Centaurus Magazine 09

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Inhaltsverzeichnis

Reich und schön? Speranze e delusioni del mondo gay

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Wer die Meldungen aus aller Welt mit ein bisschen Aufmerksamkeit für schwule oder lesbische Themen verfolgt, könnte daraus schließen, dass die sexuelle Orientierung heute kein Grund mehr ist, um Personen gesellschaftlich zu ächten, auszuschließen oder zu diskriminieren. So haben Portugal und Argentinien gerade erst die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet, die isländische Regierungschefin hat nach Verabschiedung des neuen Ehegesetzes ihre langjährige Lebenspartnerin geheiratet und die BürgermeisterInnen von Zürich, Berlin oder Paris sind seit Jahren wichtige Personen des politischen und öffentlichen Lebens ihrer Länder - und lesbisch oder schwul. Die mediale Präsenz von lesbischen und schwulen Prominenten - besonders in den deutschsprachigen Medien - und vor allem die Normalität, mit der sie dort inzwischen behandelt werden, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es schwules und lesbisches Leben auch abseits der Hochglanzseiten oder der Laufstege der Modemacher und außerhalb der Fitness-Studios und InDiskotheken gibt - und dort sind bei weitem nicht alle reich und schön.

Editorial Unsere Christopher Street Demonstration gegen Homophobie in Bozen Campagna di sensibilizzazione Centaurus contro l‘omofobia e la transfobia Schöne Körper? Zeitgenössische Körperpraktiken im Spannungsfeld zwischen Selbstformung und Fremdformatierung Kalokagathia Die schöne Oberflächlichkeit YES WE CAN! Quedding: il mercato dei matrimoni scopre le coppie gay Feierliche Stimmung in einem Strafamt? Eingetragene Partnerschaften und eine südtirol-österreichische Hochzeit HeldInnen wie wir Dreieinhalb Südtiroler Coming-Outs Das Coming-out unseres Sohnes Ein Vater erzählt... Warum gerade mein Kind? Über den Dokumentarfilm „Due Volte Genitori“ Risate, Silenzi, Lacrime, Stupore Intervista col regista di „Due Volte Genitori“ Schwule Mode Zwischen Netzhemd und Klischee art in context Anemona Crisan: die Tiefe der Oberfläche Black Wade The Wild Side of Love Was Exoten gefährlich macht oder nicht. Schwule, Gaypride, Guido Westerwelle und Ralf König Verfolgt, verschwiegen, vergessen Gli omosessuali sotto il fascismo e il nazismo Mit Witz, Charme und Niveau Was die „Golden Girls“ mit schwulen und lesbischen Obdachlosen zu tun haben AIDS, die Schwulenseuche? Zur Entstehung und Hartnäckigkeit eines Vorurteils Celebrating Life Charity Event der Südtiroler Aidshilfe Pro Positiv im Kurhaus Meran Kay Ray Haarscharf – vom schwulen Friseur zum Star! Prinz Eugen Der „schwule“ Feldherr? Lesben in Nordtirol Arm und sexy oder doch reich und schön? Saffo lesbisch feministischer freiraum | spazio libero lesbico feminista l[i]eben. uferlos und andersrum Ein Ausstellungsbericht aus dem Volkskundemuseum Graz Courage Die PartnerInnen-, Familien- und Sexualberatungsstelle in Innsbruck News

Herzlichen Dank für die Unterstützung | Ringraziamo per il sostegno:

Weil er seinem Freund auf der Straße in Bozen einen Kuss gegeben hat, wurde er von mehreren Jugendlichen brutal zusammengeschlagen. Aber gerade anhand dieses an und für sich negativen Vorfalls wird deutlich, dass sich auch in Südtirol in den letzten Jahren einiges zum Besseren geändert hat, denn die Berichterstattung darüber war ausführlich und objektiv. Sogar die „Dolomiten“, die bisher nicht einmal das Wort „homosexuell“ abdruckten, haben angenehm sachlich und ausführlich über die von Centaurus nach dem Überfall auf Simone und seinen Freund organisierte Demonstration berichtet. Diese Veränderungen geben Anlass zur Hoffnung, auch wenn die schwul-lesbische Wirklichkeit nicht immer so schön und glanzvoll ist, wie sie in den Medien präsentiert wird. Chi di noi vuole continuare a sperare, è ormai abituato a rivolgere il suo sguardo all‘estero, lontano da un‘Italia che per quanto riguarda i diritti di gay e lesbiche continua la sua performance molto deludente. Mentre in Portogallo e Argentina il matrimonio è stato aperto alle coppie omosessuali, in Islanda la Prima ministra ha sposato la sua compagna e il Ministro degli esteri tedesco si è unito con il suo partner, nel nostro Paese si parla di omosessualità spesso solo in occasione di episodi di violenza contro gay o lesbiche. Chi riesce a seguire le notizie sia nei media italiani che in quelli tedeschi sa, quindi, perfettamente, che il mondo degli omosessuali non è fatto solo di ricchi, di gente dello spettacolo, di Ministri degli esteri o Sindaci di Berlino o di Zurigo, ma anche di ragazzi che continuano a essere picchiati per fare quello che è la cosa più normale al mondo: dare un bacio a chi amano. Come è successo a Simone, il ragazzo in copertina.

Gerade dieser Kontrast zwischen Schein und Sein, zwischen Oberfläche und Inhalt, zwischen Anspruch und Wirklichkeit hat uns bei der Gestaltung dieser Ausgabe des Centaurus Magazine gereizt. Es reicht diesmal von schwuler Mode zur kritischen Auseinandersetzung mit Körperidealen, von der Ausstellung über Homosexualität im Grazer Volkskundemuseum zum Männer liebenden Prinzen Eugen. Wir stellen den neuen Informationsdienst Saffo vor und lassen die Beratungsstelle Courage und das Autonome FrauenLesbenZentrum Innsbruck zu Wort kommen. Wir geben schließlich Einblicke in den ganz normalen Alltag gleichgeschlechtlich liebender Menschen: von der Kaltererin, die sich in Österreich mit ihrer Freundin verpartnert hat, zum Vater, der erzählt, wie sein Sohn ihm gesagt hat, dass er schwul ist, bis zur Rubrik mit den kleinen großen Coming-out-Geschichten. Dabei zeigt sich eben auch, dass Respekt gegenüber Schwulen und Lesben eine Haltung ist, die noch nicht jeder verinnerlicht hat, wie Simone, der Junge auf unserem Cover, erfahren musste.

Ma per fortuna anche nella nostra piccola Provincia le cose stanno cambiando. Lo dimostra proprio il modo in cui la stampa ha riportato l‘aggressione a Simone e il suo fidanzato: persino il „Dolomiten“ che fino a qualche mese fa sembrava ignorare la parola omosessuale, ha dedicato alla fiaccolata di solidarietà organizzata da Centaurus un bell‘articolo con tanto di foto.

Assessorato alle Politiche Sociali e alle Pari Opportunità Assessorat für Sozialpolitik und Chancengleichheit

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Impressum | Eigentümer und Herausgeber: Centaurus Schwul-lesbische Initiative Südtirol – Arcigay Landeskomitee | Galileo-Galilei-Straße 4/a, Bozen | Propietario ed editore: Centaurus Gay e lesbiche dell’Alto Adige/Sudtirolo – Comitato provinciale Arcigay | via Galileo Galilei 4/a, Bolzano | Veröffentlicht am 30.10.2010 in Bozen | Presserechtlich verantwortliche Direktorin / Direttrice responsabile: Ulrike Spitaler | Pubblicato il 30.10.2010 a Bolzano | Redaktion / Redazione: C.Cossa, U. Nothdurfter, I. Perretta, J. Pichler, H. Roschatt, U. Spitaler, G. Telser, A. Unterkircher, P. Viehweider, S. Windegger | Fotos: Peter Viehweider (www.pit-pic.it) | Druck / Stampato da: Fotolito Varesco Alfred GmbH, Auer / Ora | Eingetragen beim Landesgericht Bozen Nr. 7 am 11.4.2007 | Iscritto il 11.4.2007 col n. 7 presso il Tribunale di Bolzano

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Unsere Christopher Street

Dopo l’aggressione a sfondo omofobico avvenuta a Bolzano nella notte del 8 maggio 2010 ai danni di un giovane ragazzo di 23 anni, a termine della consueta serata LGBT del sabato alla discoteca “The First”, il direttivo di Centaurus ha deciso di realizzare una campagna di sensibilizzazione contro l’omofobia e la transfobia.

Demonstration gegen Homophobie in Bozen Am 9. Mai 2010 wird der 23jährige Leiferer Simone Giovannini vor einer Diskothek in Bozen-Süd von einer Gruppe Jugendlicher brutal zusammengeschlagen, scheinbar nur deshalb weil er seinem Freund einen Kuss gegeben hat. Der homophobe Übergriff macht italienweit Schlagzeilen. Vier Tage später veranstaltet der Verein Centaurus auf dem Bozner Kornplatz die erste Kundgebung gegen die Schwulenfeindlichkeit in der Geschichte Südtirols. Schätzungsweise 300 Leute nehmen daran teil, darunter der Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli, der Vize-Landeshauptmann Christian Tomasini sowie zahlreiche Landesabgeordnete und Bozner Gemeinderäte verschiedener Parteien. Bozen, 13. Mai 2010, 20 Uhr. Ein regnerischer Frühjahrstag geht zu Ende, aber die Leute wollen noch nicht heimgehen. Etwas Wichtiges liegt in der Luft. Auf einem kleinen Platz im Stadtkern versammeln sich Menschen. Viele. Fackeln werden angezündet. Auf Transparenten stehen Slogans wie „Wir sind alle anders und deshalb alle gleich“ oder „Alle haben das Recht zu lieben“. Zum Schluss erleuchtet ein stimmungsvolles Lichtermeer einen Maiabend, den wohl keiner, der dabei war, je vergessen wird. Es ist die erste Demonstration gegen die Schwulenfeindlichkeit in der Geschichte Südtirols. Wie so oft musste aber erst was Schlimmes passieren, damit die Leute aufwachen. Am Morgen des 9. Mai 2010 wurde der 23jährige Simone Giovannini aus Leifers mit einem gebrochenen Arm und einer Gehirnerschütterung ins Bozner Spital eingeliefert. Was war passiert? Nach einer unterhaltsamen Nacht in der Disko war Simone mit seinem gleichnamigen Freund gerade auf dem Heimweg,

als er brutal zusammengeschlagen wurde. Der Grund: Simone hat seinem Freund auf offener Straße einen Kuss gegeben. Simone Giovannini wurde verprügelt, weil er schwul ist. Wie oft haben homosexuelle Frauen und Männer bereits körperliche Gewalt erlitten! Auch in Südtirol. Gewalt, die oft von Unbekannten ausging, manchmal aber auch von Bekannten, Verwandten, ja, der eigenen Familie. Selten haben die Opfer Anzeige erstattet. Zu groß war die Angst geoutet zu werden, in die Zeitung zu kommen. Alle hätten es gewusst, man wäre noch mehr in Gefahr gewesen, womöglich hätte man sogar die Arbeit verloren. Nein, lieber hat man geschwiegen und die andere Wange hingehalten. Als Schwuler oder Lesbe verdiene man sich schließlich nichts Besseres. Simone Giovannini war da anderer Meinung. Er hatte den Mut aufzustehen und die Aggressoren anzugezeigen. Mehr noch: Er ging vor die Medien, sagte öffentlich seinen Namen, zeigte sein Gesicht im Fensehen. Und wieso nicht? Simone wusste, daß nicht er es war, der sich schämen musste. Er war schließlich das Opfer und ausserdem ein Mensch. Und als solcher habe er Rechte. Ja, auch ein schwuler Mann verfüge über eine Würde. Aber die Courage Simones hätte wenig genutzt, wenn nicht auch die Leute so reif gewesen wären, prompt zu reagieren. Denn zum Kornplatz kamen an jenem Donnerstag Abend nicht nur viele Schwule, Lesben und Transgender, um ihr Gesicht zu zeigen. Es waren vor allem Heterosexuelle dabei, Familienväter und -mütter, um der Intoleranz einen Strich durch die Rechnung zu machen. So zum Beispiel die Postbeamte Angela. Sie ist verheiratet und hat zwei Töchter. „Ich bin gekommen, weil ich es für wichtig halte!“ hat sie mir gesagt.

Denn die Rechte Homosexueller sind die Rechte aller. Dies ist der erlösende Beweis dafür, dass sich etwas geändert hat. Dass die Feinde Homo-, Bi- und Transsexueller jetzt auch in Südtirol nur mehr eine kleine Minderheit sind, die viel Lärm macht. Klarerweise konnten auch wir von Centaurus nicht wissen, dass die Kundgebung ein Erfolg werden würde, weshalb wir vorsichtshalber nur 50 Fackeln gekauft haben. 300 hätte es schliesslich gebraucht, damit ein jeder Teilnehmer eine hätte tragen können. Nicht zuletzt hat die Demo auf dem Kornplatz auch gezeigt welche politischen Kräfte im Lande für die Rechte Schwuler und Lesben stehen. Bedanken müssen wir uns in diesem Sinne bei der „Partei der Radikalen / Lista Pannella“, welche bei der Stadtgemeinde die Erlaubnis für die Demonstration eingeholt und den Lautsprecher zur Verfügung gestellt hat. Die „Grünen“ waren mit einem zirka fünf Meter langen Transparent anwesend. „Partito democratico“ „Sinistra, Ecologia e libertà“ und „Rifondazione comunista“ schickten lokale Spitzenvertreter.

A partire dal 8 giugno, per una settimana 69 fermate d‘autobus sparse in tutto l‘Alto Adige hanno ospitato manifesti luminosi volti a sensibilizzare gli utenti contro l‘omofobia e la transfobia. Sui manifesti si vedevano le Tre Cime di Lavaredo come inconfondibile e splendido simbolo dell‘Alto Adige con una scritta in sovraimpressione. Essa era composta da due frasi, la prima recitava „L‘Alto Adige ha mille colori.“ ed era uguale su tutti i manifesti. La seconda frase invece era rispettivamente una delle seguenti tre: „Gay e Lesbiche ne fanno parte“, „Bisessuali ne fanno parte“ e „Transgender ne fanno parte“. I manifesti erano stampati in tutte e tre le lingue provinciali (tedesco, italiano e ladino). Il messaggio trasmesso dai manifesti era che gli omo-, bi- e transessuali fanno parte della realtà altoatesina e che hanno il diritto di sentirsi a casa loro come tutti gli altri gruppi

Rückblende: Am 28. Juni 1969 gingen in der New Yorker Christopher Street homo- und transsexuelle Menschen auf die Straße, um ihre Rechte einzufordern. Sie hatten die ständigen Schikanen der Polizei satt und wollten endlich als gleichberechtigte Bürger gelten. 41 Jahre sind seitdem vergangen. Heute finden fast überall auf der Welt regelmäßig CSD-Paraden statt. Im Jahre 2010 hat diese großartige Bürgerrechtsbewegung auch das kleine Südtirol erreicht.

Ebbene no, non staremo più a guardare in silenzio, combatteremo strenuamente per fare in modo che in Italia non ci siano più discriminazioni di alcun tipo e che nessuna persona debba più avere paura di uscire di casa. E tutto questo grazie alla maggioranza delle persone che ci stanno vicino, che ci dimostrano solidarietà quotidianamente, che ci apprezzano per i nostri valori, per i nostri principi, per quello che siamo. Gli omofobi e gli xenofobi infatti fanno molto rumore, ma sono un’esigua minoranza, per fortuna! > Danilo Zanvit

SÜDTIRO L IST VIE LFALT.

SCHWUL E UND L E S BEN GEHÖRE N DAZU.

WW W.CE

Der Bozner Kornplatz ist unsere Christopher Street. > Andreas Unterkircher

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della popolazione. L‘associazione Centaurus era cosciente del fatto che una campagna di questo tipo avrebbe suscitato non poche discussioni, ma l’ha ritenuta molto importante, soprattutto per dare un messaggio chiaro ad un Paese come l’Italia, privo di una legislazione che ci protegga da simili attacchi e discriminazioni che sono all’ordine del giorno, un Paese in cui viene nominato Vicepresidente del Consiglio Superiore della Magistratura un uomo che ha fatto affossare nel 2009 in Parlamento la legge contro l’omofobia, chiedendo la pregiudiziale di costituzionalità, paragonando l’omosessualità alla zoofilia e alla pedofilia, in un Paese in cui c‘è chi ci vorrebbe vedere rinchiusi nelle nostre “tane” completamente indifesi.

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NTAURU S.O

RG


Schöne Körper? Zeitgenössische Körperpraktiken im Spannungsfeld zwischen Selbstformung und Fremdformatierung

Pünktlich zur Bade- bzw. CSD - und Gay-Pride-Saison gewinnt neben der Freude an den schönen Körpern anderer - die Frage nach der Beschaffenheit bzw. Ästhetik des eigenen wohl auch für manches gemächlichere Gemüt, das unterm Jahr lieber auf der Couch lümmelt, an Bedeutung. Wenn mit Erschrecken festgestellt wird, dass man(n)* sich auch schon „schöner“ in Erinnerung hatte, auf den Hüften einiges lagert, was da nicht sein sollte und sich über den rudimentären Bauchmuskeln ein umso entwickelteres Bäuchlein wölbt, ist Arbeit am Körper angesagt, oder zumindest der entsprechende Vorsatz. Und genau so mainstream wie die Arbeit am schönen Körper ist auch die Kritik an entsprechenden Körperpraktiken. Obwohl wir uns alle relativ einig darüber sind, was ein schöner Körper ist und wie er auszusehen hat, kritisieren wir gleichzeitig wertend und in gesellschaftskritischer Absicht „Körperkult“ und „Schönheitswahn“ als oberflächlich, narzisstisch und egozentrisch. Aber schön sind wir dann meistens alle gern und somit bedienen wir uns mehr oder weniger fleißig mehr oder weniger heftiger zeitgenössischer Körperpraktiken, um eben doch halbwegs auszusehen. Man(n), Frau und überhaupt tut das ja schließlich in allererster Linie nur für sich. Meinen wir. Körperpraktiken sind Teil der Politik des Selbst, das heißt Teil einer Bildungs– und Repräsentationsarbeit, mit der sich die Subjekte eine erkennbare soziale Form geben und ihre Identität durchzusetzen versuchen. Solche Praktiken entstehen allerdings nicht im luftleeren Raum, sondern in Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Vorgaben, Appellen und Machtstrukturen. Die Arbeit am

eigenen Körper als selbsttechnologische Sub-jektivierungspraktik formt nicht nur diesen selbst, sondern mit ihm das Verhältnis zur Welt. Selbsttechniken können sich in diesem Sinn niemals völlig von gesellschaftlichen Regulierungen befreien, aber immerhin ein Gegengewicht zu diesen bilden. Das Selbst konstituiert sich immer unter gesellschaftlichen Bedingungen, kann diesen aber gleichzeitig auch etwas entgegensetzen. Darin liegt auch die politische Relevanz von Selbstpolitiken. Sie können zu „Differenzpolitiken“ werden, wenn sie der Fremdbeherrschung eine Praxis der Selbstermächtigung entgegensetzen. Eine der zentralen Bühnen für die Politik des Selbst war, ist und bleibt der Körper. Kräfte der Regulation, der Disziplinierung und der Normierung wirken auf die Körper ein. Je nach Ressourcenlage haben die Individuen aber auch die Möglichkeit, ihrem Körper eine eigene Gestalt zu geben. Dabei ist die Auseinandersetzung zwischen Fremdformatierung und Selbstformung zu keinem Zeitpunkt entschieden. Die ungebremste Sorge um den Körper, die sich in zeitgenössischen Körperpraktiken äußert, erklärt sich erst vor dem Hintergrund der historischen Genese des Körpers als gesellschaftliches Statussymbol und als Medium symbolischen Ausdrucks, das die individuellen Anstrengungen der Person in ihrer Lebensführung bescheinigt. Diese Symbolkraft des schönen Körpers als Ausdruck des guten, disziplinierten und produktiven Lebens bildet auch die Grundlage für dessen Instrumentalisierung im Zuge polit-ästhetischer Mobilmachungsprozesse. Körperbilder bringen Sinnlichkeit und Emotionalität in politische Prozesse ein und sind geeignet, unbewusste Inhalte zu

aktivieren. So zeigt sich die Geschichte des Aufstiegs des Bürgertums in Europa maßgeblich auch als Körpergeschichte. Aussehen, Auftreten und Verhalten waren von zentraler Bedeutung für die Ausbildung einer bürgerlichen Identität. Der aufrechte, kraftvoll gestraffte, gesunde Körper des Bürgers diente der bürgerlichen Selbstaffirmation und -überhöhung, indem er nicht nur physische Tüchtigkeit sondern gleichzeitig die moralische Überlegenheit des Bürgertums zum Ausdruck bringen sollte. Auch der aufkommende Nationalismus des 19. Jahrhunderts kam nicht ohne die Instrumentalisierung des strammen Körpers aus. Die militärisch geprägte Strammheitszumutung der aufkommenden Körperpädagogik diente der Heranbildung strammer, streitbarer Soldaten und sich fraglos, aber aufrecht unter das nationale Kollektiv einordnender Untertanen. Auch die Massenchoreographien sportlich trainierter Köper im Rahmen nationaler Feierlichkeiten dienten der Festigung des Glaubens an die gedachte Gemeinschaft der Nation. Die plastisch sinnliche Vergegenwärtigung der Nation als gewaltiger „Volkskörper“ sollte, Gemeinschaftsgefühle hervorrufen und Körper und Geist national kodieren. Eine rassistische Wendung nahmen diese Tendenzen, als im Zusammenhang mit der Deutung der Gesellschaft mit biologischmedizinischen Denkmodellen der Körper als Träger einer gemeinsamen Essenz der „Art“, des „Blutes“ oder der „Rasse“ interpretiert wurde. Die ideengeschichtliche Auffassung der Gesellschaft als politischer Körper und die in politische und gesellschaftliche Vorstellungen

diffundierenden Metaphern aus Biologie und Medizin, gepaart mit der Vorstellung, dass der „Volkskörper“ aufgrund naturwissenschaftlicher und technischer Entwicklungen zielgerichtet gestaltbar sei, führten zur Herausbildung eines modernen, biologisierenden Staatsrassismus. Wohin dieser Staatsrassismus und seine Bio-Politiken schließlich geführt haben, wissen wir aus den dunkelsten Kapiteln der Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa. Auch viele Homosexuelle fielen – als auszuschaltende Störfaktoren - diesen Maßnahmen zur „Gesunderhaltung des Volkskörpers“ zum Opfer. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Doch auch heute erfolgt die nunmehr stark individualisierte Arbeit am schönen Körper nicht in einem ideologischen Vakuum. Individualisie rungsprozesse und die Ideologie des Neoliberalismus bestimmen den neuen Körper- und Gesundheitskult unserer Tage maßgeblich mit. Dieser adaptiert zwar den Stil der Lässigkeit, des Wohlbefindens und des Lustgewinns, wirkt so aber an der Durchsetzung einer sanften Herrschaft neuer meritokratischer Ideologien mit. Im Zentrum dieser Ideologien steht die Logik des psycho-physischen Selbstdesigns, das gegen die neuen Risiken der Konkurrenzkämpfe auf den unkalkulierbaren Märkten der Arbeit und der Erotik wappnen möchte. In der heutigen von einer Marktlogik bestimmten Gesellschaft hat sich das Verhältnis von staatlichen Fremd- und privaten Selbstpolitiken grundlegend gewandelt. Viele der einst vom Staat wahrgenommenen Funktionen sind längst schon wieder reprivatisiert und auf die Individuen verschoben worden. Im Zug der Neudefinition der Rolle des

* Der Text bezieht sich zweifelsohne und nicht von ungefähr in erster Linie auf den Männerkörper und männliche Körperpraktiken. Abb.: Der männliche Körper, aus: Albrecht Dürer, Vier Bücher von menschlicher Proportion, Nürnberg 1528

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Staates werden wohlfahrtsstaatliche Interventionen zurückgeschraubt, und Risiken wie Krankheit, Armut oder Arbeitslosigkeit werden zu Problemen der Selbstsorge eigenverantwortlicher Individuen transformiert, die einen Großteil ihrer Zeit, Kraft und Aufmerksamkeit, aber auch einen beachtlichen Teil ihrer finanziellen Mittel der Sorge um ihren Körper und einer gesunden Lebensführung widmen. Die regulierenden Kräfte der Gestaltung, Überwachung und Produktion gesellschaftlich anerkannter wie geduldeter Körper sind demnach nicht verschwunden, sondern haben sich nur vom Staat zum Markt verschoben. Mit der Folge, dass den Individuen das Management für ihre Körper aufgebürdet wird, bzw. sie sich zu diesem Zweck als zahlende Kunden an die entsprechenden Märkte wenden müssen. Im Zentrum bio-politischer Praktiken steht nicht mehr der großformatige Körper des Gesellschaftlichen, sondern die Stählung des individuellen Body. Dieser wird zum Symbol für die Fitness des individuellen Selbstunternehmers und zur Visitenkarte für dessen Zugehörigkeit zum Club der Leistungswilligen und Bessergestellten. Der schöne Körper steht für Erfolg am Arbeitsmarkt und am Markt der Erotik. Er bezeugt „employability“ und Erfolg in der sexuellen Performance. In diesem Sinn: Viel Spaß an der schweißtreibenden Körperarbeit! Oder lassen wir den eigenen Bauchansatz als „individuelle Differenzpolitik“ durchgehen? ;-)

> Urban Nothdurfter


Kalokagathia Die schöne Oberflächlichkeit

Das wohl Unmittelbarste an einem Objekt, ist die Oberfläche. Sie bedarf buchstäblich keiner Vermittlung, die Oberfläche ist eben da – zugänglich. Die Oberfläche ist das erste das man sieht, unter Umständen berühren kann. Die Oberfläche ist eine Verpackung die oft auf das darunter, also den Inhalt – zum Beispiel bei einem Geschenk – schließen lässt. Ganz nach dem Motto, was drauf steht, sollte auch drin sein. Naturgemäß kann die Oberfläche oder die Verpackung auch Etikettenschwindel betreiben, weswegen viele doch lieber auf Nummer sicher gehen und hübsch und aufwendig verpackte Geschenke vorher nochmal schütteln oder das Gewicht abschätzen. Ist es ein Buch? Eine CD? Ist ein teures Parfum in der eingepackten Schachtel? Oder doch nur Pralinen? Eine schöne Verpackung, eine ansprechende Oberfläche lässt (bei neugierigen Menschen zwar nur kurz) den Inhalt oder das sich unter der Oberfläche befindende in den Hintergrund treten. Sehr schöne Verpackungen – wie zum Beispiel feine Lingerie bei Frauen oder sexy Unterwäsche bei Männern – reißt man nicht einfach so weg. Die Idee der „Schönen Verpackung“ die auf den Inhalt schließen lässt, geht zurück auf die Antike. Platon prägte die Auffassung, dass die äußere Schönheit (also die Oberfläche, die unmittelbar fassbare Form eines Dings oder eines Menschen) auf die innere Schönheit beziehungsweise auf die Tugend schließen lässt. Das Konzept der Kalokagathia, also der salopp aus dem Griechischen übersetzt „Schönund-gutheit“ wurde im Mittelalter christlich überformt und findet sowohl in den klassischen Märchen als auch in Hollywood Niederschlag. Die böse Hexe erkennt man ja schon an ihrem

grausligen Aussehen, der ruchlose Despot hat naturgemäß einen Buckel oder eine Narbe im Gesicht, ebenso klar wird auch die hübsche blonde weibliche Hauptfigur ihren Mr. Right am Ende des Films abkriegen und die intrigante Brünette ausstechen – Kalokagathia in Aktion. Naturgemäß klappt die sehr einfach gehaltene Gleichung Schöner Körper = Schöner Geist in der Kunst und in Zeiten von Photoshop nur bedingt. Oder besser gesagt: die Gleichung gibt es noch, aber die Rechnung geht nicht immer auf. Kunst existierte lange Zeit im fragilen Dreieck zwischen Künstler, Auftraggeber und Tradition – die Person des Künstlers war die ausführende Kraft, die mehr oder weniger nach den Vorstellungen des Auftraggebers in einer bestimmten Tradition ein Kunstwerk schuf. Wenn man die Idee der Kalokagathia verkürzt als Tradition hernimmt, und man annimmt, dass ein Auftraggeber sich in einem Portrait seinen Zeitgenossen und der Nachwelt möglichst vorteilhaft präsentieren möchte, so steht außer Frage, dass der Maler den Dargestellten im Sinne der Kalokagathia idealisierend und schöner als „in echt“ abbilden wird. Hier muss angemerkt werden, dass dieses Beispiel mit dem Portrait und dem Portraitmaler zwar sehr anschaulich ist, aber eigentlich ein denkbar schlechtes Beispiel. In der Portraitmalerei – die verhältnismäßig jung ist – überwiegt naturgemäß der Einfluss des Auftraggebers. Bei anderen Bildgattungen waren und sind die Künstler viel unabhängiger vom Wunsch ihrer Auftraggeber, Kalokagathia funktioniert da aber ebenso. Ist der, die oder das Dargestellte positiv konnotiert, so wird die Darstellung immer idealisierend und vorteilhaft ausfallen, ist der, die oder das Dargestellte negativ konnotiert, dann überwiegen Makel und Hässlichkeit. Oder hat schon je

wer einen hässlichen oder einfach nur übergewichtigen Herkules, eine Venus mit Hängebrüsten oder eine Madonna mit Hakennase gesehen? Man kann sagen, die Aufgabe der Kunst ist es, die Wirklichkeit schöner zu gestalten, zu überhöhen. Ähnlich wie das Geschenkpapier um das – etwas triviale, nach dem Geschmack der Bestsellerlisten ausgesuchte – Buch oder die Klassik-CD soll sie der Realität eine zweite, höhere Ebene geben. Selbst in der Renaissance, die unter Laien den Ruf hat, extrem auf sogenannten „Realismus“ und „Naturalismus“ ausgerichtet zu sein, hatten die Künstler den Anspruch, die Natur nicht nur wissenschaftlich genau abzubilden, sondern die Natur in ihrer Kunst noch schöner als in der Wirklichkeit abzubilden. Die Renaissancekünstler beschäftigten sich wissenschaftlich genau mit der Wirkung des Lichts, der Bewegung und stellten sogar anatomische Untersuchungen an Leichen an, um herauszufinden, wie der Mensch unter seiner Hülle funktioniert – nicht aber um die so gewonnenen Erkenntnisse über die Natur eins zu eins ins Bild zu setzten, sondern um aus den einzelnen empirischen Befunden das Ideal konstruieren zu können. Die Kunst der Renaissance gibt vor, die Natur peinlichst zu imitieren, was aber auf die Leinwände und Decken der Kirchen und Paläste gebannt wird, ist tatsächlich larger than life. Die Werbung hat aus der Gleichung Schön = Gut seit je her Kapital geschlagen. Und das sprichwörtlich. Waren schauen – mit einigen Ausnahmen – in der Werbung immer besser aus, als „in echt“. Denn ähnlich wie in der Kunst, ist es die Aufgabe der Werbung, die Ware schöner ausschauen zu lassen, begehrlicher zu machen und den Apfel, die Handtasche oder die Sonnenbrille oder das Auto

überhöht darzustellen, so schön, so toll, so gut und so „stylish”, dass man es einfach haben muss. Dabei erzeugt die Werbung – ähnlich wie die Kunst – eine Wirklichkeit, die artifiziell ist, aber auch gleichzeitig real. Weil das Bild – oder die Anzeige – als solches ja ein Produkt (oder den Herrscher, die Heilige, die Auenlandschaft im Sonnenuntergang... whatever) zeigt, das es eigentlich nicht gibt, aber das im Bild fassbar scheint. Der Betrachter einer Werbeanzeige für modische Sonnenbrillen ist sich sehr wohl bewusst, dass er genau so eine Sonnenbrille, wie die abgebildete Sonnenbrille im Geschäft kaufen kann, aber dass genau die abgebildete Sonnenbrille (zum Beispiel eben das Sonnenbrillenmodell in einem Katalog) nicht zu erwerben ist. Abgebildetes verfügt immer nur über eine artifizielle Präsenz – was man auf einer Leinwand im Museum, auf der Homepage eines Versandhauses oder auf einer Doppelseite in einem HochglanzMagazin sieht, gibt vor, eine 1:1 Korrespondenz in der „echten“ Welt zu haben, die es aber so nicht gibt (oder nicht mehr gibt bzw. gar nie gegeben hat). Es besticht also das Bild, die Oberfläche ohne Substanz, das eigentlich nicht greifbare, aber anschaubare. Der rote Apfel in der Lebensmittelwerbung funktioniert wie das Model eines Haute Couture-Labels: sie vertreten anschaulich die Idee des perfekten Apfels, die Idee des perfekten Trägers der Kleidung des Labels. Dabei ist es egal, ob die satte Röte des Apfels oder die makellose Haut des Models das Resultat gekonnten Einsatzes von Filtern und Weichzeichner, und die schmale Taille und die langen Beine des Models nur dank Photoshop existieren – es geht ja weniger um die akkurate Darstellung der Realität bzw. der Natur, sondern um die Aussage des Bildes im Einklang mit der gewünschten Werbewirkung für das Produkt oder

die Marke. Die Natur wird quasi so dargestellt, wie sie eigentlich in der Logik des Bildermachers sein sollte – da unterscheidet sich die Werbung kaum von der Renaissancekunst. Irgendwo zwischen Kunst und Werbung – für manche Kritiker somit also haarscharf am Kitsch – bewegt sich das Künstlerduo Pierre et Gilles. Die Werke der beiden Künstler sind in höchstem Maße inszeniert, überarbeitet und retuschiert. Als Basis dient fast immer eine Photographie, die in mehreren Arbeitsschritten übermalt, überarbeitet und umgeformt wird. Dabei greifen Pierre et Gilles einerseits die Bildersprache der Werbung, die Tradition der Renaissance mit der Überhöhung des Dargestellten auf und reflektieren andererseits auf intelligenteste Weise den Volkskunstkitsch devoter Heiligenbildchen oder die Airbrush-Ästhetik von Propagandakunst zweifelhafter Qualität. Mit der selben Ernsthaftigkeit, mit der die Souvenirindustrie wahlweise Bilder von Fatima, der Maria von Lourdes oder des Christus mit dem brennenden Herz unter einen Epoxid-Blob zur längeren Haltbarkeit versenkt, oder unerreichbar in eine Schneekugel packt, entrücken und überhöhen Pierre et Gilles die dargestellten M o d e l s u n d Prominenten, indem sie diese als Heilige oder wahlweise als sterbens-schöne Seemänner

Saint Sebastien (Bouabdallah Bemkamla), Pierre et Gilles, Paris 1987.

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darstellen. Pierre et Gilles‘ Werke sind – wie ihre Vorlagen, genuine Heiligenbilder, überpathetische Altarstücke aus dem 19 Jh. und Propaganda-kunst des 20 Jh. – Kunst zum Niederknien. > Richard Bernato


2011 Der Charity-Kalender aus den Alpen

Il calendario a scopo benefico dalle Alpi

The Charity Calendar from the Alps

Der Südtiroler Männererotikkalender! Spendenprojekt zugunsten von DEBRA („Schmetterlingskinder“), PRO POSITIV (AIDS-Hilfe) und der Münchner Aidshilfe 15 EUR (+Versand) Il calendario erotico maschile dell’Alto Adige! Progetto benefico a favore di DEBRA („Bambini farfalla“), PRO POSITIV (Aiuto AIDS) e Münchner Aidshilfe 15 EUR (+spedizione)

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YES WE CAN! Quedding: il mercato dei matrimoni scopre le coppie gay

Il 10 luglio 2010 Josef e Gernot hanno coronato il loro sogno di convolare a nozze. La coppia di Salisburgo ha infranto in un sol colpo non pochi tabù. Tra i parenti più stretti, riuniti al castello di Mirabell per la cerimonia di rito civile, il bacio fra gli sposi non ha certo suscitato scalpore. Un tantino più perplessi sono apparsi i turisti giapponesi che attendevano invano la sposa all‘uscita dalla Sala dei marmi. I „matrimoni“ di questo tipo (la dizione ufficiale è „unioni civili“) continuano a rappresentare una novità e un‘eccezione. Il giorno successivo, presso la chiesa evangelica di San Matteo a Taxham, si è svolta anche la cerimonia religiosa, una delle prime celebrate fra coppie omosessuali a Salisburgo. Alle toccanti parole del pastore e al rituale scambio degli anelli sono seguiti momenti di preghiera, canti e... sudore - non per paura di possibili proteste fuori dalla chiesa, bensì a causa del caldo e dell‘afa - quel giorno si sono toccati i 35 gradi. Un motivo in più per salire in macchina fino a Thalgauegg, località di villeggiatura nei pressi di Salisburgo, incastonata fra due laghi a 900 metri di altitudine, dove la calura della città era solo un ricordo. Alla fine anche l‘auto d‘epoca su cui viaggiavano gli sposi ce l‘ha fatta ad arrivare fino davanti al portone della tenuta di Wartenfels, dove i circa duecento invitati sono stati accolti dalle note di un‘orchestra di 80 musicisti in costume folcloristico per un brindisi di benvenuto a base di prosecco rosé fresco, prima di dare il via al banchetto e ai festeggiamenti.

degli invitati nella sala delle feste, ornata dai caratteristici lampadari di corna di cervo, è stata servita a lume di candela la cena a base di Tafelspitz klassisch, il tradizionale bollito di punta di manzo che non può mancare sulla tavola austriaca. A creare l‘atmosfera giusta per i festeggiamenti hanno pensato non solo i due „damigelli d‘onore“ Hannes e Tom, ma anche la band che, al suo primo matrimonio gay, ha dato del suo meglio per ravvivare la serata. Soltanto verso le quattro del mattino la moltitudine degli invitati cominciava lentamente a sfoltirsi.

La mattina successiva, dopo il brunch a base di Weißwurst, gli sposi sono partiti per la luna di miele verso destinazione ignota - ed è questo probabilmente l‘unico segreto che Josef e Gernot non hanno voluto svelare. Morale della favola: i gay fanno proprio sul serio! > Martin Böhm (Traduzione: Paolo Pergher)

A un certo punto l‘atmosfera di festa è stata turbata da un tentativo di furto, che comunque è stato ben presto sventato: Josef ha ritrovato il suo sposo „sequestrato“ nel giardino della vicina baita, dove solo a fatica è riuscito a mettere fine alla goliardica cerimonia del „rapimento dello sposo“. Al rientro 11

Foto: Günter Freund


Der schönste Tag im Strafamt? Eine südtirol-österreichische Hochzeit

Seit dem 1. Jänner 2010 können gleichgeschlechtliche Paare in Österreich zwar nicht ganz gleichberechtigt und formell heiraten, aber sie können ihre Partnerschaft an amtlicher Stelle (der jeweils zuständigen Bezirksver waltungsbehörde) eintragen lassen. Diese eingetragene Partnerschaft kann nur von gleichgeschlechtlichen Menschen beantragt werden (bei Transgender gilt das „rechtliche Geschlecht“ bei Eintragung), die nicht verheiratet oder bereits verpartnert sind. Bei den Themen Renten- und Pensionsansprüche, Beistand, Unterhalt, Wohnen, Vermögensaufteilung, Scheidung und Scheidungsfolgen ist diese eingetragene Partnerschaft weitgehend dem Eherecht nahegestellt. Leicht hat sich auch die österreichische Politik mit dieser Öffnung nicht getan. Bei „eheähnlichen“ Zuständen ging durch das katholische und konservative Österreich ein Aufheulen, deshalb wurde auch alles getan, um hetero- und homosexuelle Zeremonien streng voneinander zu trennen. In fast jeder Gemeindebehörde können sich Schwule und Lesben verpartnern – nur eben nicht auf dem Standesamt.

Centaurus Magazine hatte im Mai die Gelegenheit, mit Irene Peer aus Kaltern Kontakt aufzunehmen, die kurz vor der Hochzeitsfeier mit ihrer österreichischen Partnerin Monika Kraberger stand und stellte gleich mehrere Fragen: Werdet ihr ein großes Fest machen? Kommen die Familien alle freiwillig? Meine gesamte Familie aus Südtirol, sowie die engsten FreundInnen kommen zu unserer Hochzeit. Auch die Familie meiner Frau reist aus Thailand und Niederösterreich an und natürlich sind auch unsere NachbarInnen bei der Feier mit dabei. Wir gehen davon aus, dass alle aus freiem Willen

kommen. Die Zeremonie wird eine Freundin von uns feierlich gestalten, die Salzburger Komponistin, Pianistin und Sängerin Sabina Hank wird mit zwei Eigenkompositionen die Feier musikalisch begleiten. Es werden 60 Gäste sein, da die Location Schloss Seeburg in Seekirchen nicht mehr Plätze hat und somit feiern wir am 14. August eine „Nachfeier“ mit allen anderen, die wir aus Platzgründen beim ersten Termin nicht einladen konnten. Wurde das Aufgebot in Kaltern auch ausgehängt? Musstest du irgendwelche Dokumente anfordern? Es gab keine Notwendigkeit das Aufgebot in Kaltern auszuhängen, da es die eingetragene Partnerschaft in Italien nicht gibt. Ja, ich habe die Gesamtbescheinigung (Familiensta ndsbestätigung, Staatsbürgerschaft, Wohnsitzbescheinigung) von der Gemeinde Kaltern und dem italienischen Konsulat in Wien anfordern müssen. Seitens der Gemeinde Kaltern wurde alles sofort und sehr freundlich und kostenlos übermittelt - das italienische Konsulat schickte die erforderlichen Unterlagen nach Bezahlung einer Gebühr. Gibt es eine Hochzeitsreise? Die Reise findet 2011 statt und wir werden voraussichtlich Thailand, Chiang Mai ansteuern, wo der Bruder meiner Frau lebt. Im Zuge dessen ist auch anschliessend ein Meeraufenthalt auf einer Insel geplant. Seid ihr die ersten aus eurem Bekanntenkreis, die diesen Schritt wagen? Ja, wir sind die ersten. Auch die 1. eingetragene PartnerInnenschaft auf der Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung, die dort „vollzogen“ wurde. Was ist euch wichtiger: der symbolische oder der rechtliche Aspekt? Welches Symbol bzw. welche Rechte sind euch besonders wichtig? Welche fehlen euch? An erster Stelle steht für uns beide der 12

symbolische Aspekt - natürlich gepaart mit dem rechtlichen. Es ist für uns total schön, unsere Liebe im Kreise uns nahe stehender Menschen sichtbar zu zeigen und zu feiern. Dadurch wird unsere Beziehung gefestigt und mit dem Ring ein Zeichen nach außen gesetzt, dass wir ein Paar sind. Gleichzeitig ist die rechtliche Absicherung wichtig, um nicht vom „good will“ einzelner Menschen abhängig zu sein, wenn die Notwendigkeit gegeben ist, wie z.B. Intensivstation im Krankenhaus - Besuchsrecht, Wohnrecht, Sozia lversicherungsrecht, Erbrecht usw. Rechtlich ist noch einiges offen, z.B. Adoptionsrecht, künstliche Befruchtung, Erhaltung des Familiennamens. Es wäre so einfach gewesen, eine Gleichstellung herbeizuführen, indem im aktuellen Ehegesetz der Passus „verschieden geschlechtlich“ mit „gleichgeschlechtlich“ ergänzt worden wäre. Es gab politische Kräfte, die dagegen stimmten und einige Hürden einbauten, um eine 100%ige Gleichstellung zu verhindern. Dadurch wurden erhebliche Mehrkosten für alle StaatsbürgerInnen verursacht. Auch der Einfluss der römisch-katholischen Kirche, deren Vertreter sich immer wieder mit vehementen Gegenangriffen medial zu Wort meldeten, trug dazu bei, dass es ein mehr oder weniger „holpriges“ Gesetz wurde. Unter anderem dürfen zwei Frauen oder zwei Männer keinen gemeinsamen Familiennamen, sondern nur einen gemeinsamen Nachnamen führen. Außerdem kann nur meine Frau als österreichische Staatsbürgerin meinen Namen als Doppelnamen führen. Wird sich durch diese Entscheidung etwas in deinem/eueren Leben ändern? Versteht du das auch als politischen Akt? Ja, für uns ändert sich insofern etwas, als dass wir unsere Liebe legal sichtbar machen können, wie heterosexuelle Paare auch. Wenn du als politischen Akt meinst, dass wir die Gesetze für unsere Beziehung nutzen, dann ist es einer.

Wie wird dein zukünftiger standesamtlicher Status in Italien sein? Ledig - oder gibt es diesbezüglich schon Neues aus Italien, das ich noch nicht weiß? ;-) Wie sagt ihr eigentlich? Heiraten oder partnern oder gibt es sonst noch einen Begriff? Offiziell heißt es: Eingetragene PartnerInnenschaft und wir verpartnern uns. Klingt nicht gerade einladend. Wir sagen deshalb: wir heiraten und wir haben am Samstag eine Hochzeitszeremonie.

P.S.: Der 15.5.2010 wurde zum schönsten Tag unseres gemeinsamen Lebens! Wir waren alle zutiefst berührt von der Zeremonie und der anschließenden Feier. Für uns und unsere Gäste wird es ein unvergessliches Erlebnis bleiben.

Wie haben FreundInnen, Familie, Arbeit auf deine/euere Entscheidung reagiert? Die FreundInnen waren begeistert und haben sich mit uns gefreut und bei der Arbeit haben sie mir gratuliert. Meine Mutter war am Anfang etwas überfordert mit der neuen Situation - in der Zwischenzeit freut sie sich sehr auf Samstag. In Tirol werden die Zeremonien unter anderem in den Bauämtern gemacht. Wie ist das in Salzburg? In Salzburg ist die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung für die am Land lebenden Menschen zuständig. Genauer gesagt, ist die Gruppenleiterin des Strafamtes mit der Aufgabe betraut worden, gleichgeschlechtliche Verpartnerungen durchzuführen. Es war ein eigenartiges Gefühl am 15. März im Strafamt zu sitzen und die Unterschrift zu leisten. Zum Glück hatten wir liebe Menschen mit dabei, mit denen wir trotzdem in eine feierliche Stimmung kamen. Habt ihr in Weiß geheiratet? Wird nicht verraten - wir schicken euch ein Foto :-) Liebe Grüße aus Seekirchen, Irene Peer und Monika Kraberger Peer (übrigens ohne Bindestrich - auch das ist anders als bei heterosexuellen Paaren) 13

Das Redaktionsteam des Centaurus Magazine schickt die besten Wünsche!

> Uli Spitaler


HeldInnen wie wir Dreieinhalb Südtiroler Coming-outs

Als vierjähriger Knirps stand ich in einem Kinderstück als tapferes Schneiderlein auf der Bühne. Mit großer Inbrunst und Hingabe, versteht sich! Wenn ich mir heute als Erwachsener dabei zuschauen könnte, hätte ich wohl geringe Zweifel, in welche Richtung sich der Bub entwickeln würde. Mit fünf hab ich das Dirndl meiner Schwester aus dem Wäschekorb geholt, um es mir kurz auszuleihen. Ich wollte zu gern mal in so ein hübsches Kleidchen schlüpfen. Dass ich dabei von meinen Eltern erwischt wurde und liebevolle Schnappschüsse fürs Familienalbum gemacht wurden, war nicht geplant. Ich erinnere mich an den Bravo-Starschnitt von Shakin‘ Stevens in Lebensgröße, der im Zimmer meiner Schwester hing. Jedes Mal wenn ich darauf starrte, zog mich der Typ in seinen Bann. Sollte das bedeuten, dass ich schwul bin? Homosexuell?? Quatsch! Das sind meistens Phasen die vorübergehen, war vom Dr.-Sommer-Team in der Bravo zu lesen. Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel…. Nachdem sich „mein Zustand“ nicht „verbessert“ hatte und ich mit 15-16 Jahren wohl zu begreifen begann, dass ich definitiv schwul bin, stand für mich eines fest: Dieses Geheimnis nehme ich mit ins Grab. Auf dem Land in einer der kleinsten Gemeinden Südtirols sollte ich mich ausleben oder gar outen?? Niemals!!! Ich konnte und wollte das meiner Familie nicht antun. Das Dorf, die Leute, das Gerede. Nein. Ich entschied mich fürs Schweigen (und stilles Leiden). Ich kontrollierte meine Körpersprache, schlug beispielsweise nie in der Öffentlichkeit die Beine übereinander oder versuchte meine Ausdrucksweise dem jeweiligen Umfeld anzupassen. Bloß nicht auffallen, keinen Verdacht aufkommen lassen! Assimilation statt Selbstverwirklichung war meine Devise. Und all meine emotionalen und sexuellen Bedürfnisse blieben auf der Strecke. Lange Zeit lebte ich somit unauffällig, aber es häuften sich die Fragen nach einer Freundin. Anfangs war ich mit meinen Antworten recht erfinderisch, aber mit zunehmendem Alter wurde die Fragerei zur Qual. Schließlich half der Zufall (oder das Schicksal) meinem Leben auf die Sprünge. Mit 28 Jahren besuchte ich einen Fortbildungskurs, bei dem gleich mehrere Teilnehmer dem eigenen Geschlecht zugetan waren. Ein offener und ehrlicher Umgang mit dieser Thematik war mir absolut neu! Es gibt also tatsächlich viel mehr Schwule als ich dachte, und sehr viele von ihnen scheinen ein ausgesprochen glückliches Leben zu führen! Einer der Teilnehmer vermutete mein wahres Ich hinter der Fassade und sagte mir mal so ganz nebenbei: „Non é un peso dire certe cose, ma togliersi un peso.“ Dieser Satz hat sehr viel in mir bewirkt. Ich nahm all meinen Mut zusammen und tippte anschließend in den PC, vor dem wir beide gerade saßen, folgende Worte: „Sì, SONO GAY“. Das befreiende Gefühl in mir war immens. Und dieser allerersten Coming-out-Botschaft via Computertastatur folgten viele Gespräche und vor allem Erleichterung. Zunächst nur mit dieser einen Person, aber schon bald öffnete ich mich auch gegenüber anderen Menschen. Wenige Wochen nach meinem ersten Befreiungsschlag lästerte meine Schwester beim Mittagstisch wieder mal über mein Single-Dasein: „Wieso hosch olbn no koane Freindin? Bisch schwul oder wos?“ Meine Antwort war: „Wos soll i iatz sogn?“ Darauf sie: „Die Wohrheit, wos schunsch!“ Ich: „Ok. I - bin - schwul.“ Ich dachte zwar im selben Moment, nein, das kann nicht sein, dass ich das jetzt gesagt habe, aber da erwiderte sie schon verständnisvoll: „ENDLICH ISCHES HERAUSN!“ Meiner Mutter flossen natürlich ein paar Tränen über die Wangen, und sie stellte die obligatorische Frage, ob sie denn was falsch gemacht hätte. Aber ihre Tränen trockneten viel schneller, als ich dachte. Mein Vater erfuhr es etwas später von meiner Mutter, aber er hat es ebenso standhaft aufgenommen wie der Rest meiner Familie: „Er isch olbn inser Bua!“ Nie im Leben hätte ich gedacht, dass alles so einfach ist. Ich bekam zu spüren, dass meine Wurzeln und mein Umfeld voll und ganz hinter mir stehen. Ohne Wenn und Aber. Ich konnte endlich beginnen, mich zu entfalten, und MEIN Leben in die eigene Hand nehmen. Und heute weiß ich: Schwul sein und glücklich sein, ja, das ist möglich!!!

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An mein erstes Coming-out kann ich mich eigentlich nicht mehr so richtig erinnern. Es hat damals eine unendliche Pubertätszeit lang gedauert und bedurfte einiger Auslandsaufenthalte, bis mir klar war, was das Wort lesbisch bedeutet und was es mit mir zu tun haben könnte. Und – Ironie der Normalität - die besten Freundinnen von damals, mit denen frau sich der eigenen Heteroselbstve rständlichkeit annähert und versichert, treffe ich heute zufällig wieder – ganz locker und nebenbei lesbisch. Ach, hätten wir das damals schon geahnt…. Das Coming-out passierte mir eigentlich eher so mit der Zeit und langsam und vorsichtig. Ein Mensch nach dem anderen wurde irgendwie in mein Privatleben eingeweiht. Das ist weniger ein einmaliges Ereignis als ein andauernder Prozess. Immer wieder lerne ich neue Menschen kennen, bei der Arbeit, in der Freizeit, bei Kursen und Veranstaltungen. Und immer wieder aufs Neue stellt sich die Frage: Sag ich es und wenn ja, wie? Mit der Zeit wurde es mir zu lästig, andauernd abzuwägen, wen nun mein Privatleben etwas angeht und wen nicht. Und so spreche ich, wenn das Thema es erzwingt, von meiner Freundin, ohne groß Erklärungen abzugeben, bei Arbeit, Freizeit und überhaupt. So gesehen, würde ich mich schon als geoutet bezeichnen, auch ohne das an großen Momenten festzumachen. Nur neulich kam ich wieder ins Zweifeln. Da ging es um eine Pressekonferenz wegen des neuen Sitzes des Lesbentelefons im Frauenbüro in Bozen und ums dazugehörige Foto für die Medien. „Mensch, muss das sein“. Meine Leute kennen mich eh, den anderen sage ich es gerne, aber müssen wirklich alle an Eisack, Etsch und Rienz mich anhand meiner Partnerschaftswahlen identifizieren – gar nicht davon zu reden, dass da doch einige darunter sind, die ich eigentlich nicht für wert befinde, etwas aus meinem Privatleben zu erfahren. Und außerdem oute ich mich ja nicht alleine, sondern es hängt immer der ganze Rattenschwanz der selbstgewählten und nicht-selbstgewählten Familien daran. Na gut, wenn’s der Sache dient, dachte ich mir, ist es ok. Mit wenig Begeisterung und großem Missfallsgebrummel. Schließlich darf frau nicht die Kolleginnen hängen lassen, die sich schon öfters den Medien geopfert haben. (Familiendiskussionen sind immer vorprogrammiert.) Es gab dann auch das Foto von uns allen- das dann schlussendlich in den Medien doch nicht veröffentlicht wurde. Von meiner Seite bleibt der Respekt allen gegenüber, die sich in der großen Öffentlichkeit zu erkennen geben.

Il mio coming – out, anche se personalmente preferisco dire “sono venuto allo scoperto”, l‘ho avuto a 14 anni. O meglio, a partire dai 14 anni circa, visto che, almeno per me è stato un processo molto graduale che non è finito neppure oggi e non so se finirà mai, perché c‘è sempre qualcuno che ancora non lo sa di te. Comunqe, per semplificare, diciamo che a 14 anni mi sono dichiarato con i miei genitori. Peraltro non in un momento di lucidità perché stavo piangendo per un ragazzo della mia scuola che mi piaceva molto, ma che non aveva mai mostrato interesse per me, essendo lui etero. Io mi ero lasciato fuorviare, distrarre da cose futili tipo il fatto che lui suonasse il piano, la mia intuizione ancora non ben sviluppata che mi diceva che lui era gay, ma che non lo dava a vedere, ovviamente. A questo si aggiunga il fatto che io ero innamorato e avevo una maschera rosa davanti agli occhi, e alè! Non ricordo le parole precise che ci siamo scambiati io e il mio papà. Però lui se lo aspettava in qualche modo perché è vero che mi domandò se ero sicuro di essere innamorato, ma me lo domandò come se temesse già la risposta. E infatti io gli dissi: “Sì... sono sicuro.” Ma ho esitato in quel momento anche solo a rispondere “sì” perché mi sembrava così strano che lui mi domandasse qualcosa di me per la prima volta. Non avevo capito ancora che per lui era molto difficile parlare dell‘argomento. Le reazioni dei miei genitori all‘inizio furono di rifiuto sofferto, come se fossi una delusione per loro. Oggi li capisco, perché immedesimandomi in un padre etero, io avrei molte aspettative riguardo alla vita di mio figlio. Mi aspetterei che camminando per strada guardi le ragazzine o che, dopo qualche esperienza, si fidanzerà stabilmente con una ragazza e avrà dei figli, magari si sposerà, e io sarò nonno, e avrò dei nipotini :-) Sono tutte cose belle, ma che apparentemente crollano se io dovessi scoprire che mio figlio è gay. Col tempo però i miei genitori sono riusciti ad accettarlo, grazie anche all‘aiuto della mia psicologa che ringrazio ancora moltissimo per quei cinque anni di terapia che mi sono serviti moltissimo, per tutto e, nel periodo della scuola, per superare il rifiuto e le provocazioni gratuite dei miei compagni di classe che mi prendevano sempre in giro con battuttine ironiche e contro i quali non valevano a nulla le mie lamentele ai professori o le discussioni con loro. Penso che se una persona non vuole accettare la “diversità” di un suo simile, non l‘accetta e basta. Il mio coming out era però necessario, e io personalmente sono contento di averlo fatto a 14 anni, discretamente presto perché se lo avessi fatto dopo, penso che i miei genitori e io compreso avrebbero fatto più fatica ad accettarlo. Ma è difficile e non tutti ci riescono. E poi, come mi ha detto una mia amica di Arcilesbica, “non finisci mai di dichiararti” perché ci sono sempre nella vita nuove situazioni in cui, se vuoi essere sincero con gli altri, non puoi nascondere che sei gay. 15


Vorrei avere il suo coraggio… Quello che ha accompagnato lei tutta la vita. Lei vorrebbe avere il mio equilibrio, quello che non ha. Troppi anni, i suoi, passati ad essere se stessa a tutti i costi, l’hanno resa precaria e a volte sento che devo proteggerla. Io, i miei anni li ho trascorsi a raggiungere puntualmente i miei obiettivi. Con metodo e determinazione. Costanza e volontà. Tutti. Tranne uno. Mi sveglio e spengo la sveglia. La spengo cento volte. No, non ce la faccio, io, ad alzarmi subito come fanno tanti. Preferisco girarmi e abbracciare il suo corpo. Anzi no. Preferisco aspettare che arrivino le sue braccia a dirmi buongiorno…. Mi chiama “amore”, ma io no, non posso pronunciarla quella parola. “Buongiorno amore…”. Si, si. Mi piace quando me lo dice, e allora scelgo di restare a letto finchè posso. Poi, dal momento che mi alzerò sarà tutta una corsa. Per fortuna c’è chi mi fa il caffè, poi doccia, colazione, vestizione, sguardo all’agenda, amerei fosse una pergamena…e via. Al lavoro, via, gli impegni, le riunioni, via, le telefonate, gli appuntamenti, i colleghi e… buongiorno, ciao, bella giornata, eh? Si, bella giornata. Le mie giornate sono quasi tutte belle, non fosse per i suoi deliri sui diritti civili che ogni tanto fanno capolino, o per le cicliche frustrazioni di mia madre, le mie giornate sarebbero oro. Faccio il lavoro che amo e che voglio: suono. Ho amici cari, colleghi simpatici, una vita sociale soddisfacente, una famiglia che adoro, un cane, una casa, e un amore dentro casa. E’ così: una vita e una faccia fuori casa e una vita e una faccia che nessuno conosce dentro casa. Di solito è il contrario: se si ha un’altra vita, la si ha fuori casa, in un altro quartiere o in un’altra città. Io no. Ho una vita che nessuno sospetta dentro casa mia. E’ una vita che scotta. Appare impossibile, ma nel 2010 scotta ancora. Le differenze sociali, di classe, razziali, di età, di cultura sembravano abbattute per sempre e invece no. Proprio l’altro giorno hanno picchiato due ragazzi omosessuali fuori da una discoteca. Per un bacio. Qui da noi. La storia che si ripete. E quindi la mia vita deve stare confinata lì. La mia vita che brucia. Corre sul filo della corrente ogni volta che telefona mia madre e lei è con me. O quando camminiamo insieme per strada e incontriamo un mio qualche collega, e spero sempre che a lei non sfugga di dire o fare qualcosa per cui si capisca che stiamo insieme…brucia… Ma lei in quelle situazioni si allontana sempre, forse per precauzione. L’ho condizionata. Si è fatta condizionare. Forse anche lei sta apprezzando il profondo significato della parola “privato”… in contrappunto a quello della parola “pubblico” che ha sempre rappresentato il suo mondo…ma non il mio. Non il mio. No coming-out, ragazzi. Il mio mondo è fatto di suoni e di vite che si stravivono sotto e attraverso, ma non sopra. E la mia Musica viene da un tempo di passioni sognate e segreti taciuti e non deve considerarsi un caso se ho il ‘700 per bandiera.

Wenn auch Du die Geschichte Deines Coming-Outs in unserer Rubrik „HeldInnen wie wir“ teilen willst, mail uns an: magazine@centaurus.org Se anche Tu vuoi condividere la storia del tuo Coming-Out nella nostra rubrica „Eroi(ne) come noi“, mandaci un email a: magazine@centaurus.org

Das Coming-out unseres Sohnes Ein Vater erzählt...

Weder werde ich schreiben, wer ich bin noch woher ich komme. Und zwar aus einem zweifachen Grund: Erstens fehlt mir der Mut. Und zweitens ist es verdammt schwer in einem kleinen Land wie Südtirol, in einem Dorf auf dem Land, als Vater sich offen zur sexuellen Orientierung eines Kindes, die nicht der Norm entspricht, zu bekennen. In einem tagebuchartigen Stil erzähle ich die Geschichte des Coming-outs unseres Sohnes: Februar 1987: Unser Sohn – der Erstgeborene – kommt zur Welt – es folgen noch 2 Schwestern. Freude – unbeschwerte Kindheit – fröhliches strahlendes Lachen – Kindergarten – Grundschule – Mittelschule – Oberschule – Studium Februar 2008: der 21. Geburtstag unseres Sohnes. Er bittet die Mutti und mich sowie die ältere Schwester in die Stube und zeigt uns einen Fernsehbericht, den er sich heimlich auf Videokassette aufgenommen hatte, vom bekannten österreichischen Journalisten Christoph Feuerstein über ein homosexuelles Männerpaar in einer Landgemeinde in Österreich. Und dann sein Coming-out: „Und ich fühle auch so!“ Und da gehen uns die Augen auf.... seine Zurückgezogenheit, sein seltener gewordenes Lachen, sein Jähzorn, seine undefinierbare Traurigkeit....das alles bekommt nun ein Gesicht. Und wir beginnen damit zu leben. Voller Bitterkeit spricht unser Sohn öfter darüber, dass das Thema Homosexualität in den 5 Jahren seiner Oberschule in keinem Fach jemals ein Thema war. Gerade so, als ob es das nicht gäbe. Sommer 2008: Unser Sohn outet sich vor seinem Taufpaten und der Taufpatin. Ein Stein ist ins Rollen gebracht. Die Offenheit, mit der diese Menschen und ihre beiden Töchter das Outing annehmen,

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gibt uns und ihm sehr viel Mut und Selbstvertrauen. Herbst 2008: Das Internet, wo unser Sohn surft, öffnet Fenster und Türen. Plötzlich sind in unmittelbarer Nähe in der Nachbarschaft unseres Dorfes einige Menschen mit derselben Orientierung. Frühjahr 2009: Ich als Vater spreche die Homosexualität unseres Sohnes zum ersten Mal im Kreise meiner großen Verwandtschaft, nämlich mit meiner jüngsten Schwester, an. Wiederum großes Verständnis. Ich bekomme allmählich immer mehr Mut – spreche im Laufe des Jahres alle meine Geschwister darauf an, meinen Schwager weihe ich auf einer Bergtour in unser Geheimnis ein, unser Sohn nimmt sich einige seiner Cousinen vor und irgendwann ist meine Frau so weit, auch mit ihrer sehr eng verbundenen Schwester drüber zu reden. Nur unserer 86jährigen Oma wollen wir es „ersparen“. Aber immer öfter kommen mir Zweifel, ob das richtig ist. Sommer 2009: An sein Erasmussemester in Paris hängt unser Sohn ein Praktikum an – kommt erst im Herbst wieder nach einem drei Viertel Jahr nach Hause. Sorgen, Ängste, AIDS, Blutproben, Befunde, Erleichterung, Gott sei Dank! Seine Antwort darauf: „Ich weiß schon was ich tue! Ihr habt ja keine Ahnung, wie es dort zugeht!“ Herbst 2009: Ich spreche mit unserem Pfarrer, ein alter, sehr weiser Mann. Seine Aussage: „Die Kirche hat in ihren eigenen Reihen in dieser Hinsicht so viel aufzuarbeiten, als dass es ihr noch zustünde, Urteile zu fällen.“ Und Christus selbst hat sich immer der Ausgegrenzten und der Randgruppen angenommen und er würde auch zu deinem Sohn sagen: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und beladen seid. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“

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Dezember 2009: Ich verfasse einen Leserbrief, den die Südtiroler Tageszeitung und das Sonntagsblatt anonym veröffentlichen, während in den Dolomiten trotz mehrmaligen Ersuchens kein Platz für einen anonymen Brief zu finden ist. Ein kurzer Auschnitt davon: „Es sind und bleiben unsere Kinder! Uns anvertraut mit ihren Hoffnungen und Lebensträumen. Nach jahrelangen Kämpfen mit sich und Zweifeln an sich wagen es manche, sich zu outen, andere tragen ihr Geheimnis oft zu lange allein und drohen daran zu zerbrechen. Was aber all unseren gleichgeschlechtlich liebenden Söhnen und Töchtern gemeinsam ist, das ist ihr Hunger und ihre Sehnsucht nach Toleranz. Wir Eltern stehen mit unseren Kindern an vorderster Front im Kampf um ihr Lebensrecht und ihre Entfaltung. Vielerorts bilden sich Gesprächsgruppen für Eltern homosexueller Kinder. Möge dieser Leserbrief ein Ansporn dazu sein! Bis heute habe ich keinen Mut und keinen Weg gefunden, eine Gesprächsgruppe zu gründen. Jetzt mache ich einen Sprung, überfliege 10 Jahre und fange an zu träumen. Sommer 2020: Italien hat längst mit den meisten anderen europäischen Staaten nachgezogen, die gleichgeschlechtliche Ehe ist legalisiert, die legale Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare steht vor dem Durchbruch. Unser Sohn lebt in einer festen Partnerschaft – wahrscheinlich wohl in einer Großstadt – hat seinen Weg ins Berufsleben gefunden – ist glücklich und freut sich des Lebens. Er besucht uns alte Eltern auf dem Land, staunt darüber, dass da alles noch beim Alten geblieben ist – kleinkariert und intolerant – und ist jedes Mal wieder froh, aus der Enge der Berge wieder auszubrechen. Uns Eltern aber geht es gut damit. Sein Glück und seine Lebensfreude – das ist es, was für uns zählt.


Warum gerade mein Kind?

Risate, Silenzi, Lacrime, Stupore

Über den Dokumentarfilm „Due Volte Genitori“ und Eltern, die ihre schwulen und lesbischen Kinder angenommen haben

Intervista col regista di „Due Volte Genitori“

Eine Tochter, die Frauen liebt, ein Sohn, der auf Männer steht - das galt lange Zeit als ein Tabu in den Familien und gilt trotz der gestiegenen Aufgeschlossenheit in der Gesellschaft teilweise immer noch. Doch in den letzten Jahren haben sich – unabhängig von den politischen Entwicklungen – Initiativen und Selbsthilfegruppen gebildet, in denen sich Eltern schwullesbischer Kinder Rat, Hilfe und Unterstützung holen können – auch in Italien. Seit 1993 gibt es den Verein AGEDO (Associazione di Genitori di Omosessuali), der sich der Ängste und Sorgen der Eltern annimmt und jene Väter und Mütter zusammenführt, die sich mit ähnlichen offenen Fragen konfrontiert sehen. Der Mailänder Filmemacher Claudio Cipelletti hatte Gelegenheit einige dieser Eltern kennen zu lernen und den Prozess vom Coming Out ihres Sohnes oder ihrer Tochter bis zum Punkt zu dokumentieren, das Kind so anzunehmen, wie es ist. Herausgekommen ist ein 94 Minuten langer Film, der schildert, wie manchmal einfach, manchmal recht mühsam Eltern schwul-lesbischer Kinder gelernt haben, mit der neuen Erkenntnis umzugehen.

Wenn Eltern erfahren, dass ihr Kind nicht heterosexuell ist, empfinden sie dies zu Anfang oftmals als Schock. Nicht selten verdrängen Vorurteile und eigene Ängste zunächst den Blick auf die Situation des Kindes. Häufig entspricht eine gleichgeschlechtliche Ausrichtung nicht den eigenen Werten und Wünschen, die Eltern für ihr Kind haben. Diese Erfahrung hat auch ein Vater machen müssen, der sich in einer Gesprächsrunde mit gleichgesinnten Eltern ganz offen dazu bekennt, dass für ihn eine Welt zusammengebrochen sei als er von seinem Sohn erfahren hat, dass er schwul ist. „Dopo aver letto la lettera in cui mio figlio ci dice di essere omosessuale, mi sono perso a rivedere le sue foto di bambino. Era morto in quel momento, scomparso, non più il figlio di prima.“ Er und seine Frau hätten sich in die Arme genommen und geweint, erzählt der bewegte Mann weiter, doch bald hätten sie gemerkt, dass sie mit ihrem Sohn sehr wohl noch kommunizieren konnten. Sie fassten den Entschluss auch ihm einen Brief zu schreiben. Darin war von der Erkenntnis zu lesen, dass sie sich an einen neuen für sie wiedergeborenen Sohn wenden würden – ohne die bisher gewohnten Hoffnungen und Erwartungen, die Eltern in einen Nachkömmling stecken. Viele Eltern stellen sich auch selbst die Frage, ob sie durch Erziehungsfehler die Homosexualität des Kindes bewirkt haben oder ob das Kind im Mutterleib falsch herangewachsen ist – trotz zahlreicher Vorsichtsmaßnahmen, wie die Mutter von Zwillingstöchtern berichtet: „...un mese intero di sole, di vitamine, perché la creatura nascesse sana, bella forte...“ Letztendlich musste aber auch sie mit ansehen, wie eine Tochter den gesellschaftlich „gewohnten“ Weg einschlug und die andere eines Tages offen über ihre Gefühle zu Frauen sprach. Viele Eltern haben wenig Informationen über Homosexualität sowie über lesbische und schwule Lebensweisen. Das bemängelt auch die Präsidentin 18

des sizilianischen Ablegers von AGEDO Francesca Marceca, die selbst Mutter eines schwulen Sohnes ist. In dem Film sagt sie: „Non c’era cenno di nulla nei manuali educativi. La strada oggi si compie attraverso le associazioni, l’Agedo in testa, con l’aiuto di libri e di Internet, e poco attraverso la televisione che soddisfa solo un terzo di genitori intervistati. L’obiettivo dei genitori dei gay è quello di vanificare ogni forma deleteria di ignoranza.“ Selbst Francesca Marcecas Ehemann, der im Verein mitarbeitet, ist sich sicher, dass in Italien sowohl in politischer, wie in gesellschaftlicher Hinsicht noch einiges getan werden müsse, um schwulen und lesbischen Paaren ein glückliches und sicheres Leben zu ermöglichen, aber auch damit familiäre Situationen wie folgende der Vergangenheit angehören: „Venne da me un giovane bellissimo, sembrava un attore, e mi raccontò: ´quando muoio mi devono seppellire in due bare, in una come sono io, in un’altra come mi vedono i miei genitori`. Questa frase mi fece realizzare che ogni sofferenza provocata ai nostri figli è come un’accetta che li divide in due“. Der Film „Due Volte Genitori“, der im Rahmen des sozialwissenschaftlichsozialpolitischen Förderprogramms „Daphne II“ von der Europäischen Union mitfinanziert wurde, bietet eine gute Gelegenheit, sich einmal näher mit dem Phänomen auseinander zu setzen, der genau diesen Prozess dokumentiert: Eltern, die sich unter Aufsicht von zwei Psychologen zu Gesprächsrunden treffen, um das aufzuarbeiten, was sie lange Zeit nicht für möglich gehalten hätten: dass Kinder einen ganz anderen Gefühlsweg einschlagen und mit gleichgeschlechtlichen Partnern glücklich werden können. Der Film, der in italienischer Originalsprache mit deutschen Untertiteln (optional) versehen ist, kann über die Seite www.duevoltegenitori. com gegen eine Spende von mindestens 15 € bezogen werden. > Stefan Windegger

Che giro ha fatto „Due Volte Genitori“ da quando è uscito? Claudio Cipelletti: Dopo le due anteprime del 2008 (il convegno di chiusura del progetto Daphne e l’anteprima milanese allo Spazio Oberdan) ho fatto uscire “Due volte genitori” all’inizio del 2009, sperimentando una forma di distribuzione diretta basata su serate e accordi con esercenti. In modo anomalo, questo “tour” ha preceduto la partecipazione ai festival di cinema. In un certo senso questo è uno svantaggio, ma ha permesso di compiere fin da subito la missione per cui Agedo ha voluto il film, cioè raggiungere la gente comune, fuori dai circuiti solo LGBT o dei festival di documentario. In questo modo abbiamo raggiunto circa 10.000 spettatori in sala, con 150 serate e piccole teniture in cinema. La cifra degli spettatori raddoppia se si conta la diffusione del dvd, supponendo che ogni dvd sia stato visto in media da tre persone. Poi ci sono i festival, i premi come miglior documentario al festival Mix 2009 di Milano e a Cinhomo 2010 di Valladolid. Vari festival LGBT soprattutto in Francia ma anche oltre oceano: il prossimo sarà Vancouver. Il film è sottotitolato in 6 lingue, e stiamo lavorando all’arabo e al polacco. Come reagisce il pubblico? Claudio Cipelletti: La cosa che mi colpisce è la trasversalità delle reazioni. Ormai sono abituato alle emozioni del mio pubblico che si ripetono ovunque: in sala al buio le risate, i silenzi, le lacrime, lo stupore, gli sguardi del pubblico cadono quasi sempre allo stesso modo e negli stessi punti, come se fossero ormai scritti sulla colonna sonora. Questo mi piace perché è una risposta al nocciolo antropologico del messaggio del film, ne testimonia l’universalità. Poi, all’accendersi delle luci, gli spettatori non se ne vanno per un’ora. Hanno voglia di parlare, aprirsi, ascoltare ancora. Spesso confidano di non aver mai avuto prima l’occasione di capire; o aver riconsiderato i propri giudizi sull’omosessualità, di essersi stupiti di vedere le cose da un punto di vista inedito. I figli riconoscono per la

prima volta le difficoltà dei genitori e i genitori l’autonomia dei figli. Raramente il dibattito si fa ideologico, perché il film parte dalle emozioni e dalla soggettività per divenire “politico”, non il contrario. Commenti critici? Claudio Cipelletti: I commenti critici si possono riportare a due aspetti, in effetti contrapposti: il primo sarebbe che il film non racconta abbastanza le difficoltà più crude perché ci presenta persone acculturate ed evolute, ma la realtà è più dura e più violenta per le persone che non hanno mezzi e strumenti, che sarebbero la maggioranza. Il secondo, al contrario, che il film indugia sulle difficoltà, sul dramma vissuto da alcuni, e trascura così quelle persone e quelle famiglie in cui non c’è stato bisogno di fare un percorso, perché l’accettazione è stata immediata e spontanea, e sarebbe giusto fare vedere che anche questo accade. Io dico che i due commenti si commentano a vicenda. Il film ha dei contenuti simbolici forti, contiene le metafore che possono essere usate per leggere sia una che l’altra realtà, e le declina in un “percorso” che a qualche livello tutti hanno dovuto affrontare, anche quando apparentemente non hanno avuto remore. Un percorso tra l’altro che esula dall’omosessualità, ma riguarda il senso che diamo al “crescere” e il rapporto coi nostri vecchi. Quale è stato il riconoscimento più alto che ti è stato attribuito per questo progetto? Claudio Cipelletti: Il progetto è nato sotto l’ala della Commissione Europea, e quindi al di là dei premi ai festival, ha una connotazione istituzionale solida. Forse in questo senso il riconoscimento più alto è l’essere stato invitato con Agedo a presentarlo alla Camera a deputati e senatori. Anche i rapporti con il Ministero Pari Opportunità e con diversi Enti pubblici sono lusinghieri. E più di tutto, il riconoscimento che mi fa venire la pelle d’oca è quello che arriva con le mail degli spettatori, delle ragazze e ragazzi che ci ringraziano e raccontano come il film è stato 19

determinante per riaprire i rapporti con i loro genitori. „Due Volte Genitori“ è un progetto a scopo non lucrativo. Cosa ti motiva a portare avanti questo progetto? Claudio Cipelletti: Quello che mi torna dagli “utenti”. Perché mi conferma che ero nel giusto mentre lavoravo al film, mosso da una spinta interna fortissima: non avrei più sopportato di veder ripetere la mia storia, quella storia di inutile dolore che infinite famiglie continuavano a vivere, ciascuna credendo di essere la prima al mondo. “Bisognava” raccontare questa storia, perché tutti la conoscessero, tirarla fuori dal privato, perché il silenzio è la prigione in cui si uccide ogni libertà. Di che cosa hanno bisogno, secondo te, i genitori di figli gay alle prese con un coming out oltre ad un‘associazione come l‘AGEDO e questo film? Claudio Cipelletti: Di sdrammatizzare condividendo con gli altri, all’inizio. E poi di pensare di essere molto fortunati, perché hanno l’occasione di mettere in atto una rivoluzione copernicana in cui hanno il privilegio di chiedersi dove avevano imparato ciò che sanno e che credevano fissato per sempre. E lì si inizia a vivere. Quale sarà il tuo progetto futuro? Claudio Cipelletti: Raccogliere l’afflato civile che oggi ha spostato l’attenzione dalla “questione sessuale” alla “questione affettiva” e parlare non più dei problemi che hanno gli altri di fronte a noi, ma di noi. Noi come famiglie di affetti, di noi come portatori di esigenze e punti di vista (omogenitorialità, matrimonio same-sex…) che lungi dallo scalzare la famiglia tradizionale, portano nuova linfa alle unioni eterosessuali ormai a disagio con un istituto familiare/matrimoniale che non risponde più alla vita che cambia. E raccontare tutto questo attraverso le vite di persone reali, come in “Due volte genitori”. > Stefan Windegger


Schwule Mode

art in context

Zwischen Netzhemd und Klischee

Anemona Crisan: die Tiefe der Oberfläche

Netzshirts, Military-Hosen, schwarze Lederoutfits oder Dolce&Gabbana sind ein paar der Begriffe, die man mit „schwul“ und „Mode“ assoziiert. Diese Klischees von „schwuler Mode“ speisen sich aus jenen Eindrücken, die einem durch diverse Paraden, übertriebene Mediendarstellungen etc. vermittelt werden. Selbstverständlich ist die so oft zitierte „schwule Mode“ - wenn es sie überhaupt gibt - noch viel mehr! Fest steht - und das haben Untersuchungen belegt - dass Schwule angeblich mehr ästhetisches Gefühl und vor allem Mut an den Tag legen, als so manch andere Männer. Gerne spielen sie bei Ihren Outfits mit Geschlechterordnungen und brechen dadurch Konventionen. Oft trauen sie sich, Elemente aus verschiedenen Bereichen herauszunehmen und zu ihrem Vorteil, oder auch optischem Nachteil zu nutzen. Warum sollen sich denn nur Frauen die Schlabberhosen ihrer Boyfriends ausborgen dürfen, oder deren Hemden, und nicht umgekehrt? Die Mode ist variabler geworden: die Vermischung von Kleidungselementen beider Geschlechter hat mittlerweile auf den Laufstegen eine Plattform gefunden und ist beinahe offiziell legitimiert. Doch feminine Männermode ist nicht per se „schwule Mode“, wie uns allgemein gesellschaftliche Prägungen weiß machen wollen – uns sitzt wohl wieder nur ein Klischee im Nacken. Gehen wir einmal den Laufsteg entlang, allerdings ganz nach Hinten, wo Mode ihren kreativen Ursprung hat: nämlich zu den Designern, die sich manchmal hinter fremden oder eigenen Labels verstecken und feiern lassen. Dabei drängt sich sogleich das nächste Klischee auf: sind nicht alle Designer

schwul? Armani, Marc Jacobs, Dolce & Gabbana, Jean Paul Gaultier (der übrigens mit kommender Saison von Lacoste Designer Christophe Lemaire bei Hermes abgelöst wird), John Galliano, Dior, YSL, Tom Ford, Cavalli? Nein, Stop! Roberto Cavalli ist doch verheiratet, und das auch noch mit einer Frau! Das Klischee trifft also, wie die meisten Klischees, nur zum Teil zu. Aber mal ehrlich: Hat schwule Mode denn überhaupt etwas mit schwulen Designern zu tun? In der Modebranche sind Männer und Frauen mit verschiedenen sexuellen Hintergründen tätig, und ihr eigenes Schwul-, Heterooder Bi-Sein ist weit weniger wichtig als die Zielgruppen, an die sie ihre Produkte verkaufen wollen. Natürlich sind Schwule eine wichtige Zielgruppe – was außer mit dem erwähnten „Stilgefühl“ auch viel mit Familien– und Einkommenssituation zu tun hat - doch versuchen viele Designer, auch heterosexuellen modeaffinen Männern zu zeigen, dass immer noch mehr geht: dem Mann wird vorgelebt, dass er genauso gut mit weiblich behafteten Attributen wie Handtaschen und sonstigem diversen modischen Schmuck außer Haus gehen kann, ohne deswegen gleich schwul zu sein oder sich gänzlich fehl auf der Welt fühlen zu müssen. Was ist also eigentlich „schwule Mode“? Die Antwort ist einfacher, als man denkt: Es gibt sie nur im Plural. In diesem Sinne: Think out of your gender and fashion box!

Mit dem Experiment „art in context“ möchte das Centaurus Magazine eine etwas andere Plattform für zeitgenössische Kunst schaffen und in Zukunft jeweils eine Doppelseite künstlerischen Interventionen zur Verfügung stellen. Für die aktuelle Ausgabe konnten wir die 1980 in Bukarest geborene, in Nordtirol aufgewachsene und in Wien lebende Künstlerin Anemona Crisan gewinnen, die uns eines Ihrer Werke (o.T. Bleistift und Buntstift auf Leinwand, Diptychon zu je 100 x 80 cm, 2010) zur Publikation überließ. Das Motto der aktuellen Ausgabe des Centaurus Magazine lautet „reich und schön“ und steht damit für den Versuch, Themen der Oberfläche, der Ästhetik, des Aussehens und Dargestellt-Werdens und die damit verbundenen gesellschaftlichen Stigmatisationen zur Diskussion zu stellen. Genau hier dockt Anemona Crisans Werk an, das Anpassung und Widerstand, Einschränkung und Abhängigkeit, aber auch Sicherheit und Eingebettet-Sein thematisiert. Nicht poetisches Gleichgewicht und mondrianeske Harmonie, wozu einen der erste Blick zu spüren verführt, bilden das Skelett unter den perfekten Oberflächen von Anemona Crisans Werk, nicht ästhetische Eleganz seine Essenz – im Gegenteil: Unter den mit feinsten Pinselstrichen technisch virtuos komponierten Zeichnungen und Gemälden pulsiert, beinahe in explosiver Zeitlupe, ein dynamisch existenzieller Konflikt: In ihren zwischen Figurativem und Abstraktem oszillierenden Bildwelten verhandelt Anemona Crisan Fragen der Identitätsfindung, den Kampf des Individuums gegen ein System, das zwar von ihm selbst definiert wird, aber

doch einschnürt und beengt. Ihre oft androgynen, stereotypen Figuren sind von plastischen Strukturen bedeckt, durchdrungen, umwoben – Bedrohung und Schutz zugleich. Wie das gesellschaftliche System, das uns prägt und ebenso von uns geprägt wird, das gleichzeitig „Zuhause“ und Kampffeld ist, sind diese Strukturen ambivalent. Sie sind wie ein sichtbar gewordenes Netz zwischenmenschlicher Beziehungen, wie ein Hin und Her leidenschaftlicher Liebe und kühler Kontrolle: von uns gesponnen und ersonnen, und doch von einer über uns hinausreichenden Komplexität. Ihre konkrete Bedeutung bleibt jedoch offen: Stehen sie für gesellschaftliche, politische, religiöse oder emotionale Einflussnahmen? Sind es Einwirkungen von außen, oder Teile des Körpers selbst? Sind es Fesseln, Fasern, Hüllen, oder doch Adern, Venen, Nervenbahnen? Anemona Crisans Figuren scheinen selbst zum Ausgangspunkt äußerer Einengung zu werden. Ihre ständige Suche nach der körperlichen und geistigen Kontrolle über die eigene Existenz ist gleichzeitig ein Kampf gegen das Außen wie gegen sich Selbst. Die Grenzen sind plastisch, dehnbar. Die Figuren thematisieren „die Frage der Bildung einer Identität in ihrer Ambivalenz zwischen Annehmen und Ablehnen und damit zwischen Anpassung und Widerstand des Individuums gegenüber einem ihm übergeordneten System […] Gesellschaft, Politik, Familie, Mode, Religion sind Systeme, die letztendlich vom Individuum konstruiert werden.“ * An der Oberfläche erscheint Anemona Crisans Werk im ersten Moment als ästhetisch, oberflächlich. Und doch ist es von beinahe bodenloser Tiefe.

> Thomas Koscher

* Anemona Crisan, Eskapaden, Wien 2009.

Links: Der schwule Designer und Regisseur Tom Ford

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Weitere Infos zur Künstlerin: www.anemonacrisan.at

Rechts: Schwule Stilikone Karl Lagerfeld

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Black Wade

Was Exoten gefährlich macht oder nicht

The Wild Side of Love

Schwule, Gaypride, Guido Westerwelle und Ralf König.

Kleine Jungs träumen von Piraten, von Schiffen auf dem weiten Meer, Abenteuern und Freiheit. Und vom Erobern. Auch kleine schwule Jungs träumen von Piraten, von Schiffen auf dem weiten Meer, Abenteuern und Freiheit. Und natürlich auch vom Erobern. Und vom Erobertwerden. Wenn kleine schwule Jungs groß werden, zeichnen sie vielleicht Comics über schwule Piraten und erfreuen damit nicht nur schwule Jungs, die inzwischen ebenfalls groß geworden sind. Erwachsene, die „Black Wade“ lesen, werden in jeder Hinsicht Spaß dabei haben, auch weil dem Comic anzumerken ist, dass seine Autoren mit Freude daran gearbeitet haben. Von der kindlichen Sehnsucht nach fernen Inseln und Abenteuern ausgehend erzählen sie die Geschichte von Jack Wilkins, einem tapferen und braven Leutnant der englischen Marine, der in seinem Kampf gegen die Freibeuter auf dem Schiff des gefürchteten Piraten Black Wade in Gefangenschaft gerät. Dieser praktiziert Freiheit auch im sexuellen Sinn und findet in Jack ein erstaunlicherweise williges Spielzeug. Als jedoch

Emotionen ins Spiel kommen, wird der junge Leutnant auf offenem Meer ausgesetzt, denn nichts scheint einem Freibeuter gefährlicher als die Liebe. Von verbündeten Schiffen gerettet, gelangt Jack aber heil in seine Heimat zurück und kann dort die Hochzeit mit der seit langem mit ihm verlobten Lady Annabeth Dartmoore vorbereiten. Doch so einiges scheint nicht mehr wie früher zu sein: Die Zeit bei den Piraten und mit Black Wade hat Jack verändert. Als er hört, dass die englische Marine Black Wade gefasst hat und dieser nun im Kerker auf seine Hinrichtung wartet, überdenkt Jack seine Pläne. Wer wissen will, ob Jack seine Heiratsabsichten aufgibt, um seiner Liebe mit Black eine Chance zu geben, sollte sich das Buch also nicht entgehen lassen. Der Comic verlockt nämlich nicht nur durch die freizügige Darstellung von Sexualität, sondern auch durch die liebevolle Präzision der durchgehend farbigen Bilder im Manga-Stil. Das zuerst im Verlag Bruno Gmünder in englischer Sprache erschienene Buch ist inzwischen auch auf italienisch übersetzt und bei den Edizioni Voilier verlegt worden. Rezensenten haben dabei unterstrichen, wie mutig sie es finden, dass ein italienischer Verlag in seiner erotischen Comic-Reihe nun auch homoerotische Geschichten veröffentlicht. Die Zeit der mutigen Piraten scheint in diesem Land wohl erst langsam zu beginnen. Bleibt zu hoffen, dass die beiden Autoren und Zeichner, von denen übrigens Andärle ein Südtiroler ist, weiter die Möglichkeit erhalten, ihre Ideen umzusetzen und einem vorurteilslosen Publikum zugänglich zu machen. Black Wade, Franze & Andärle, Verlag Bruno Gmünder, 2009, ISBN 978-3-86787-036-8 Per l‘edizione italiana: www.edizionivoilier.com; maggiori informazioni sul sito ufficiale www.jimbocomics.com.

Exotisierung ist ein kulturwissenschaftlicher Begriff für soziale Prozesse, Verhaltensweisen und Darstellungsweisen, die dazu dienen, das „Fremde“ den „ e i g e n e n “ Ve r h a l t e n s w e i s e n und Anschauungen zu erklären. Bezogen auf die eigenen Normen und Werte wird bei der Exotisierung – im Gegensatz zur „Normalisierung du r c h A n g l e i c h u n g “ - d e m „Fremden“ eine Andersartigkeit zugeschrieben, was gleichzeitig bedeutet, diesem „Fremden“ die Aneignung der eigenen kulturellen Ordnung abzusprechen. Eines der bekanntesten Beispiele für Exotisierung ist der oft als „positiv“ bezeichnete Rassismus (der „edle Wilde“). Die Strategie der Exotisierung funktioniert, indem bestimmte Zuschreibungen als Wesensmerkmale gesetzt werden. Erst dadurch passen die Exoten in einen gesellschaftlichen Rahmen. Dabei werden Klassifizierungen und Typologisierungen geschaffen. Diesen typologisierten Figuren werden bestimmte Merkmale zuerkannt. Dabei bleibt die Frage offen, ob die Exotisierung zuerst durch die Medien erfolgt oder ob die Medien „Volkes Meinung“ aufgreifen. Eines dieser typischen Klischees ist die „schrille Tunte“. Zuletzt zu sehen im Musical „Ein Käfig voller Narren“ in Bozen. Zwar sympathisch und lieb, aber doch ein Exot. Vielleicht hat das Musical bei den Zuschauern zur Erkenntnis beigetragen, dass auch Schwule in einer liebevollen Partnerschaft leben und sogar Kinder erziehen können, die nicht zwangsläufig schwul werden. In diesem Fall wird die Exotisierung positiv gewendet, weil man „normale Szenen“ einer nicht so „normalen“ Ehe zeigt. Bleiben wir bei der schrillen Tunte: Die vielen Gay-Pride-Veranstaltungen zeigen die Vielfalt der homosexuellen

Kulturen. Was zeigen Fotos und Fernsehberichte? Die schrillen Kostümierungen, die auffälligen Ledertypen, die (fast) nackten Boys. Gut, das war (und ist seit Christopher Street) ein Mittel, Aufmerksamkeit zu erregen, den Bürgerlichen da draußen zu sagen, dass es uns gibt und dass wir nicht unbedingt ihre Vorstellungen von einem erfüllten Leben teilen. In diesem Fall ist die Exotisierung vorwiegend negativ besetzt: Hier kommt bei den Zuschauern gerne das Pharisäer-Syndrom zum Einsatz – Gott sei Dank bin ich nicht so wie die da! Dabei werden durch diese Exotisierung alle anderen Teilnehmer an den Gay-Prides unter den Tisch gekehrt. Das sind die „normalen“ Schwulen, ihre Eltern, ihre Freunde und all jene, die sich für die Rechte der Homosexuellen einsetzen. Der Zuschauer wird von Zeitungen und Fernsehen auf die Exotisierung der Schwulen gestoßen – die anderen gibt es in der Berichterstattung nicht. Homosexuelle, die in der Öffentlichkeit stehen, haben mit der Exotisierung schon nicht mehr viel am Hut. Zitat NZZ vom 11.10.2009 aus einem Bericht über den deutschen Außenminister Guido Westerwelle: Gleichgeschlechtliche Paare sind selbstbewusst, wollen aber nicht mehr um jeden Preis auffallen. Statt hedonistisch und schrill leistungsorientiert und unauffällig. Der Aufstieg des deutschen FDP-Politikers Guido Westerwelle ist auch Ausdruck der Verbürgerlichung der Schwulenbewegung. Weiter schreibt die NZZ von der bürgerlich-heterosexuell geprägten Lebenshaltung Westerwelles: Nichts scheint ihm schlechter zu Gesicht zu stehen als der vielzitierte Hedonismus und die sexuellen Ausschweifungen der Schwulenszene. Stellt sich die Frage: Was ist die Schwulenszene? Womöglich nicht mehr als eine heterosexuelle Phantasie, wenn man sie mit Begriffen wie Hedonismus und sexuelle Ausschweifungen belegt. Klar,

das gibt es auch unter Schwulen. Unter Heteros nicht? Ralf König behauptet in seinen Cartoons, dass Schwule unbeschwerten und schnellen Sex haben – deshalb würden sie von vielen Heteros beneidet. Auch das ein exotisierendes Vorurteil: Schwule dürfen mehr Sex haben und auch noch mit mehreren Partnern. Und die Heteros? Sie dürften gleich viel Sex haben – aber auch bei ihnen bleibt es im Kopf: Homosexuelle tun sich mit Sex leichter. Und auch deshalb sind es Exoten, denn sie dürfen (in den Köpfen der Mitmenschen) etwas machen, was man nicht tut: promisk sein, keine Verantwortung übernehmen, sich durch das Leben lieben. Wenn diese Leute dann feststellen, dass auch Homosexuelle früh zur Arbeit gehen, denn irgend jemand muss den Wohlstand ja erarbeiten, und sich lange Feiern in der Nacht nicht leisten können, dann ist das Bild des Schwulen plötzlich ganz bürgerlich. Und damit verschwindet auch das Exotische. Zitat Ralf König aus einem SpiegelInterwiew vor rund fünf Jahren: Ich habe das immer schrecklich gefunden, wenn Schwule nur als Exoten und Dummtunten vorgeführt wurden. Dass die allermeisten Schwulen völlig normale Männer sind, wird ignoriert. … Aber das Bild des Schwulen in den Medien ist in den siebziger Jahren stecken geblieben. Zum Beispiel diese Iglo-Werbung mit Holger und Max. Die fand ich so dämlich! Zwei Schwule, die für diese Produkte werben mit „Tatü, tata, das Essen ist da.“ Auf die Frage, warum das so eine dumme Nummer sein musste, antwortete Iglo: „Wenn die das nicht machen, würde doch kein Mensch verstehen, dass die schwul sind.“ Ist das wünschenswert? Oder soll sich auch der „bürgerliche“ Schwule doch noch ein bisschen exotisches Flair erhalten? > Günther Telser

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Verfolgt, verschwiegen, vergessen Gli omosessuali sotto il fascismo e il nazismo

Bereits 2006 hat der italienische Schwulen- und Lesbenverein Arcigay eine Ausstellung über die Verfolgung von Homosexuellen im Faschismus und Nationalsozialismus organisiert, die in mehreren italienischen Städten, unter anderem auch in Bozen, zu sehen war. Mit Unterstützung des Assessorats für Kultur der Gemeinde Bozen konnte Centaurus die Ausstellung heuer wieder zeigen, und zwar im Foyer des Bozner Rathauses. Parallel dazu fand ein Vortrag im Bozner Stadtarchiv statt, bei dem der österreichische Historiker Hannes Sulzenbacher von der gezielten Verfolgung von Homosexuellen in Deutschland und Östereich unter dem Naziregime berichtete und der italienische Historiker Gianfranco Goretti über die Situation von Schwulen und Lesben im faschistischen Italien sprach.

verfolgt. Lesbische „Unzucht“ war eben im deutschen Strafgesetzbuch nicht enthalten. Lesben auf dem Gebiet des ehemaligen Österreich geriet dies zum Vorteil: Unter Berufung auf die Straffreiheit im „Altreich“ wurden Lesben auch in der „Ostmark“ kaum mehr belangt.

Wieviele Schwule sind nach heutiger Schätzung in den NS-Lagern umgekommen? Warum konnte man ihre Zahl bis heute immer noch nicht genau festlegen? Wieviele schwule Männer in der NS-Zeit ermordet wurden, werden wir nie wissen, da sich ja in allen Opfergruppen auch Schwule befanden. Mit dem Vorwurf der Homosexualität wurden ca. 10-15.000 Männer in die KZs verbracht, knapp über die Hälfte dürften sie nicht überlebt haben. Unter diesen Opfern befanden sich allerdings auch genügend Männer, bei denen Homosexualität lediglich als Vorwand für die Beseitigung aus dem öffentlichen Leben diente. Als Beispiel: Die Innsbrucker Serviten wurden reihenweise wegen „Unzucht“ verhaftet, da die Tiroler Nationalsozialisten das Gebäude des Servitenklosters in der Maria-Theresienstraße für sich nutzen wollten.

Warum hat sich die Wissenschaft erst so spät mit der systematischen Verfolgung von Roma und Sintis, Zeugen Jehovas und Homosexuellen auseinandergesetzt? Das hängt wohl mit der langsamen Entnazifizierung der ehemaligen Tätergesellschaften zusammen. Manche Opfergruppen erkämpften sich erst spät die öffentliche Wertschätzung, die nötig ist, damit historisches Unrecht aufgearbeitet wird. Die staatliche Anerkennung als „Opfer des Nationalsozialismus“ mit den damit verbundenen Ansprüchen auf Entschädigung ließ imAllgemeinen noch viel länger auf sich warten. Spezifisch für die Geschichte der Homosexuellen war zudem eine gewisse Scheu seitens der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, da bei ihnen von außen durchwegs eine „persönliche Involviertheit in die Materie“ angenommen wurde, also dass sie die sexuellen Präferenzen ihrer untersuchten Opfergruppe teilten. Was auch im universitären Rahmen bis

Sie haben bereits Ausstellungen zum Thema der Verfolgung Homosexueller in Nazi-Deutschland und Österreich arrangiert. Glauben Sie, dass diese Verbrechen heutzutage im öffentlichen Bewusstsein verankert sind? Wenn nein, was müsste man tun, um dies zu erreichen? Gemeinsam mit Niko Wahl habe ich 2001 die Ausstellung „Aus dem Leben“ kuratiert, die am Wiener Heldenplatz open air gezeigt wurde. Sie wurde am Tag vor ihrer Eröffnung Opfer eines Vandalenaktes. Alleine das zeigt aber auch, dass die Geschichte der Verfolgung durchaus „im öffentlichen Bewusstsein“ verankert ist. Die zweite Ausstellung „Geheimsache_Leben. Schwule und Lesben im Wien des 20. Jahrhunderts“ widmete diesem Thema eine große Abteilung. Dort wurden auch lesbische Täterinnen und schwule Täter behandelt, die es natürlich genauso gab. Jene sind im öffentlichen Bewusstsein tatsächlich noch nicht angelangt.

Per la seconda volta dal 2006 Centaurus è riuscito a portare a Bolzano la mostra „Omocausto - Lo sterminio dimenticato degli omosessuali“ realizzata da Arcigay. Con il sostegno del Comune di Bolzano che ha ospitato la mostra nel foyer del Municipio, l‘associazione ha anche organizzato un convegno sulla storia della persecuzione di persone omosessuali durante gli anni del fascismo e del nazionalsocialismo: lo storico Gianfranco Goretti ha illustrato la repressione del regime fascista, mentre lo storico austriaco Hannes Sulzenbacher ha parlato della persecuzione degli omosessuali in Austria e Germania durante la dittatura nazista.

Herr Sulzenbacher, Sie haben sich bei Ihrer Arbeit als Ausstellungskurator und Autor eingehend mit der Verfolgung von Juden und jener gegen Schwule im Wien des 20. Jahrhunderts beschäftigt. Inwiefern gleicht sich die Verfolgung dieser beiden Bevölkerungsgruppen und worin unterscheidet sie sich hingegen? Der wesentliche Unterschied zwischen der Verfolgung von Jüdinnen und Juden auf der einen und den Schwulen auf der anderen Seite ist der Wille zur totalen Vernichtung der betreffenden Opfergruppe. Auch wenn manche Nationalsozialisten in Worten die „Ausmerzung“ der Homosexuellen forderten, mussten schwule Männer zwar eine enorme Ausweitung der Verfolgung und des Strafmaßes bis hin zur Todesstrafe erleiden, waren aber nicht den industriellen Vernichtungsmaßnahmen ausgesetzt. Während Ihres Vortrages haben Sie berichtet, dass die Verfolgung Homosexueller in Österreich viel schlimmer war als in Deutschland, sodass „die Verschärfung des Paragrafen 175 unter den Nazis eigentlich nichts anderes war als die Ausweitung des österreichischen Paragrafen 129/b auf ganz Deutschland“. Was war in Österreich anders?

Tatsächlich überlegten deutsche und österreichische Gesetzgeber und Richter in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts intensiv, was gleichgeschlechtliche „Unzucht“ denn sei. In Deutschland entschied man sich dafür, dass nur „beischlafähnliche Handlungen“ unter Männern den Tatbestand der „Unzucht“ darstelle, in Österreich hingegen wurden von Anfang an auch Frauen kriminalisiert. Zudem war in Österreich auch die Herbeiführung bzw. der Versuch einer unzüchtigen Handlung strafbar, eine Berührung, eine mündliche Aufforderung reichte schon für eine Verurteilung. Erst mit der nationalsozialistischen Gesetzesnovelle von 1935 traten diese Bestimmungen auch im Deutschen Reich in Kraft – mit der Ausnahme der Kriminalisierung weiblicher Homosexualität, die in der „Ostmark“ auch nach dem „Anschluss“ fortgeführt wurde. Henny Schermann gilt als die einzige Lesbe, die in einem Nazi-KZ ermordet wurde. Kann man deshalb davon ausgehen, dass es im NSRegime keine planmäßige Verfolgung homosexueller Frauen gegeben hat? Sicherlich ist Henny Schermann nicht die einzige lesbische Frau, die dem Terrorregime der Nationalsozialisten zum Opfer fiel. Nur wurden diese Frauen nicht als Lesben, sondern als politische Gegnerinnen oder Jüdinnen 26

vor kurzem keine Aufstiegshilfe für die Karriereleiter war.

Dottor Goretti, iI suo libro „La città e l‘isola“ è nato come tesi di laurea in Storia moderna nel 1987. A quei tempi in Italia erano già stati fatti degli studi sull‘argomento a livello accademico oppure era ancora un tabu? Come hanno reagito i suoi professori alla sua idea di scrivere una tesi su questa tematica? Ha trovato difficoltà a fare le sue ricerche? Di quali fonti si è avvalso? Ho cominciato a lavorarci nel 1987 e mi sono laureato nel 1991. Pochissimi erano gli studi accademici: qualche articolo di Giovanni Dall‘Orto e poco di più. La mia è stata essenzialmente una ricerca di archivio e „sul campo“, con le interviste ai protagonisti degli arresti. Credo che questo approccio, oltre all‘interesse per l‘argomento in quanto poneva luce su realtà non note, abbia convinto il mio relatore Giuliano Procacci, all‘epoca professore a Roma di Storia Contemporanea.

sì. In Italia si può essere gay, ma non bisogna né ostentare né chiedere.

In Italia non c‘è mai stata una legge che proibiva esplicitamente l‘omosessualità. Eppure durante il fascismo vi fu una repressione molto efficace. In che modo? Durante il ventennio fascista la prima strada che si tenta di percorrere per reprimere l‘omosessualità non è diversa da quella degli anni precedenti e non sarà diversa da quella che intraprenderanno i governi democristiani post-fascisti: è la strada del silenzio, della negazione dell‘esistenza dell‘omosessualità e dell‘omosessuale come persona portatrice di diritti. In seguito alle leggi razziali il Regime intraprende però una strada diversa: è la repressione diretta, con arresti e condanne al confino di polizia. Centinaia le persone confinate a partire dal 1939 e provenienti da più della metà delle città italiane.

Che colpe ha avuto la Chiesa cattolica nella repressione degli omosessuali in Italia durante il Ventennio? Quale colpa ha la Chiesa adesso? La Chiesa ha le stesse colpe sia ieri che oggi. Credo che sia la maggior responsabile del clima di omofobia che da sempre si respira nel nostro paese.

L‘Italia è rimasto uno dei pochi paesi in Europa a non avere una legge che regoli le convivenze delle coppie gay e lesbiche. Crede che questo sia in qualche modo il proseguimento della politica che il fascismo ha avuto in questa materia? Come dicevo prima, credo proprio di 27

Lei ha visto la mostra „Omocausto - Lo sterminio silenzioso degli omosessuali“ esposta a Bolzano? Secondo lei la mostra riesce a dare allo spettatore un quadro esaudiente della tragedia? La mostra, a parte alcune imprecisioni relative proprio al periodo fascista, è abbastanza completa. Secondo lei oggi il dramma degli omosessuali durante il fascismo è ormai entrato nella coscienza popolare o bisogna ancora lavorarci? Oggi conosciamo molto di quel periodo, grazie ad un buon numero di studi. Va ancora fatto un lavoro di diffusione del nostro sapere, specialmente nelle scuole, informando di quanto accaduto non solo gli studenti ma anche gli insegnanti.

Lei convive con Tommaso Giartosio, che ha scritto il libro insieme a lei. Qual è il suo augurio per le coppie gay e lesbiche in Italia? Che arrivi presto il pieno riconoscimento, sociale e giuridico, del loro amore. Lei è ottimista per quanto riguarda il futuro delle coppie gay e lesbiche in Italia? Abbastanza: mi sembra che il mondo stia andando verso una direzione di sempre maggiore comprensione e apertura nei confronti del modo LGBTQI. Quello che succede in Italia è solo resistenza reazionaria destinata a cadere.

> Andreas Unterkircher


Mit Witz, Charme und Niveau Was die „Golden Girls“ mit schwulen und lesbischen Obdachlosen zu tun haben

300.000 Dollar hat Beatrice Arthur in ihrem Testament dem Ali Forney Center in New York hinterlassen, welches sich um obdachlose lesbische und schwule Jugendliche kümmert, die auf Grund ihre sexuellen Ausrichtung von ihren Familien verstoßen wurden. Bekannt wurde Beatrice Artur als das größte „Golden Girl“ Dorothy Zbornak (die mit der tiefen Stimme). Die vielfach ausgezeichnete TV-Serie, in deren Mittelpunkt eine Alters-WG in Florida stand, griff zahlreiche Tabuthemen wie Homosexualität, Diskriminierung, AIDS, Sterbehilfe oder Armut und Sexualität im Alter auf und verpackte diese mit Witz, Charme und Niveau. Beatrice Arthur erhielt für ihre Rolle einen “Emmy” und wurde für vier “Golden Globes” nominiert. Von 1985 bis 1992 liefen die sieben Staffeln der Serie und bewiesen aller Welt, wie gut dritte Zähne zubeißen können und keineswegs alle Frauen jenseits der 60 mit einem Schlag zu lieben Großmütterchen werden. Die Herzen von Sitcom-Fans in aller Welt eroberten die vier Damen jedenfalls im Sturm. Auch heute noch laufen die Staffeln auf verschiedenen Fernsehkanälen und die DVD-Edition gehört zu den meistverkauften überhaupt. Als nach der 7. Staffel Bea Arthur die Serie verließ, versuchte man mit Estelle Getty, Rue McClanahan und Betty White die Serie als Golden Palace am Laufen zu halten – ohne Erfolg, die Zuschauerzahlen sanken in den Keller. Estelle Getty nutzte ihren Ruhm und ihre Popularität, um auf Hilfsorganisationen aufmerksam zu machen oder um Spenden zu sammeln, zum Beispiel für den Kampf gegen AIDS - ihr Neffe Stephen verstarb 1992 an der Krankheit. Und auch die beiden Freundinnen von Dorothy Zbornak, die männerverschlingende Blanche Devereaux (Rue McClanahan – kurz vor ihrem Tod im Juni 2010 wurde sie noch gefragt, ob sie so sei wie Blanche – Ihre Antwort darauf: “Well, Blanche was an oversexed, self-involved, man-crazy, vain Southern Belle from Atlanta… and I’m not from Atlanta!”) und die naive Rose Nyland (Betty White, das

mittlerweile einzige überlebende Golden Girl) engagierten sich in einer Vielzahl von Projekten und Organisationen. Die Serie “Golden Girls” war jedenfalls ein Vorreiter in Sachen Akzeptanz und Toleranz und ist schon in den Achtzigern sehr offen mit dem Thema “Homosexualität” umgegangen. Das dankte ihr eine riesengroße schwule Fangemeinde dankte. Auch wenn die Vier wegen zuviel Selbstironie nicht unbedingt Diva-tauglich waren, ihre Offenheit für Themen aller Art machte sie auch für Lesben, jüngere und ältere Frauen prinzipiell und auch für eine Heterogemeinde zu Ikonen. Zumindest Bea Arthur war Kontroversen um ihre Fernsehfiguren schon gewohnt. In der Fernsehserie Maude (ausgestrahlt in den frühen Siebzigerjahren) sorgte sie durch Tabu-Themen wie Abtreibung, Alkoholismus, Depressionen, Rassismus und Pornografie für zahlreiche kontroverse Diskussionen, die u.a. zu einer teilweisen Absetzung der Serie in einigen lokalen Stationen führte. Die Annäherung an die schwullesbische Golden Girls-Fangemeinde war von Anfang an geplant – mit der Figur des schwulen Kochs Coco, der allerdings nach der Pilotfolge zugunsten einer stärkeren Ausweitung der Figur Sophia Petrillos (Estelle Getty mit vorgetäuschter Demenz) aus der Serie genommen wurde. Warum die Serie für Schwule und Lesben trotzdem zum Kult wurde, wird immer noch in den verschiedensten Internet-Foren diskutiert. Es hat wohl damit zu tun, dass die Golden Girls eine selbst gewählte Familie sind, sich lieben und meist hassen, aber immer alles füreinander tun würden – so wie wir auch (?) in unseren selbstgewählten, ungesegneten Verbindungen. Der freche Humor, die vielen sexuellen Anspielungen und immer wieder ein schwuler Bruder („I don‘t really mind Clayton being homosexual, I just don‘t like him dating men,“ sagte Blanche, als ihr schwuler Bruder zum ersten Mal in Miami aufkreuzte.“You really haven‘t grasped the concept of this gay thing yet, have you?“, wollte Dorothy klarstellen. „There must be homosexuals 28

who date women,“ insistierte Blanche, woraufhin Sophia ins Spiel kam: „Yeah, they‘re called lesbians“), eine lesbische Jugendfreundin auf Besuch, die Käsekuchenkränzchen als Running Gag der klatschsüchtigen, unverfroren boshaften und sarkastischen alten Mädchen, eine Episode, in der Rose beinahe HIV positiv war - auf der Höhe der Welle, als man noch glaubte, die Krankheit sei eine reine „Schwulenseuche“: Vielleicht waren die Golden Girls ja auch nur die Vorläuferinnen der Frauen-Clique um Carrie Bradshaw in „Sex and The City“. Wohlwissend um ihre Fangemeinde engagierten sich Rue, Betty, Bea und Getty mit ihren prominenten Namen regelmäßig auch für die Rechte von Lesben und Schwulen. Ein großer Teil der Hinterlassenschaft Bea Arthurs ist nun auch für einen ganz bestimmten Zweck gedacht: Nach einer Studie aus dem Jahr 2006 sind 42 Prozent der 600.000 bis 1,6 Millionen jugendlichen Obdachlosen in den Vereinigten Staaten schwul, lesbisch oder transsexuell sein. Das war das Ergebnis einer Untersuchung der HomoGruppe National Gay and Lesbian Task Force und der ObdachlosenHilfsorganisation National Coalition for the Homeless. Der Bericht „Eine Epidemie der Obdachlosigkeit“ analysiert Regierungsstatistiken und Populationsstudien. Demnach sei mehr als ein Viertel der schwul-lesbischen Jugendlichen von ihren Eltern oder anderen

Erziehungsberechtigten nach dem Coming-Out vor die Tür gesetzt worden. Einmal auf der Straße, seien diese Unter21-Jährigen besonders gefährdet, eine psychische Störung auszubilden oder sich Krankheiten wie Aids einzufangen. Viele würden sich prostituieren, um an einem sicheren Ort schlafen zu können. Daher müsste es mehr Notunterkünfte speziell für Schwule und Lesben geben. So standen im Zeitraum der Untersuchung in der Metropole New York nur 65 Betten speziell für homosexuelle Obdachlose zur Verfügung. 2007 ergab eine vom New Yorker Stadtrat finanzierte Studie der

Obdachlosenorganisation „Empire State Coalition of Youth and Family Services“, dass 28 Prozent der mindestens 3.800 Obdachlosen unter 25 Jahren in New York City nach eigenen Angaben schwul, lesbisch, bi- oder transsexuell sind. Damit ist die Zahl der jungen homosexuellen Obdachlosen in der Metropole drei Mal höher als ihr geschätzter Bevölkerungsanteil vermuten lässt. Viele der jungen Obdachlosen suchen sich in HomoBars einen Sexpartner, bei dem sie die Nacht verbringen können. Trotzdem schliefen 42 Prozent auf der Straße, auf dem U-Bahn-Gelände oder in leerstehenden Häusern. Diese Studien hat wohl auch Bea Artur gelesen. Und dankte ihren schwulen und lesbischen Fans auf durchwegs effizienten Umwegen. Mit dem vermachten Geld will das Ali Fornay Center ein Haus bauen, in dem zwölf junge Menschen ein neues Heim finden, und dieses nach der

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Schauspielerin benennen. Carl Siciliano, Leiter der Einrichtung, dankt der Schauspielerin und ihrer posthumen Spende: „Wir sind überwältigt und dankbar, dass Bea gesehen hat, dass lesbischwule Jugendliche genauso viel Liebe und Unterstützung brauchen wie jeder andere Jugendliche, und dass sie den Wert unserer Arbeit erkannt hat, ihnen zu helfen und ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen“, sagte er einer New Yorker Tageszeitung.InsgesamthilftdasAliFornay Center mehr als tausend Jugendlichen pro Jahr. Es bietet Notschlafstellen und Übergangswohnungen an sieben Orten in New York. In zwei Tageseinrichtungen b e k o m m e n v e r s to ß e n e ju n g e L e s b e n und Schwule Essen, Kleidung, medizinische und psychische Betreuung, HIV-Tests und Behandlungen sowie Lernhilfe. > Uli Spitaler


AIDS, die Schwulenseuche? Zur Entstehung und Hartnäckigkeit eines Vorurteils.

Reich und schön oder auch double income, no kids sind die schöngefärbten Stempel, welche Schwulen, Lesben und deren Beziehungen vom Marketing aufdrückt werden. Wesentlich unfreundlichere Charakterisierungen waren im Laufe der Geschichte jedoch weitaus häufiger. Einen bizarren Höhepunkt der Vorstellung dessen, was vor allem Schwule sind oder zu sein haben, findet man Anfang der 1980er Jahre in den Auseinandersetzungen mit der damals völlig unbekannten Infektionskrankheit AIDS. Als man sich 1982 auf dieses Kürzel für Acquired Immune Deficiency Syndrom verständigte, hatte die Krankheit schon ein Jahr in den USA vor allem unter jungen Schwulen gewütet. So lautete eine der ersten Bezeichnungen auch noch Gay Compromise Syndrom. Als AIDS von US-amerikanischen Gesundheitsbehörden im Juni 1981 erstmals beschrieben wurde, klang bereits an, dass dieses Syndrom etwas mit der Homosexualität der Patienten zu tun haben könnte. Erste Ursachenbeschreibungen setzten beim angeblich typischen Lebensstil von Schwulen an: Promiskuität, intensiver Drogenkonsum – allen voran die Schnüffeldroge Poppers – aber auch häufige Sonnenbäder im Solarium kamen demnach als Grund für den Zusammenbruch des Immunsystems in Betracht. Die Medien nahmen sich der Thematik bald an und postulierten AIDS als Homosexuellen-Seuche

(Der Spiegel, 06.06.1983). Der österreichische Kurier etwa begründete diesen Denkschluss im März 1983 folgendermaßen: „Übertragen wird [HIV] insbesondere durch sexuellen Kontakt (viele Kontakte finden sich im Homosexuellenmilieu; die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken, steigt mit der Zahl der Kontaktpartner; nicht wenige haben bis zu 1000 Sexualpartner jährlich, daher auch der Name ‚Schwulenkrankheit’)“. Grundsätzlich war schon seit 1982 klar, dass HIV/AIDS nicht nur Schwule betrifft. Die hohen Infektionsraten ließen sich bald aus der erhöhten Ansteckungsgefahr bei ungeschütztem Analverkehr erklären. Die Medien reagierten darauf aber erst ab der Mitte der 80er Jahre, wodurch die Stigmatisierung HIV-Positiver als Perverse und Unmoralische, die aufgrund ihres ausschweifenden Lebensstils krank wurden, lange bestehen blieb. Knapp 30 Jahre, politische Kämpfe, Lobbyismus und Emanzipationsbewegungen sowie unzählige Konzepte zur Eindämmung der Krankheit später, scheint das Bild von AIDS und Schwulen gerader gebogen zu sein. Doch die Assoziation, AIDS sei eine Schwulenkrankheit, scheint trotzdem überlebt zu haben. Schaut man

sich etwa die österreichische AIDSPrävention an, findet man schnell einen Grund dafür: In allen Statistiken werden Schwule separat geführt und die Masse der Aufklärungsschriften richtet sich dezidiert an Schwule. Heißt es auf der einen Seite, dass HIV/AIDS alle Menschen im selben Ausmaße betreffe, wird auf der anderen Seite gruppenspezifisch unterschiedlich aufgeklärt, obschon die Übertragungswege immer die gleichen sind. Nur ein kleiner Teil der Aufklärungsschriften richtet sich an andere Gruppen: heterosexuelle Frauen und Männer, Jugendliche, MigrantInnen, Pflegeund Krankenhauspersonal, HIV-Positive. Während bei Schwulen die Gefahren unsicheren Sexes überdeutlich im Vordergrund stehen, wird der Rest besonders dahingehend aufgeklärt, wie ungefährlich etwa Erste Hilfe oder Alltagskontakte sind. Betrachtet man die Geschichte der größten österreichischen AIDSHilfe, der Wiener AIDS-Hilfe, sieht man, dass zu Beginn der Pandemie die Hauptrisikogruppen, inzwischen aber so genannte Zielgruppen der Aufklärung angesprochen werden sollen. Dieser begriffliche Wandel zeugt lediglich von einer sensibilisierten und auf zusätzliche Gruppen ausgedehnten Aufklärung. Denn einer Broschüre, die sich

an eine bestimmte Gruppe richtet, müssen zwei Grundannahmen zugrunde liegen: Erstens, dass die Gruppe aufgrund besonderer Gemeinsamkeiten zusammenfassbar ist und die einzelnen Mitglieder sich bei Anrufung angesprochen fühlen; und zweitens, dass in dieser Gruppe Aufklärungsbedarf besteht, sei es aufgrund der Unterstellung mangelnden oder falschen Wissens oder wegen der Vermutung, dass innerhalb dieser Gruppe HIV/AIDS eine besondere Rolle spielt.Die Gesellschaft wird also nach wie vor streng unterteilt und unterschiedlich aufgeklärt, wobei die Stereotype erschreckend starr sind: Schwule etwa werden oft nur über die Gefahren einer HIV-Übertragung bei gleichgeschlechtlichem Sex aufgeklärt, nicht jedoch über die Übertragung des Virus durch unsteriles Spritzenbesteck oder auf heterosexuellem Weg, und als Gruppe auch ausschließlich über die ausgeübte Sexualität definiert. Demgegenüber wird international inzwischen vermehrt von Männern, die Sex mit Männern haben gesprochen, da sich dieser Begriff an keine konkrete Identität richtet, sondern den Sexualakt fokussiert und somit neben Schwulen z.B. auch den verheirateten Familienvater mit einschließt, der gelegentlich Sex mit Männern sucht, sich deshalb aber nicht als schwul oder bisexuell wahrnimmt. Durch gruppenorientierte Aufklärung entsteht der bewusste Eindruck, dass AIDS einige mehr und andere weniger

anginge. Dadurch entstehen Missverhältnisse, die sich – trotz tendenziell steigender Neuinfektionsraten bei heterosexuellen Kontakten – nicht in der Präventionspraxis niederschlagen. Durch das Festhalten an Zielgruppen bzw. Risikogruppen werden die NichtRisikogruppen weiter weg von der Krankheit angesiedelt und darüber hinaus entsteht ein Ausschluss all jener, die nicht in eines der angebotenen Identitätsschemata passen (wollen), oder – wie etwa Transsexuelle – als selbständige Kategorie vom Aufklärungsmaterial erst gar nicht mitberücksichtigt werden. Dass sich die stereotypen Gruppenbilder aus simplen Gegensätzen speisen (schwul ist, wer nicht heterosexuell ist usw.), hängt wohl auch damit zusammen, dass präventive Sexualaufklärung stets ein Drahtseilakt ist, der die „Krankheitsgefährdeten“ gesund erhalten soll, aber gleichzeitig die Reproduktionsfähigkeit der Familie und damit des Staates insgesamt erhalten muss. Die scharfen Abgrenzungen der Gruppen untereinander unterbinden Überschreitungen der Identitätsgrenzen und betrachten solche als grundsätzlich negativ. Hier lebt das alte Vorurteil fort, dass Bisexuelle das Virus von der geschlossenen homosexuellen Szene in die heterosexuelle Welt transportieren würden. Also erhebt die österreichische HIV/ AIDS-Aufklärung stringente Identitäten und monogame Zweierbeziehungen

zum Ideal. Die einstigen Risikogruppen werden dabei als tendenziell promisk und selbstzerstörerisch betrachtet, wodurch Verhütung und Safer Sex ohne Einschränkung – auch in monogamen Beziehungen – gepredigt werden. Zum anderen werden all jene, die keiner gefährdeten Gruppe angehören – Frauen, Männer und Jugendliche –, zu monogamen Zweierbeziehungen normiert, bei denen die Safer SexBotschaft Einschränkungen erfährt: Das Kondom wird hier durch Monogamie unnötig. Auch wenn Krankheiten gern mit Metaphoriken überladen werden, kennen Viren und Bakterien keinen Unterschied zwischen arm und reich, schön und hässlich oder homo und hetero. Krankheit ist und bleibt ein Bestandteil allen Lebens. > Florian Anrather

Die Diplomarbeit „Zur Konstruktion und Normierung von Identität und Sexualität im Diskurs der österreichischen AIDS-Hilfen“, auf der dieser Text beruht, wurde mit dem agpro-Förderpreis 2009, zur Förderung wissenschaftlicher Leistungen zum Thema Homosexualität, ausgezeichnet.

Abb.: Eines der Motive der berühmten AIDS-Aufklärungskampagne der französischen AIDS-Hilfe-Organisation AIDES von 2004. Der Slogan dazu: „Ohne Kondom machst Du mit dem Virus Liebe.“ Die Kampagne war sehr erfolgreich, wurde aber auch vielfach kritisiert. Unter anderem wurde ihr vorgeworfen, AIDS-kranke Menschen als Monster zu stigmatisieren.

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Celebrating Life 2010

KAY RAY

Charity Event der Südtiroler Aidshilfe Pro Positiv im Kurhaus Meran

Haarscharf – vom schwulen Friseur zum Star!

„Nicht jeder, der einen Bombensack hat, ist ein Terrorist!“ Recht hat es, das frechste Aphrodisiakum des Erdballs. Kay Ray macht und will Spaß - mit allen Schikanen! Rote Rasta-Locken, gelbe Schuhe mit grünen Sohlen, oder lieber weizenblonde Strubbelmähne, rote Stiefel mit blauem Absatz? Nur kein Konformismus. Auf jeden Fall hauteng, quietschbunt und 100% Polyester. Immer wieder anders. Blitzschnell, intuitiv schnappt das pfiffige Improvisationswunder nach Fäden, die sein Publikum arglos auslegt, strickt daraus in der nächsten Sekunde sein hemmungslos prickelndes Programm, hüpft als freies Radikal über die Bühne und stellt jeden Rauschgoldengel in den Schatten. Mit expressiver Stimme singt der androgyne Edel-Punk große Pop-Perlen, interpretiert eigenwillig Diven wie Marlene, Zarah, Milva... und erzählt charmant, nonchalant, kess, selbstironisch Stories über große Politik (er mag übrigens hässliche PolitikerInnen, weil die sich nicht hochgeschlafen haben) und kleine Nickeligkeiten, spießige Provinzler, exzentrische Friseure (er war mal einer), hysterische Tunten oder kauzige Tanten. Ein schrill schillernder, wandlungsfähiger Froschkönig, zum Knutschen, zum „An-die-Wandknallen“, hinter dem ein empfindsamer, hellwacher Prinz steckt. Kay Ray polarisiert und provoziert, hat „ungeschützten Publikumsverkehr“, ist über- und ergreifend, und wie kein anderer versteht er es, traumwandlerisch zwischen Sauerei und Sensibilität zu lavieren. Dabei versucht er, die Gegensätze auszuloten, spielt extrem mit Worten und konventionellen Ansichten und tummelt sich auch gern unter der Gürtellinie: „Ich bin politisch unkorrekt und versuche das mit schönen Balladen auszugleichen.“ Improvisation ist dabei ein wichtiges Element. Es gibt zwar fertige Textfragmente, die Kunst liegt dann aber darin, im richtigen Moment, den richtigen Textbaustein parat zu haben. Kay Ray sieht sich selbst als Apotheker 32

vor einem Apothekenschrank mit Tausenden von Schubladen: „Und in jeder sind Sätze, Wörter und Gesten. Je nachdem was passiert, ziehe ich eine auf und greife hinein. Insofern sind meine Shows improvisiert, da jeden Moment etwas Neues auf der Bühne entstehen kann. Das Warten auf die Rückkehrenden von der Toilette - ‚Die Show geht erst weiter, wenn „Stefan mit dem Streifenpulli“ von der Toilette zurück ist‘ - ist schon ein Klassiker. Neulich gab es eine Situation, die meine Art der Improvisation beschreiben kann. In der Geschichte nehme ich das Oma-Englisch auf die Schippe, also trage englische Wörter konsequent deutsch vor. Eine Frau im Publikum sagte: ‚Mein Gott! Das heißt nicht Take Tat, sondern Take That.‘ Ich antwortete ihr: ‚Mein Gott! Und sie glauben jetzt, ich wüsste das nicht. Ich hatte auch mal so eine vorlaute Frau wie Sie, seitdem bin ich schwul‘.“ Die Texte und Wörter kommen in die einzelnen Schubladen durch Beobachtung von allem, was Kay Ray umgibt: „Ich sehe eine Geste und gucke sie mir ab. Selbst mein Make-up, meine Kostüme und meine Bewegungen auf der Bühne entstehen auf diese Weise. Kleinigkeiten, die ich aufschnappe und dann einbaue. Auch emotionale Gegensätze mag ich. Manchmal sind es auch Sätze aus der Zeitung. Ich habe ein fotografisches Gedächtnis, das ist das Geheimnis. So kann ich mich auf der Bühne in ein Thema verballern und dann fallen mir die passenden Kommentare, Zitate und Anekdoten ein.“ Diese Art der Improvisation stand auch bereits am Anfang der künstlerischen Laufbahn von Kay Ray. Schon mit 16 Jahren wurde ihm klar, dass er auf die Bühne wollte. Damals war er Gast in einer Show, wurde auf die Bühne geholt und sollte veralbert werden. Er drehte das Spiel um und nahm die Show in seine Hände. Der Spaß am 33

Unterhalten war entdeckt. „Hinzu kam das Streben nach Perfektionismus, eine Show zu entwickeln, die meine eigene Show ist. Immer auf der Suche, wie ich die Menschen zum Lachen bringe, sie kriege und nicht mehr loslasse. Sie sollen möglichst lange lachen und lange bleiben. Und sie sollen auch über Sachen lachen, über die sie sonst nicht lachen.“ Live zu erleben ist KAY RAY im Bozner Kleinkunsttheater Carambolage in der kommenden Theatersaison, und zwar vom 24. bis 26. März 2011. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr. Infos & Tickets: www.carambolage.org Tel. +39 0471 981790


Prinz Eugen Der „schwule“ Feldherr?

Bis 6. Juni zeigte das Wiener Belvedere eine Ausstellung über Prinz Eugen von Savoyen, den österreichischen Feldherrn französischer Herkunft. Mit Gerüchten über die Homosexualität Eugens geht man dabei offensiv um, obwohl die Ausstellung sonst über historisch fragwürdige Heldenverehrung kaum hinauskommt. Guide Andreas Brunner von QWIEN - dem Zentrum für schwul/lesbische Geschichte in Wien entwarf im Auftrag der Grünen Andersrum Wien eine Führung durch die Ausstellung, die einen anderen Blick auf die ausgestellten Objekte erlaubt. Nach heutigen Kriterien hätte Eugen in Österreich weder eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen noch Karriere machen können: er sprach kein Wort deutsch (und lernte es auch nie ordentlich), er hatte keine finanzielle Absicherung (in den ersten Wiener Jahren lebte Eugen auf Pump) und er hatte auch keine berufliche Ausbildung (außer die niederen Weihen als katholischer Geistlicher) - kurz er war ein Wirtschaftsflüchtling, dem in seiner französischen Heimat die gewünschte Karriere im Heer Ludwigs XIV. verweigert wurde. Dann hatte Eugen Glück. Als er nach einer spekta-kulären Flucht in Frauenkleidern in Passau Audienz bei Kaiser Leopold I. erhielt, stellte dieser gerade ein Entsatzheer für das von den Türken besetzte Wien zusammen. Der Traum vom eigenen Regiment blieb Eugen 1683 noch verwehrt, er stieg aber in den folgenden Jahren im Eilzugstempo die Karriereleiter hoch, sein taktisches Geschick aber auch sein Hang zu wagemutigen Aktionen halfen ihm dabei. Spätestens mit der Schlacht bei Peterwardein und dem daraus folgenden Frieden von Passarowitz (1718) hatte Eugen ausgesorgt, die Armee des Osmanischen Reichs war aus Ungarn und Teilen des Balkans verdrängt worden und er hatte dem Reich der Habsburger zu seiner größten geografischen Ausdehnung verholfen. Die Ausstellung im Wiener Belvedere vermied es politische Hintergründe darzustellen. Alles wurde dem unkritischen und unreflektierten

Jubel über den großen Bauherrn, Kunstsammler, Naturliebhaber und Philosophen untergeordnet. Der türkische Feind bleibt dabei in der Ausstellung seltsam nebulös, man vertraute offenbar auf die negativen Bilder, die die BesucherInnen der Ausstellung über die Grausamkeit der Türken im Hinterkopf tragen. Nichts ist auch von der Brutalität der christlichen Heerscharen zu sehen oder zu lesen, sei es vom Massaker in Ofen (1786), oder von der grausamen Verfolgung der Protestanten in Ungarn. Dass im Osmanischen Reich religiöse Toleranz herrschte, während im Reich der Habsburger Andersgläubige vertrieben oder umgebracht wurden, fand in der Ausstellung keine Erwähnung. In dieses verlogene Bild, das Geschichte beschönigt anstatt zu erklären, passt auch, dass in der Ausstellung jeder Hinweis auf die Verehrung fehlt, die Eugen durch die Nationalsozialisten und heute noch durch Rechtsradikale und Rassisten erfährt, wenn sie Eugen preisen, weil er „die Türken“ aus Europa vertrieben hätte. Frauenfeindlichkeit Da Prinz Eugen bei seinem Tod 1736 kein Testament hinterließ, fiel sein Erbe an seine Nichte Viktoria von Savoyen. Mehr als drei Jahre dauerte es, bis Kaiser Karl VI., der sich auf das reiche Erbe Eugens Hoffnungen gemacht hatte, Viktoria als Erbin anerkannte. Die mit ca. 15.000 Bänden einzigartige Bibliothek Eugens und die Schlösser hatten sich die Habsburger sichern können, seine Kunstsammlung wurde in ganz Europa verstreut. Dafür hat Viktoria von Savoyen in Wien heute noch die schlechte Nachrede, vielmehr noch: die Direktorin des Belvedere, Agnes Husslein, denunzierte Viktoria via ORF als fette, alte und geldgierige Vettel, die das wertvolle Erbe des großartigen Prinzen verjubelt hätte. Weder die Kuratorin der Ausstellung, Marie-Louise von Plessen, noch Agnes Husslein sind sich ihrer internalisierten Frauenfeindlichkeit bewusst, wenn sie Viktoria das Recht absprechen, mit ihrem rechtmäßigen Erbe zu machen, 34

was sie wollte. Denn wer war denn diese ominöse Nichte, die so schlecht wegkommt: Bis zu ihrer Erbschaft lebte Viktoria in einem Kloster, weil die Familie kein Geld (Mitgift) für ihre Verheiratung ausgeben wollte. Das übliche Schicksal einer adeligen Frau des Barock. Jenseits der 50 hatte sie nun endlich die Möglichkeit ein unabhängiges Leben zu führen, sich mit einem jungen Prinzen aus dem Hause Sachsen-Hildburghausen zu vermählen und ihren Reichtum zu genießen. Das macht man ihr in Wien bis heute zum Vorwurf. Ähnlich verfuhr man auch mit Lady Mary Wortley Montagu, einer britischen Diplomatengattin, von der ein kleiner Kupferstich in der Ausstellung zu sehen war. Sie besuchte Prinz Eugen im Wien und ließ sich von ihm seine umfangreiche Sammlung an Kupferstichen zeigen. Berühmt wurde Lady Montagu aber als Reiseschriftstellerin, weil sie das diffamierende Bild, das christliche Schriftsteller über das Osmanische Reich verbreiteten, in ihren Briefen aus Konstantinopel zurecht rückte. Sie hatte die Landessprache gelernt und schildert das Osmanische Reich als Gesellschaft, die Wissenschaft und Kunst förderte und gegenüber Andersgläubigen tolerant war. Zur Zeit Eugens gab es in Konstantinopel 40 Synagogen, aus Wien waren alle Juden auf Geheiß Kaiser Leopolds 1670 vertrieben worden. Nur privilegierte Juden, wie der Hoffaktor Samuel Oppenheimer, der die Türkenkriege Kaiser Leopolds finanzierte, erhielten in Wien eine Aufenthaltsgenehmigung. Der „schwule“ Prinz Gleich im Eingangsbereich der Ausstellung las man das berühmte Zitat von Liselotte von der Pfalz, Eugen habe sich nicht mit Damen „incommodiert, ein paar schöne Pagen wären besser seine Sache“ gewesen. Liselotte, die wittelsbachische Prinzessin aus der Kurpfalz, ist die einzige Quelle für Eugens Homosexualität, sie berichtete in ihren Briefen an die deutsche Verwandtschaft ausführlich von Skandalen am Pariser Hof, war

sie doch aus politischer Räson mit dem offen homosexuell lebenden Bruder König Ludwigs XIV., Philipp von Orleans, verheiratet worden. Die Glaubwürdigkeit Liselottes wurde immer wieder angezweifelt, sie wollte Eugen schaden und hätte deshalb das Stigma der Homosexualität erfunden. Und es stimmt auch, dass Liselotte die Nachrichten über Eugens Homosexualität zu einem Zeitpunkt verbreitete, als Eugen im Spanischen Erbfolgekrieg Frankreich in große militärische Bedrängnis brachte. Man darf allerdings nicht mit den Vorstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts an das Thema Homosexualität im Barock herangehen. Die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, das im Grunde bis zu Kaiser Joseph II. gültige Strafgesetzbuch des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, sah drakonische Strafen vor: „So ein Mensch mit einem Vieh, Mann mit Mann, Weib mit Weib, Unkeuschheit treiben, die haben auch das Leben verwirkt, und man soll sie der gemeinen Gewohnheit nach mit dem Feuer vom Leben zum Tode richten.“ Der Gesetzestext basiert auf einem theologischen Begründungssystem: Einerseits der Erzählung von Sodom und Gomorrha aus dem 2. Buch Mose, verbunden mit dem 6. Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“ und der christlichen Ehemoral, die Paulus im 1. Korintherbrief formuliert. Das Erstaunliche ist: Aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist aus dem Heiligen Römischen Reich kein einziger Fall bekannt, in dem dieses Gesetz vollstreckt worden wäre. Das hat einen Grund: Das Delikt war auf Analverkehr beschränkt - der sexuelle Akt ist verpönt, die Vergeudung des Samens zu einem Zweck, der nicht der Fortpflanzung dient. Homosexualität wird nicht als Seinsweise, als Teil der Identität eines Menschen begriffen, wie wir dies heute tun. Das heißt aber auch, dass andere sexuelle Handlungen, oder zärtliche Liebesbekundungen zwischen Männern nicht als Verbrechen beurteilt wurden. Und es heißt, dass wir mit begrifflichen Zuweisungen vorsichtig sein sollten, weshalb ich nur vom „schwulen“ Prinzen spreche, zuviel verbinden wir heute mit „schwul“, was mit einem Verständnis von Sexualität vor der Mitte des 19. Jahrhunderts wenig zu tun hat.

Der spannendste Teil der Ausstellung rekonstruierte Teile der Kunstsammlung Eugens. Zwei besonders schöne Objekte seien herausgegriffen: „Betender Knabe oder Adorant“. Eugen hat die antike Bronzefigur 1717 um den beachtlichen Preis von 18.000 Francs vom Sohn des französischen Finanzministers erworben. Sie stammt aus dem Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. und wurde wahrscheinlich auf Rhodos gegossen. Die genaue Deutung bleibt offen, da schon in der Antike beide Arme verloren gingen und man auch nicht weiß, ob und wenn ja, was der Knabe in Händen hielt. Die Statue stand wahrscheinlich im Stadtpalais Eugens und gelangte nach seinem Tod über Umwege in den Besitz König Friedrichs des Großen von Preußen, der sie im Schlosspark von Sansoussi aufstellte. Friedrich hatte zeitlebens unter dem Trauma gelitten, dass sein Vater, der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg, seinen Liebhaber Katte vor seinen Augen zu Tode prügeln ließ. Die beiden Jungen waren dem militärischen Drill des Königs entflohen, was als Hochverrat mit dem Tode bestraft wurde. Der herzlose Herrscher wollte auch seinen eigenen Sohn zum Tode verurteilen, Prinz Eugen und Kaiser Karl VI. intervenierten dagegen schriftlich. Mit Erfolg. Als der greise 71-jährige Eugen zu seinem letzten Gefecht, dem Polnischen Erbfolgekrieg, ausritt, diente der jugendliche Fritz beim alten Feldherrn als Adjudant. Zeitlebens sollte er von Eugen nur in den höchsten Tönen sprechen: „Wenn ich etwas tauge, wenn ich etwas von meinem Handwerk verstehe, namentlich in schwierigen Feinheiten, so verdanke ich es dem Prinzen Eugen.“ Das zweite Kunstwerk stammt von Antonis van Dyck und Werkstatt: „Amaryllis und Mirtillo“. Die Geschichte, die dieses barocke Gemälde erzählt, bezieht sich auf die Tragikömödie „Il Pastor Fido“ von Giovanni Battista Guarini, die sich großer

Amarilli e Mirtillo (Ausschnitt), A. Van Dyck, 1631-32, Galleria Sabauda Turin.

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Beliebtheit erfreute und wegen ihrer drastischen Erotik ebenso verpönt war. „Il Pastor Fido“ wurde mehrfach vertont, u.a. von Georg Friedrich Händel. In Arkadien ordnet die Nymphenkönigin Amaryllis unter ihren Nymphen einen Kusswettbewerb an, in dem sie selbst die Schiedsrichterin sein soll. Der Hirte Mirtillo, der Amaryllis unsterblich liebt, verkleidet sich als Frau und gewinnt den ersten Preis. Van Dyck hält den Moment fest, in dem sich Mirtillo zu erkennen gibt und Amaryllis seinen Siegerkranz aufsetzt. Mit einem weiteren Kuss wird er ein Orakel erfüllen und Arkadien von einem Fluch befreien. Obwohl der Kusswettbewerb entschieden ist, küssen sich die Nymphen rund um das Paar weiterhin inbrünstig. Ein paradiesisches, lesbisches Idyll. Auffallend ist noch eine dunkelhäutige Frau, die über die sanfte Orgie wacht. Mit dieser „das Fremde“ betonenden Figur wird die Exotik der Szene noch verstärkt und in eine Welt der „Anderen“ enthoben, womit queeren Bildinterpretationen Tür und Tor geöffnet ist. Eines hat die Ausstellung über Prinz Eugen bei allen Mängeln gezeigt. Die Beschäftigung mit Eugen von Savoyen bringt auch jenseits des SchlüssellochBlicks und Mutmaßungen über mögliche Liebhaber für die Geschichte der Homosexualität zahlreiche spannende Facetten zu Tage. Diese Forschungen stehen allerdings erst am Anfang. Das Zentrum QWIEN, das im Juni auch das erste Archiv für die Geschichte von Schwulen und Lesben in Österreich eröffnet, wird diese auf jeden Fall fortführen. > Andreas Brunner (Info: www.qwien.at)


Lesben in Nordtirol:

Saffo

Arm und sexy oder doch reich und schön?

lesbisch feministischer freiraum | spazio libero lesbico feminista

Anlässlich des ersten ChristopherStreet-Days in Innsbruck hatte auch das Autonome FrauenLesbenZentrum (AFLZ) einen Wagen geschmückt. Der Slogan auf der Plane lautete: „Arm aber sexy!“

finanziellen Unterstützung seitens des Landes schafft es der Verein seit 26 Jahren mit verschiedensten Aktivitäten FrauenLesben einen attraktiven, gesellschaftlichen Bezugsort zu schaffen.

Die Vorgeschichte dieser selbstbewussten Aussage ist folgende: Jedes Jahr zittert das AFLZ von Neuem, ob ein Weiterbetreiben möglich ist, oder ob zugesperrt werden muss. Denn leider gibt es in Tirol keinen politischen Konsens über die Notwendigkeit von feministischer Frauenarbeit. Die für Frauenangelegenheiten zuständige Landesrätin hält den Verein für nicht unterstützenswert. Deshalb musste im Vorjahr das Sozialreferat helfend einspringen, dieses Jahr war es freundlicherweise das Sportressort. Neben den Subventionen finanziert sich der Verein AFLZ mit ehrenamtlicher Arbeit, Mitfrauenbeiträgen und Spenden. Auf den Flyern, die am CSD verteilt wurden, stand: „Wir haben zwar kein Geld, aber wir machen was draus!“ Der Beweis: trotz der geringen

Das Café „Anchorage“ ist Mittwoch und Freitag abends geöffnet. Hier können die Besucherinnen in gemütlicher Runde ratschen und etwas trinken. Auch Lesungen finden dort statt. Zum Beispiel war die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch, aber auch die Filmemacherin und Kulturtheoretikerin Christina von Braun hier, sowie die Autorinnen Karen Susan Fessel oder Antje R. Strubel, um nur einige zu nennen. WenDoGruppen (Selbstverteidigung von und für Frauen) trainieren seit Jahren regelmäßig. Der Lesbenchor „Biss Gur“ probt zwei Mal im Monat und tritt zu besonderen Anlässen auf. Hier können sich alle Sängerinnen beim Umtexten der ausgewählten Lieder kreativ austoben. Das Repertoire reicht von mittelalterlichem Liedgut über Reggae bis hin zu deutschen

Schlagern. Einmal im Quartal wird eine Lesbendisco organisiert. Dafür werden aber wegen der Lautstärke geeignetere Räumlichkeiten angemietet. Die Musik ist bunt gemischt und von der DJane abhängig: Von Pop über Emo, House, Discofox, bis hin zu LatinSound, New Wave und deutschen Schlagern ist alles drin. Konzerte, wie zum Beispiel im Juli 2010 mit Clara Luzia, werden in Kooperation mit dem Innsbrucker Veranstaltungszentrum pmk organisiert. Seit 1983 gibt es nun das Autonome FrauenLesben Zentrum schon in Innsbruck. Es ist der einzige Ort in Westösterreich, an dem FrauenLesben für sich sein können, an dem kulturelle Veranstaltungen ausschließlich von und für Frauen organisiert werden. Klingt doch eigentlich alles nach „reich und schön“, oder...?

> Michaela Fessel Raitmayr | pixlerei.at)

(Grafik:

Birgit

Die Frauen vom Lesbentelefon haben einen Neuanfang gemacht. Der Name ist neu, ist Programm und lässt viel Raum offen für ein erweitertes zukünftiges Engagement. Saffo ist die aus dem Lesbentelefon des Centaurus hervorgegangene, sich weiterentwickelnde Gruppe, deren Schwerpunkt aber weiterhin in der Informations- und Beratungstätigkeit rund um das lesbische Leben und Lieben liegt. Neu ist auch, dass das Beratungsangebot seit Mai 2010 vom Sitz des Centaurus ins Frauenbüro am Pfarrplatz verlegt wurde: So kann neben der Telefonberatung auch eine leicht zugängliche persönliche Beratung im Zentrum Bozens angeboten werden. Dafür eingesetzt hat sich nach längeren Anfragen das Sozialassessorat der Gemeinde Bozen. Offriamo consulenze telefoniche, personali e via e-mail sui seguenti ambiti tematici: come sostenere ragazze e donne nel loro percorso di coming out interiore ed esteriore; come reagire all’omofobia e alla discriminazione;

informazioni su appuntamenti, eventi e manifestazioni nella nostra regione e non solo; informazioni su altre realtà di consulenza e sostegno operanti in Alto Adige; contatti per associazioni, servizi di consulenza e istituzioni che intendono affrontare i molteplici aspetti della vita lesbica; prestito di libri, riviste, letteratura specialistica e film. Dall’altro il nostro servizio mira a sensibilizzare l’opinione pubblica rispetto a questa realtà e a creare possibilità di scambio e di dialogo. Le collaboratrici del servizio hanno dei background professionali e personali diversi tra loro, sono bilingui e lavorano a titolo gratuito. Il servizio garantisce l’anonimato e non costa nulla. Per tutte le consulenze vale il principio della massima riservatezza. La concezione di fondo che permea il nostro spazio lesbico-femminista è di tipo umanista. Ci impegniamo per l’affermazione del rispetto reciproco, della reciproca considerazione e valorizzazione tra donne e uomini, lesbiche e gay, transgender e eterosessuali, tra persone di diverse culture e di diverse religioni. Il nostro approccio si basa

Tel. +39 0471 997076 / Tel. +39 0471 976342 jeden Donnerstag von 20.00 – 22.00 Uhr ausgenommen Feiertage. im Frauenbüro des Interkulturellen Frauenzentrum am Pfarrplatz 21 39100 Bozen Tel. +39 0471 997076 / Tel. +39 0471 976342 ogni giovedì dalle 20.00 alle 22.00 eccetto i giorni festivi. presso l’Ufficio Donna del Centro Interculturale delle Donne in Piazza della Parrocchia 21 39100 Bolzano e-mail: lesbianline@centaurus.org

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sulla visione di una società egalitaria che non crea emarginazione e in cui le forme di vita lesbiche possano essere visibili e godere di pari diritti. Nel nostro agire lesbico-femminista puntiamo alla equiparazione giuridica di donne e uomini e alla valorizzazione della differenza femminile all’interno della parità dei sessi. Saffo è un gruppo autonomo di donne lesbiche che collabora in forma stretta con l’associazione Centaurus. La scelta di dislocare il nostro servizio in un luogo rilevante per la politica delle donne come il Centro Interculturale delle Donne del Comune di Bolzano favorisce il nostro intento di dare visibilità alle realtà di vita omosessuali. Desideriamo trasmettere impulsi e stimoli culturali di carattere lesbico alla cultura femminile pubblica e inoltre offrire occasioni e opportunità di incontro e di scambio a tutte le donne, indipendentemente dal loro orientamento sessuale. Sappiamo infatti che l’accettazione delle unioni lesbiche aumenta solo se aumenta anche la varietà di scelte di vita socialmente riconosciute che le donne possono compiere. > Evi Ferrarini


l[i]eben. uferlos und andersrum Ein Ausstellungsbericht aus dem Volkskundemuseum Graz

Das Grazer Volkskundemuseum zeigte von 16.2. bis 26.10.2010 mit der Ausstellung „l[i]eben. uferlos und andersrum“, dass sich auch eine öffentliche Institution wie das Steirische Landesmuseum Joanneum sinn- und respektvoll mit queeren Themen auseinandersetzen kann. Das Centaurus Magazine wünscht auch den Südtiroler Institutionen den Mut für ein derartiges Engagement und hofft, das eines Tages beispielsweise auch das Südtiroler Volkskundemuseum in Dietenheim oder das Südtiroler Museum für Kultur und Landesgeschichte Schloss Tirol der versteckten, vergessenen oder verdrängten lesbischen und schwulen Geschichte Südtirols einen Platz einräumt. Als Inspiration für eine gelungene Kulturpolitik drucken wir, mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde, einen Ausstellungsbericht von Mag. Dr. Johann Verhovsek ab. Ein großes Lebzeltherz mit grell rosa Randverzierung, pinken Herzchen und weißem Enzian, dazu die berühmten drei Worte. Zwei Hände halten diese Liebesgabe weihevoll vor ein Gesicht, das weder einer Frau noch einem Mann zuordenbar ist. Die in Ansätzen erkennbaren nackten Schultern verleihen dem Plakat eine erotische Note. Mit sowohl rustikaler als auch androgyner Symbolik wird die seit 16. Februar 2010 im Volkskundemuseum Graz laufende Sonderausstellung „l[i]eben. uferlos und andersrum“ beworben. Wer mit der vieldeutigen Werbebotschaft und dem verheißungsvollen Titel nichts anzufangen weiß, erfährt im Internet , dass es um „eine Auseinandersetzung mit Liebe, Begehren und Geschlechterrollen“ geht, „die neue Blicke auf die Sammlung des Volkskundemuseums gewährt und les_ bi_schwulem Leben und Lieben in der Steiermark auf der Spur ist“. Warum der Aspekt der Spurensuche nach les_bi_ schwulem Leben und Lieben in dieser Beschreibung zuletzt genannt wird, bleibt aber ein Rätsel, denn tatsächlich steht die Geschichte und Entwicklung der Homosexuellen-Bewegungen in der Steiermark klar im Vordergrund dieser Sonderausstellung. Etwas verwirrend für den Besucher ist auch der Umstand, dass es zwei räumlich voneinander getrennte, einander kontrastierende Ausstellungsbereiche gibt. Der Stöcklsaal des Volkskundemuseums beherbergt die Auseinandersetzung mit dem Thema Homosexualität. Im Haupthaus dagegen werden durch sechs Interventionen in der Dauerausstellung kulturhistorische Aspekte heterosexueller Liebe

angerissen. Um die bestehenden Zusammenhänge dennoch erkennen zu können, sollte ein Besuch im Haupthaus beginnen, wo die Kuratorin dieses volkskundlichen Teiles Eva Kreissl, bei ihrer Konzeptionsarbeit mit der Tatsache konfrontiert war, dass die Sachzeugnisse, die von Volkskundlern gesammelt wurden, ausschließlich die herrschende sexuelle Norm repräsentieren. Man habe daher kein einziges Objekt, das auch nur im Geringsten auf Homosexualität verweist, erläutert die Kuratorin, obwohl es gleichgeschlechtliche Liebe immer gegeben hat. Das Geheime, Sittenwidrige und Unerwünschte war nicht museumswürdig und flüchtig. Daher entschloss sich Eva Kreissl dazu, das Unsichtbare durch die Betonung und Hinterfragung des Sichtbaren ans Licht zu bringen. Die Interventionen setzen an ausgewählten, zum Teil neu zusammengefügten Objektgruppen an. Umfangreiche, gut formulierte Texttafeln erläutern den Kontext, informieren über historische Zusammenhänge und werfen Fragen auf. Die Titel der Interventionen erwecken Interesse. Die Tafel 2 mit der Überschrift: „Happy End – die Eheschließung“, begleitet eine prall gefüllte Hochzeitstruhe. Sie symbolisiert die gesellschaftlich akzeptierte Liebe, die in eine Heirat mündet und die „legitime Fortpflanzung“ sichert. Die Tafel 4 trägt den Titel: „Gegürtete Männer – geschürzte Frauen“. Das dazugehörige Objektensemble präsentiert Kleidungsstücke, die „körperliche Vorzüge in einem besonders günstigen Licht erscheinen lassen“. Die Lederhose mit kunstvoller Auszier und Betonung des Hosenlatzes etwa, oder die Miederleibchen mit 38

Hüftpolster, dazu ein wattierter Brustlatz mit Goldborte und das Brusttuch sind in diesem Bedeutungsfeld Blickfänge und zugleich sexuelle Animationshilfen. Auch Liebesorakel, die unter der Headline: „Er liebt mich – er liebt mich nicht“, zusammengefasst und als Spielereien bis heute bekannt sind, bezogen sich in der Vergangenheit „eigentlich auf eine Heirat“. Das „Bohnengreifen“, das „Scheitelziehen“ oder das „Buchstabengreifen“ sollten Vorzeichen für zukünftige Ereignisse liefern, die die Liebe betrafen und im günstigsten Fall die Heirat meinten. In der volksmedizinischen Abteilung werden zahlreiche Mittel und Rezepturen vorgestellt, die der Liebe und der Fruchtbarkeit auf die Sprünge helfen sollten. Die Aphrodisiaka der ärmeren Schichten muten heute seltsam an, da sie alltäglich Verwendung finden. Gewürzen wie Kardamom, Muskatnuss, Anis, Vanille oder Genussmitteln wie Kakao wurde jedoch sexuell stimulierende Wirkung zugesprochen. Der Biber, so erfährt man, wurde fast ausgerottet, weil das fetthaltige Sekret aus seinen Drüsensäcken unter dem Namen „Bibergeil“, als erotisierende Substanz für Parfums und Salben herhalten musste. Diese Eingriffe in die bestehende Schausammlung zeigen, wie eine neue, andere Re-Kontextualisierung den Blick auf und die Interpretation von Realien verändern kann. Damit werden endlich Wirklichkeitsbereiche exponiert, die nicht nur die Welt des Guten, Wahren, Schönen betreffen. Die Not (der fehlenden Objekte zum Thema Homosexualität) gereichte zur Tugend der Erweiterung des Blicks auf die sexuellen Komponenten der Musealien. Die Einbindung der Interventionen in das Bestehende erfolgt aber fast zu perfekt.

Die Texttafeln sind nur durch eine beinahe farblose Spezialtapezierung von den übrigen Hinweisen in der Dauerausstellung zu unterscheiden. Die vielleicht dahinterstehende Absicht, auf diese Weise die Alltäglichkeit des Themas „Liebe und Begehren“ zu unterstreichen, ist hehr. Aber das Besondere dieses Ausstellungsteiles hätte mehr Störung, ja Verstörung, verdient. Ganz anders agierten die Kuratoren Barbara Sommerer und Jakob Pock im Stöcklsaal. Der schon angesprochene starke Kontrast zum ersten Teil der Ausstellung bleibt ohne erkennbare Verbindung. Die Besucher gelangen beim Eintritt in ein in rosa Tönen gehaltenes Wohnzimmer mit weißem Sofa, Fernseher, Designerlampe und einer überdimensionalen Schubladenwand. Mit einem lauten Klack-Ton, von unsichtbarer Hand angetrieben, öffnen und schließen sich einzelne Laden. Wer dem Reiz erliegt, selbständig Laden zu öffnen und hineinzuschauen, der wird mit seinen eigenen Vorurteilen konfrontiert. „Der erste Geschlechtsverkehr entscheidet“, „Homosexuelle haben keine festen Beziehungen“, „Homosexualität ist eine Krankheit“, „Jungen können durch Verführung schwul werden“, „Schwule können nicht Fußball spielen“. Das sind nur einige Beispiele. Grob gezählt befinden sich hier wohl um die 80 Schubladen. Diesen Stereotypen wird nicht entgegengetreten, etwa indem ein berühmter Fußballer sich als schwul outet. Sie werden stehen gelassen, vermutlich aus dem Wissen heraus, dass den Stereotypen durch keine vernünftige Argumentation zu begegnen ist. Nach dieser Durchleuchtung des eigenen Bewusstseins gelangen die Besucher in den weit ausladenden Hauptraum. Eine dunkelrote, edel wirkende, den ganzen Raum erfassende Theke fängt den Blick. Die dahinterliegende linke Wand des Raumes ist in Zeitstreifen unterteilt und gibt damit die historischchronologische Ausrichtung dieses Ausstellungsteiles vor. Der erste Teil bleibt vollkommen leer, ab dem Zeitabschnitt 1860 finden sich erste, vereinzelte Texttafeln, die auf schwul-lesbische Spuren in der Steiermark verweisen. Aber erst ab 1900 ist die Zeitwand dichter mit Zeitungsausschnitten, Kundgebungshinweisen und Literatur belegt, um 1920 dann auch mit den ersten Spielfilmen zum Thema aufzuwarten, die auf flachen Monitoren ausschnittsweise wiedergegeben

werden. Hörstationen mit Couplets, wie „Das lila Lied“ und „Wenn die beste Freundin mit der besten Freundin“, dokumentieren ein erstes mediales Outcoming der Homosexuellenbewegung. Ab etwa 1930 zeigt sich die Wand dann wieder fast leer, auch die ersten Jahrzehnte der Zweiten Republik bleiben relativ spurenfrei. Gegen Ende des Jahrtausends wird die Dichte an Plakaten, Zeitungsausschnitten, Bildern und Aufklebern dafür fast unübersichtlich und endet mit einem Videodokument der ersten eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft in Graz. Einen weiteren Blickfang des Raumes bilden mehrere blaue Säulen, die nicht die Holzdecke des Raumes erreichen und damit wie Pfeiler aus dem Boden ragen. Sie symbolisieren Gerichtsstelen und geben auf weißen Inschriften Gesetzestexte wider, die die Verfolgung und Bestrafung homosexueller Handlungen als „Unzucht wider der Natur“ in Österreich bis 1971 systematisierten und in die Nähe von „Sodomie“ und „Bestialität“ rückten. Als weiteres fast unsichtbares Element der Ausstellung befinden sich an der Fensterfront des Saales Hörstationen, die ausgewählte Ausschnitte aus narrativen Interviews

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mit Lesben und Schwulen anbieten, die von ihren Outings, Lebensweisen und Szeneerlebnissen berichten. Hier wird ein Grad an Authentizität spürbar, der emotionale Eindrücke hinterlässt. Warum dieser eigentlich bedeutsame Teil ein solches Randdasein spielt, verwundert. Die Kuratoren der Ausstellung, Barbara Sommerer und Jakob Pock, haben den hohen Anspruch gestellt, das Hauptaugenmerk auf die „Unschärfe zwischen dem Sichtbaren und Unsichtbaren des Themas“ (M. Froihofer, E. Murlasits, E. Taxacher (Hg.): l[i]eben und Begehren zwischen Geschlecht und Identität. Wien 2010, S. 13.) zu legen. Das ist teilweise gut gelungen, wobei vieles unsichtbar bleib, wohl auch bleiben musste. Übrig blieb als „Sichtbares“ die Vergegenständlichung des Wissens, das ein großes Projektteam in zwei Jahren eifriger Arbeit zusammengetragen hat. Fazit: Es ist eine Ausstellung zur sehr gelungenen Projektpublikation „l[i]eben und begehren zwischen Geschlecht und Identität“ geworden. Spürbar ist auch: Unsichtbar blieb all das Viele, das nach wie vor rund um dieses Themenfeld provoziert, aber auch das, was Voyeure anziehen und Schulklassen vom Besuch der Ausstellung abschrecken könnte. > Johann Verhovsek


Courage

News

Die PartnerInnen-, Familien- und Sexualberatungsstelle in Innsbruck

Seit nunmehr zehn Jahren gibt es in Wien die PartnerInnen-, Familien- und Sexualberatungsstelle COURAGE. Sie war und ist nach wie vor die erste, vom Bund anerkannte, Beratungsstelle für gleichgeschlechtliche und transGender Lebensweisen. Endlich konnte nun COURAGE eine dringend notwendige Erweiterung durchführen und auch in den Bundesländern durchstarten. Das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend hatte zugestimmt, ab September 2009 in Innsbruck und Graz jeweils eine Zweigstelle zu eröffnen. Sexualität ist eine wichtige Form menschlicher Kommunikation - eine Körper- und Beziehungssprache als Ausdrucksform menschlicher Intimität und Liebesfähigkeit. Es handelt sich um eine Energie, die den ganzen Menschen betrifft und die in viele seiner Wünsche, Gedanken, Fantasien, Entscheidungen und Handlungen mit hineinspielt. Aus der Sicht der heutigen Sexualwissenschaften gelten Heterosexualität und Homosexualität als verschiedene Ausprägungen, aber gleichwertige Entwicklungsvarianten der einen, vielgestaltigen menschlichen Sexualität. Trotzdem sind die verschiedenen Ausdrucksformen menschlicher Sexualität in der Gesellschaft bis heute oftmals noch ein Tabu. Zerrbilder und Vorurteile halten sich hartnäckig und nicht selten sehen sich homo-, bi- und transsexuelle/idente Jugendliche und Erwachsene mit unterschiedlichen Abstufungen von Ablehnung und homophober Diskriminierung konfrontiert, die von subtilem Ignorieren bis hin zu konkreter Aversion, Aggression und (antihomosexueller) Gewalt reichen. Speziell für Jugendliche stellen solche feindseligen Umwelten ein massives Hindernis für die Integration der eigenen

Sexualität in die Gesamtpersönlichkeit dar und behindern die Entwicklung eines positiven Selbstbildes und damit auch die Fähigkeit zu Vertrauen und Intimität. Hinzu kommt, dass vielfach das psychische Erleben und Verhalten von sich lesbisch, schwul oder bisexuell entwickelnden Kindern und Jugendlichen nicht mit dem übereinstimmt , was sich Eltern typischerweise von einem Jungen oder Mädchen erwarten. So entstehen schon in der frühen Kindheit deutliche Irritationen und häufig ein Gefühl von Heimatlosigkeit bzw. Fremdheit in der eigenen Familie, und/oder ein starkes Empfinden „nicht ganz richtig“ oder abnorm(al) zu sein. COURAGE bietet rund um das Thema Sexualität: Unterstützung in Krisensituationen; Begleitung in schwierigen Lebensumständen; Aussprache und Anregung; Hilfe zur Selbsthilfe/ Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten; Informationen zur Gesundheitsvorsorge, -förderung und Gewaltprävention; Weitergabe von Informationen und Wissen; Pädagogische Hilfestellungen für Eltern, Lehrpersonen und SozialarbeiterInnen Der Prozess des Coming Out wird ohne ausreichende Unterstützung der Eltern und aus dem sozialen Umfeld oftmals als eine sehr schwierige und mitunter schmerzhafte Zeit erlebt. Gemäß einer Studie von M. Plöderl (Sexuelle Orientierung, Suizidalität und psychische Gesundheit. Beltz PVU, 2004), ist das Selbstmordrisiko bei gleichgeschlechtlich Empfindenden in Österreich etwa siebenmal so hoch wie bei Heterosexuellen. Über 90% aller Selbstmordversuche von gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen werden im Alter zwischen 15 und 27 Jahren unternommen.

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Aber auch Eltern fühlen sich vielfach mit ihren Fragen, Ängsten und Schuldgefühlen allein gelassen. Daher ist auch die Beratung und Begleitung von Eltern und Angehörigen gleichgeschlechtlich empfindender Menschen und TransGenderPersonen ein deutliches Anliegen von COURAGE. Ebenso wie die Beratung von Paaren, in deren Beziehung es wegen der sexuellen Orientierung bzw. der geschlechtlichen Identität eines Partners zu Konfliktsituationen kommt oder bereits gekommen ist (Coming Out in der Ehe/Partnerschaft). Das COURAGE-Team in Innsbruck besteht derzeit aus vier Frauen und einem Mann – sie sind professionelle Fachkräfte, die über besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Sexualwissenschaften verfügen, insbesondere im Bereich gleichgeschlechtlicher, bisexueller und transGender Lebensweisen, deren besonderen Lebensbedingungen und daraus resultierenden Lebensstilen. Bei Bedarf kann die Beratung auch in italienischer (z.B. für KlientInnen aus Südtirol), rumänischer oder ungarischer Sprache angeboten werden. Wir sehen uns mit unserer Schwerpunktsetzung als Anlaufstelle für West-Österreich und Südtirol. Die Beratungen sind anonym und grundsätzlich kostenlos, alle BeraterInnen sind der Verschwiegenheit verpflichtet! COURAGE Innsbruck PartnerInnen-, Familien- und Sexualberatungsstelle Mittwoch und Donnerstag von 15-20 Uhr Boznerplatz 1/4. Stock A-6020 Innsbruck Tel.: +43 0699 16616663 E-mail: innsbruck@courage-beratung www.courage-beratung.at www.homophobie.at

Keine Kommunion Der emeritierte Bischof der toskanischen Stadt Pistoia Simone Statizzi hat Priester dazu angehalten, schwulen und lesbischen Gläubigen die Kommunion zu verweigern. Offen bekundete Homosexualität sei eine Sünde, die die Kommunion unmöglich mache, sagte der 79-Jährige in einem Interview mit der katholischen Webseite „Pontifex“. Er fügte allerdings hinzu, dass man Schwule und Lesben mit Barmherzigkeit behandeln solle, da der einzige wahre Richter Gott sei. Niemand dürfe auf dieser Welt Urteile fällen. Anmerkung der Redaktion: Auch er nicht! Vatikan-Berater bestellt Callboys Neben zahlreichen Missbrauchsvorwürfen gegen die katholische Kirche stand der Vatikan dieses Jahr auch im Mittelpunkt eines weiteren Skandals: Ein Chorsänger aus dem Petersdom soll männliche Prostituierte vermittelt haben. Zu seinen Klienten gehörte offenbar auch der Präsident des Obersten Rates für Öffentliche Arbeiten Angelo Balducci, der sich im direkten Umfeld von Papst Benedikt XVI. bewegte. Auch Priester-Seminaristen sollen zu den jungen Männern gehört haben, die der Chorsänger aus Nigeria Balducci vermittelte. Die Zeitung „La Repubblica“ hatte die Abhörprotokolle veröffentlicht. Balducci sitzt seit Februar 2010 in Haft, weil ihm vorgeworfen wird, systematisch Bauaufträge des italienischen Zivilschutzes manipuliert zu haben, zum Beispiel nach dem Erdbeben von L‘Aquila, aber auch für den G-8-Gipfel von 2009. Ricky Martin: Ich bin schwul Mit seinem legendären Hüftschwung eroberte Latino-Star Ricky Martin Frauen- und Männerherzen gleichermaßen. Ende März hatte sich der Sänger schließlich offiziell zu seiner Homosexualität bekannt. „Ich bin stolz, sagen zu können, dass ich ein homosexueller Mann bin“, war auf der Internetseite des Künstlers zu lesen. „So, wie ich bin, bin ich

sehr gesegnet.“ Ricky Martin, der im August 2008 mit Hilfe einer Leihmutter Vater von Zwillingen wurde, sagte weiters, dass ihn die Geheimhaltung seiner Homosexualität zunehmend belastet habe. Aber seine Berater hätten ihm lange Zeit geraten, aus Karrieregründen über dieses Thema zu schweigen! Martin habe sich schließlich zum Coming-Out durchgerungen: „Diese Jahre des Schweigens und des Nachdenkens haben mich stärker gemacht und mich davon überzeugt, dass Akzeptanz von innen kommt und diese Art der Wahrheit gibt mir die Kraft, Gefühle zu haben die ich nie kannte“. , Das Bekenntnis zu seiner Homosexualität erfülle ihn „mit Stärke und Mut“.

Europarat für Gleichstellung Der Europarat hat im April jegliche Diskriminierung von Schwulen und Lesben verurteilt. Einer verabschiedeten Entschließung nach dürften die europäischen Nationalstaaten bei Menschenrechtsverletzungen gegen Schwule und Lesben nicht mehr die Augen zudrücken. So ruft die 318 Mitglieder zählende Versammlung der 47 Mitgliedsstaaten umfassenden europäischen Organisation dazu auf, dass Homo-Familien geschützt werden sollten. Auf welche Art dies geschieht, überließ sie den Staaten. Zudem müssten Antidiskriminierun gsgesetze vor Ungleichbehandlung schützen. Mit Blick auf osteuropäische Länder heißt es außerdem, dass die 41

Versammlungsfreiheit von Schwulen und Lesben garantiert sein müsse. Außerdem müssten Ausländer, die wegen ihrer Homosexualität verfolgt werden, in Europa Asyl erhalten. Das andere Hauptorgan der 1949 gegründeten Organisation, das Ministerkommittee – hier werden die Länder durch ihre Außenminister vertreten – hatte bereits zuvor eine ähnliche Empfehlung gefasst. Lediglich bei der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren im Eherecht schreckten die Minister davor zurück, die umfassende Gleichbehandlung zu empfehlen. Standesamtliche Heirat verwehrt Das Verfassungsgericht in Rom hat das Eheverbot für Schwule und Lesben in Italien aufrecht erhalten. Drei Paare hatten geklagt – darunter Enrico Oliari, ehemaliges Meraner Gemeinderatsmitglied (AN) und Vorsitzender des rechtsorientierten Verbands für die Rechte der Homosexuellen Gaylib, und sein Lebensgefährte Lorenzo – nachdem sie in Trient und Venedig versucht hatten, auf dem Standesamt zu heiraten. Die Paare hatten sich dabei auf den Gleichheitsgrundsatz in der italienischen Verfassung berufen. In ihrer Klage hatten sie darauf hingewiesen, dass die Verfassung gleichgeschlechtliche Ehen nicht ausdrücklich ausschließt. Außerdem hatten sie auf europäische und internationale Verpflichtungen Italiens verwiesen. Das Verfassungsgericht hat die Anträge als „unzulässig“ und „unbegründet“ zurückgewiesen. Italien ist das einzige Gründungsmitglied der Europäischen Gemeinschaft, das Schwulen und Lesben weder eingetragene Partnerschaften noch die Ehe anbietet. Plakate gegen Homophobie nicht willkommen Mit einer Plakat-Aktion wollten die Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern (HAB) für mehr Akzeptanz und Toleranz gegenüber Lesben und Schwulen bei Migranten werben.


Mit deutsch-, englisch-, französisch, türkisch-, albanisch-, serbisch- und arabischsprachigen Sprüchen wie „Mein Sohn ist schwul. Warum sollte ich ihn deshalb weniger lieben?“ oder „Lesbisch? Schwul? Wir unterstützen dich!“ hätten die Plakate anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie am 17. Mai in den Bussen und Bahnen in Bern ausgehängt werden sollen. Der verantwortliche Verkehrsbetrieb der Stadt „Bernmobil“ störte sich jedoch an der ausländischen Sprache und verweigerte die Kampagne.

Portugal: Wirtschaftskrise Homo-Ehe

hilft

Als sechstes Land in Europa hat Portugal im Mai die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern eingeführt. Die Neuregelung, die mit Ausnahme des Adoptionsrechtes keinen Unterschied zur Ehe von Mann und Frau vorsieht, hatte im Vorfeld im streng katholischen Land heftige Debatten ausgelöst. Selbst der Papst hatte die Homo-Ehe bei seinem Portugal-Besuch wenige Tage vor der Verabschiedung scharf angeprangert. Dennoch hat der konservative Präsident Aníbal Cavaco Silva das Gesetz unterzeichnet, um in Zeiten schlimmer Finanz- und Wirtschaftskrisen „die Einheit der Portugiesen zu fördern“. In Europa können Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern außer in Portugal auch in Belgien, den Niederlanden, Spanien, Schweden und Norwegen geschlossen werden. Laura Bush homophil

Napolitano celebra giornata contro l‘omofobia Il presidente della Repubblica Giorgio Napolitano il 17 maggio ha celebrato, per la prima volta, al Quirinale la giornata internazionale per la lotta all‘omofobia, affermando che si tratta di una „causa generale“, e accennando ai „riconoscimenti da dare“ alle coppie omosessuali. „Questa non è soltanto la causa delle Associazioni degli omosessuali, così come la causa dei diritti delle donne non è solo la causa delle associazioni delle donne. E‘ una causa comune, è una causa generale, è una questione di principio, è una questione di fondamento costituzionale“, ha detto il presidente Giorgio Napolitano che nello stessa occasione aveva ricevuto i rappresentanti di alcune associazioni che si battono contro l‘omofobia. Il capo dello Stato ha chiesto „un adeguamento delle normative per superare discriminazioni, per sanzionare violenze“, ma anche aggiunto che serve anche „affrontare con tutta la libertà, e sapendo che si tratta di un tema controverso, il tema dei riconoscimenti da dare“.

Die frühere US-amerikanische First Lady Laura Bush hat sich in einem Fernseh-Interview für die Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare ausgesprochen. In der Fernsehsendung von CNN-Moderator Larry King stellte sie ihre Autobiografie „Spoken from the Heart“ vor. Darin hatte Bush erstmals die homophobe Wahl-Kampagne ihres Mannes aus dem Jahr 2004 kritisiert. Sie schrieb, dass sie ihren Mann damals gebeten hatte, das Eheverbot aus Rücksicht auf schwule und lesbische Freunde nicht zum Wahlkampfthema zu machen. Tatsächlich konnte George W. Bush dadurch aber seine evangelikale Basis an die Wahlurne locken, die ihm am Ende einen Vorsprung von 2,4 Prozent auf den demokratischen Gegenkandidaten John Kerry sicherte.

grünes Licht für die homosexuelle Ehe gegeben. Alle bei der Abstimmung im Parlament anwesenden Abgeordneten stimmten dafür, dass die Definition der Ehe um die Worte ‚Mann und Mann‘ und ‚Frau und Frau‘ erweitert werde. Bereits seit 1996 gab es auf der Vulkaninsel eine Eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle. 2006 wurden homosexuellen Paaren nahezu alle Rechte in Bezug auf Elternschaft gegeben, die auch heterosexuelle Paare haben. Als eine der ersten gleichgeschlechtlichen Ehen ließen sich die isländische Regierungschefin Jóhanna Sigurdardóttir und ihre Freundin trauen. Caster Semenya wieder am Start Lesbische Bischöfin In der anglikanischen Episkopalkirche in den USA ist eine bekennende Homosexuelle zur Bischöfin geweiht worden. Die 56-jährige Geistliche Mary Glasspool erhielt im Mai bei einer Zeremonie im Bistum Los Angeles die Bischofsweihe. Glasspool, die seit Ende der 80er Jahre in einer festen Partnerschaft mit einer Frau lebt, ist damit die zweite offen homosexuelle Bischöfin in der US-Episkopalkirche. Vor sechs Jahren hatte das Bistum New Hampshire einen schwulen Theologen zum Bischof geweiht.

Erster CSD in Innsbruck Seit Jahren feiern, gedenken und demonstrieren Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender in aller Welt für ihre Rechte sowie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Der sogenannte Christopher Street Day (kurz CSD), der an den ersten Aufstand von gleichgeschlechtlichen Personen im Juni 1969 in New York erinnert, wurde dieses Jahr erstmals auch in Innsbruck abgehalten. Im Gegensatz zu den Paraden in den Großstädten war die Zahl der Teilnehmer überschaubar. Und auch was den Zug durch vorwiegend unbedeutende Straßen der Stadt betrifft hielt sich die Zahl bunter Festwagen und Transparente in Grenzen. Alles in allem

war die Kleinveranstaltung jedoch ein wichtiges Zeichen lesbisch-schwulen Selbstbewusstseins in den Alpen, die sich eine Fortsetzung verdient hat. Am Samstag, den 28. Mai 2011 soll bereits der nächste CSD durch die Tiroler Landeshauptstadt ziehen. www.csd-innsbruck.at L‘Argentina legalizza matrimoni gay A luglio in Argentina, primo Paese in America Latina e decimo nel mondo, sono diventati legali i matrimoni tra persone dello stesso sesso. Il disegno di legge, sostenuto dal governo di centro-sinistra della presidente Cristina Fernandez de Kirchner, è stato approvato con 33 voti a favore e 27 contrari dopo più di 15 ore di dibattito in aula. Il nuovo provvedimento modifica il codice civile: la formula „marito e moglie“ sarà sostituita dal termine „i contraenti“. Le coppie gay sposate potranno inoltre adottare bambini ed avere accesso a sicurezza sociale e congedo famigliare. Il cammino per l’approvazione della legge è stato caratterizzato da un duro scontro tra i settori ultraconservatori guidati dalla Chiesa cattolica e il governo peronista che fatto proprio l‘iniziativa.

Schwulenradar Eine niederländische Studie hat nachgewiesen, dass Homosexuelle viel genauer auf die Details ihrer Umgebung achten als heterosexuelle Menschen. In einem Test mit 42 Männern und Frauen wurde zum Beispiel festgestellt, dass Schwule und Lesben komplexe Formen viel präziser analysieren und beschreiben können als Heterosexuelle. Mit dieser Fähigkeit erklären die Forscher ein Phänomen, das sie als „Gaydar“ bezeichnen: jene Fähigkeit vieler Lesben und Schwule, andere Homosexuelle zu erkennen. Die Forscher vermuten, dass entwicklu ngsgeschichtlich gesehen zwei Gründe hinter dieser Fähigkeit stecken: Erstens könnten Lesben und Schwulen so auch im heterosexuellen Umfeld leichter Gleichgesinnte erkennen, und zweitens können sie durch den Blick auf Details ihnen feindlich gesinnte Menschen früher wahrnehmen. Regierungschefin geht mit gutem Beispiel voran Als siebtes Land in Europa und neuntes weltweit hat Island Mitte Juni

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Elf Monate nach dem zweifelhaften WM-Sieg in Berlin (Centaurus Magazine berichtete) erteilte der LeichtathletikWeltverband IAAF der südafrikanischen Leichtathletin Caster Semenya wieder die Erlaubnis, an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen. Semenya durfte seit ihrem WM-Sieg im August 2009 nicht mehr starten, weil es Zweifel gab, ob sie weiblich ist. Die IAAF hatte daraufhin Tests angeordnet, die ihr Geschlecht klären sollten. Die IAAFFührung folgte mit der Starterlaubnis

einer Empfehlung der Medizinischen Kommission des Weltverbandes. Medizinische Details verriet die IAAF nicht. Die seien vertraulich. Bereits im September 2009 hatte die australische Zeitung „Daily Telegraph“ berichtet, dass die Untersuchungen ergeben hätten, Caster Semenya sei ein Zwitter. Sie habe innenliegende Hoden statt Eierstöcke, keine Gebärmutter sowie einen dreifach erhöhten TestosteronWert. Für solche Fälle gibt es bei der IAAF keine Regeln.

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