Zum Konflikt um die „braunen Flecken“ von Wels

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Zum Konflikt um die „braunen Flecken“ von Wels

1. Eine Chronologie 1955 – 1999 1

1955 Aufgrund eines einstimmigen Beschlusses des Welser Stadtrates2 wird eine Straße im Stadtteil Pernau nach Ottokar Kernstock3 benannt.

1958 Die „Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher“4 veranstaltet in Wels ein Treffen, an dem mehr als 2.000 Personen teilnehmen. In der Folge findet dieses Treffen – bei rückläufigen Teilnehmerzahlen – jährlich seine Wiederholung.

1960 Die „Turnhalle an der Traun“ des „Welser Turnvereins 1862“5 wird in einem Festakt, an dem zahlreiche Stadtpolitiker teilnehmen, in „Moritz-Etzold6-Turnhalle“ umbenannt.

1961 Der Welser Gemeinderat lehnt die Anbringung einer Tafel der „Kameradschaft IV“ (K IV)7 in der neu geschaffenen „Gefallenen-Gedenkstätte“ Sigmar-Kapelle ab.8

1963 Der Welser Gemeinderat stimmt der nachträglichen Anbringung einer K IV-Tafel in der Sigmar-Kapelle zu.9

1964 Die Einweihung der K IV-Tafel kann wegen massiver antifaschistischer Proteste10 nicht in der beabsichtigten Form stattfinden: Das Innenministerium genehmigt eine „rein religiöse Feier“. Bürgermeister Leopold Spitzer (SPÖ) und andere Vertreter der Stadt ziehen ihre schon gegebene Zusage zur Teilnahme an der Einweihung wieder zurück, sodass letztlich nur FPÖ-Mandatare anwesend sind.

1984 Jugendliche aus verschiedenen Organisationen11 blockieren einen Landesparteitag der „Nationaldemokratischen Partei“ (NDP)12 in einem Welser Gasthaus. Dieselbe Aktionsgemeinschaft demonstriert gegen das jährliche Welser Treffen der „Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher“.

1986 Die Aktionsgemeinschaft gibt sich den Namen „Initiative Welser gegen Faschismus“ (Antifa-Initiative) und demonstriert ein zweites Mal gegen das jährliche Welser Treffen der „Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher“.

1987 Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten – unter ihnen Erika Pluhar, Erich Fried, Robert Jungk und Axel Corti – solidarisieren sich mit den Protesten gegen das jährliche Welser Treffen der „Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher“. Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ demonstriert ein drittes Mal und erreicht, dass die „Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher“ ihr jährliches Welser Treffen einstellt.13

1988 Der Stadtvorsitzende der Sozialistischen Jugend Wels (und spätere Vorsitzende der „Initiative Welser gegen Faschismus“), Robert Eiter, fordert den Welser

Bürgermeister Karl Bregartner (SPÖ) in einem Offenen Brief auf, die K IV-Tafel unverzüglich zu entfernen.14

Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ beginnt mit ständigen Aktivitäten gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Zum 50. Jahrestag der „Reichspogromnacht“ veranstaltet sie einen Fackelzug, auf dessen Schlusskundgebung Erwin Ringel und Eduard Ploier15 sprechen. Bürgermeister Karl Bregartner wird ein Forderungskatalog übergeben, der unter anderem die Errichtung eines Mahnmals für die Welser Juden16 , die Entfernung der K IV-Tafel sowie die Umbenennung der „Moritz-Etzold-Halle“ und der „Kernstockstraße“ umfasst.

1989 Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ verschickt an alle Welser Haushalte eine Postwurfsendung, in der unter Hinweis auf die rechtsextreme Propaganda des „Österreichischen Turnerbundes“ (ÖTB) die jährlichen Subventionen der Stadt für dessen Zweigverein „Welser Turnverein 1862“ massiv kritisiert werden. Mehrere Gespräche, die die „Initiative Welser gegen Faschismus“ mit Bürgermeister Karl Bregartner über ihre Forderungen führt, bleiben ohne Resultat.

1990 Die Ö3-Jugendsendung „Zick-Zack“ berichtet in zwei Beiträgen über die „braunen Flecken“ von Wels.17, 18 Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten – unter ihnen Fritz Muliar, Dietmar Schönherr, Werner Schneyder und Willi Resetarits – solidarisieren sich mit den Protesten gegen die „braunen Flecken“.

Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ veranstaltet unter dem Motto „Macht Wels von braunen Flecken frei!“ einen Fackelzug, auf dessen Schlusskundgebung Anton Pelinka spricht.19

Der Welser Rechtsanwalt Gernot Kusatz feiert seinen 50. Geburtstag mit rund 200 Gästen in einem Innenstadtlokal. Die NS-Symbolik dieser Feier und der Umstand, dass auch ranghohe FPÖ-Politiker daran teilnehmen, führen zu bundesweiten Schlagzeilen.20

1991 Das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtet in einem ganzseitigen Artikel über die „braunen Flecken“ von Wels.21

Der Filmregisseur und neue Welser Kulturstadtrat Andreas Gruber (ÖVP) schließt sich den Forderungen der „Initiative Welser gegen Faschismus“ nach Entfernung der „braunen Flecken“ an. Damit löst er eine Welle des Medieninteresses22 aus, aber auch zahlreiche anonyme Morddrohungen gegen sich und seine Familie.

1992 18 namhafte österreichische Historikerinnen und Historiker – unter ihnen Erika Weinzierl, Rudolf Ardelt, Reinhard Kannonier und Helmut Konrad – appellieren in einem Brief an Bürgermeister Bregartner, dieser möge im Sinne des Artikels 9 des Staatsvertrages „die Spuren des Nazismus entfernen“.23

Die Grünen richten wegen der „braunen Flecken“ von Wels eine Parlamentarische Anfrage an Innenminister Franz Löschnak (SPÖ).24

Die Polizei nimmt in Wels eine Gruppe neonazistischer Jugendlicher fest und beschlagnahmt dabei umfangreiches Propagandamaterial.

Der Parlamentsklub und der oberösterreichische Landesparteivorstand der SPÖ fassen einstimmige Beschlüsse für die Entfernung der „braunen Flecken“ von Wels.

Bürgermeister Karl Bregartner erklärt, die Welser SPÖ werde diese Beschlüsse nicht umsetzen. ÖVP und FPÖ unterstützen ihn.

Unterrichtsminister Rudolf Scholten (SPÖ) sagt seine Teilnahme an den „Welser Filmtagen“ ab, weil er laut eigenem Bekunden Bürgermeister Bregartner nicht die Hand geben will.

Ein Gutachten der beiden an der Linzer Universität lehrenden Historiker Rudolf Kropf und Michael John ergeht als Postwurfsendung an alle Welser Haushalte: Es beweist, dass die „braunen Flecken“ „diese Bezeichnung völlig zu Recht tragen“.25 Die Übernahme des Ehrenschutzes für ein Treffen der „Kameradschaft IV“ in der Steiermark durch den dortigen Landeshauptmann Josef Krainer (ÖVP) und seinen Stellvertreter Peter Schachner-Blazizek (SPÖ) führt zu einer bundesweiten Debatte26 , in der auch die Welser K IV-Tafel zur Sprache kommt. Die Welser ÖVP beschließt nach harten internen Kontroversen, die Entfernung der K IV-Tafel, nicht aber die Umbenennung der „Moritz-Etzold-Halle“ und der „Kernstockstraße“ zu unterstützen.

Der Welser Kulturstadtrat Andreas Gruber (ÖVP) und der Vorsitzende der „Initiative Welser gegen Faschismus“, Robert Eiter, nehmen auf Einladung der Stadt Braunau als Referenten an den „1. Braunauer Zeitgeschichte-Tagen“ teil. Diese Veranstaltung setzt sich unter dem Titel „Unerwünschtes Erbe“ mit den historischen Belastungen von Orten auseinander.

1993 Rund 70 vorwiegend jugendliche Mitglieder treten aus der „Turngemeinde Jahn“27 aus, weil sie den deutschnationalen Kurs des „Österreichischen Turnerbundes“ nicht mehr mittragen wollen. Sie gründen den unabhängigen Sportverein „Flic-Flac“.

Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ setzt eine Protestaktion gegen

Bürgermeister Karl Bregartner, der bei der Ausstellung „Aus Nachbarn wurden Juden – Aus Kollegen werden Ausländer“ eine Eröffnungsrede hält.28 Acht Jugendorganisationen richten beim Welser Jugendparlament an Bürgermeister Bregartner eine gemeinsame Anfrage zum Thema „braune Flecken“. Dieser lässt sich jedoch wegen eines „wichtigen Termins“ entschuldigen.

Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ nimmt in Thalheim bei Wels an der Wiedereinweihung des Gedenksteins für 15 Opfer des Todesmarsches der ungarischen Juden im April 1945 teil. Der Schriftsteller Doron Rabinovici kritisiert in seiner Rede den Welser Bürgermeister Karl Bregartner wegen dessen Verteidigung der „braunen Flecken“.29

1994 Eine rechtsextreme Skinhead-Szene macht in Wels mit verschiedenen Delikten auf sich aufmerksam. Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ fordert von der Stadt ein jugendpolitisches Maßnahmenpaket

Der wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Wolfgang Neugebauer, appelliert in einem Offenen Brief an den Welser Bürgermeister Karl Bregartner, für die Entfernung der K IV-Tafel zu sorgen. Diese sei ein „Denkmal für Massenmörder“.30

Der Welser Gemeinderat befasst sich auf Antrag der Grünen mit der Entfernung der K IV-Tafel, zu einem entsprechenden Beschluss fehlt aber die Mehrheit.

Die Grünen richten wegen der „braunen Flecken“ von Wels eine Parlamentarische Anfrage an Innenminister Franz Löschnak (SPÖ).31

Unbekannte Täter entfernen die K IV-Tafel aus der Sigmar-Kapelle. Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ lehnt diese Vorgangsweise ab, weil sie eine politische Entfernung fordert. Die „Kameradschaft IV“ will mit Zustimmung von Bürgermeister Bregartner eine neue Tafel anbringen.

1995 Die Grünen richten wegen der „braunen Flecken“ von Wels eine Parlamentarische Anfrage an Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ).32

Der Verbandsvorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ), Karl Delfs, stellt den Antrag, den Welser Bürgermeister Karl Bregartner wegen dessen Verteidigung der

„braunen Flecken“ aus der SPÖ auszuschließen. Von einer neuen K IV-Tafel wird daraufhin endgültig Abstand genommen.33 Der SPÖ-Bundesparteivorstand stellt Bürgermeister Bregartner ein Ultimatum, wonach er bis zum Bundesparteitag im Oktober auch für die Umbenennung der „Kernstockstraße“ und der „Moritz-EtzoldHalle“ zu sorgen hat.

Als Reaktion auf die Welser Entwicklung benennt die Gemeinde Ansfelden ihre „Kernstockgasse“ und die Gemeinde Traun ihren „Kernstockweg“ um.

Ein von der Stadt Wels subventioniertes „Richard-Wagner-Festival“ löst eine Debatte aus: Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ sieht den völkischen Antisemitismus in Wagners Werk zugunsten einer unkritischen Traditionspflege verschwiegen.

SJ-Verbandsvorsitzender Karl Delfs erstattet Anzeige gegen den „Österreichischen Turnerbund“: Dieser habe durch das „Turnerkreuz“34 auf der Decke der „MoritzEtzold-Halle“ in Wels und auf der Außenwand der „Bundesturnschule“ in Ried im Innkreis gegen das Abzeichengesetz verstoßen.

Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ führt in Wels die Konferenz „Braune Flecken sind kein Schicksal – Vom Umgang österreichischer Gemeinden mit NSSymbolen“ durch. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus elf betroffenen Gemeinden – von Hohenems bis Wien – und beschließen die „Welser Erklärung“. Der SPÖ-Bundesparteitag nimmt den SJ-Antrag „Schluss mit der öffentlichen Unterstützung für den rechtsextrem geführten ÖTB!“ mit großer Mehrheit an. Obwohl eine neonazistische Querverbindung des ÖTB-Zweigvereins „Welser Turnverein 1862“ nachgewiesen wird35, missachten Bürgermeister Bregartner und die Welser SPÖ

den Beschluss ihrer Bundespartei: Sie stimmen im Gemeinderat für die neuerliche Subventionierung des Vereins.

Die Welser SPÖ bringt neben dem Eingang ihres Bezirkssekretariats eine Tafel an, die den Widerstandskämpfer Karl Loy36 würdigt. Auf der Kundgebung anlässlich der Enthüllung der Tafel spricht auch Bürgermeister Bregartner. Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ gedenkt Loys in einer eigenen Kundgebung: Bregartner sei als antifaschistischer Redner wegen seiner Verteidigung der „braunen Flecken“ nicht akzeptabel.

Die Stadt Wels errichtet auf dem Kaiser-Josef-Platz ein Mahnmal für die Welser Jüdinnen und Juden. Die Geschäftsleute auf dem Kaiser-Josef-Platz sprechen sich anfänglich dagegen aus. Der Vorsitzende der Jüdischen Hochschülerschaft, Alexander Pollak, kritisiert in seiner Rede bei der Enthüllung des Mahnmals Bürgermeister Bregartner wegen dessen Verteidigung der „braunen Flecken“.37

1996 82 Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Linzer Johannes-Kepler-Universität fordern den Welser Bürgermeister Karl Bregartner in einem Offenen Brief auf, „den rechtsextremen Symbolen in Wels ein Ende zu machen“.38 Die Hochschülerschaft der Johannes-Kepler-Universität schließt sich dieser Aufforderung an.

Der „Österreichische Turnerbund“ entfernt auf Druck des Innenministeriums das „Turnerkreuz“ von der Außenwand der „Bundesturnschule“ in Ried im Innkreis. Das „Turnerkreuz“ auf der Decke der „Moritz-Etzold-Halle“ in Wels wird hingegen nur weiß bemalt.39

Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ veranstaltet gemeinsam mit dem Bildungshaus Schloss Puchberg und der Arbeiterkammer ein Symposion, auf dem der Regisseur Gottfried Wagner, ein Urenkel des Komponisten Richard Wagner, den völkischen Antisemitismus als dessen ideologisches Grundmotiv deutlich macht.

Der Verbandsvorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ), Karl Delfs, beantragt neuerlich, den Welser Bürgermeister Karl Bregartner wegen dessen Verteidigung der „braunen Flecken“ aus der SPÖ auszuschließen. Der SPÖ-Bundesparteivorstand

spricht sich einstimmig für die Entfernung der umstrittenen Symbole aus. Eine Kommission soll dieses Ziel bis Ende 1996 verwirklichen.

Das Renner-Institut Steiermark und die Sozialistische Jugend Steiermark führen in Graz die zweite Konferenz „Braune Flecken sind kein Schicksal – Vom Umgang österreichischer Gemeinden mit NS-Symbolen“ durch. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen wieder aus zahlreichen betroffenen Gemeinden40 und beschließen die „Grazer Erklärung“.

Die Junge Generation in der SPÖ (JG) benennt die „Kernstockstraße“ symbolisch und zur Erinnerung an eine sozialdemokratische Widerstandskämpferin in „RosaJochmann-Straße“ um.

Die Welser SPÖ-Sektion II fordert in ihrer Zeitung die Umbenennung der „Kernstockstraße“.

1997 Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ stellt Recherchen über eine Stammtischrunde an, zu der sich Bürgermeister Karl Bregartner und andere Welser SPÖ-Funktionäre regelmäßig mit dem Fabrikanten Robert Wimmer, einem bekannten Holocaust-Leugner und Unterstützer der neonazistischen Szene, treffen.

Das Nachrichtenmagazin „profil“ veröffentlicht einen Artikel über Bürgermeister Bregartner und die Stammtisch-Affäre.41 Das Echo ist groß: Zahlreiche Medien berichten. Die Sozialistische Jugend (SJ) fordert den Parteiausschluss Bürgermeister Bregartners und der anderen SPÖ-Funktionäre in der Stammtischrunde.

Auf Einladung der Bundes-SPÖ findet in der Parteizentrale in Wien ein „BrauneFlecken-Gipfel“ unter der Leitung von Nationalratspräsident Heinz Fischer statt. An diesem Gipfel nehmen u.a. Bürgermeister Bregartner und der Vorsitzende der „Initiative Welser gegen Faschismus“, Robert Eiter, teil.42 Die Ergebnisse stellen einen Durchbruch der „Initiative Welser gegen Faschismus“ dar: Neben weiteren Punkten wird die kurzfristige Entfernung der „braunen Flecken“ vereinbart. Die SJ verzichtet dafür auf Parteiausschlussanträge.

Der Welser Gemeinderat benennt die „Kernstockstraße“ nach einer Umfrage unter den Anrainern – mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen gegen die Stimmen der FPÖ – in „Thomas-Mann-Straße“ um.

Bei einem Brandanschlag auf ein Welser Ausländerwohnhaus wird ein Mensch getötet43, zehn weitere werden zum Teil schwer verletzt. Die Polizei verhaftet einen Lehrling, der die Tat gesteht. „Politische Motive“ habe es keine gegeben, behauptet die Polizei.

Die „Moritz-Etzold-Halle“ des „Welser Turnvereins 1862“ erhält durch Anbringung eines Schildes den neuen Namen „Turnhalle Wels“. Das in der Halle befindliche „Turnerkreuz“ wird mit Platten abgedeckt.

Der Welser FPÖ-Gemeinderat (und frühere Volksanwalt) Helmuth Josseck bezeichnet in einer Gemeinderatssitzung den Filmregisseur (und früheren Welser ÖVPKulturstadtrat) Andreas Gruber wegen dessen Auftretens gegen die „braunen Flecken“ als „Volksschädling“. Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ belegt, dass es sich dabei um einen NS-Begriff handelt, und leistet breite Öffentlichkeitsarbeit. Weil Josseck eine entsprechende Entschuldigung verweigert, bringt Gruber eine Ehrenbeleidigungsklage ein. Noch vor der Gerichtsverhandlung entschuldigt sich Josseck und übernimmt alle entstandenen Kosten.

Als Folge der Entfernung der „braunen Flecken“ von Wels kommt es zu öffentlichen Debatten über rechtsextreme Symbole in der Steiermark, in Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Niederösterreich.

Die Sozialistische Jugend (SJ) richtet eine „Braune-Flecken-Hotline“ ein: Über 300 Anrufer aus ganz Österreich geben Hinweise auf rechtsextreme Symbole.

1998

Die Stadt Wels unterstützt erstmals Aktivitäten der „Initiative Welser gegen Faschismus“: Der Stadtsenat beschließt eine Ausfallshaftung von 50.000 Schilling für die Veranstaltungsreihe „Mit Kultur gegen Rassismus“, die im Rahmen des „Europäischen Jahres gegen Rassismus“ durchgeführt wird. Aufgrund von Recherchen der „Initiative Welser gegen Faschismus“ berichten zahlreiche Medien über die Fortführung von Geschäftsbeziehungen zwischen der Welser Messe und dem bekannten Rechtsextremisten Ludwig Reinthaler.44 Bürgermeister Karl Bregartner hat damit in einem wesentlichen Punkt jene Vereinbarung gebrochen, der er auf dem „Braune-Flecken-Gipfel“ der Bundes-SPÖ zugestimmt hatte. Die Sozialistische Jugend (SJ) fordert von der Bundes-SPÖ Konsequenzen für Bregartner.

Der Prozess gegen jenen Lehrling findet statt, der 1997 durch einen Brandanschlag auf ein Welser Ausländerwohnhaus einen Menschen getötet und zehn weitere zum Teil schwer verletzt hat. Der Staatsanwalt widerlegt eindeutig die Behauptung der Polizei, es habe für die Tat „keine politischen Motive“ gegeben. Der Lehrling wird nach dem NS-Verbotsgesetz zu sechs Jahren Freiheitsstrafe, davon zwei unbedingt, verurteilt. Die Grünen üben in einer Parlamentarischen Anfrage an Innenminister Karl Schlögl (SPÖ) Kritik an der Rolle der Polizei.45

Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ führt mit Unterstützung der „Welser Rundschau“ eine Spendenaktion für die mittellose Familie des Todesopfers des Brandanschlages durch. 103.000 Schilling werden gesammelt und an die Familie weitergeleitet.46

Der Welser Gemeinderat beschließt mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ, ein Grundstück des „Welser Turnvereins 1862“ für zehn Jahre anzumieten. Die weit überhöhten Mietkosten – insgesamt mehr als acht Millionen Schilling – rufen öffentliche Kritik hervor: Bürgermeister Karl Bregartner umgehe mit dieser Vertragsgestaltung zu Lasten der Stadt den SPÖ-Bundesbeschluss, der die Subventionierung des „Österreichischen Turnerbundes“ (ÖTB) und seiner Zweigvereine verbietet.

Unbekannte Täter beschmieren das Mahnmal für die Welser Jüdinnen und Juden auf dem Kaiser-Josef-Platz.

Die in Tel Aviv lebende Edith Admon, eine gebürtige Welser Jüdin, nimmt mit ihrem Sohn Dan eine Einladung der Stadt Wels wahr. Vertreter der „Initiative Welser gegen Faschismus“, die diese Einladung durchgesetzt hat, treffen die beiden Besucher. Zwei weitere, in den USA lebende jüdische Welser müssen aus gesundheitlichen Gründen absagen.

1999 Aufgrund von Recherchen der „Initiative Welser gegen Faschismus“ berichtet das Nachrichtenmagazin „profil“ über die neuerliche Fortführung von Geschäftsbeziehungen zwischen der Welser Messe und dem bekannten Rechtsextremisten Ludwig Reinthaler.47 Die Bundes-SPÖ will deswegen auf Bürgermeister Karl Bregartner Druck ausüben.

Der Welser Franz Breier jun. bezeichnet Bürgermeister Bregartner in einer Aussendung der „Sozialistischen Offensive Vorwärts“ (SOV)48 als „rechtsextrem“. Bregartner bringt daraufhin gegen den mittellosen Studenten eine Zivilklage über 480.000 Schilling ein. Die SOV startet eine Solidaritätskampagne für Breier, die bis in die Bundes-SPÖ hinein unterstützt wird. Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ erklärt, Breiers Formulierung sei zwar „überzogen“, die grundsätzliche Kritik an Bregartners Naheverhältnis zu rechtsextremen Strömungen und Symbolen aber richtig. Sie setzt sich deshalb für die Abwehr der Klage ein. Letztlich gibt Breier eine

Erklärung ab, wonach es ihm nicht um persönliche Beleidigung gegangen sei. Bregartner zieht die Klage zurück.

Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ erhält – in Abwesenheit des schwer erkrankten Bürgermeisters – die Zusage der Welser Fraktionen von SPÖ, ÖVP und Grünen, dass die Stadt ein Mahnmal errichten wird, um der Opfer des Brandanschlages auf ein Ausländerwohnhaus zu gedenken. Zur Gestaltung des Mahnmals schreibt die Stadt einen Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler ab der 8. Schulstufe aus.

Der Welser Bürgermeister Karl Bregartner tritt aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurück. In seiner Abschiedsrede betont er, „sehr betroffen“ zu sein, weil eine „verschwindend kleine Minderheit“ ihn „in eine Ecke gestellt“ habe, in die er nicht gehöre. Kurz zuvor hat Bregartner den Vertrag der Welser Messe mit dem bekannten Rechtsextremisten Ludwig Reinthaler abermals verlängern lassen.49 Aus Anlass von Bregartners Rücktritt berichten zahlreiche Medien noch einmal ausführlich über den Konflikt um die „braunen Flecken“ von Wels.

Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ erarbeitet das elf Punkte umfassende „Programm 2003“: Die Stadt Wels soll vorbildhaft konkrete Maßnahmen setzen, die der demokratischen Aufklärung sowie der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus dienen. Besondere Berücksichtigung finden Jugend- und Ausländerfragen. In Gesprächen mit den Welser Fraktionen von SPÖ, ÖVP, Grünen und Liberalen wird ein breiter Konsens über die Verwirklichung des „Programms 2003“ erzielt: Grüne und Liberale unterstützen das gesamte Programm, SPÖ und ÖVP sieben von elf Punkten.

2. Versuch einer Deutung

Die Ursachen für den Konflikt um die „braunen Flecken“ von Wels (die Bezeichnung „braune Flecken“ ist in den allgemeinen politischen Sprachgebrauch Österreichs eingegangen) sind vielfältig. Sie lassen sich in drei Aspekte zusammenfassen:

Der erste besteht aus den subjektiven Faktoren, also den Verhaltensweisen der Konfliktparteien: Da ein von seiner Machtfülle überzeugter, zum Dialog nicht bereiter Bürgermeister, der die antifaschistischen Forderungen „einiger Jugendlicher“ problemlos auszusitzen glaubte. Dort eine äußerst hartnäckige Initiative, der es mit den Jahren gelang, den Protest gegen die rechtsextremen Symbole ihrer Stadt auf eine immer breitere Basis zu stellen – unter anderem in den Medien und in der SPÖ, der Partei des Bürgermeisters.

Der zweite Aspekt umfasst kurzfristige historische Trends, etwa – wesentlich bedingt durch die Affäre Waldheim – die langsame Abkehr von der „Lebenslüge“ Österreichs, das schuldlose „erste Opfer“ Hitler-Deutschlands gewesen zu sein. Die Einsicht in die Beteiligung zehntausender Österreicher an den NS-Verbrechen und in die Versäumnisse der Regierungspolitik nach 1945, die die Verantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes und damit für die Entschädigung von Holocaust-Überlebenden zurückwies, aber mit den Tätern rasch und stillschweigend Frieden schloss, diese Einsicht provozierte auch auf lokaler Ebene die Frage nach dem Umgang mit dem Nationalsozialismus und seinem Erbe. In gewisser Weise war der Konflikt um die „braunen Flecken“ eine Affäre Waldheim im Kleinen. (Über NS-Symbole – genauer: Symbole mit NS-Bezug – wurde und wird in zahlreichen

österreichischen Gemeinden gestritten, allerdings nirgendwo mit solcher Ausdauer und Intensität wie das in Wels der Fall war.)

Den dritten Aspekt bilden langfristige historische Trends, die für bedeutende Teile der Welser Bevölkerung und ihrer Eliten mentalitätsprägend waren. Mit Friedrich Heer ist auf die Folgen der Gegenreformation hinzuweisen: Wels war – wie manches andere Gebiet Österreichs –Schauplatz einer brutalen, aber unvollständigen Rekatholisierung. (Bis heute heißt es im Volksmund drohend: „Euch werden wir noch katholisch machen!“) Das führte im teilweise evangelisch gebliebenen Bürgertum der Stadt zu einer meist latenten, aber nachhaltigen Ablehnung der römisch-katholischen Kirche, des habsburgischen Herrscherhauses und des Wiener Zentralstaates. Im 19. Jahrhundert fiel deshalb das Gedankengut des deutschnationalen Liberalismus in Wels auf fruchtbaren Boden. Aus diesem Gedankengut heraus entwickelten sich auch die Anfänge der örtlichen Arbeiterbewegung. Darum und weil die Stadt keine tiefgreifende Industrialisierung erfuhr, sondern ihren gewerblich-bäuerlichen Charakter behielt, zog die Welser Sozialdemokratie nie – auch nicht in der Zweiten Republik – einen wirklich klaren Trennstrich zum unverändert starken Deutschnationalismus. Letzterer aber hatte sich schon im auslaufenden 19. Jahrhundert weit von seinen liberalen Wurzeln entfernt und war zu einer chauvinistischen und rassistischen Ideologie geworden. (1899 führte der „Welser Turnverein 1862“ den „Arierparagraphen“ ein, der Juden von der Mitgliedschaft ausschloss.) Ab etwa 1930 mündete diese Ideologie in den Nationalsozialismus, der in Wels eine Hochburg besaß.50 Bezeichnenderweise erzielte auch nach dem Zweiten Weltkrieg der „Verband der Unabhängigen“ (VdU) als Partei der „Ehemaligen“ in Wels einen höheren Stimmenanteil als die ÖVP. (Das wiederholte ab 1997 die VdU-Nachfolgerin FPÖ.) Die Stadt war auch regelmäßiger Treffpunkt von Rechtsextremisten, vor allem der „Glasenbacher“, also jener NS-Funktionäre, die die US-Armee zwischen 1945 und 1948 in der Kaserne Glasenbach bei Salzburg inhaftiert hatte. (Die erste Versammlung in Wels fand 1958 statt; ab 1987 konnte die „Initiative Welser gegen Faschismus“51 weitere Treffen unterbinden.) Wie ein früheres Gemeinderatsmitglied erzählt hat, war es noch während seiner Lehrzeit in den 1960er Jahren in manchen Innenstadtgeschäften üblich, im Hinterzimmer den 20. April – Hitlers Geburtstag – mit Sekt zu feiern.

Trotzdem ist das Klischee von der „braunen Stadt“ abzulehnen: Wels verfügt auch über eine starke antifaschistische Tradition. (Zahlreiche Mitglieder der örtlichen Widerstandsgruppe wurden kurz vor Kriegsende auf Befehl von Gauleiter August Eigruber im KZ Mauthausen ermordet.) Unbestreitbar, aber keine Welser Besonderheit ist die Tatsache, dass eine nicht zu vernachlässigende Minderheit der Bevölkerung (und ihrer Eliten) einschlägige autoritäre Prägungen aufweist. Wie der Konflikt um die „braunen Flecken“ gezeigt hat, kann dieses Potential im Anlassfall – kombiniert mit Uninformiertheit und aufgebrachtem Lokalchauvinismus („Wir Welser sind keine Nazis!“ ...) – zu beträchtlichen Aggressionen führen: Als der Filmregisseur und damalige Welser ÖVP-Kulturstadtrat Andreas Gruber die Entfernung der rechtsextremen Symbole verlangte, bekamen er und seine Familie zahlreiche anonyme Morddrohungen. Ein Funktionär des ÖVP-Seniorenbundes erklärte, Gruber sei gegen die Symbole, weil er „Filmaufträge von den Juden in Hollywood“ erhoffe.

Positiv ist zu bilanzieren, dass sich die antifaschistischen Inhalte nach Jahren einer außergewöhnlich breiten und kontroversiellen Debatte durchgesetzt haben. Der Welser Bürgermeister ab 1999 (er gehörte ebenfalls der SPÖ an) war gegenüber den Forderungen der „Welser Initiative gegen Faschismus“ aufgeschlossen. Sämtliche Gemeinderatsfraktionen mit Ausnahme der FPÖ unterstützten ihn darin. In den Jahren von 2000 bis 2015 wurden von der „Welser Initiative gegen Faschismus“ und der Stadt mehr als 60 gemeinsame Projekte verwirklicht, darunter Straßenbenennungen, Mahnmale, „Stolpersteine“, Schulpatenschaften,

Zeitzeugenprogramme, Kundgebungen und Veranstaltungen sowie ein „Erinnerungsweg“ mit elf Stationen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit löste immer wieder ein breites Medienecho aus und wurde als „Welser Modell“ bezeichnet.

2015 kam es nach internen Problemen der Welser SPÖ zur Wahl eines Bürgermeisters, der der FPÖ angehört. Die gefestigte Position der „Welser Initiative gegen Faschismus“ zeigte sich, als der neue Bürgermeister versuchte, Projekte – vor allem eine jährliche Kundgebung zur „Reichspogromnacht“ – gemeinsam weiterzuführen. Die „Welser Initiative gegen Faschismus“ lehnte dieses Ansinnen ab, weil sich der freiheitliche Bürgermeister nicht von den ständigen rechtsextremen „Einzelfällen“ in seiner Partei distanziert. Wegen seines doppelbödigen Verhaltens ist das „Welser Modell“ ausgesetzt, bis ein aus antifaschistischer Sicht glaubwürdiges Stadtoberhaupt ihn ablöst.

Anmerkungen:

Ziel dieser Chronologie ist, alle wesentlichen Ereignisse im Konflikt um die „braunen Flecken“ von Wels zu beschreiben: Die Entwicklung des Konflikts soll nachvollziehbar sein; zum Verständnis seiner Ursachen und Wirkungen mag der anschließende Artikel „Versuch einer Deutung“ beitragen. Ereignisse von nur geringer Bedeutung für das Gesamtgeschehen fehlen – ohne diese Einschränkung ließe sich der umfangreiche Stoff nicht übersichtlich darstellen. Berücksichtigt werden allerdings Themen, die mit dem Konflikt um die „braunen Flecken“ eng verflochten sind – wie die Welser Treffen der „Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher“, die kollektive Erinnerung an die Welser Jüdinnen und Juden, die Subventionen der Stadt für den „Welser Turnverein 1862“, die rechtsextremen Strömungen in der Welser Jugendszene und der Brandanschlag auf ein Welser Ausländerwohnhaus. Ausgespart bleiben dagegen Konflikte um „braune Flecken“, die die „Initiative Welser gegen Faschismus“ (seit 2001: „Welser Initiative gegen Faschismus“) an anderen Orten als Wels geführt hat: so um den „Dichterstein“ in Offenhausen oder um die „Dr.-Franz-Xaver-Rais-Promenade“ in St. Wolfgang. Die für diese Chronologie herangezogenen Unterlagen stammen aus dem Archivbestand der „Welser Initiative gegen Faschismus“. Für wichtige Informationen und Hinweise ist dem langjährigen Welser Stadtarchivleiter Günter Kalliauer, Willi Lasek vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und Agnes Nagy vom Grünen Klub im Parlament zu danken.

2 Der Stadtrat, dem die SPÖ, die ÖVP und der FPÖ-Vorläufer VdU („Verband der Unabhängigen“) angehörten, trug damals noch die Bezeichnung „Gemeinderat“, während der heutige Gemeinderat „Gemeindeausschuss“ heißt.

3 Ottokar Kernstock (1848-1928), katholischer Priester und steirischer Dichter. Sein literarisches Werk ist von einem aggressiven Deutschnationalismus geprägt. Im Ersten Weltkrieg verfasste er Kriegspropaganda („Steirische Holzer, holzt mir gut mit Büchsenkolben die Serbenbrut! ...“). 1923 schrieb Kernstock für die NSDAP-Ortsgruppe Fürstenfeld das „Hakenkreuzlied“. Von ihm stammt auch die zweite Bundeshymne der Ersten Republik („Tannengrün und Ährengold ...“, in Gebrauch ab 1929). Rund 60 Straßen in ganz Österreich tragen seinen Namen. Kernstocks Werk wird heute nur mehr von rechtsextremen Kulturzirkeln gepflegt.

4 Die „Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher“ ist ein 1957 gegründeter Verband jener ehemaligen NSDAPFunktionäre sowie SA-, SS- und Gestapo-Angehörigen, die von der US-Armee nach Ende des Zweiten Weltkrieges in der Salzburger Kaserne Glasenbach interniert wurden. Die „Wohlfahrtsvereinigung“ verbreitete von ihrer Gründung an NS-Rechtfertigungspropaganda und gehörte zu den wichtigsten rechtsextremen Organisationen. Mittlerweile sind aber die meisten Mitglieder verstorben.

5 Der „Welser Turnverein 1862“ ist ein Zweigverein des deutschnationalen „Österreichischen Turnerbundes“ (ÖTB), der sich bis heute auf den „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (1878-1852) beruft. Jahn vertrat eine extrem rassistische Ideologie („Franzosen, Polen, Pfaffen, Junker und Juden sind Deutschlands Unglück!“). Der ÖTB zählt nach eigenen Angaben rund 80.000 Mitglieder, davon 30.000 Jugendliche. Viele Mitglieder sind allerdings aus rein sportlichen Gründen beigetreten. Die ÖTB-Vorläuferorganisation „Deutscher Turnerbund 1919“ stand in enger Verbindung mit der NSDAP. 2005 ließ der „Welser Turnverein 1862“ bei seinem Denkmal für den „Turnvater“ Jahn eine Tafel anbringen, die eine klare Distanzierung von dessen deutschnationaler, rassistischer und antisemitischer Ideologie enthält.

Moritz Etzold (1879-1959), Welser Turnfunktionär und Kreisschulungsleiter der NSDAP. Geboren in Großstädteln (Deutsches Reich), war Etzold ab 1906 Lehrer am Welser Gymnasium. Im „Welser Turnverein 1862“ übernahm er die Aufgabe eines Turnwartes und später verschiedene andere Führungsfunktionen. Ende der 1920er Jahre regte er den Bau der „Turnhalle an der Traun“ an. 1930 trat er der NSDAP bei. Ab 1933 verstieß Etzold gegen das verhängte NSDAP-Verbot: Er betätigte sich als „Illegaler“. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 trug Etzold den Ehrentitel „Alter Kämpfer“. 1942 wurde er Welser Kreisschulungsleiter der Partei und blieb es bis zum Untergang des NS-Herrschaft. 1947 verurteilte das zuständige Linzer Gericht Etzold wegen Hochverrats zu 20 Monaten schweren Kerkers. Wenige Jahre später – im Zeichen des Kalten Krieges – wurden die NS-Verbrechen verdrängt. Die Behörden bemühten sich nun, auch stärker belasteten Nationalsozialisten den Makel der Vorstrafe zu nehmen. Etzold wurde 1952 in einem wieder aufgerollten Prozess mit der unzutreffenden Behauptung, er sei kein „Illegaler“ gewesen, nachträglich freigesprochen. Ebenfalls 1952 hatte er wesentlichen Anteil an der Gründung des „Österreichischen Turnerbundes“, die in Wels stattfand. Vgl. Michael John, Rudolf Kropf: „Ist Wels eine „braune Stadt“?“, hg. vom Arbeitskreis Politische Bildung im IAE (Institut für angewandte Entwicklungspolitik), Linz 1992

7 Die „Kameradschaft IV“ (K IV) ist der in den 1950er Jahren gegründete österreichische Traditionsverband der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS. Letztere wurde in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen – wie die anderen SS-Gliederungen – als „verbrecherische Organisation“ verurteilt: Zum einen hatte sie in den von Hitler-Deutschland besetzten Gebieten die wehrlose Zivilbevölkerung ganzer Orte (u.a. Oradour-sur-glane, Marzabotto) ausgerottet. Zum anderen hatte die Waffen-SS aufgrund eines Himmler-Befehles vom 22. April 1940 alle KZ-Wachmannschaften („Totenkopfverbände“) gestellt. Die „Kameradschaft IV“ vertrat in ihrer Zeitung „Die Kameradschaft“ militant rechtsextremes Gedankengut. Mittlerweile sind die meisten Mitglieder verstorben.

8 Wesentlichen Anteil an dieser Willensbildung hatte der KPÖ-Funktionär Richard Dietl (1911-1971), der damals noch dem Gemeinderat angehörte. Unter den im KZ Mauthausen inhaftierten Widerstandskämpfern der „Welser Gruppe“ war Dietl der einzige gewesen, der den Mordbefehl von Gauleiter August Eigruber knapp vor Kriegsende überlebt hatte.

9 Die ursprünglich als Tafelinschrift geplanten SS-Runen mussten unterbleiben, weil sie gegen das Abzeichengesetz verstoßen. An ihre Stelle trat die römische Zahl IV, die schon im Organisationsnamen „Kameradschaft IV“ ausdrücken soll, die Waffen-SS sei neben Heer, Marine und Luftwaffe der vierte Teil der Deutschen Wehrmacht gewesen. Diese rechtsextreme Geschichtsfälschung dient dem Ziel, die Waffen-SS als „normale kämpfende Truppe“ darzustellen und damit ihre Verbrechen zu leugnen. Tatsächlich war die WaffenSS eine Parteiarmee und nie Teil der regulären Deutschen Wehrmacht. Abgesehen davon ist festzuhalten, dass auch letztere als Werkzeug der NS-Herrschaft zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat. KZ-Wachmannschaften wurden allerdings nur von der Waffen-SS gestellt.

10 Vor allem die Verbände der KZ-Überlebenden und Widerstandskämpfer forderten von Innenminister Hans Czettel (SPÖ) vehement das Verbot der „Kameradschaft IV“. Vgl. „Entrüstungswelle gegen SS-Provokation in Wels“, „OÖ. Tagblatt“, Anfang November 1964

11 Unter anderem nahmen an der Aktion katholische, evangelische, sozialistische, grüne, kommunistische und gewerkschaftliche Jugendliche teil.

12 Die „Nationaldemokratische Partei“ (NDP) wurde 1966/67 von schlagenden Burschenschaftern gegründet, die vorher der FPÖ angehört hatten. Ihre Galionsfigur war Norbert Burger (1929-1992), bekannt geworden durch Bombenanschläge in Südtirol. In den 1970er Jahren entwickelte sich die NDP zum Sammelbecken der rechtsextremen Kräfte Österreichs, auch wenn sie nie die zeitweilige Bedeutung ihres Vorbilds, der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD), erlangte. Der größte Erfolg der NDP war die Kandidatur von Norbert Burger bei der Bundespräsidentenwahl 1980: 140.000 Stimmen (3,2 Prozent) entfielen auf ihn. 1988 wurde die NDP wegen NS-Wiederbetätigung behördlich verboten und aufgelöst.

13 Nach kritischen Berichten in der „Welser Zeitung“ (seit 1990: „Welser Rundschau“) und im Nachrichtenmagazin „profil“ ersuchte der Welser Bürgermeister Karl Bregartner (SPÖ) die „Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher“ in einem Brief, auf ihr Treffen zu verzichten. Daraufhin wurde der „Wohlfahrtsvereinigung“ der Veranstaltungssaal entzogen. Sie versammelte sich in einem anderen Welser Gasthaus, wo die Polizei sie gegen eine Demonstration der „Initiative Welser gegen Faschismus“ abschirmte. Nach der Demonstration tranken Spitzenbeamte der Polizei und Vereinsfunktionäre der „Wohlfahrtsvereinigung“ – unter ihnen der ehemalige Welser SA-Führer und NSDAP-Reichstagsabgeordnete

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Walter Ebner – gemeinsam Bier. Fotos dieser Runde beschäftigten in der Folge Innenminister Karl Blecha (SPÖ), was den Welser Polizeidirektor Alois Wolf zum Austritt aus der SPÖ veranlasste.

14 Vgl. „Karl Bregartner“, „profil“ vom 8. 8. 1988

15 Eduard Ploier (1930-1998) war Herausgeber der „OÖ. Rundschau“ (zu der auch die „Welser Rundschau“ gehörte) und langjähriger Präsident der Katholischen Aktion Österreichs.

16 Schon in den Jahren 1936 und 1937 führten Welser Nationalsozialisten Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte in der Stadt durch. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938 waren knapp 50 Welserinnen und Welser von den „Nürnberger Rassegesetzen“ betroffen, 32 von ihnen galten als „Volljuden“. Nach derzeitigem Wissensstand kamen 16 Personen aus diesem Kreis durch die NSVernichtungspolitik ums Leben (ein Selbstmord, 15 Tote in Ghettos und Konzentrationslagern). Die anderen Welser Juden konnten in weit entfernte Länder flüchten (u.a. in die USA, nach Südamerika, Palästina und China). Nur fünf der antisemitisch Verfolgten kehrten nach 1945 in die Stadt zurück. Vgl. Günter Kalliauer: „Die jüdischen Bürger von Wels um 1938“, Typoskript, Wels 1993

17 1989/90 wurde für die Welser Konfliktpunkte K IV-Tafel, „Moritz-Etzold-Halle“ und „Kernstockstraße“ der Begriff „braune Flecken“ geprägt. Während der folgenden Jahre ging dieser als Bezeichnung für rechtsextreme Symbole, im weiteren Sinn auch für rechtsextreme Tendenzen und Strömungen, in den allgemeinen Sprachgebrauch ein.

18 Der erste Beitrag schilderte die Debatte über die „braunen Flecken“; der zweite stellte eine Verbindung zum (nicht nur in Wels) grassierenden Rassismus her: Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ hatte eine Protestaktion durchgeführt, weil ein Welser Wirt Türken den Zutritt zu seinem Lokal verbieten wollte.

19 Der Politikwissenschafter übte in seiner Rede scharfe Kritik am Welser Bürgermeister Karl Bregartner (SPÖ). Zitat: „Ein Bürgermeister, dem zur als „Tradition“ getarnten Werbung für die internationale Verbrecherorganisation Waffen-SS nur ein Achselzucken abzuringen ist, ein solcher Bürgermeister ist eine Schande für die Republik Österreich.“ Vgl. „Zum Beispiel Wels“, „Informationen der Gesellschaft für politische Aufklärung“ vom Juni 1990 Bürgermeister Bregartner forderte deshalb von der „Initiative Welser gegen Faschismus“ eine Entschuldigung, was diese zurückwies, weil sie weder das Recht noch die Absicht habe, sich für Pelinka zu entschuldigen. Daraufhin erklärte Bürgermeister Bregartner, mit der „Initiative Welser gegen Faschismus“ keine Gespräche mehr zu führen – eine Linie, die er beibehielt, bis er 1997 beim „Braune-FleckenGipfel“ in der SPÖ-Bundeszentrale davon abgehen musste.

20 Jede Stunde war der „Badenweiler-Marsch“ – Hitlers Auftrittsmusik – zu hören, ein Wagen der Deutschen Wehrmacht fuhr im Garten des Lokals vor und in einem Sketch wurde der Geburtstag des Gastgebers (Jahrgang 1940) „ins Führerhauptquartier nach Berlin gemeldet“. Unter den Gästen befanden sich der FPÖ-Spitzenkandidat zur Nationalratswahl 1990, Norbert Gugerbauer, die FPÖ-Nationalratsabgeordnete Karin Praxmarer und der Welser FPÖ-Obmann Bernhard Wieser. Vgl. „Braune Flecken“, „Neues Volksblatt“ vom 16. 8. 1990; „Gernot Kusatz“, „profil“ vom 27. 8. 1990; „SP warnt vor „brauner“ FPÖ“, „Der Standard“ vom 27. 8. 1990

21 Vgl. „Braune Flecken“, „profil“ vom 11. 11. 1991

22 Neben dem ORF („Inlandsreport“ u.a.) berichteten viele Zeitungen. Das Medieninteresse blieb dem Konflikt erhalten: Allein im darauffolgenden Jahr 1992 erschienen mehr als 100 Artikel und Beiträge über die „braunen Flecken“ von Wels. Die Gesamtzahl der Artikel und Beiträge liegt, vorsichtig geschätzt, bei 500. Medien in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA und Israel setzten sich im Lauf der Jahre mit dem Thema auseinander.

23 Vgl. Offener Brief „Entfernung der Braunen Flecken von Wels“ vom 24. 1. 1992

24 Vgl. Parlamentarische Anfrage „betreffend rechtsextreme Symbole und Aktivitäten in der oberösterreichischen Stadt Wels“ vom 6. 2. 1992

25 Die „braunen Flecken“ von Wels seien „nicht nur Symbole des historischen Nationalsozialismus, sondern auch der gegenwärtigen rechtsextremen Propaganda von Gruppen wie K IV und ÖTB“, so das Gutachten. Vgl. Michael John, Rudolf Kropf: „Ist Wels eine „braune Stadt“?“, hg. vom Arbeitskreis Politische Bildung im IAE (Institut für angewandte Entwicklungspolitik), Linz 1992

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Durch die Medienberichte über die Verbrechen der Waffen-SS und die militant rechtsextreme Propaganda ihres Traditionsverbandes „Kameradschaft IV“ wurde der öffentliche Druck auf die beiden Politiker derart stark, dass sie letztlich den Ehrenschutz zurückzogen (respektive die „Kameradschaft IV“ darauf verzichtete).

27 Die „Turngemeinde Jahn“ war neben dem „Welser Turnverein 1862“ der zweite Welser Zweigverein des „Österreichischen Turnerbundes“. Sie wurde 1956 gegründet. 2001 erklärte die „Turngemeinde Jahn“ mit rund 300 Mitgliedern ihren geschlossenen Austritt aus dem „Österreichischen Turnerbund“: Dessen Modernisierung scheitere an „ewiggestrigen Strömungen“. Vgl. „Welser Turnverein Jahn trat aus ÖTB aus“, „Salzburger Nachrichten“ vom 17. 7. 2001

28 In Anspielung auf Bürgermeister Bregartners Verteidigung der „braunen Flecken“, vor allem der Tafel der „Kameradschaft IV“, lautete das Motto dieser Protestaktion: „Wer zu den Tätern keine Distanz halten will, soll sie wenigstens zu den Opfern halten!“. Mitglieder der „Initiative Welser gegen Faschismus“ verteilten Flugblätter und verließen am Beginn von Bürgermeister Bregartners Rede den Raum.

29 Wegen dieser Kritik von Rabinovici schrieb ein „Welser Rundschau“-Redakteur einen antisemitischen Kommentar. Vgl. „Ein Volk von vielen“, „Welser Rundschau“ vom 11. 11. 1993 „Rundschau“-Herausgeber Eduard Ploier und „Rundschau“-Chefredakteur Rudolf Chmelir brachten daraufhin ihr Bedauern zum Ausdruck und sorgten für die Veröffentlichung der zahlreichen Leserbriefe, die gegen den Kommentar Stellung nahmen.

30 Vgl. Offener Brief „Kein Denkmal für die Massenmörder aus „Schindlers Liste“!“ vom 18. 5. 1994

31 Vgl. Parlamentarische Anfrage „betreffend rechtsextreme Symbole der Stadt Wels“ vom 5. 7. 1994

32 Vgl. Parlamentarische Anfrage „betreffend rechtsextreme Symbole in der Stadt Wels“ vom 13. 2. 1995

33 Der Welser Obmann der „Kameradschaft IV“, Jakob Kobold, gab gegenüber Bürgermeister Bregartner eine Verzichtserklärung ab, was zu heftiger Kritik von K IV-Mitgliedern führte.

34 Das „Turnerkreuz“ besteht aus vier hakenkreuzförmig angeordneten F (für den Turnerspruch „Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei“), wobei die Haken gebogen oder gerade sein können.

35 Wilfried Würl, prägende Persönlichkeit und viele Jahre Obmann-Stellvertreter des „Welser Turnvereins 1862“, war Mitbegründer der „Nationaldemokratischen Partei“ (NPD).

36 Der sozialdemokratische Arbeiterkammersekretär Karl Loy (1895-1945) wurde als Mitglied der „Welser Gruppe“ im KZ Mauthausen ermordet. Seit 1946 ist in Wels eine Straße nach ihm benannt.

37 Mit der Errichtung des Mahnmals wurde – mitten im Konflikt um die „braunen Flecken“ – eine langjährige Forderung der „Initiative Welser gegen Faschismus“ aufgegriffen. Zweierlei dürfte die maßgeblichen Stadtpolitiker dazu bewogen haben: Einerseits setzten sich auch Persönlichkeiten wie der Gymnasialdirektor

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Josef Adlmannseder und der Stadtarchivleiter Günter Kalliauer dafür ein, andererseits sollte den Protesten gegen die „braunen Flecken“ die Spitze genommen werden. Dieses mutmaßliche Ziel wurde allerdings nicht erreicht –u.a. wegen der Kritik von Alexander Pollak bei der Enthüllung. Konkret wies das Mahnmal, dessen Planung ohne die „Initiative Welser gegen Faschismus“ erfolgte, schwerwiegende Mängel auf: So fehlte es an einem Achtungsraum. Die Initiative forderte deshalb eine angemessene Neugestaltung. 2001 appellierten mehr als 100 bekannte Welser Bürgerinnen und Bürger aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens an Bürgermeister Peter Koits, diese Forderung zu erfüllen. 2004 wurde das Mahnmal in den Pollheimerpark verlegt und würdig neugestaltet – nun mit 15 Säulen, die die Namen der damals bekannten jüdischen Todesopfer aus Wels tragen.

38 Vgl. Offener Brief „Machen Sie den rechtsextremen Symbolen in Ihrer Stadt ein Ende!“ vom 12. 2. 1996

39 Das „Turnerkreuz“ auf der Decke der „Moritz-Etzold-Halle“ war ursprünglich dunkelbraun. Bürgermeister Bregartner erklärte, er lehne die weiße Bemalung ab, denn man müsse „eine Linie beibehalten“. Vgl. „Welser Turnerkreuz wird weiß überpinselt“, „OÖ. Nachrichten“ vom 20. 3. 1996

40 Aus Wels nahm der Vorsitzende der „Initiative Welser gegen Faschismus“, Robert Eiter, teil.

41 Vgl. „Karl der Sture“, „profil“ vom 10. 2. 1997

42 Am Beginn des Gesprächs weigerte sich Bürgermeister Bregartner, Eiter die Hand zu geben – ein Bild, das die Schärfe des Konflikts deutlich machte und in einem „ZIB2“-Beitrag ausgestrahlt wurde

43 Das Todesopfer war der mazedonische Arbeiter Sukri Arifi (30). Er hinterließ seine Frau Sadet und seine kleine Tochter Larglinda.

44 Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) stufte Ludwig Reinthaler wegen verschiedener Aktivitäten als „bekannten Rechtsextremisten“ ein: Unter anderem verschickte er 1995 eine Postwurfsendung mit Roma-feindlichem Inhalt an alle Haushalte von Oberwart – kurz nach dem Rohrbombenattentat auf die dortige Roma-Siedlung. Die „Initiative Welser gegen Faschismus“ argumentierte, durch die Vermietung von Hallen für Reinthalers Flohmärkte trage die Welser Messe (die zur Gänze im Eigentum der Stadt Wels steht) mittelbar zur Finanzierung seiner rechtsextremen Aktivitäten bei.

45 Vgl. „Vertrag der Woche“, „profil“ vom 11. 1. 1999

46 Trotz der Spendenaktion mussten Sadet und Larglinda Arifi, die den Ernährer verloren hatten, in Mazedonien bald in großer Armut leben. 2003 gelang es der „Welser Initiative gegen Faschismus“ mit Unterstützung von Bundespräsident Thomas Klestil, Landeshauptmann Josef Pühringer und Bürgermeister Peter Koits, für die Familie eine Aufenthaltsberechtigung zu erreichen. Sie zog nach Wien, wo sich ihre Lage – auch dank des Engagements der „Volkshilfe“ – deutlich verbesserte. 2007, zum zehnten Jahrestag des Brandanschlages, errichteten die Stadt Wels und die „Welser Initiative gegen Faschismus“ am Anschlagsort ein Mahnmal, das in einem Schülerwettbewerb entworfen worden war.

47 Vgl. Parlamentarische Anfrage „betreffend Brandstiftung und Wiederbetätigung in Wels“ vom 13. 3. 1998

48 Die „Sozialistische Offensive Vorwärts“ (SOV), eine trotzkistische Organisation, benannte sich 2000 in „Sozialistische Linkspartei“ (SLP) um.

49 Karl Bregartner (1933-2018) war in einer Doppelfunktion Bürgermeister und Messepräsident. Die Messepräsidentschaft übte er auch nach seinem Rücktritt als Bürgermeister weiter aus. Der Vertrag der Welser Messe mit Ludwig Reinthaler – letzterer mietete Messehallen, um dort Flohmärkte zu veranstalten – wurde erst 2001 beendet. Zuvor hatte der damalige Vizepräsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, Johann Kalliauer, gemeinsam mit der „Welser Initiative gegen Faschismus“ und dem „Kulturverein Infoladen Wels“ an die Öffentlichkeit gebracht, dass auf Reinthalers Flohmärkten NS-Materialien in großem Umfang Verbreitung fanden. Auch der Welser Eisenbahnersportverein (ESV), der Reinthaler ebenfalls jahrelang seine Halle vermietet hatte, ließ daraufhin den Vertrag auslaufen.

50 Die letzte freie Wahl, die in Wels vor Ständestaat und NS-Regime stattfand, war die oö. Landtagswahl vom 19. 4. 1931. Dabei erreichten die deutschnationalen Parteien in Wels insgesamt 30,3 Prozent (gegenüber dem Landesdurchschnitt von 19,6 Prozent) der Stimmen, die NSDAP alleine 8,1 Prozent (gegenüber dem Landesdurchschnitt von 3,4 Prozent). Vgl. Michael John: „Die jüdische Bevölkerung in Linz und ihre

Ausschaltung aus öffentlichem Leben und Wirtschaft 1938-1945“, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz, 1992

51 Seit 2001: „Welser Initiative gegen Faschismus“

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