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KIRCHE UND KLOSTER Von Weite und Beweglichkeit, die mit Jesus rechnet

Offen sein für das, was kommt Offen sein für das, was kommt

Von Weite und Beweglichkeit, die mit Jesus rechnet

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Skulptur im Garten von St. Bonifaz

Jesus geht uns nicht hinterher, weder verfolgt er uns, noch treibt er uns an, noch will er uns in die gute alte Zeit zurückholen. Der Auferstandene geht uns voraus, d. h. in dem, was auf uns zukommt, ist er zu finden, meint Abt Johannes.

DER TEXT VON ABT JOHANNES ECKERT IST ZUERST AM 30. AUGUST 2020 IN DER MÜNCHNER KIRCHENZEITUNG ERSCHIENEN. V or einiger Zeit konnte eine Ordensfrau ihre 80-jährige Profess feiern. Auf ihr Lebensmotto angesprochen meinte sie: „Mit jeder

Möglichkeit rechnen, dann ist man nie enttäuscht!“ Mich beeindruckt die

Antwort. Zum einen zeugt sie von einer großen Weite im Glauben. Für

Gott ist alles möglich, auch das

Unmögliche und Unangenehme, so die

Überzeugung der Jubilarin. Zum anderen spiegelt ihr Lebensmotto eine große

Flexibilität, die ihr in ihrem langen

Leben half, sich auf neue Aufgaben und Herausforderungen einzulassen.

Mal ging es darum, überraschend eine neue Stelle anzutreten. Ein anderes Mal war von ihr gefordert, mit einer Mitschwester zusammenzuarbeiten, mit der sie sich schon im Noviziat schwer getan hatte. Beim Älterwerden gelang es ihr, manches loszulassen und hinzunehmen, dass vieles nicht mehr geht. Diese schlichten und weisen Worte erinnern mich an den Umkehrruf Jesu, der zu Beginn des Markusevangeliums steht: „Kehrt um!“ Eigentlich wortwörtlich übersetzt: „Denkt um – orientiert Euch neu!“

Offen sein für das, was auf uns zukommt. Es ist also weniger ein Wort, das ein Zurück in die Vergangenheit meint, wie manchmal die Begriffe Umkehr und Buße gedeutet werden, sondern Offenheit fordert für das, was auf uns zukommt, d. h. die Zukunft ist. Jesus ruft dazu auf, dass wir uns neu orientieren und uns nach vorne ausrichten. Dies gilt gewiss auch für die vielen Veränderungen, die uns derzeit gesellschaftlich, aber auch im privaten Bereich abverlangt werden. Manches mag uns verständlicherweise schmerzen oder gar Angst machen, wenn es um existenzbedrohende Fragen geht.

Jesus, der Auferstandene, geht uns voraus. Manche Veränderungen können aber auch zur Chance werden, um Neues auszuprobieren. In diesem Sinn geht er uns voraus und ist uns Vorbild, an dem wir unser Leben ausrichten können, wenn die Engel nach seiner Auferstehung verkünden: „Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen.“ (Mk 16,7) Jesus geht uns nicht hinterher, weder verfolgt er uns, noch treibt er uns an, noch will er uns in die gute alte Zeit zurückholen. Der Auferstandene geht uns voraus, d.h. in dem, was auf uns zukommt, ist er zu finden.

Vom Evangelium ermutigt, sich der Zukunft zu öffnen. Ich gebe zu: Manchmal habe ich Angst vor Neuem und will mich ins Vergangene, ins Vertraute flüchten. Und dennoch gilt: Wir werden vom Evangelium ermutigt, uns der Zukunft zu öffnen. Was bedeutet das für uns Christen, für unsere Kirche im Blick auf die Umbrüche und Abbrüche, die wir derzeit erleben? Mir hilft es, wenn Jesus den Blickwinkel weitet: „Denkt um, orientiert euch neu, glaubt an das Evangelium, ich gehe euch voraus!“ Oder wie es die Ordensfrau schlicht und weise formulierte: „Mit jeder Möglichkeit rechnen, dann ist man nie enttäuscht!“ Daher freut es mich, wenn ich an einer Kirchentür ein Schild finde, auf dem zu lesen ist: „Die Kirche ist offen!“ Und man könnte noch hinzufügen: Und nicht: „Wegen Reinigungsarbeiten geschlossen.“ ABT JOHANNES ECKERT

Interview Marie Luise Kaschnitz

Wenn er kommt, der Besucher, Der Neugierige und dich fragt, Dann bekenne ihm, daß du keine Briefmarken sammelst, Keine farbigen Aufnahmen machst, Keine Kakteen züchtest. Daß du kein Haus hast, Keinen Fernsehapparat, Keine Zimmerlinde. Daß du nicht weißt, Warum du dich hinsetzt und schreibst, unwillig, weil es dir kein Vergnügen macht. Daß du den Sinn deines Lebens immer noch nicht herausgefunden hast, obwohl du schon alt bist. Daß du geliebt hast, aber unzureichend, Daß du gekämpft hast, aber mit zaghaften Armen. Daß du an vielen Orten zu Hause warst, Aber ein Heimatrecht hast an keinem. Daß du dich nach dem Tode sehnst und ihn fürchtest. Daß du kein Beispiel geben kannst als dieses: Immer noch offen.