßenmagazin. Es »mischt sich ein und stellt eine Öffentlichkeit her, wo Menschen mit sozialen Missständen konfrontiert sind und eine kompetente Anlaufstelle brauchen«, lautet der zentrale Satz des Konzepts, das Diakoniechef Walter Lampe und H.I.o.B.-Chef Rolf Höpfner im April 1994 unterschreiben. Ein Medium von Wohnungslosen für Hannovers Bürgerinnen und Bürger. Auf 32 Seiten. Darin Nachrichten aus der Szene, klar, ganz wichtig. Aber nicht nur. Das Konzept, das die kleine Planungsgruppe aus Diakonievertretern, den (ehemals) obdachlosen H.I.o.B.-Leuten und professionellen Journalistinnen vor genau 25 Jahren das erste Mal zu Papier bringt, fordert mehr als ein Szeneblatt mit News und Tipps für die Gestrandeten und Ausgesetzten. Porträts, Interviews und Reportagen sollen drinstehen, ein Horoskop vielleicht, Ratgeber, Glossen, »Klatsch und Tratsch«. 1,50 Mark soll das Heft kosten, davon eine Mark für die künftigen Verkäufer, so der Plan. Ob sich das halten lässt? Noch ist die Finanzierung des gesamten Projekts unklar. Aber die guten Kontakte des Diakoniechefs geben Zuversicht, eine allererste Spende kommt von »Brinkmann«, dem alteingesessenen technischen Kaufhaus. Doch noch fehlt der Name des Spendenempfängers. Wie soll das Blatt heißen? In der Szene wird ein Aufruf gestartet. Die Vorschläge reichen von Die Außenseiter, Das Nebelhorn, Durchblick, Eisbrecher, Querstraße bis Der Wecker. Auch Der Schröder gefällt vielen. Am Ende entscheidet sich die Mehrheit der Wohnungslosen aber für Asphalt, einfach Asphalt. Weil sie drauf liegen, sitzen und künftig (auf)stehen wollen … Fortsetzung in Asphalt 05/19 E JAHR

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ANGESPITZT

Manches bleibt einfach hängen. Ich erinnere mich an einen Jungen aus einer Parallelklasse, dessen amtlichen Namen ich vergessen habe. Aber eines Tages kam er in die Schule und begrüßte jeden, den er sah mit den Worten: »Hi Wallaby!« Das blieb hängen. Fortan hieß er für alle und durch die gesamte Schulzeit nur noch Wallaby. Nun ist das Wallaby ein harmloses Tier. Anders als der Wolf. Der Wolf ist böse, das wissen wir von Rotkäppchen. Manchmal tanzt er aber auch. Das wissen wir von Kevin Costner. Im Film blieb ihm das auch hängen: »Der mit dem Wolf tanzt«. Legendär. Als Legende gilt auch Hans-Heinrich Sander, seit er als niedersächsischer Umweltminister

»DER SICH DEN WOLF TANZT«

im Biosphärenreservat höchstselbst eine brave Zwillingsweide mit der Kettensäge erlegte.

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In Olaf Lies hat Kettensägen-Sander nun einen würdigen Nachfolger gefunden. Lies will Karriere machen, hat Costner gesehen und weiß, der Wolf bleibt hängen. Und was der Sander mit der Weide, will der Lies jetzt mit dem Wolf – ihn totmachen. Und sich den Skalp über die Bürotür hängen. Aber inzwischen hat Lies einen neuen Feind ausgemacht: den gemeinen Waldspaziergänger. »Es gibt Leute, die laufen mit Kameras durch den Wald, fotografieren und stellen das gnadenlos ins Internet«. Sagt Lies. Und stören das Wolftotschießen. Weil sie mit Kameras durch den Wald laufen. Und fotografieren! Mit der Kamera! Und stellen das (was? Die Kamera, den Wald? Man weiß es nicht) ins Internet. Aber nicht einfach nur so, sondern g n a d e n l o s ! Wir sind erschüttert. Und der Lies? Hat sich wohl nicht nur vergaloppiert, sondern auch wundgeritten. Sowas kann auch hängen bleiben. Friede dem Wolf. Ulrich Matthias


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Foto: Nela Koenig

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REANIMIERT Unkonventionell, unbeugsam, unberechenbar: »Die Ärzte« stehen seit über 37 Jahren für eingängige Melodien und humorvolle Texte in mannigfaltigen Nuancen. Nach jahrelanger Sendepause sorgen sie mit neuem Song »Abschied« für reichlich Verwirrung – und amüsieren sich wahrscheinlich prächtig. Das letzte »Ärzte«-Album »Auch« ist vor sieben Jahren erschienen. Zum Vergleich: Selbst als die Band sich zwischen 1988 und 1993 getrennt hatte, mussten die Fans nicht so lange auf neue »Ärzte«-Musik verzichten. So sehr sie sich frische Musik aber auch wünschen mögen, die längere Sendepause der Band stellt erst einmal keinen Grund zur Beunruhigung dar: weder für die Fans noch für die drei Herren B, Urlaub und González. Letztere können es sich nämlich ohne geringste Faneinbußen leisten, auch mal für längere Zeit anderen Dingen als dem Bandprojekt »Die Ärzte« nachzugehen. Bela B produziert zwei Soloalben und schreibt seinen ersten Roman. Farin Urlaub ist sei-

nem in jungen Jahren treffend gewählten Künstlernamen stets treu geblieben und bereist die Welt – mit dabei: eine Kamera. Ausgewählte Fotos sind in hochwertigen Bildbänden erschienen. Außerdem hat auch er ein musikalisches Soloprojekt, das »Farin Urlaub Racing Team«. Und Rodrigo González: Der ist Vollblutmusiker, weshalb bei seinem Einstieg in die Band sogar kurzzeitig überlegt wurde, ob nicht er die Gitarre übernimmt und Farin Bass spielt. Ist Rod nicht mit den »Ärzten« unterwegs, arbeitet er als Multi-Instrumentalist, Komponist, Arrangeur und Produzent – sowohl für seine eigenen Musikprojekte als auch für andere Künstler. Und dann gab es 2017 ja auch noch


Foto: Fryderyk Gabowicz/Picture-Alliance

Bela B und Farin Urlaub im Jahr 1987, kurz vor der Bandauflösung. Im Sommer 1988 spielen sie ihr Abschiedskonzert in Westerland auf Sylt.

diesen Gastauftritt im Musikvideo »Wannsee« von den »Toten Hosen«: Die Band sitzt im Kreis auf einem Zeltplatz, spielt ihr Lied, Rod unterbricht Szene sowie Musik und schreit: »Ruhe hier, scheiß Mucke!« Ist die Zeit aber wieder reif, fühlen sich »Die Ärzte« bereit und haben Lust, eine gemeinsame Phase einzuleiten, brauchen sie nur einmal mit den Fingern zu schnipsen: Die Fans stehen in den Startlöchern für neue Konzert-Exzesse, bei denen sie garantiert drei Stunden zu stabil niedrig gebliebenen Ticketpreisen grandios unterhalten werden, die Medien überschlagen sich in der Berichterstattung und andere deutsche Bands denken vielleicht sogar darüber nach, ihren Album-Release ein wenig zu verschieben, denn sind »Die Ärzte« erst einmal wieder da, ist da nicht viel Platz für andere. So in etwa jüngst geschehen: »Die Ärzte« haben mit einem simplen Galgenmännchen-Spiel auf ihrer Homepage wochenlang sowohl die volle Aufmerksamkeit ihrer Fans als auch die der Presse auf sich gezogen – wohlgemerkt: ohne ein einziges Interview oder Statement zu geben. Marketingstrategen eben, diese »Ärzte«. Ein Wort mit acht Buchstaben wurde gesucht. Für jeden zu erratenden Buchstaben gab es einen mehrtätigen

Countdown. Immer, wenn ein Buchstabe richtig erraten wurde, erschien zur Belohnung ein Songschnipsel. Nachdem »Abs« als erste drei Buchstaben feststanden, wurden Befürchtungen laut, das Lösungswort könnte »Abschied« werden. Vorerst Erleichterung bei den Fans: »Abstrakt« stellte sich als endgültiges Lösungswort heraus. Damit war der Spaß für »Die Ärzte« aber natürlich nicht zu Ende. Aus den Songschnipseln formierte sich ein neuer Song – mit dem Titel: »Abschied«. Das Lied inklusive Video ist auf »YouTube« abrufbar, in »veganer« oder »vegetarischer« Version. Während der Song im Hintergrund läuft, kann entweder drei Eiern oder drei Tomatenscheiben beim Braten in der Pfanne zugesehen werden – verkohlt sind am Ende des düsteren Liedes sowohl die Eier als auch die Tomaten. »Manchmal ist es einfach Zeit zu gehn, doch wenn der Tag gekommen ist, sagt niemand dir Bescheid. Ich weiß, es fällt dir schwer, das einzusehn und traurig fragst du mich, ist es denn wirklich schon so weit. Ich sage dir, wir haben hell geleuchtet und vieles, was wir taten, hat Bestand. Man wird sich lange noch, an uns erinnern. Du musst jetzt stark sein, hier, nimm meine Hand: Los komm, wir sterben endlich aus, denn das ist besser für die Welt«, soweit der Anfang von »Abschied«. Was weiterhin bleibt, ist eine von Humor getränkte Spannung, die so wohl nur »Die Ärzte« zu erzeugen wissen. Die Fans sind ratlos. Verzeihen werden sie der selbsternannten »Besten Band der Welt« sowieso jeden Spaß, denn genau dafür lieben sie sie. Humor ist es, der die Band seit ihrer Gründung vor über 37 Jahren ausmacht. Anfang der 80er-Jahre in West-Berlin war das: Dirk (Bela) und Jan (Farin) haben sich dem Punkrock verschrieben. Leider kann man den aber nicht überall hören. Nur die Kreuzberger sind damals gut mit entsprechenden Kneipen und Clubs bedient. Allerdings gibt es da noch das »Ballhaus Spandau«. Immer mittwochs läuft dort unter anderem auch Punk – und die Punks kommen. An einem Mittwoch mit dabei: Jan und Dirk. Sie lernen sich kennen, Dirk erzählt von seiner Band »Soilent Grün« und dass sie auf der Suche nach einem Anzeige

Europa: Frieden wagen – für eine gerechte Welt. Ostermarsch 20. April

10.30 Kröpcke 11.00 Aegidienkirche: Auftakt ab 12.00 Steintor: Kundgebung und Infomarkt www.frieden-hannover.de


Svea Kohl

Gesamtwerk und Outtakes Ende 2018 haben »Die Ärzte« ihr musikalisches Gesamtwerk veröffentlicht. »Seitenhirsch« heißt das Box-Set, das 33 CDs in elf Mediabooks im Sonderformat beinhaltet. Zu hören gibt es sämtliche Alben, Singles und B-Seiten, außerdem Songs aus der Entstehungsphase der Band und sogar bislang unveröffentlichte Demos und Studioaufnahmen, u. a. ein englisches Album. Ein Lied ist vom Gesamtwerk ausgenommen: »Geschwisterliebe« – von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (ehemals: Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften) seit über 30 Jahren indiziert. Dafür gibts eine Instrumentalversion des Songs, geführt unter dem Titel »Liebe (Instrumental)«. Zusätzlich zum 333 Euro teuren »Seitenhirsch« haben »Die Ärzte« »They´ve Given Me Schrott! – Die Outtakes« herausgebracht: eine dreifach-CD für 22 Euro, ausschließlich mit dem bisher unveröffentlichten Bonus-Material des Box-Sets. SKO

»Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe. Deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit. Du hast nie gelernt, dich arti zu kulieren. Und deine Freundin, die hat niemals für dich Zeit. Oh oh oh. Arschloch! Arschloch! Arschloch!« »Schrei nach Liebe«, »Die Ärzte«, 1993

1993 kommen »Die Ärzte« mit neuem Bassisten Rodrigo González zurück. Mit ihrer ersten Single »Schrei nach Liebe« setzten sie ein klares State­ ment gegen Rechts. Der Song wird zu der »Anti-Nazi-Hymne« schlechthin.

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gleitet, stößt mit Bandneugründung 1993 Rodrigo González als drittes festes Bandmitglied zu den »Ärzten«. Seitdem albern sich »Die Ärzte« zu dritt durch ihre Karriere: 1993, als feststeht, dass sie als Band weitermachen wollen, schalten sie eine Anzeige »Die Ärzte (Beste Band der Welt) suchen Plattenfirma«, 1996 veröffentlichen sie mit »Le Frisur« ein Album, in dem sie ausschließlich Haare und Frisuren besingen, 1998 drehen sie ein Musikvideo mit »Tomb Raider«-Star Lara Croft. Immer wieder erheben sie ihre Stimmen gegen Rechts. In »Ein Sommer nur für mich« fragen sie zum Beispiel: »Scheint die Sonne auch für Nazis? Ich könnts nicht verstehen. Dürfen Faschos auch verreisen, das wär ungerecht. Können Rassisten etwa auch den blauen Himmel sehen?« Unvergessen und leider auch immer wieder brandaktuell: »Schrei nach Liebe«, der Song, mit dem »Die Ärzte« sich 1993 zurückmelden. Klar ist, dass »Die Ärzte« noch in diesem Jahr eine komplett ausverkaufte Auslandstour mit Auftritten u. a. in London, Mailand und Prag spielen. Auch Deutschland bleibt nicht ganz außen vor: »Die Beste Band der Welt« tritt bei »Rock am Ring« und »Rock im Park« auf. Unklar bleibt, wann B, Urlaub und González das Rätsel um den ominösen »Abschied« lösen oder ihren Fans gar neue Rätsel aufgeben. Aber: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!

Foto: Fryderyk Gabowicz/Picture-Alliance

Gitarristen sind. Jan steigt bei »Soilent Grün« ein. Doch so richtig gut will das für die beiden nicht klappen mit dem Politpunkrock. Sie wollen mehr Spaß, weg von den zu der Zeit typischen Punkparolen. Als Dirk Jan nach einer Bandprobe zur Bushaltestelle bringt, entwickeln sie die Idee zu ihrer neuen Band: »Die Ärzte«. Fortan steht der Humor im Zentrum ihres Schaffens. Sie schreiben Lieder wie »Teddybär« und »Der lustige Astronaut«, halten sich in Fernsehsendungen, in denen sie Playback spielen sollen, konsequent daran, am Mikrofon vorbeizusingen und erzählen in Interviews, dass sie Popstars werden und Nena heiraten wollen. Den Humor der »Ärzte« kann aber nicht jeder teilen oder verstehen und so kommt es dazu, dass Mitte/Ende der 80er-Jahre eine Reihe von Songs auf dem Index für jugendgefährdende Schriften landen. Die Folge: Die Platten dürfen nicht mehr an unter 18-Jährige verkauft und auch nicht öffentlich beworben werden. Spaß macht das irgendwann nicht mehr mit dem Skandal um die Indizierungen und auch so scheint die Luft raus zu sein: 1988 löst sich die Band auf. Fünf Jahre gehen Bela B und Farin Urlaub getrennte Wege, bis sie sich entschließen, es noch mal mit den »Ärzten« anzugehen. Nach Sahnie, von dem die beiden sich wegen persönlicher Differenzen trennen, und Hagen, der Bela und Farin bis zur Trennung 1988 auf Tour be-

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STIFT STATT STICKS

Foto: Konstanze Habermann

Sendepause für die Drumsticks: Zwei Jahre hat Bela B Felsenheimer an seinem Debütroman »Scharnow« gearbeitet, ein Genre-Mix aus Heimat- und Horrorroman, Märchen, Fantasy, Satire und Komödie. Im Asphalt-Interview spricht der 56-Jährige über Verschwörungstheorien, das Comeback der »Ärzte« und »Fiesta Mexicana« als Roman-Soundtrack.


In Ihrem Roman gibt es den »Bund skeptischer Bürger« (BsB), eine Wohngemeinschaft von Verschwörungstheoretikern. Kennen Sie solche Leute aus eigener Anschauung? Ich kann sogar ein bisschen von mir sprechen. Früher galt ich als der Horrortyp von den »Ärzten«. In Zeiten, als ich bewusstseinserweiternden Substanzen gegenüber sehr offen war, wollte ich an Werwölfe und Vampire glauben. Und als Kind habe ich Erich von Däniken gelesen und wollte ihm glauben. Aber er hatte sich einfach nur ausgedacht, dass die Aztekentempel von Außerirdischen gebaut wurden. Man kann sich dazu entschließen, das zu glauben. Das hat den Mann sehr reich gemacht. Wir haben auch schon eine Domain gefüttert, die in meinem Buch vorkommt. Schauen wir mal, was jetzt passiert.

Rex Gildos »Fiesta Mexicana« bildet den Soundtrack der Geschichte. Ein Schlager – passt zum »unerwarteten Weg«, den Sie immer gern beschreiten. Es ist die einzige Musik in dem Buch. Sehr seltsam für ein Mitglied der »Ärzte«! Wie es dazu kam, kann ich mir selber nicht erklären. In meiner Jugend in Spandau war ich zwölf Monate Lagerarbeiter in einem Supermarkt. Dort habe ich meine spätere Band »Soilent Grün« kennengelernt. In Supermärkten läuft ja immer Muzak. Deswegen war klar, dass »Fiesta Mexicana« in mein Buch rein muss. Es ist wie ein Omen: Immer, wenn »Fiesta Mexicana« läuft, ahnt der Leser, dass gleich etwas Schlimmes passiert.

Haben Sie beim Schreiben Musik gehört?

Welche der vielen Romanfiguren würden Sie spielen wollen?

Ich habe einen Tinnitus, aber so ganz geräuschlos wollte ich nicht schreiben. Eine Zeit lang habe ich im Hintergrund düsteren ruhigen Metal laufen lassen. Das funktionierte ganz gut. In Spanien habe ich beim Schreiben aber nur Meeresrauschen gehört.

Vielleicht Jan-Uwe vom BsB oder einen vom »Pakt der Glücklichen«. Ich liebe eigentlich alle meine Figuren, auch die kleinen. Zarmo zum Beispiel ist ein Waffennarr, der eine sexuelle Obsession für seine Waffen hegt.

Haben Sie manchmal das Gefühl, auf zwei verschiedenen Realitätsebenen zu leben?

»Scharnow« ist sehr filmisch geschrieben … Ich habe schon mal ein Drehbuch geschrieben und viele Drehbücher gelesen. Das war meine Schule.

Der Roman wirkt, als sei er auf LSD geschrieben worden. Können Sie eine Kreativdroge empfehlen? Ich brauchte dazu kein LSD, nicht mal Alkohol. Die Idee kam mir beim Spazierengehen. Es macht mir total Spaß, zu übertreiben und immer den unerwarteten Weg zu gehen. Trotzdem sollte vieles in dem Buch auch glaubhaft klingen. Eine Verschwörungstheorie mit ein paar logischen Aspekten kann sich jeder ausdenken. Das auszuweiten, hat irre viel Spaß gemacht.

Haben Sie eigentlich selbst mal in einer WG gewohnt? Ich habe mal mit Farin Urlaub zusammengewohnt. Ist das schon eine WG? So intim, wie der »Pakt der Glücklichen« zu-

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Die Geschichte spielt im Umland von Berlin, meinem Geburtsort. Ich wollte, dass diese Stadt als Verheißung und gleichzeitig als Moloch am Horizont steht. In meinem Roman wird die Schwester von Barack Obamas Hund Bo Opfer eines Anschlags. Der orangene Typ sollte nicht auch noch in meinem ersten Buch präsent sein. Ich will nichts mehr über ihn lesen, weil es nervt. Und 2014 ist das Jahr vor der ganz großen Geflüchtetenwelle. Viele meiner Figuren würden ab da wahrscheinlich etwas anders agieren.

sammenlebt, war es bei uns aber nicht. Aber die Küche war ein Hort unheiligen Lebens und hätte ich nicht alles Geschirr in eine Badewanne geworfen, hätten wir sie zumauern müssen.

Es macht mir total Spaß, zu übertreiben und immer den unerwarteten Weg zu gehen.

Einerseits wird man mir auf der Lesereise wahrscheinlich jeden Wunsch von den Lippen ablesen. In jedem Hotel wird man mir Geschenke hinstellen, bevor ich mich ins Gästebuch eintrage. Auf der anderen Seite gehe ich morgens zum Bäcker und werde angeblafft, wenn ich meine Bestellung nicht schnell genug mache. Das sind schon zwei Realitätsebenen. Aber das ist auch gesund. Wenn jemand etwas völlig anders wahrnimmt als man selbst, muss man ihm zugestehen, dass er vielleicht einen Grund dafür hat. Nicht, dass ich Holocaustleugner verstehen möchte, aber ich will zumindest herausfinden, warum jemand anderer

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Buchcover: Heyne Verlag

Bela B, Ihr Roman »Scharnow« spielt 2014 in einem fiktiven Dorf in Brandenburg. Was verbinden Sie mit dieser Region?


Meinung ist. Individualität sollte wieder mehr geschätzt werden. Ich bezeichne mich selbst als links mit der Tendenz zum Radikalen, aber ich will mich trotzdem davor bewahren, meine Meinung zu sehr zu zementieren.

Kürzlich ist die CD-Box »They’ve Given Me Schrott! – Die Outtakes« von »Die Ärzte« erschienen, unter anderem mit einem bislang unveröffentlichten englischen Album. Warum haben Sie diese Platte 30 Jahre lang zurückgehalten? Es sind überwiegend »Ärzte«-Songs aus dieser Zeit, für die wir englische Texte geschrieben haben. Darunter »Love Was Proben angeht, And Pain«, die Originalsind wir nicht die version von »Liebe und fleißigste Band. Schmerz«. »Schrei nach Liebe« war auf der Scheibe aber auf Deutsch drauf. Mit Hilfe dieser Platte wollten wir mehr im Ausland touren, haben dann aber beschlossen, sie doch nicht zu veröffentlichen. Es war die Einsicht, dass man »Die Ärzte« doch eher mit der deutschen Sprache verbindet.

Wo haben Sie die alten Bänder wiederentdeckt?

Foto: Fryderyk Gabowicz/Picture-Alliance

Zum Glück hatte ich die englische Platte auf CD gebrannt. Aber viele Originalbänder sind bei einem Brand im Studio zerstört worden. Andere Titel mussten wir von alten Vinylscheiben mastern. Anfangs durften nur sehr erfolgreiche Künstler wie

Michael Jackson ihre Alben auf CD veröffentlichen, »Die Ärzte« gehörten nicht dazu. Das geschah erst kurz vor unserer Auflösung.*

»Die Ärzte« kehren 2019 zurück auf die Bühne. Wie fühlt sich das an? Was Proben angeht, sind wir nicht die fleißigste Band. Aber wir haben uns jetzt schon einige Male getroffen. Die Stimmung untereinander ist super. Wir haben sogar ein bisschen zusammen geschrieben. Jeder ist sehr bedacht auf den anderen. Der »Pakt der Glücklichen«!

Wie schlimm war die Bandkrise wirklich? Es gehört zu einer Band dazu, dass sie auch mal eine Krise durchmacht. Seitdem haben wir ein bisschen Abstand voneinander genommen, aber darauf geachtet, dass wir uns jedes Jahr treffen. Irgendwann hatte ich einen Auftritt in Jamel und die anderen gefragt, ob sie für ein Lied mit auf die Bühne kommen. Sie sagten sofort ja. Es gibt Bands, deren Mitglieder auf Tour in verschiedenen Hotels wohnen. Das hat es bei uns nie gegeben. Wir fahren immer gemeinsam in einem Bus und würden noch jeden Infantilitätswettbewerb gewinnen! Also Entwarnung! Olaf Neumann

*Anm. d. Red.: Gemeint ist die Bandauflösung zwischen 1988 und 1993.

Bela B wird 1962 in Berlin-Spandau als Dirk Albert Felsenheimer geboren. Sein Künstlername hat zwei Ursprünge, beide liegen in Kindheit und Jungend: Bela geht auf den Dracula-Darsteller Bela Lugosi zurück, der ihn begeistert, das B stammt von Barney Geröllheimer aus der Fernsehserie »Familie Feuerstein«, denn so wird er aufgrund der ähnlichen Nachnamen oft genannt. Mit 16 Jahren beginnt Felsenheimer eine Ausbildung bei der Polizei. Nach zwei Wochen bricht er ab. Weil seine Mutter seinen Wunsch, Grafiker zu werden, für nicht zukunftsorientiert hält, macht er eine Lehre zum Schaufensterdekorateur. Schlagzeug spielt er seit seiner Jugend – später ausschließlich im Stehen, was zu seinem Markenzeichen wird. 1980 formiert sich die Punkband »Soilent Grün«: Bela B ist eines der Gründungsmitglieder. 1981 wird dem Gitarristen sein Instrument gestohlen, Jan Vetter alias Farin Urlaub hat eine Gitarre und springt ein. Die Idee zu »Die Ärzte«, die lieber Popstars – zumindest anfänglich – imitieren und mehr Raum für Spaß haben wollen, als ernsthaft Politpunkrock zu betreiben, nimmt Ende 1981 Gestalt an. 1982 lösen sich »Soilent Grün« auf. Der Rest ist Geschichte. Neben diverser Studio- und Live-Alben, die Bela B von da an mit seinen Bandkollegen der »Ärzte« herausgebracht hat, sind bis heute vier Soloalben von ihm erschienen. Außerdem ist er Synchronsprecher, Schauspieler und Drehbuchautor. Er unterstützt die Initiativen »Kein Bock auf Nazis«, die »Amadeu Antonio Stiftung« und die Tierrechtsorganisation »PeTA«. Bela B lebt mit seiner Lebensgefährtin Konstanze Habermann und dem gemeinsamen Sohn in Hamburg.


… JÖRG FAUSER?

Foto: imago/teutopress

Ausprobieren. Ein Text Fausers Immer mal wieder, wenn etwas schaffte es sogar in die Hitparade besonders Schmieriges passiert – er schrieb die Zeilen zu Achim in der deutschen Politik oder dem Reichels Lied »Der Spieler«. Kulturbetrieb, dann fragen sich »Rohstoff« ist Fausers wichFeuilletonisten: Was hätte wohl tigstes Buch. Ein offen autobioder Fauser dazu gesagt? grafisches Werk, das seinen ProDer Fauser, das ist Jörg Fautagonisten Harry Gelb begleitet, ser, Schriftsteller und Journalist, drogensüchtig, mit Gelegenheitsein Grenzgänger zwischen den jobs, wie ein Derwisch schreibend. Genres bis zu seinem viel zu früFauser lässt Gelb seine Erfahrunhen Tod 1987. Ein Unangepasster, gen nach der eigenen Rückkehr ein Beobachter, ein milder Poet, ins 68er-Deutschland äußern. »Ob wenn er etwa über das Frank­ Verleger oder Redakteure, ob Bonfurter Nachtleben schrieb, aber zen oder Mitläufer, es war alles die auch ein ätzender Kritiker von gleiche Gesellschaft, die funktioMittelmäßigkeit und Angepasstnierende Kulturklasse«, die Autor heit. Von vielen ist er heute längst und Hauptfigur verachteten. Wie vergessen, von anderen wird er Romanheld Gelb blieb Fauser immit jedem Jahr des Fehlens stärmer ein Außenseiter, er selbst sah ker verehrt, Benjamin von Stucksich noch bei den Außenseitern rad-Barre etwa zählt Fauser zu als Randfigur. Das war so in der seinen Vorbildern. Frankfurter Hausbesetzerszene Er schien das alles in sich aufum Joschka Fischer, das war so im zusaugen, der dürre Mann, der in West-Berliner Untergrund. Nicht der abgewetzten Lederjacke genauso zurückhaltend, freundlich und ruhig wirkte wie im grau- dazugehören wollen, und irgendwie doch, das war einer seiner en Anzug. Fauser sah das Große im Kleinen, Atmosphäre, Licht Kämpfe. »Dieser deutsche Brei, diese klebrige Soße«, so beund Schatten, Details, Straßengeräusche – Jörg Fauser war einer schrieb er einmal den deutschen Kulturbetrieb. Sein letztes Werk, »Die Tournee«, blieb ein Fragment, erder Autoren im Nachkriegsdeutschland, die das Halsbrecherische und das Präzise der US-Literaten wie Jack Kerouac und zählt aus der Perspektive der fiktiven Journalistin Vicky Borchers-Bohne. Eine SelbstbeschreiWilliam S. Burroughs in die deutsche bung, die auch zu Fauser gepasst Literatur brachten. hätte, kann man auf einer der 170 SeiÜber Menschen schreiben Jörg Fauser wurde 1944 in Bad ten lesen: »Schreiben war gut. Besser Schwalbach geboren. Das Studium und weiterhüpfen wie die als die Gemeinschaft mit Menschen in Frankfurt, Ethnologie und Anglis»Kugel im Roulettekessel«. war, über sie zu schreiben, und dann tik, brach er nach einem Jahr ab. Den nicht an ihnen haften zu bleiben, Ersatzdienst in einem Krankenhaus auch – offensichtlich war er dort heroinabhängig geworden. sondern weiterzuhüpfen wie die Kugel im Roulettekessel.« 75 Jahre alt würde Fauser in diesem Sommer. Jörg Fausers Fauser floh nach Istanbul, streifte durchs Viertel Tophane, einer Heimstadt der Junkies. Nach einem Jahr ging er zurück nach Tod war ein letzter Knall, auch im Wortsinn, er hätte den Autoren Fauser vielleicht zu einem Lächeln gebracht. In der Nacht Frankfurt. Das Heroin ersetzte er durch den Alkohol. Der heutige Stern-Redakteur Werner Mathes holte ihn nach nach seinem 43. Geburtstag wurde der betrunkene Fauser auf Berlin zum Stadtmagazin »tip«. Fauser schrieb Romane und Er- einer Autobahn bei München von einem Lastwagen überfahzählungen, Reportagen und Gedichte. Er war ein Chronist sei- ren. Die genauen Umstände wurden nie aufgeklärt. ner Zeit, ein hochpolitischer Mensch. Und der Lust hatte am Gerd Schild

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WER WAR EIGENTLICH …

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BRIEFE AN UNS

Zu Asphalt 3/19 »Ein Haus für Obdachlose«

Zu Asphalt allgemein

Liebes Magazin-Team! Ich finde die Asphalt klasse. Ich kaufe fast jede Ausgabe, denn es ist schön, etwas Gutes tun zu können und dafür spannenden Lesestoff zu bekommen. Der Mix aus sozialen, regionalen und persönlichen Themen sagt mir zu! Alles Gute! A. Klein, Hannover

Zu Asphalt 12/18 »Angespitzt« 2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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Von A nach B

Die Wege des Herrn sind unergründlich, die Wege der Verkehrsplaner in Hannover SCHÖNE BESCHERUNG können auch nicht besser sein. Von A nach B zu kommen wird schwierig, wenn man bei der Planung und Ausführung nicht miteinander vereinbarte Ziele verfolgt. Ulrich Matthias Glosse zeigt dies sehr anschaulich. Das gilt auch für den Wohnungsbau in Hannover. Jeder weiß, es gibt zu wenige preiswerte Wohnungen und zu viele Menschen ohne Wohnung. Viele preiswerte Wohnungen hätten in der Wasserstadt Limmer gebaut werden können. Aber nein. Das Problem heißt Bürgerbeteiligung und die heißt hier, dass eine kleine Gruppe ohne jede Legitimationsbasis und Verantwortung Einfluss nimmt. Die Bürgerbeteiligung manifestierte sich schließlich in den Wünschen von 78 Personen. Die Hunderte Wohnungslose wurden nicht gefragt. Zudem soll die Bebauungsdichte deutlich unter den Maximalwerten liegen. Das Ergebnis lautet: Es werden nicht 2.000, sondern 1.600 bis 1.800 Wohnungen gebaut. Nie erörtert wurde, ob man auch 2.500 bis 3.000 Wohnungen hätte bauen können. Deshalb führt auch die Auflage von 25 Prozent Sozialwohnungen zu 5,60 Euro je m² dazu, dass der Rest nur um so teurer wird. Deren Miete wird dann bei 15 bis 16 Euro je m² liegen. Für obdachlose Menschen bleiben da wenig Angebote. Diese bleiben obdachlos und haben einen sehr geringeren Energieverbrauch. Albrecht Mayer, Hannover BESINNLICH

BEDENKLICH

BEACHTLICH

Asphalt-Verkäufer erzählen ihre Weihnachtsgeschichten

Viele Obdachlose müssen im Winter draußen bleiben

Star-Geiger David Garrett brilliert in allen Genres

Vielen Dank für Ihre Meinung! Die Redaktion behält sich vor, Briefe zur Veröffentlichung zu kürzen. Bitte vergessen Sie nicht, Ihre Absenderadresse anzugeben.

25 1994 –

2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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JAHRE

Denglisch

Ich bin eine Asphalt-Leserin und es ist sehr informativ. Am Montag kaufe ich am EINER FEHLT DENNS-Markt das Heft für März und lese folgendes: »Housing-First-Projekt«. Und dachte »häää, fangen diese Leute jetzt auch mit halb englisch halb deutsch an????« Da steht »Housing-FirstProjekt«, englisch »Housing-First«, deutsch »Projekt«. Englisch heißt es »Project«, also wenn schon bei einem rein deutschen Magazin, dann bitte auch deutsche Bezeichnungen. Aber das klingt ja nicht so »Cool« wie »Erstes-Unterbringungs-Projekt«. Es gibt in der Nähe von Hildesheim eine »Dorf-Freiwillige-Feuerwehr«, die sich einen englischen Namen gegeben hat. Richtig blöd und hier in Hemmingen einen amerikanischen Autoverkauf, die heißen »US-auto-car-sales«. Nun ja, Denglisch klingt eben auch cool oder amienglisch. Jeder wie er es mag, ich bin Deutsche und entweder spreche ich Englisch oder den Mischmasch. Deutsch ist eine schöne, reine Sprache. Kein anderes Land verschandelt seine Sprache, DAS schaffen wieder nur wir. Klingt eben »cool«. Kaufe trotzdem am DENNS Markt weiter mein Magazin. Ingrid Peter, Hannover OHNE DACH

OHNE GELD

OHNE HALT

Aus der Geschichte lernen gegen Obdachlosigkeit

Asphalt-VerkäuferInnen über die vielen Facetten von Armut

Michelle Hunziker über ihr Leben in der Sekte

Zu Asphalt »Kids«

Asphalt Kids begeistert generationsübergreifend Schon längst wollte ich dem Asphalt-Team mal danken für die Spezialausgabe Asphalt Kids: ein tolles Heft – was nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen wertvolle Einsichten über das Leben auf der Straße vermittelt. Die gut aufbereiteten Hintergrundinfos über die verschiedenen Facetten von Armut und Obdachlosigkeit, der Blick in frühere Zeiten und die persönlichen Portraits bilden einen gelungenen Mix. In unserer Familie haben nicht nur die Kinder die Beiträge mit Interesse gelesen, auch wir Eltern und selbst die Großeltern unserer Kinder waren begeistert über diese Sonderausgabe, gerne mehr davon! Heike Köhn, Hannover


In diesem Jahr begann der Sommer schon im Februar und die meisten Leute freuten sich, die ersten Sonnenstrahlen im Freien genießen zu können. War`s eine Laune der Natur, waren es Anzeichen einer Klimaveränderung, dass sich der Sommer so früh ankündigte? Wer vermag es zu sagen? Ich finde es wunderbar, dass es eine kleine, mutige Person na­ mens Greta aus Schweden gibt, die freitags auf die Straße geht und sich darüber beschwert, dass viel zu wenige Erwachsene etwas gegen die zu erwartende Klimakatastrophe unternehmen. Und immer mehr Jugendliche folgen ihrem Beispiel. Tausende sind es inzwischen. Und dann gibt es die Erwachsenen, die sagen, wie schlimm es sei, freitags die Schule zu schwänzen, wie verwerflich, für Klimaschutz einzutreten. Ich finde es wunderbar, dass sie die Jugend motiviert, sich ihr anzuschließen. Nur wenn man lautstark aufmerksam macht auf die Umweltsünden, passiert überhaupt etwas. Es waren immer die Mutigen, die die Welt verändert haben. Und diejenigen, die heute mahnend den Finger heben wegen der fehlenden Schul­ tage, die sind doch lange tot, wenn eine Klima­ katastrophe eintreten sollte. Und wenn die Jungen Spitze in Mathe oder in welchem Fach auch immer sind, werden sie die Welt nicht retten, denn dann ist es viel zu spät. Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden …

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Foto: K. Zempel-Bley

HILFE FÜR DIE PFLEGE Sechs gegen den Pflegenotstand. Wenn der Mangel an Fachkräften im eigenen Land zu groß wird, muss der Blick eben weiter schweifen. Manchmal auch bis Manila. Dort fand das Klinikum Oldenburg jetzt neue Pflegekräfte. Ailene Rico und Kenneth Gilbert Cabatana strahlen. Ihr Wunsch, in Deutschland arbeiten zu können, ist in Erfüllung gegangen. Im Rahmen eines neuen Anwerbeprogramms sind sie in Oldenburg gelandet. »Wie fast alle Krankenhäuser leiden auch wir unter Fachkräftemangel«, berichtet Helga Surhoff von

der Betriebsorganisation des Klinikums. »Der Mangel an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist so groß, dass er nicht nur durch das normale Bewerbungsverfahren gedeckt werden kann«, sagt sie weiter. Dies gelte vor allem für die Pflege im Bereich der Intensivmedizin.


gezeigt, die Kultur nähergebracht, Verkehrsunterricht gegeben und ihnen das Radfahren beigebracht. Anfangs, als ihnen noch alles fremd war, wohnten sie zusammen in einer Wohngemeinschaft. »Das war schon gut, sich nach Dienstschluss austauschen zu können«, erzählt Ailene. Doch viel Zeit hatten sie nicht. Bei der Volkshochschule lief ihr Sprachkurs und zudem mussten sie in Delmenhorst am Institut für Weiterbildung in der Kranken- und Altenpflege eine Nachqualifizierung absolvieren. Denn ihre Ausbildung wird nach deutschem Recht nicht vollständig anerkannt. Sie »Wir wissen jetzt, haben wochenlang intendass dieses Anwersiv gelernt und bereits im beverfahren eine September mit sehr guten Möglichkeit ist, Ergebnissen ihre Prüfung qualifizierte Fachbestanden. »Wir sind natürlich kräfte für unser überglücklich«, sagt AiHaus zu gewinnen.« lene. »Jetzt sind wir auch Helga Surhoff nach dem deutschen Krankenpflegegesetz exa­ minierte und staatlich‐anerkannte Gesundheits‐ und Krankenpflegerinnen und ‐pfleger und haben eine dauerhafte Arbeitserlaubnis. Das war ein großer Tag für uns.« Übrigens auch für das Klinikum Oldenburg. »Wir wissen jetzt, dass dieses Anwerbe-

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Beratung sofort nach Beitritt! Jetzt Mitglied werden! Kompetente Hilfe bei allen Fragen zum Mietrecht. Herrenstraße 14 · 30159 Hannover Telefon: 0511–12106-0 Internet: www.dmb-hannover.de E-Mail: info@dmb-hannover.de Außenstellen: Nienburg, Soltau, Hoya, Celle, Neustadt, Springe und Obernkirchen.

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»Wir haben uns erstmals über ein spezielles Anwerbeprogramm namens ›Triple Win‹ um ausländische Fachkräfte für die Intensivmedizin bemüht«, sagte sie. Dafür gewinnen die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) qualifizierte Pflegefachkräfte aus Serbien, Bosnien-Herzegowina und den Philippinen für Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege. Dabei profitieren die Oldenburger von einem Austausch mit den Uni-Kliniken Münster, Tübingen und Aachen sowie der Stiftung Schüchtermann Klinik in Bad Rothenfelde, die ebenfalls das Anwerbeverfahren »Triple Win« erfolgreich nutzen. »Allerdings bislang noch nicht in der Intensivmedizin. Deshalb sind die Kolleginnen und Kollegen ganz gespannt, wie es bei uns läuft«, berichtet Helga Surhoff. Sowohl die Bundesagentur für Arbeit als auch die Arbeitsverwaltungen der Partnerländer garantieren ein sicheres und transparentes Verfahren sowie hohe Qualitätsstandards. Denn die angeworbenen Pflegekräfte müssen hiesigen Standards entsprechen. Im Fall des Klinikums Oldenburg hat das perfekt geklappt. »Wir konnten im Februar sechs Fachkräfte von den Philippinen bei uns im Haus begrüßen, die inzwischen ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen fachlich in nichts mehr nachstehen«, freut sich Helga Surhoff. Zwei davon sind die 33-jährige Ailene Rico und der 29-jährige Kenneth Gilbert Cabatana. In Manila haben sie ihre Ausbildung absolviert und mit einem Bachelor in der Pflege abgeschlossen. Einige Jahre haben sie zu Hause in Krankenhäusern gearbeitet, aber so richtig zufrieden waren sie nicht. Deshalb hat Ailene zuvor schon in Saudi Arabien gearbeitet und Kenneth in Libyen. Wieder in Manila, konnten sie von ihren Auslandserfahrungen beruflich nicht profitieren. »Du fängst bei uns wieder von vorne an«, sagt Kenneth. Dabei will er genau wie seine Kollegin beruflich weiterkommen. »Ich habe mir dann überlegt, entweder in die USA oder nach Europa zu gehen«, erzählt der 29-Jährige. »Dann eröffnete sich die Möglichkeit, in Deutschland zu arbeiten. Ich habe mich über das Internet über Deutschland informiert und konnte mir vorstellen, hier zu leben.« Ailene erging es ähnlich. Die beiden und andere interessierte Landsleute wurden fortan in Manila auf ihr Leben in Deutschland vorbereitet. »Wir mussten via Skype ein Bewerbungsgespräch führen und als klar war, dass wir in Oldenburg einen festen Arbeitsvertrag bekommen würden, mussten wir die Sprache lernen. Das war schon schwer«, findet Ailene. In Oldenburg wurden sie in Empfang genommen und lernten ihre neue Wahlheimat dank der Gesundheits- und Krankenschwester Dagmar Obersundermeyer schnell kennen. Sie ist für die Betreuung der Gruppe zuständig und wird von Ailene und Kenneth liebevoll »Mama Dagmar« genannt, weil sie für alles ein offenes Ohr und Verständnis hat. Sie hat ihnen die Stadt

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verfahren eine Möglichkeit ist, qualifizierte Fachkräfte für unser Haus zu gewinnen«, freut sich Helga Surhoff. Für zwei Jahre haben sich alle sechs verpflichtet, im Klinikum zu bleiben. Ailene und Kenneth können sich vorstellen, länger zu bleiben. »Für mich ist ein Traum wahr geworden«, schwärmt Kenneth. »Wir arbeiten hier mit modernster Technik, die wir bisher so nicht kannten. Unsere Weiterbildungsmöglichkeiten sind sehr gut und im Team »Ich betrachte die sind wir mit allen auf Augenhöhe, was es bei uns Station als meine zu Hause so nicht gibt. Das macht sehr viel Spaß, zumal wir längst integriert sind. Ich denke, ich Familie. Ich bin muss hier bleiben«, sagt Kenneth. Krankenpfleger aus Ailene pflichtet ihm bei. »Das ist ein tolles ArLeidenschaft.« beiten. Hier lernen wir sehr viel, können uns fortKenneth Gilbert Cabatana bilden und haben gute Chancen, beruflich voran zu kommen. Ich bin manchmal nur ein bisschen traurig, weil ich meinen Mann und mein Kind vermisse. Deshalb denke ich über eine Lösung nach.« Dabei helfen ihr Dagmar Obersundermeyer und Helga Surhoff. Denn Ailenes Mann ist ebenfalls Krankenpfleger. Er könnte Deutsch lernen und den gleichen Weg gehen. Ailene wird mit ihm darüber sprechen und möchte, dass die beiden sie besuchen kommen, damit

ihr Mann eine konkrete Vorstellung von Deutschland und den Arbeitsbedingungen bekommt. Eike Schumacher, Stationsleiter der operativen Intensivstation, würde sich über Ailenes Mann freuen. »Wir haben mit Ailene und Kenneth nur gute Erfahrungen gemacht«, erzählt er. Ein neues Auswahlverfahren ist deshalb bereits angelaufen. Die nächsten neun Kandidatinnen und Kandidaten aus dem westpazifischen Inselstaat sind schon ausgewählt und kommen im Frühjahr 2019 ins Klinikum Oldenburg. »Wir verfügen jetzt über wertvolle Erfahrungen und werden von Ailene, Kenneth und den anderen bei der Anwerbung neuer Kräfte unterstützt. Sie können ihren philippinischen Kolleginnen und Kollegen im Vorfeld wichtige Tipps geben. Davon profitieren am Ende alle«, sagt Helga Surhoff. Ailene, die sich in Oldenburg und im Klinikum rundum wohlfühlt, hofft auf eine baldige Familienzusammenführung. Dann kann sie sich einen längeren Aufenthalt durchaus vorstellen. Zumal die Patienten, mal abgesehen von einigen harten Nüssen, sich auch an sie gewöhnen und dankbar sind. »Die harten Nüsse knacken wir«, sagt Ailene, die Beharrungsvermögen und ihr unschlagbares Lächeln an den Tag legt. Kenneth will bleiben. »Ich bin familiär noch ungebunden«, erzählt er. »Ich freue mich über meine interessante Arbeit, das große Vertrauen, das mir im Klinikum entgegengebracht wird, und die dankbaren Patienten. Ich betrachte die Station als meine Familie. Ich bin Krankenpfleger aus Leidenschaft.«

Foto: Klinikum Oldenburg

Katrin Zempel-Bley

Die neuen Kolleginnen und Kollegen von den Philippinen mit (hinten Mitte v.l.) Birgit Plaschke, Dagmar Obersundermeyer, Helga Surhoff und Susanne Lampe bei der Zeugnisübergabe.


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18 Foto: LAK

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TOT DURCH MARKT Eine Mahnwache für einen verstorbenen Obdachlosen und eine politische Tragödie. mann akzeptierte das nicht. Warum auch. Er hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. Er schaltete einen Anwalt ein. Doch Untermiete bietet keine Gewähr, das Dach über dem Kopf zu behalten. Jedoch: Ein Hauseigentümer ist auch niemals daran gehindert, das Untermietverhältnis als Hauptmietverhältnis zu übernehmen, wenn es mit dem bisherigen Hauptmieter wie im konkreten Fall Ärger gibt. Doch das sah der Hauseigentümer offenbar nicht. Zweimal wurde eine Zwangsräumung versucht. Zweimal scheiterte sie an ihrer eigenen rechtlich unsauberen Durchführung und dank der Unterstützung von Aktivisten. Die dritte Zwangsräumung mit Polizeiaufgebot von 200 Beamten setzte Niemann dann aber vor genau zwei Jahren auf die Straße. Es war sein 63. Geburtstag. Seitdem lebte Jürgen Niemann mal hier mal dort, bei Freunden und in Tagestreffs für Obdachlose. In einer kalten Februarnacht starb er einsam und allein hinter dem Freizeitheim in Linden. Volker Macke

Blumen und Kerzen vor der einstigen Kiosk-Wohnung von Jürgen Niemann.

Foto: ADD

Er hätte nicht sterben müssen. Jedenfalls nicht jetzt zu diesem Zeitpunkt, wenn der Wohnungsmarkt ein anderer wäre, wenn Profit und Rechtsdurchsetzung nicht über Menschlichkeit stünden. Und wenn das Hilfesystem in Hannover leistungsfähiger wäre. Aber das alles ist nicht so. Und deshalb ist Jürgen Niemann im vergangenen Februar, zwei Jahre nach seiner Zwangsräumung, auf offener Straße in Hannover-Linden umgekommen. Er war damit der vierte tote Obdachlose in Hannover in diesem Winter. Eine Mahnwache Anfang März mit rund 100 TeilnehmerInnen geriet daher nicht unerwartet zur Demonstration. Für Jürgen Otte von der Basisorganisation »Gruppe Gnadenlos Gerecht« war Niemann nur »Bauer«, denn so nannten den 64-jährigen Verstorbenen seine Freunde. »Bauer« war ein Lindener Unikat, stets ein politischer Kopf, eckte auch gern mal an. Aber: Er hatte stets seine Miete bezahlt. Doch das reicht heutzutage offenbar nicht mehr, um ein Dach überm Kopf zu haben. »Ein Schlaganfall vor einigen Jahren warf ›Bauer‹ aus der Bahn, raubte ihm viel Kraft und Vitalität. Arbeitslos geworden und selbst den Schikanen des Jobcenters ausgesetzt, engagierte er sich weiter in unseren Reihen gegen Hartz IV und die Gentrifizierung seines Stadtteils«, erzählt Otte anlässlich der Mahnwache Anfang März in unmittelbarer Nähe zu Niemanns einstiger Wohnung. Eine kleine Zweizimmerwohnung im Erdgeschoss, eigentlich ein ehemaliger Lindener Kiosk. Niemann zahlte als Untermieter jahrelang regelmäßig die Miete dafür. Doch der Hauptmieter, eine dubiose Unternehmensgesellschaft, strich das Geld einfach ein und blieb dem Hauseigentümer irgendwann satte 20.000 Euro schuldig. Der Eigentümer erklärte den Vertrag mit dem Hauptmieter dann für ungültig und damit auch das Untermietverhältnis. Nie-


Foto: G. Biele

WIR RETTEN LEBEN Mehr Sicherheit, mehr Privatsphäre, qualifiziertere Betreuung und WLAN in den Unterkünften für Obdachlose. So der einstimmige Beschluss der Ratspolitik nach einer Initiative der CDU. Der sozialpolitische Sprecher der CDU-Ratsfraktion Hans-Georg Hellmann dazu im Asphalt-Gespräch. Herr Hellmann, Sie hatten mit einem eigenen Antrag mit dem Titel »Steigerung der Akzeptanz von städtischen Obdachlosenunterkünften« die Dinge ins Rollen gebracht. Hinter den Kulissen wurde jetzt der interfraktionelle Antrag geschmiedet. Sechs Quadratmeter Platz pro Kopf und mehr Betreuungspersonal für Obdachlose: Ist der verabschiedete Antrag nun der große Wurf in der Wohnungslosenpolitik? Der gesamte Beschluss ist gut. Wesentlich ist für mich aber die neue Einsicht der anderen Fraktionen: Mehr Akzeptanz in der Szene für die Unterkünfte rettet Leben. Es kann doch nicht sein, dass Menschen auch bei Minusgraden lieber auf der Straße übernachten, weil sie sich vor Gewalt und Diebstählen in Unterkünften fürchten müssen oder weil sie ihren Hund, der oft der einzige Lebensbegleiter ist, nicht mit hinein nehmen dürfen. In dieser Angelegenheit hatten wir im Rat lange auf Granit gebissen. Zweimal wurden unsere entsprechenden Anträge von den Ampelfraktionen abserviert. Jetzt endlich sollen kleinere Einrichtungen mit Ein- und Zweibettzimmern, abschließbare Schränke, Unterkünfte für Obdachlose mit Hunden möglich werden. Das war unser Kernanliegen.

Dazu ein Beispiel: Allein die Planungen für die dringend nötige Sanierung der vergammelten Sanitärräume in nur einer Unterkunft, der Schulenburger Landstraße 335, dauern mittlerweile beinahe drei Jahre. Seitdem müssen die Wohnungslosen dort mobile Duschcontainer, wie man sie von Festivals kennt, nutzen. Was meinen Sie, wann könnte man angesichts der hannoverschen Bauverwaltung mit dem nun beschlossenen Umbau beinahe jeder Einrichtung rechnen? Dass das Thema Wohnungslosenhilfe oft an der Nahtstelle von Sozialausschuss und Bauausschuss liegt, ist ein grundsätzliches Problem. Wir müssen natürlich die Bearbeitungszeiten für Bauleitpläne und Baugenehmigungen monieren. Und das ist sicher kein Problem des Sozialdezernats. Die ganze Wohnungsmarktsituation in Hannover wird durch die Steinzeitorganisation der Bauverwaltung negativ beeinflusst. Vor 20 Jahren hat man schon gesagt: In Hildesheim dauert es sechs Wochen, in Hannover sechs Monate. Mittlerweile sind aus sechs Monaten eineinhalb Jahre geworden. Fairerweise muss man aber auch zugeben, dass es aufgrund der guten Konjunktur schwierig ist, geeignetes Personal für die Bauverwaltung zu bekommen. Aber


Könnten auch »little homes«, diese Holzverschläge auf Rädern, helfen? Sicher nicht für alle aktuell 500 Obdachlosen auf der Straße. Aber offenbar für den ein oder anderen. Ich sehe bei den Machern der »little homes« großes Engagement und viel Idea­ lismus. Und ich bin da im Gegensatz zur ZBS, die die »little homes« offenbar ablehnt, ganz pragmatisch. Das ist für mich keine Alternative zur Wohnung, sondern eine Alternative zur Straße. Das kann also hilfreich sein.

Sollte die Stadt selbst solche »little homes« anbieten? Eher nicht. Die Rolle der Stadt sollte bei den vielen neuen privaten Initiativen neben der des finanziell Unterstützenden vor allem eine koordinierende sein. »Little homes«, »Ein Zuhause«, »Rapid Housing«, »Tiny Houses«, Zahnmobil und Kältebusse und auch Kirchen, Bunker und U-Bahn-Stationen werden bei extremen Wetterlagen geöffnet. Das ist alles erfreulich. Es besteht aber die Gefahr, dass diese Initiativen neben- oder gar gegeneinander arbeiten. Daher muss die Stadt jetzt eine Clea­ ringstelle einrichten, um die Angebote zu koordinieren und damit die Synergiepotenziale gehoben werden können.

Wenn wirklich irgendwann die beschlossenen Maßnahmen umgesetzt werden sollten, wäre das Angebot für Obdachlose deutlich verbessert. Hinter vorgehaltener Hand fürchtet man im Rathaus manchmal eine Sogwirkung, die zu gute Lebensumstände hier für Obdachlose von woanders entfalten könnten. Teilen Sie die Sorge? Angela Merkel hat in Bezug auf die Migranten mal gesagt: Wenn ich die Menschen so schlecht behandle, dass sie nicht

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mehr herkommen mögen, dann ist das nicht mehr mein Deutschland. Das gilt für mich auch für Obdachlose, die dann im Zweifel aus Hamburg oder Bielefeld nach Hannover kommen. Dann wäre das eben so. Natürlich ist das dann auch finanziell eine Zwickmühle. Aber wenn es um elementare Lebensbedürfnisse geht, dann muss aus finanzieller Sicht beispielsweise ein kulturelles Nice-to-have schlicht hintenanstehen.

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Sie haben zuletzt auch gemeinsam mit der Fraktion der Linken/Piraten für eine Ausweitung des Kältebusses gestimmt. Eine ungewöhnliche Verbindung auf den ersten Blick. Da gibt es kaum Berührungsängste. Das sind menschlich nette und sehr pragmatische Kollegen. Natürlich gibt es keine Koalition in der Opposition aber wenn es um eine gute Sache geht, dann stimmen die gelegentlich unseren und wir deren Anträgen zu. Und bei dem Kältebus sehen wir die Notwendigkeit, die Einsatzzeiten auf die Abendstunden auszudehnen. Das kann lebensrettend sein. Das Ampelbündnis hat den Antrag aber nun leider abgelehnt. Ich finde wir sollten menschlich bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Volker Macke

Foto: V. Macke

Sie haben Recht: Unsere Unterkünfte müssen einen deutlichen Unterschied für die Lebensqualität der Obdachlosen bedeuten, damit sie nicht länger das Elend auf der Straße vorziehen. Wir können und wollen keinen von der Straße zwingen. Umso mehr müssen wir die Akzeptanz der Angebote erhöhen.

Hans Georg Hellmann, sozialpolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion, hat wenig politische Berührungsängste.

Der Beschluss Mehr Sicherheit, mehr Sauberkeit und mehr Komfort in Unterkünften und Wohnheimen soll helfen, mehr Obdachlose von der Straße zu holen. Der Sozialausschuss der Landeshauptstadt hat dazu Ende März ein umfassendes Maßnahmenpaket beschlossen. Interfraktionell und einstimmig. Die Stadtverwaltung ist nun aufgefordert, die Anzahl der Plätze pro Wohnheim auf 150 und pro Wohnprojekt auf 100 zu begrenzen. Alle Gebäude müssen »baulich so verändert werden, dass Familien in abgeschlossenen wohnungsähnlichen Einheiten und Alleinstehende möglichst in Einzelzimmern, maximal in 2-Bettzimmern untergebracht werden«. In der Regel sollen pro Kopf zehn und in Notschlafstellen mindestens sechs Quadratmeter zur Verfügung stehen. Spezielle Einrichtungen für Frauen und Kinder sowie für Obdachlose mit Hund sollen folgen. Abschließbare Schränke und Gewaltschutzprogramme in den Einrichtungen sollen künftig essentielle Voraussetzung für die Vergabe von Betreiberverträgen werden. Zudem soll – so genug Geld im Haushalt zur Verfügung steht – mehr Personal pro Bewohner eingestellt werden. MAC


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Hannover sucht den Leinestern 2019 Er gilt manchen als der »Oscar des Ehrenamts«: der Leinestern. In diesem Jahr wollen mit seiner Vergabe das Freiwilligenzentrum Hannover und die Stiftung Sparda-Bank Hannover zum sechsten Mal engagierte Freiwillige für ihr Tun auszeichnen und suchen deshalb Vorschläge. »Mit dem Leinestern haben wir eine Anerkennungskultur geschaffen, die unsere hohe Wertschätzung gegenüber freiwillig Engagierten in besonderer Weise unterstreicht. Mit Erfolg«, sagt Jürgen Gundlach, Vorstandsvorsitzender des Freiwilligenzentrums Hannover. Seit 2009 werden alle zwei Jahre die Glanzlichter des Ehrenamtes geehrt. Jochen Ramakers, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Sparda-Bank Hannover: »Wir fördern das bürgerschaftliche Engagement in Hannover und der Region und ehren Menschen, die sich für ein gutes Miteinander in unserer Gesellschaft einsetzen.« Die Preise werden in den Kategorien Soziales/Mildtätiges, Kunst/Kultur sowie Erziehung/Bildung vergeben. Sie sind jeweils mit 1.500, 1.000 und 500 Euro für den je ersten bis dritten Platz dotiert. Auf den Preis können sich alle freiwillig Engagierten bewerben, die in Projekten gemeinnütziger Organisationen aktiv sind. Gleichfalls können Freiwillige auch von Freunden, Bekannten, KollegInnen vorgeschlagen werden. Bewerbungsunterlagen für den Leinestern sind online unter dem Menü Projekte auf www.freiwilligenzentrum-hannover.de zu finden. Einsendeschluss der Bewerbungen ist der 20. Mai 2019. Im Rahmen einer festlichen Abendgala findet im September die Preisverleihung statt. RED

Unicef sucht Laiendarsteller Für ein Theaterprojekt zu den Fluchtursachen von Kindern am 11. Mai um genau 12.19 Uhr sucht das UN-Kinderhilfswerk Unicef in Hannover, Hildesheim, Oldenburg und Wilhelmshaven je 100 Laien­darsteller. Das Szenario zu Krieg und Lebensmittelknappheit soll mittels App und Kopfhörern synchron an 100 Orten gleichzeitig in Deutschland gezeigt werden, ohne dass die Akteure ihre Mitspieler noch das Stück vorher kennen. Das ist das »Theater der 10.000«. In Hannover soll der Ballhofplatz die Bühne sein. »Wir wollen die Möglichkeiten der Kunst nutzen, um in der Wirklichkeit etwas zu bewegen«, sagt Leonie Pichler, künstlerische Leitung des Projektes. »Jede und jeder ab 16 Jahren kann mitmachen, es sind weder Vorkenntnisse noch schauspielerische Fähigkeiten nötig – nur Mut.« Weitere Infos unter www.theaterder10000.de. RED

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Petition für Artenschutz Weil in Deutschland mittlerweile rund ein Drittel aller Tierund Pflanzenarten vom Aussterben bedroht seien, hat eine Initiative eine bundesweite Petition gestartet. Mit möglichst vielen Unterzeichnern wollen die Initiatoren via Petitionsausschuss des Bundestages den Bund dazu bringen, den Artenschutz ins Grundgesetz aufzunehmen. »Der Biodiversitäts-Verlust bedroht die ökonomische und ökologische Zukunft unseres Landes. Daher muss der Schutz der Biodiversität höchste Priorität erhalten und im Grundgesetz verankert werden«, heißt es in der Begründung auf www.openpetition.de/!artenschutz. Dafür soll in Artikel 91a des GG eine dritte Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern festgeschrieben werden: »3. Verbesserung des Biodiversitäts-Schutzes und Sicherstellung der Ökosystemleistungen.« 50.000 Unterschriften werden benötigt. RED

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GUT ZU WISSEN

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»WEITER KIND SEIN« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäufer Sascha (38). Hallo Sascha. Wie lange verkaufst du schon Asphalt? Seit vier Jahren bin ich richtig doll im Gange an meinem Verkaufsplatz in Celle. Es tut gut, mit anderen Leuten Kontakt zu haben, sonst habe ich nie Kontakt, aber ich versuche, alles gut auf die Beine zu stellen, damit alles seinen Gang geht und ich nicht einsam bin.

Lebst du alleine? Nein, mit Jacko und Charly, meinen Wellensittichen. Das ist schön, wenn man nicht alleine ist. Und es zwitschert immer so schön! Sie mögen es nur nicht, wenn ich ihnen beim Schnäbeln zugucke. So lange lege ich immer ein Laken über ihren Käfig – für ihre Privatsphäre. Letztens haben sie geschimpft, weil ich den Käfig nicht schnell genug abgedeckt habe.

Sehr rücksichtsvoll. Aber zu einem anderen Thema: Du stellst selbst Hörspiele her, erzähl mal! Ich mache Hörspiele zum Film. So heißt auch mein Kanal auf »YouTube«. Ich habe schon über 120 Abonnenten und auch eine Homepage: www.hoerspielemitherz.de. Ich habe schon Hörspiele zu »Jurassic Park«, »Titanic«, »In einem Land vor unserer Zeit« und zu vielen anderen Filmen gemacht. Für »Titanic« habe ich Jahre gebraucht. Das war sehr aufwendig.

Wie machst du das? Liest du den Roman zum Film vor? Nein, ich spreche den Film nach, einfach frei Schnauze, inklusive aller Charaktere, also mit verschiedenen Stimmen und ich spiele auch die Geräusche ein. Manchmal mache ich auch Hörspiele ohne Vorlage und denke mir was ganz Neues aus. Gerade mache ich eine Co-Produktion mit jemandem, den ich im Internet kennengelernt habe. Wir haben das Hörspiel »Anlage B, Jurassic Park« vor. Das ist neu, eigentlich mache ich sonst immer alles ganz alleine.

Wie bist du zu den Hörspielen gekommen? Das fing an, als ich im Kinderheim war, mit zwölf Jahren. Ich habe da so einen Kassettenrekorder in die Hände bekommen und gemerkt, dass man mit dem nicht nur Sachen abspielen, sondern auch aufnehmen kann. Dann habe ich angefangen, Geschichten mit verschiedenen Stimmen nachzusprechen und Geräusche nachzuahmen.

Möchtest du mehr von deiner Kindheit und dem Kinderheim erzählen? Ja, aber das ist ein dunkles Kapitel in meinem Leben. Ich hatte einen Sauerstoffmangel bei meiner Geburt, deshalb habe ich MCD. Ich war als Kind aufgewühlt, hyperaktiv, wie man das so nennt – ein richtiges Biest. Schlimm wurde es so mit neun Jah-

ren, als ich in die Psychiatrie kam. Die haben mich behandelt wie einen Erwachsenen – und ich konnte nicht ausbrechen, nirgendwo! Erst war ich auf der offenen, dann auf der geschlossenen Station, weil ich einen Streit mit einem anderen Kind inklusive einer Schere hatte. Ich weiß noch genau, wie ich damals am Fenster stand und gesagt habe: »Lieber Mond, bitte lass meine Eltern mich endlich hier rausholen!« Und dann haben sie mich tatsächlich geholt – wie im Kino! Nach der Psychiatrie kam ich ins Kinderheim. Ich wollte gerne unter Kindern sein, weil ich zuhause keine Freunde hatte. Da hat es mir gut gefallen: ein Bauernhof mit Scheunen und einem Spielplatz. Ungefähr zu dieser Zeit haben sich dann meine Eltern getrennt, deshalb musste ich mich nach dem Kinderheim entscheiden, bei wem ich wohnen will. Ich bin zu meinem Vater und seiner neuen Lebensgefährtin gegangen, mein schlimmster Fehler!

Warum? Sie mochte mich nicht. Immer, wenn ich das »Nutella«-Glas leer gemacht habe, hat sie mich geschlagen … aber nicht nur dann. Meine Hörspielkassetten hat sie auch zu Bandsalat gemacht. Mein Vater stand dazwischen. Richtig beschützt hat er mich nicht. Meine Mutter wusste damals nichts davon, sonst hätte sie mich sofort geholt. Meine Vergangenheit möchte ich am liebsten hinter mir lassen und jetzt, in dieser Zeit, weiter Kind sein, deshalb mache ich auch so gerne meine Hörspiele.

Wie ging es weiter? Bist du bei deinem Vater geblieben? Nein, ich wurde in eine Einrichtung für Jugendliche geschickt. Damals habe ich angefangen, an meinem »Titanic«-Hörspiel zu arbeiten. Das fanden die anderen nicht cool. Die haben mich fertiggemacht. Irgendwann bin ich aber da rausgekommen und in meine eigene Wohnung gezogen. Das ging leider nicht gut: Ich habe eine schizophrene Angstpsychose bekommen und musste wieder in die Psychiatrie, danach war ich in verschiedenen Heimen. In der Zeit habe ich zwei Brände miterlebt. Mein Freund hat ein Mädchen aufgefangen, weil sie aus dem Fenster vor dem Feuer fliehen musste. Das war schlimm. Seit 2014 habe ich endlich wieder eine eigene Wohnung. Es ist jetzt alles besser, auch wenn es manchmal schwer ist – ohne Freundin und Freunde. Aber: Ohne Fleiß und ohne Flair kriegt man keine Frau! Das habe ich bei »Hitch – der Date Doktor« gelernt. Und daran halte ich mich!

Fleiß und Flair: Ich glaube nicht, dass es dir daran mangelt, Sascha! Also wünschst du dir eine Frau? Ja und Kinder, die eine schöne Kindheit und Zukunft haben! Sie sollen es besser als ich haben. Interview und Fotos: Svea Kohl


Quelle: https://www.youtube.com/channel/UClGh0nP8iAuQBJ3YuWsXr-A/videos

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Sascha verkauft Asphalt in Celle am Lauensteinplatz vor Edeka Wilhelms.

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Foto: G. Biele

Foto: V. Macke

RUND UM ASPHALT

Sportlicher Besuch bei Asphalt

Spenden nicht umsonst

Beim sozialen Stadtrundgang von Asphalt haben Joshua Thiele (4.v.r.) und Jannes Krone (3.v.r.) von der TSV Hannover-Burgdorf Niedersachsens Landeshauptstadt einmal ganz anders kennen gelernt. Beide Spieler wurden im Rahmen einer gemeinsamen Aktion vom Diakonischen Werk Hannover und den Recken des TSV Hannover-Burgdorf von Asphalt-Verkäufer Mario Cordes an Orte geführt, wo Arme und Obdachlose keine Randgruppe sind. Wo sie Hilfe bekommen. Wo sie Schutz bekommen. Wo sie etwas zu essen bekommen. Und wo sie duschen können. Ihre 90-minütige Route führte sie unter anderem zu »Bed by Night«, dem Containerhaus für Straßenkinder, zum Kontaktladen Mecki, zum Stellwerk, einem geschützten Raum zum Ausruhen oder Konsumieren von Drogen und zu Szenia, einer Anlaufstelle für Frauen. Vielen sind die sozialen Notlagen und die wachsende Armut und Obdachlosigkeit zwar bewusst, aber: »es ist interessant zu sehen, wie viele Einrichtungen es gibt und erschreckend, wie groß ihr Zulauf ist«, bemerkt Joshua Thiele beeindruckt. GB

Die Idee des Umsonstladens in Bemerode-Kronsberg ist einfach: Viele Haushaltgegenstände, die von ihrem Eigentümer nicht mehr gebraucht werden, zum Wegwerfen aber zu schade sind, können hier für schmales Geld einen neuen Besitzer finden. Acht ehrenamtliche Mitarbeiter verkaufen an zwei Tagen in der Woche Deko-Artikel, Elektrokleingeräte, Geschirr, Besteck, Bücher, Spiele und vieles mehr – oft Sachspenden aus Haushaltsauflösungen. Die gesamten Verkaufserlöse kommen verschiedenen sozialen Einrichtungen und Vereinen zu Gute. Dieses Mal durfte sich Asphalt über eine Spende in Höhe von 350 Euro freuen. »Ich finde, Asphalt ist ein ganz tolles Projekt. Und sicher brauchen auch die Asphalter mal so eine Unterstützung«, begründet Mario Büthe (rechts im Bild), ehrenamtlicher Mitarbeiter des Umsonstladens, seine Wahl für Asphalt. Gemeinsam mit seiner Kollegin Gesa Hochreiter überreichte er die Spende an Asphalt-Geschäftsführer Georg Rinke. Das gesamte Asphalt-Team sagt herzlich Danke! GB

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Kommen Sie mit – zum sozialen Stadtrundgang! Asphalt zeigt Ihnen das andere Hannover. Nächster Termin: 26. April 2019, 15 Uhr. Treff­ punkt: Asphalt, Hallerstr. 3, 30161 Hannover. Bitte melden Sie sich an unter: 0511 – 301269-20. Teilnahme auf Spendenbasis: ab 5 Euro pro Person.


Auf der S t ra ß e : Wi e i s t das?

Immer mehr Menschen sind wohnungslos in Deutschland, mehr als 50.000 leben sogar komplett auf der Straße. Darunter auch Tausende Kinder. Wie wird man obdach­ los? Was sind die Gründe? Und warum sogar Kinder? Wir erklären es euch. Asphalt Kids, ab sofort für 4 Euro auf Straßen und Plätzen. Schulen bestellen bitte unter 0511 – 301269-0.

Asphalt verlost 10 x 2 Karten für den Zoo Hannover

Paten-Eisbärin auf »Hope« getauft Wie kaum ein anderes Tier steht der Eisbär durch den voranschreitenden Klimawandel vor immer größeren Problemen. Sein Lebensraum schmilzt ihm geradezu unter den Pfoten weg. Um mehr über das Leben der Eisbären und den Einfluss des Klimawandels zu erfahren, statten Artenschützer von Polar Bears International weibliche Eisbären mit einem Bear Tracker aus. Mit den Sendehalsbändern können sie ihre Wanderrouten per GPS verfolgen. Der Erlebnis-Zoo Hannover hat im September 2018 eine Partnerschaft für so eine besenderte Eisbärin übernommen. Ein passender Name war für die in der Hudson Bay lebenden Paten-Bärin X19735 schnell gefunden. Aus den Vorschlägen wählte die Zoo-Jury drei Favoriten, die in Yukon Bay lebende Eisbärin Milana traf die finale Entscheidung. Ohne langes Zögern wählte sie den Kanister mit dem Schriftzug »Hope«. Mit Asphalt können Sie zwei Tagestickets für den Zoo Hannover gewinnen! Beantworten Sie uns einfach folgende Frage: Wo lebt Paten-Eisbärin Hope?

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Schulklassen

ung 96-Verlos

26 Karten für 96!

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Fußballfans aufgepasst! Asphalt verlost gemeinsam mit Hannover 96 wieder 2 x 2 Karten für ein Top-Heimspiel. Diesmal für den 33. Spieltag (11. Mai):

Hannover 96 – SC Freiburg Wer uns einfach eine Karte, eine E-Mail oder ein Fax mit dem Stichwort »96« schickt, der hat die Chance, zwei Karten in Block S 4 zu gewinnen! Wir drücken ganz fest die Daumen und wünschen viel Glück! Asphalt-Magazin, Hallerstr. 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; gewinne@asphalt-magazin.de oder Fax: 0511 – 301269-15.Einsendeschluss: 30. April 2019.

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Foto: Zoo Hannover

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Schicken Sie uns eine Postkarte, eine E-Mail oder ein Fax mit Ihrer Antwort und dem Stichwort »Zoo« bis zum 30. April 2019 an: Asphalt-Redaktion, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover, gewinne@asphalt-magazin.de, Fax 0511 – 30126915. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Die Lösung unseres letzten Zoo-Rätsels lautet: »4,40 Meter«.


RUND UM ASPHALT

Essen auf hohem Niveau

Eine ganz besondere Überraschung stand für die kleinen Patientinnen und Patienten im Kinderkrankenhaus auf der Bult auf dem Programm. Unser ehemaliger 96-Kapitän Christian Schulz, der nun als 96-Botschafter tätig ist, und U23-Stürmer Benjamin Hadzic, der zuletzt auch schon Profi-Erfahrung sammelte, besuchten die Kinder in ihren Zimmern. Bei dem für die Kids aufregenden Besuch erkundigten sich die beiden 96er nach dem Gesundheitszustand der Kinder, machten Späße und sprachen den Kindern Mut zu, um sie ein wenig vom Krankenhausalltag abzulenken. Natürlich wurden auch alle Autogramm- und Fotowünsche erfüllt und für jeden kleinen Patienten gab es sogar ein kleines Geschenk, das die Kinder an den Besuch von „Benni“ und „Schulle“ erinnern sollte. Auch Björn-Oliver Bönsch, Vorstandsreferent im Kinderkrankenhaus auf der Bult, lobte den Besuch der 96-Profis. „Mit dem Besuch einer echten 96-Legende und eines hoffnungsvollen Nachwuchsstürmers war für jeden im Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult etwas dabei. Kinder, Eltern und Mitarbeiter waren begeistert!“

Foto: G. Biele

Schulz und Hadzic besuchen kranke Kinder

Bereits zum neunten Mal haben die Azubis von Pro Beruf das Asphalt-Team zu einem erstklassigen Essen in ihr Ausbildungsrestaurant »Café Nanas« im Haus der Jugend Hannover eingeladen. Motiviert, engagiert und sehr zuvorkommend haben die vier Service-Kräfte und zwei Köche unter betriebsnahen Bedingungen für den ganz normalen Restaurant-Alltag geübt und bereits Erlerntes weiter verfeinert. Und was auf der Speisekarte stand, konnte sich wirklich sehen lassen: Vitello Tonnato wurde als Vorspeise serviert, Maispoularde Saltimbocca gab es zum Hauptgang und ein halbflüssiger Schokoladenkuchen mit Vanilleeis und Pflaumen machte das 3-Gänge-Menü komplett. Für den musikalischen Rahmen sorgten die jungen Musiker des Ensembles Harmonica Mundi der Musikschule Hannover. Nicht

oft bekommen die Asphalter solch exquisite Speisen in einer so entspannten Atmosphäre. »Das war wieder ein sehr gelungener Abend. Das Essen hat richtig lecker geschmeckt und auch das Ambiente war super« schwärmt Asphalt-Vertriebsleiter Thomas Eichler. Bei der Pro Beruf GmbH werden junge Leute mit einem besonderen Unterstützungsbedarf unter anderem zu Köchen und Fachkräften im Gastronomiegewerbe qualifiziert. Der gemeinnützige Bildungsträger arbeitet eng mit dem Arbeitsamt zusammen und feiert in diesem Jahr sein 40. Jubiläum. GB


gesucht – gefunden

Gespannt lauschten die rund 20 Besucher, als Asphalt-Verkäufer und Buchautor Tom Velten bei seiner ersten Lesung in der Kirchengemeinde St. Ludwig Ausschnitte aus seinem dritten Band der Buchreihe Bankgeflüster mit dem Untertitel »Im kalten Krieg« vorlas. Unverblümt und ehrlich erzählte er Einzelheiten aus seinem Leben und dem seiner Familie. Velten gewährte dem Publikum Einblicke in seinen außergewöhnlichen Lebenslauf zu DDR-Zeiten und der Zeit nach der Wende. Interessiert und häufig auch amüsiert folgten die Zuhörer seinen Geschichten. Am Ende bekam er dafür nicht nur zusprechenden Applaus, sondern auch viel Lob und Respekt. GB

Verkäufer Michael: Ich wünsche allen meinen Kunden schöne Ostern! Ihr Verkäufer Michael, Wettbergen/Lidl. [V-Nr. 2309]

Machen Sie bei uns mit! Die Runde der Ehrenamt­lichen trifft sich an jedem letzten Dienstag im Monat in den hannoverschen Asphalt-Redaktionsräumen. Da werden Veranstaltungen organisiert, Info-Stände geplant und Ideen gesammelt, um die Arbeit von Asphalt engagiert zu unterstützen. Besonders für unsere Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer ist es wichtig zu spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen. Wir freuen uns, wenn Sie sich dieser lebendigen Runde anschließen möchten! Rufen Sie uns einfach vorher an: 0511 – 30 12 69-0. Das nächste Treffen ist am Dienstag, 30. April, um 17 Uhr.

Verkäuferausweise Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei VerkäuferInnen mit gültigem Ausweis! Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Gelb

Verkäuferin Nancy: Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand einen gebrauchten Laptop oder ein gebrauchtes Tablet für mich hätte. [V-Nr. 1533] Kontakt: 0178 – 1188615.

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Gute Entscheidung für

Vermieter:

kaufmännisch klug, sozial verantwortungsvoll 12.000 Euro Zuschuss, Mietzahlungsgarantie, keine Nachmietersuche, kein Leerstandsrisiko. 5.000 Euro zusätzlich, wenn ich modernisiere. Ich habe für 15 Jahre an die SWH vermietet!

Gute Entscheidung für Vermieter! Nehmen Sie Kontakt auf: Telefon: 0511 27803-0 info@swh-hannover.de

Impressum Herausgeber: Matthias Brodowy, Dr. Margot Käßmann, Rainer Müller-Brandes Gründungsherausgeber: Walter Lampe Gesellschafter: Diakonisches Werk Hannover, H.I.o.B. e.V. Geschäftsführung: Georg Rinke Redaktion: Volker Macke (Leitung), Grit Biele, Svea Kohl, Ulrich Matthias Fotografin/Kolumnistin: Karin Powser Gestaltung: Maren Tewes Freie Autoren in dieser Ausgabe: J. Göres, O. Neumann, B. Pütter, G. Schild, W. Stelljes, K. Zempel-Bley

Anzeigen: Heike Meyer Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter) Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15

Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1 Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 22.500 Asphalt erscheint monatlich. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 25. März 2019

Für unaufgefordert eingesandte Manus­kripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weiter­ gegeben. Unsere vollständige Datenschutzerklärung finden Sie auf www.asphalt-magazin.de/impressum. Alternativ liegt diese zur Ansicht oder Mitnahme in unserer Geschäftsstelle aus.

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Lob und Respekt für Velten

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Foto: upixa/fotolia

OFFENES OHR FÜR PATIENTEN Schlechtes Essen, lange Wartezeiten, unzureichende Kommunikation. In Krankenhäusern läuft schon lange nicht mehr alles rund. Schuld daran ist meist Zeitmangel des Personals. Unterstützung bekommen die Patienten von ehrenamtlichen Patientenfürsprechern.


Bundesweit einheitliche Regelung notwendig Niedersachsen gehört wie Bremen zu den neun Bundesländern, in denen Patientenfürsprecher laut Landesgesetz Pflicht sind. Sie werden von den Krankenhäusern berufen – häufig handelt es sich dabei

Hans-Jürgen Mahnkopf setzt sich als Patientenfürsprecher im Clemen­ tinenhaus Hannover für die Patienten ein.

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um ehemalige Mitarbeiter. Mahnkopf fordert als stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Patientenfürsprecher in Krankenhäusern bundesweit einheitliche Regelungen: »Es ist in Niedersachsen nicht klar, wie man durchsetzen kann, dass man vom Krankenhaus die nötigen Informationen bekommt. Außerdem braucht es bei Gerichtsverfahren ein Auskunftsverweigerungsrecht für Patientenfürsprecher.« Bei seinen Gängen durch das Klinikum Hann. Münden erfährt Pastor Michael Stanke von den dortigen Missständen. Wenn der Patient einverstanden ist, gibt Stanke in seiner Funktion als Patientenfürsprecher diese Informationen weiter und informiert sich später, was aus der Angelegenheit geworden ist. »Ich sehe mich als Mediator, der hilft, Probleme zu lösen. Dabei kommt mir zu Gute, dass ich als Krankenhausseelsorger im Klinikum bekannt bin«, bemerkt der Pastor. »Es geht ganz oft um mangel­ Birgit Plaschke ist hafte Kommunikation und Pflegedirektorin im Klinikum Oldenburg. die ist meist Ergebnis von zu Nach ihrer Erfahrung wenig Zeit.« müssten gerade ältere Hans-Jürgen Mahnkopf, Patientenfürsprecher Menschen oft ermutigt werden, Kritik vorzubringen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund würden sich nur sehr selten im Krankenhaus beschweren. Im Klinikum Oldenburg gibt es bereits seit 2008 Patientenfürsprecher, die ein- bis zweimal im Jahr an den Stationsleiterkonferenzen

Foto: G. Biele

Warum müssen Ärzte am Krankenbett immer stehen und von oben herab mit uns sprechen? Diese Frage eines Patienten des Clementinenhauses, ein Krankenhaus des Deutschen Roten Kreuzes in Hannovers Stadtteil List, hat Hans-Jürgen Mahn­kopf keine Ruhe gelassen und sie daher als Anregung an die Ärzteschaft weitergeleitet. Seitdem setzen sich einige Mediziner bei der Kontaktaufnahme hin. »So gibt es mehr und bessere Gespräche zwischen Arzt und Patient«, berichtet Mahnkopf, Patientenfürsprecher im Clementinenhaus. Seit 2016 ist jedes Krankenhaus in Niedersachsen verpflichtet, einen ehrenamtlich arbeitenden Patientenfürsprecher und einen Stellvertreter zu bestimmen. Sie sollen als unabhängige Ansprechpartner die Anregungen, Kritiken und Beschwerden von Patienten weiterleiten und bei Konflikten nach einer Lösung suchen. »Es geht ganz oft um mangelhafte Kommunikation und die ist meist Ergebnis von zu wenig Zeit. Das Pflegepersonal arbeitet an der Grenze der Belastbarkeit«, sagt Mahnkopf, der früher als Oberstaatsanwalt häufig mit Medizinfällen zu tun hatte. Lange Wartezeiten trotz eines vereinbarten Termins, noch längere Wartezeiten und undurchsichtige Abläufe in der Notaufnahme, wenig Rückmeldungen nach einer Operation – Mahn­kopf nennt Themen, die immer wieder per Mail oder während seiner Sprechzeiten im Krankenhaus, die vier Stunden die Woche umfassen, an ihn herangetragen werden. Jährlich hat er mit 40 bis 50 Fällen zu tun. Dazu gehört beispielsweise auch die Witwe, die sich ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Mannes meldet und wissen will, woran ihr Mann genau gestorben sei. »Man muss mit den Leuten in Ruhe sprechen, dann klärt sich vieles und die Menschen fühlen sich ernst genommen«, betont Mahnkopf, der im Clementinenhaus Akteneinsicht hat. Auch wenn er es gerne möchte, so kann er dennoch nicht alle Probleme lösen: »Für ältere Menschen sind oft die Teller viel zu groß. Wenn der Lieferant daran nichts ändern will, kann man wenig machen.«

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teilnehmen. »Die Berichte der Patientenfürsprecher werden als sehr hilfreich angesehen, denn sie haben die Perspektive von außen auf unseren Betrieb«, sagt Plaschke.

Strengere Vorgaben bei den Mitarbeiterzahlen Auch Ernst-Günther Mörsel, seit 35 Jahren Arzt am Allgemeinen Krankenhaus Celle und bis vor kurzem langjähriger Betriebsratsvorsitzender, hält den Patientenfürsprecher für eine sinnvolle Sache. Sein Einfluss sei allerding begrenzt. »Es gibt am AKH Celle jährlich Hunderte von Überlastungs- und Gefährdungsanzeigen durch die Beschäftigten, deren Zahl in der Vergangenheit immer weiter reduziert wurde. Will man wirklich etwas verbessern, muss einfach mehr Personal eingestellt werden. Das passiert am AKH »Das Krankenhaus Celle jedoch schon seit Jahren nicht mehr«, sagt Mörsel. kümmert sich um Er hofft, dass sich das durch Krankheiten, nicht Gesundheitsminister Jens um Menschen.« Spahn ändern wird. Spahn Stefan Bär, Soziologe an der hat angekündigt, ab 2020 den Uni Heidelberg Krankenhäusern strengere Vorgaben für die vorzuhaltende Zahl ihrer Mitarbeiter zu machen, Verstöße dagegen wolle er dann entsprechend sanktionieren. Für Stefan Bär, Soziologe an der Uni Heidelberg, verstehen sich Krankenhäuser seit der Einführung der Fallpauschalen zunehmend als Unternehmen, in denen die Controlling-Abteilungen stark ausge-

baut wurden. Gleichzeitig ist die Zahl der Patienten pro Pflegekraft deutlich gestiegen. »Das Krankenhaus kümmert sich um Krankheiten, nicht um Menschen«, bemängelt Bär. Kostengünstige Patientenfürsprecher trügen dazu bei, diesen Mangel zu kompensieren.

Fehlende Erfolgskontrolle Außer den Patientenfürsprechern gibt es in Krankenhäusern die Beschwerdestellen. In Deutschland ist jedes Krankenhaus dazu verpflichtet, so eine Beschwerdestelle für Patienten einzurichten. Die dortigen Mitarbeiter sind beim Krankenhaus angestellt, während die Patientenfürsprecher unabhängig arbeiten und keinen Weisungen unterliegen. Nach einer Studie des Bundesverbandes Beschwerdemanagement für Gesundheitseinrichtungen (BBfG) kritisierten im Jahr 2016 etwa 23 Prozent der Krankenhauspatienten vor allem organisatorische Abläufe, 17 Prozent der Patienten gaben Mängel an Ausstattung

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a m n e s t y a f t e r wo r k Schreiben Sie für die Menschenrechte – gegen Verfolgung, Gewalt und Folter

Gemeinsam für die Menschenrechte Sie können helfen: Wir laden Sie herzlich ein, uns montags zu besuchen. Lassen Sie Ihren Tag mit einer guten Tat bei Kaffee, Tee und Gebäck ausklingen, indem Sie sich mit Faxen, Petitionen oder Briefen gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einsetzen.

Pastor Michael Stanke ist als Krankenhausseelsorger und Fürsprecher für die Patienten im Klinikum Hann. Münden da. Foto: Klinikum Hann. Münden GmbH

Öffnungszeiten: Montag 18 bis 19 Uhr after work cafe Dienstag 11 bis 12 Uhr, Donnerstag 18.30 bis 19.30 Uhr amnesty Bezirksbüro Hannover Fraunhoferstraße 15 · 30163 Hannover Telefon: 0511 66 72 63 · Fax: 0511 39 29 09 · www.ai-hannover.de Spenden an: IBAN: DE23370205000008090100 · BIC: BFSWDE33XXX Verwendungszweck: 1475


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Foto: Sybille Thomé

und Gebäuden an 16 Prozent bemängelten eine unzureichende Kommunikation. Pro 100 Beschwerden wurden 28 Verbesserungsmaßnahmen veranlasst – ob sie wirksam sind, wird in 40 Prozent aller Krankenhäuser selten oder nie überprüft. Der BBfG-Vorsitzende Oliver Gondolatsch rät unzufriedenen Patienten: »Wenden Sie sich zunächst an die Mitarbeiter auf der Station. Wenn Sie dort nicht weiterkommen, schalten Sie das Beschwerdemanagement oder den Patientenfürsprecher ein.« Auf diese Weise würden Kliniken versuchen, sich teure und langwierige Prozesse zu ersparen, räumt Gondolatsch ein.

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Umfassende Informationen nötig Herbert Roth ist seit 2005 Patientenfürsprecher in den Haßfurter Haßberg-Kliniken, ein Krankenhaus mit 245 Betten in Franken. Er berichtet von einem älteren Mann, der nach einer Leistenoperation Erektionsprobleme hat. Seine Frau beschwert sich nun darüber, dass vor der OP nicht auf dieses Risiko hingewiesen wurde. Im Aufklärungsbogen, den der Mann vor der Operation unterschrieben hatte, wurde diese mögliche Folge aber erwähnt. »Viele Patienten unterschreiben, ohne sich den Text durchzulesen und haben beim Beratungsgespräch vor der OP keine Fragen. Man sollte sich alles genau durchlesen und Fragen stellen. Das kann man allerdings nur, wenn man etwas weiß. Es sind von Seiten des Krankenhauses mehr Informationen nötig«, sagt Roth. Bis heute hat er es mit einem Dutzend Fällen zu tun, in dem es um vermeintliche oder tatsächliche Kunstfehler bei der Behandlung geht: »Ich empfehle dann die Schlichtungsstelle der Landesärztekammer. Dort untersuchen Universitätsprofessoren den Fall und schreiben Gutachten, an die sich Krankenhäuser, Versicherungen und Gerichte halten. Das kostet nichts – im Gegensatz zu einem Rechtsanwalt, den man ja immer noch einschalten kann.«

Patientenfürsprecher Herbert Roth nimmt Kritik, Lob und Anregungen

Joachim Göres

der Patienten in den Haßberg-Kliniken entgegen.

Patientenfürsprecher und ihre Aufgaben Patientenfürsprecher setzen sich als unabhängige und ehrenamtliche Ansprechpartner für die Belange der Patienten und ihrer Angehörigen ein und versuchen gegebenenfalls bei den zuständigen Stellen des Hauses zu vermitteln. Sie sind weisungsunabhängig und kein direkter Mitarbeiter des Krankenhauses. Wie das gesamte Klinik-Personal unterliegen auch Patientenfürsprecher der Schweigepflicht. Deshalb behandeln sie alles, was ihnen die Patienten erzählen, vertraulich. Nur mit deren Einverständnis dürfen sie Informationen weitergeben und deren Anliegen gegenüber der Krankenhausleitung vertreten. In den meisten Fällen bieten Patientenfürsprecher ihre Sprechstunden ein- bis zweimal pro Woche in der Klinik an. Damit auch bettlägerigen Patienten ihre Sorgen und Nöte loswerden können, machen viele der Fürsprecher auch Krankenbesuche auf den Stationen. Ist ein Patient selbst nicht in der Lage, sich an den Ehrenamtlichen zu wenden, können seine Angehörigen oder Vertrauten dies für ihn tun. GB


BUCHTIPPS

DER FÜR KIN

Hundert Ist »Hundert« ein Kinderbuch? Auf den ersten Seiten bestimmt, zwischendurch eher nicht. Am Ende sicher wieder. Kinder und Erwachsene werden es von vorn lesen. Großeltern mit ihren Enkeln vielleicht von hinten nach vorn. Das Buch der Journalistin Heike Faller und des italienischen Illustrators Valerio Vidali besteht aus hundert Schritten, hundert kleinen und großen Ereignissen auf 100 Doppelseiten. Zusammen sind sie ein wunderschönes Bilderbuch – und ein Leben. Es sind die Lektionen, die man im Laufe eines Lebens lernt: Was Schwerkraft ist, was Vertrauen, wie ein Purzelbaum geht, wie zweifeln, wie küssen. Plötzlich Kaffee zu mögen, zu lernen, fast keinen Schlaf zu brauchen, wenn Kinder da sind. Irgendwann die eigenen Eltern zu akzeptieren wie sie sind. Stärker das Rasen der Zeit zu spüren, zurückzuschauen mit der Frage: »Hast Du irgendwas im Leben gelernt?« und dann auch die Angst vor dem Tod zu verlieren. In diesem jeweils einen Satz pro »Lektion« steckt so viel Wissen über das Leben, dass man immer wieder innehält, auch zurückblättert, von vorn beginnt. Ein Blätterbuch sozusagen, voller Wärme. BP Heike Faller, Valerio Vidali | Hundert | Kein & Aber | 20 Euro | Ab 6 Jahren

Otter Otto ist ein bisschen schüchtern, und Angst vor Monstern hat er auch. Aber er kann nähen und backen – Kuchen mit so viel Zucker, dass man Sterne sieht – und sich alles merken. Lotti kann Fische fangen und Räuberhöhlen bauen, und wenn sich da ein Monster hineintraut, gibt es Monstersalat! Die Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes hat mit der Illustratorin Carola Sieverding ein Vorlese-Kinderbuch gemacht, dessen Held und Heldin Otter sind, was als Kaufempfehlung eigentlich ausreichen sollte. Wenn nicht: Diese Geschichte über vermeintliche Jungssachen und angeblichen Mädchenkram ist das feministische Kinderbuch, das dem Geschlechterrollen-Backlash und dem Gendermarketing-Mist mit rosa Prinzessinnen-Zahnbürsten und »nur für Jungs«-Feuerwehr-Gedöns die Wirklichkeit um die Ohren haut: Alle Otter sind gleich, alle Otter sind verschieden. Das ist – man muss es heute dazusagen – nicht der Untergang des Abendlandes, sondern erstens wunderschön gezeichnet wie erzählt und zweitens fast so etwas wie eine Rückbesinnung: Erinnern Sie sich an Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter und Bibi Blocksberg? Sehen Sie. BP Collien Ulmen-Fernandes, Carola Sieverding | Lotti & Otto | Edel Kids | 13,99 Euro | ab 3 Jahren

Hunger Die vielschreibende britische Autorin Louise Spilsbury hat mehr als 200 Kinderbücher verfasst. Das muss einen nicht misstrauisch machen. Das selbstbewusste Auftreten ihres Buchs über Armut vielleicht schon. Ähnlich kategorisch wie der Untertitel »Alles über Armut und Hunger« verspricht, gibt sich der Klappentext: »Dieses Buch erklärt kindgerecht, warum es Armut gibt, manche Menschen keine Arbeit haben oder nicht alles kaufen können, was sie für ein gesundes Leben brauchen.« Das wäre in der Tat eine Leistung. Auf den ruhigen, erdfarbenen Illustrationen von Hanane Kai liegen kurze, von einer eher unangenehmen Traurigkeit durchzogene Texte, die sich leider an Oberflächen abarbeiten. Nein, arm ist man nicht, weil »das Geld nicht reicht«, Tafeln beenden nicht die Armut und Entwicklungsarbeit bedeutet nicht, armen Bauern zu zeigen, wie man Dünger richtig einsetzt. Der Elefant im Raum, über den Spilsbury nicht sprechen will, ist die Erkenntnis, dass Armut heute menschengemacht ist – und ihre Entstehung komplex. Statt Kindern zu raten, Kuchen zu verkaufen, um Spenden zu sammeln, könnte man sie ernst nehmen in ihrem Wunsch, die Welt zu verstehen. BP Louise Spilsbury, Hanane Kai | Wie ist es, wenn man arm ist? | Gabriel | 10 Euro | ab 5 Jahren


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KULTURTIPPS Kabarett

34 Er hat die Hosen an – Sie sagt ihm, welche

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Konzert

Foto: David Häuser

Für den Mann des 21. Jahrhunderts wird die Luft immer dünner: Sein Auto fährt demnächst alleine los und ohne technische Hilfsmittel findet er nicht mal mehr den Weg zum Kleiderschrank. Gehört der Mann, wie wir ihn kennen, also auf die Liste der bedrohten Arten? Peter Vollmer jedenfalls ist stets bemüht, als Vater, Verdiener und Versteher für Frau und Kinder unentbehrlich zu bleiben. Dafür ist er sogar bereit zu kochen (mit dem Thermomix), gesund zu leben (etwa einmal die Woche) und sich strikt an die verordnete Trennkost (erst die Fritten, dann die Wurst) zu halten. Und auch als Held konnte er schon einmal glänzen. Freitag, 12. April, 20 Uhr, die hinterbuehne, Hildesheimer Straße 39a, Hannover, Eintritt 17 Euro, erm. 12 Euro.

Cine-Jazz-Mash-Up

Kammermusikalische Melodiengewänder

Das Jazz-Trio Les Flics spielt Filmmusik auf ihre ganz eigene Weise. Mit Saxophon, Piano und Schlagzeug möbeln sie die Songs der Film- und Fernsehgeschichte auf, polieren sie auf Hochglanz, drehen alles durch die flotte Lotte und servieren anschließend dem Publikum einen Remix, der sich gewaschen hat. Ein völlig wirres Mash-Up über alle Genregrenzen hinweg: Biene Maja entdeckt HipHop, Humphrey Bogard und 007 ihre gemeinsame Vorliebe für die Karibik, Darth Vader tanzt Tango mit Jean-Luc Picard und der Pate mit Pink Panter Polka. Freitag, 12. April, Einlass 20 Uhr, Beginn 20.30 Uhr, Loretta, KulturFabrik Löseke, Langer Garten 1, Hildesheim, Eintritt 8 Euro.

Von seinen drei Welttourneen hat der schwedische Poppoet Adam Evald viele inspirierende Momente und Begegnungen in Form von hinreißenden neuen Songs mitgebracht. In diesen schenkt er den hellen und dunklen Geschichten, den kleinen und großen Gesten, den Orten und Menschen, die ihn beeindruckten, kammermusikalisch reich verzierte Melodiengewänder aus Streichern, Piano, singender Säge und seinem bewegenden Gesang. Musikalisch und erzählerisch schmiegen sich intime Feinheiten an klare, gestochen scharfe Arrangements und charmantes Augenzwinkern an hymnische Ausrufungszeichen. Donnerstag, 18. April, Einlass 20 Uhr, Beginn 21 Uhr, Feinkost Lampe, Im Hinterhof bei Mädchen, Eleonorenstraße 18, Hannover, Eintritt 10 Euro.


Foto: kargah e.V.

Ausstellung Japan Series In ihren feinen, schlichten und grafischen Werken verarbeitet Olena Svitlova Erinnerungen an ihre Zeit und ihr Leben in Japan. Mit wenigen Strichen bringt sie Situationen aufs Papier, die sich zwischen monochromer Leichtigkeit und sanfter Melancholie bewegen. Zarte Kirschblütenzweige, zurückhaltende Landschaften und pastellfarbene Berge zeigen Svitlovas malerischen Blick auf ihren Aufenthalt. Dabei lässt die ukrainische Künstlerin ihre Eindrücke von der japanischen Natur, Tradition und Kunst in ihre Arbeiten einfließen. Eröffnet wird die Ausstellung in den neuen Räumen in der Stärkestraße am Donnerstag, den 25. April, um 19 Uhr. Freitag, 26. April, bis Sonntag, 07. Juli, kargah Stadtteilarbeit, Stärkestraße 19a, Hannover, nähere Informationen unter www.kargah.de, Eintritt frei.

Ausflug Adler-Tour Majestätisch kreisen sie am Himmel: Mit einer Flügel-Spannweite von etwa 2,45 Metern sind sie Deutschlands größte, brütende Greifvögel – die Seeadler, und die etwas kleineren geschickten Fischjäger – die Fischadler. Aufgrund verschiedener Schutzmaßnahmen sind die meist gefährdeten und streng geschützten Tiere am Steinhuder Meer wieder heimisch. Besonders in den frühen Morgenstunden ergeben sich faszinierende Einblicke in die Niedermoorlandschaft am Westufer und mit etwas Glück auch auf die imposanten Greifvögel. Samstag, 27. April, 6.30 bis 9 Uhr, Treffpunkt: Parkplatz am Sportplatz in Winzlar, Rehburg-Loccum, Teilnahme: 3 Euro für Erwachsene, 1,50 Euro für Kinder.

Kirschblütenfest auf der Bult Die Kirschblüte ist ein wichtiges Symbol in der Kultur Japans. Sie markiert den Beginn des Frühlings und steht für Aufbruch und Vergänglichkeit. Um die Schönheit der in Blüte stehenden Bäume zu feiern, gibt es in Japan schon seit Jahrhunderten Kirschblütenfeste. In Hannover wird das Kirschblütenfest bereits zum 19. Mal gefeiert. Unter blühenden Kirschbäumen im Hiroshima-Hain auf der Bult können die Besucher beim Picknick japanische Kampfkunst, einen Hochstelzen-Walkact, Manga- und Comic-Präsentationen und vieles mehr bestaunen. Musikalisch wird das Fest vom Mandolinenorchester Empelde und dem Südstadtschulchor begleitet. Picknickkorb nicht vergessen! Sonntag, 28. April, 14 bis 17 Uhr, Hiroshima Gedenkhain auf der Alten Bult, Janusz-KorczakAllee, Hannover, Eintritt frei.


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Für Kinder Abenteuer-Wald Lust auf eine Schatzsuche im Wald? Lust auf »Räuber und Gendarm« spielen? Im Ricklinger Holz können große und auch kleine Kinder den Spielplatz Wald entdecken. Wer beim Bau eines Tipis oder beim Entwickeln eines Theaterstückes mit dem Wald als Bühnenbild dabei sein möchte, der ist bei dieser Abenteuerwoche, die viele interessante und spannende Aktionen bereithält, genau richtig. Neben wetterfester Kleidung und Schuhen, die bequem sind und trockene Füße sichern, sollten die Entdecker auch noch jede Menge Abenteuerlust mitbringen. Montag, 15. April, bis Donnerstag, 18. April, jeweils 10 bis 14 Uhr, Stadtteilzentrum Ricklingen, Ricklinger Stadtweg 1, Hannover, Anmeldung unter 0511 – 168-49595 erforderlich, Teilnahme: 12 Euro für 4 Tage, mit AktivPass 50 Prozent Ermäßigung.

Osterspaziergang Tausende Frühjahrsblüher wie Tulpen, Narzissen und Hyazinthen säumen die Wege im barocken großen Garten. Und auch die Fontänen stoßen ihr Wasser nach der Winterpause wieder in die Luft. Für große und kleine Besucher gibt es viel zu entdecken und zu erleben, denn die fleißigen Osterhasen verteilen jede Menge süße Kleinigkeiten in den Anlagen. Die Naturonauten Lili Löwenmaul und Claudius Immergrün laden an verschiedenen Stationen an der Aussichtsterrasse zum Spielen wie bei Hofe ein und an der Probenbühne entführen MärchenerzählerInnen ihre Gäste in die Welt der Phantasie. Sonntag, 21. April, 10 bis 17 Uhr, Großer Garten, Alte Herrenhäuser Straße 1, Hannover, Eintritt 8 Euro für Erwachsene, 4 Euro für Jugendliche von 12 bis 17 Jahre, Kinder bis 12 Jahre frei.

Sonstiges Mobilität verbessern »ÖPNV – und wem gehört die Stadt?« ist der Titel der nächsten Ausgabe der Polit-Talk-Reihe von Caritas, LAK und Asphalt im ka:punkt. Michael Fleischmann, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion in der Regionsversammlung, stellt sich den Fragen von Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz Niedersachsen Klaus-Dieter Gleitze. Und auch das Publikum ist wieder herzlich zum Nachhaken und Mitdiskutieren eingeladen. Für eine entspannte Atmosphäre sorgen Kaffee und Kuchen kostenlos. Donnerstag, 11. April, 16 bis 17 Uhr, Treffpunkt ka:punkt, Grupen­ straße 8, Hannover, Eintritt frei.

36 Am Lindener Berge 38 30449 Hannover · Telefon 45 44 55 www.jazz-club.de

APRIL 2019 Freitag, 05. April CARMEN SOUZA „Creology“ Eintritt: 30 Euro/erm. 20 Euro Montag, 08. April RIGMOR GUSTAFSSON Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Samstag, 13. April SHALOSH TRIO Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Mittwoch, 17. April THE NEW STANDARD TRIO feat. Jamie Saft, Steve Swallow and Bobby Previte Eintritt: 30 Euro/erm. 20 Euro Dienstag, 23. April JULIA HÜLSMANN TRIO PLAYS THE BEATLES feat. Theo Bleckmann und Werner Neumann Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Donnerstag, 25. April OMER KLEIN TRIO Eintritt: 30 Euro/erm. 20 Euro Sonntag, 28. April JUDITH HILL „Golden Child“ Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Montag, 29. April/Dienstag, 30. April JOHN SCOFIELD FEAT. VICENTE ARCHER & BILL STEWART „Combo 66“ Eintritt: 35 Euro

Konzertbeginn jeweils um 20.30 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr

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SILBENRÄTSEL Aus den nachfolgenden Silben sind 20 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben (sch = 3 Buchstaben, ch = 1 Buchstabe) – jeweils von oben nach unten gelesen – eine Bauernweisheit ergeben: af – aris – be – bo – chen – coa – da – drit – ein – em – er – fall – fen – fraß – frei – ge – halb – haus – iso – la – land – les – lig – lie – mat – neu – ni – ora – ra – rat – ri – rohr – sa – sau – schritt – se – süd – ta – tä – te – te – ter – ter – thron – to – to – um – viel – west – wil – zahn – zan – zeit

1. veraltet: Mehrzahl von Zahlenwerten 2. altgriechischer Philosoph 3. die Zeit vergeht im …….. 4. Rettungshelfer 5. trainieren, betreuen 6. Mitte eines Ballspiels 7. hohes Tempo (ugs.) 8. nicht gezwungen

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir dreimal das Jugendbuch »Mausmeer« von Tamara Bach. Ben ist achtzehn. Und hängt irgendwie fest – in der Schule, in der Familie, im Leben. Nur dieses eine Wochenende. Nur noch einmal in Opas altes Haus am Arsch der Welt, hier war alles immer gut. Nur das will Ben. Ein paar Tage raus aus allem. Zusammen mit Annika, der großen Schwester, die doch immer die Vernünftigere war. Außerdem können Sie dreimal den Thriller »Slow Horses« von Mick Herron gewinnen. River Cartwright ist ein ausgemusterter MI5-Agent, und er ist es leid, nur noch Müllsäcke zu durchsuchen und abgehörte Telefonate zu transkribieren. Er wittert seine Chance, als ein Jugendlicher entführt wird und live im Netz enthauptet werden soll. Doch ist das Opfer der, der er zu sein vorgibt? Und wer steckt hinter den Entführern? Die Uhr tickt. Die CD »Industrial Blues« gibt es ebenfalls dreimal zu gewinnen. Nach einem klassischen Gitarrenstudium hat David Sick eine individuelle musikalische Sprache entwickelt. Nach wie vor spielt er auf einer Nylonsaitengitarre, doch hat er den Groove für sich entdeckt. Was dieser Gitarrist seinem Instrument an tänzerischen Rhythmen, perlenden Tonkaskaden und springlebendigen Melodien entlockt, hat man so eloquent selten gehört. Die Lösung des März-Rätsels lautet: Arbeit gibt den Speisen guten Geschmack. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de. Einsendeschluss: 30. April 2019. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

9. Unterlage mit Kälteschutz 10. Himmelsrichtung 11. Nachfolger einer Regentin / eines Regenten 12. Marderart 13. Idee 14. Werkzeug 15. Mädchenname 16. episch-dramatische Komposition 17. städtisches Gebäude 18. mögl. Folge einer Thrombose 19. bisher unentdecktes Gebiet 20. Bronzemedaillengewinner


Foto: Tomas Rodriguez

n f u a t n Mome

Was sehen Sie auf diesem Foto? Einen Adapter in einer Steckdose? Das ist richtig! Aber ich sehe da noch etwas anderes. Ich bin ja ein wenig albern veranlagt und ich finde, mich schaut dieser Adapter an. Es ist ein erstauntes, eher fragendes, vielleicht sogar enttäuschtes Gesicht. Natürlich ziemlich comichaft. Ich habe Spaß daran, im Alltag Gegenstände zu finden, die mich anschauen. Und das ist nicht nur mein Hobby, es gibt im Internet unzählige Fotos von Schrauben, Steckern und sogar Gebäuden, die Dich vermeintlich anstarren oder sogar anlächeln. Das macht Spaß! Manchmal findet man mehr Schrauben, die einem entgegen lächeln als Menschen, die das tun. Wir sind schon ein Volk von Griesgramen geworden. Machen Sie ein Experiment: Wenn Sie irgendwann mal durch ein Ihnen fremdes Wohngebiet gehen, sagen wir spätabends, und jemand kreuzt Ihren Weg, dann grüßen Sie ihn ganz freundlich und fröhlich, vielleicht sogar eine Spur enthusiastisch: »Einen wunderschönen guten Abend!« Was wird passieren? Er wird zusammenzucken, weitergehen, innerlich wahrscheinlich denken »Oh Gott, der hat sie doch nicht alle!«, er wird von Ihnen das Schlimmste annehmen und schleunigst seiner Wege gehen. Dass Sie es nur nett und fröhlich meinten, wird ihm vermutlich keinen Gedanken wert sein. Diesen Freundlichkeits-Überraschungsangriff können Sie nur noch toppen, wenn Sie an den Gruß ein »Wie geht‘s, wie steht‘s?« anhängen. Okay, ich gebe zu, auch ich wäre irritiert. Aber es ist doch komisch, dass einem mulmig wird, nur weil jemand freundlich ist. Es gibt so viele mürrische Menschen, denen ein »Guten Tag« nicht über die Lippen geht. Ein »Bitte« oder »Danke« ebensowenig. Dabei sind das nur zwei Silben, aber sie machen das Leben erheblich netter. Ich muss dabei immer an das Schild an einer Imbissbude denken. Da stand auf der Preistafel folgendes: »Currywurst mit Pommes!« - 6 Euro »Eine Currywurst mit Pommes bitte!« - 4 Euro Spannend ist es, wenn Sie Babys anlächeln. Ab einem bestimmten Alter lächelt das Kind fast zwangsläufig zurück. Das ließe sich jetzt neurologisch erklären, aber ich finde es einfach so wunderbar symbolisch: Ein Lächeln wird erwidert. Wie sehr Fröhlichkeit anstecken kann und wie es einem nicht gelingt, nicht zu lachen, können Sie übrigens mal austesten, indem Sie folgendes googeln: »Schweizer Bundespräsident Merz Lachanfall«. Dort sehen Sie, wie ein verzweifelt mit dem Lachen kämpfender, durchaus sehr seriöser Politiker über rechtliche Grundlagen von Bündnerfleisch referiert und sich irgendwann vor Lachen nicht mehr halten kann. Lächeln steckt an, Lachen noch mehr, Griesgrämigkeit auch. Ich finde, wir sollten das Lächeln nicht nur Schrauben überlassen! Matthias Brodowy/Kabarettist und Asphalt-Mitherausgeber

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