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Interview mit Bischof Gregor

Interview mit Bischof Gregor zum Dreihostienfest

Zum Kloster Andechs führt seit über 850 Jahren die älteste Wallfahrt Bayerns. Wallfahren ist seit Jahren wieder „in“. Welche Gründe sehen Sie dafür?

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Bischof Gregor: „Der Auslöser des aktuellen Pilgertrends war sicherlich Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“, in dem er von seinen Erfahrungen auf dem Jakobsweg berichtet. Hinzu kommt wohl auch der Umstand, dass Pilgern und Wallfahren den Glauben und das Erleben der Natur miteinander verbinden. In diesem Jahr hat vermutlich die Corona-Pandemie zusätzlich einen doppelten positiven Einfluss: zum einen stellt sich der Pilger beim Wallfahren unter den besonderen Schutz Gottes und zum anderen ist es natürlich auch eine Alternative zu den in diesem Jahr oft abgesagten Urlaubsreisen.“

Wallfahrer sind Menschen, die der Glaube bewegt. Leider mussten in diesem Jahr coronabedingt die meisten organisierten Wallfahrten nach Andechs ausfallen. Wie kann die Kirche heute angesichts der Verunsicherung und der Ängste vieler Menschen dennoch Halt und Sicherheit, Bewegung und Aufbruch vermitteln?

Bischof Gregor: „Insbesondere die Zeit des Shutdown mit seinen massiven Versammlungs- und Kontaktbeschränkungen bis hin zu Besuchsverboten war ein harter Schlag für unsere Seelsorge und kirchliche Arbeit. Hier hat sich die Idee der Hauskirche mit gemeinsamem Gebet und Austausch in der Familie als segensreich erwiesen. Mit viel Einfallsreichtum und Engagement konnten unsere Pfarreien auch recht schnell Übergangslösungen wie Internetübertragungen der heiligen Messe anbieten. Gott sei Dank können wir seit einiger Zeit nun wieder öffentliche Gottesdienste feiern, wenn auch nur mit eingeschränkter Teilnehmerzahl. Die äußeren Einschränkungen haben uns aber auch die Möglichkeit eröffnet, den Glauben als gelebte Beziehung zu Gott und den Menschen neu zu entdecken. Ich sehe gerade darin eine Chance für den Neuaufbruch der Kirche. Weniger die Institution und die Strukturen sollen künftig im Vordergrund stehen, sondern die lebendige Beziehung, in der Gottes schöpferisches Wort an mir, an uns wirksam werden kann. Wenn Mann und Frau zueinander in Beziehung treten, indem sie sich lieben, kann daraus Familie und eine Familienstruktur wachsen. Also nicht ein Konzept von Familie und Familienstruktur, sondern die liebende Beziehung muss am Anfang stehen und Grundlage sein. Das trifft auch zu für unseren Glaubensweg als Kirche. Beziehung aber ist Dialog. Wenn Gottes Wort schöpferisch ist, werde ich im Dialog mit Gott und Mensch neu geschaffen. Darin gründet das Wesen der Heiligkeit, zu der wir als Kirche berufen sind, Heiligkeit, die heilt in der Welt.“

Ursprungsort der Kirche ist der Abendmahlssaal. Wie kann man heute Menschen diesen Ursprung näher bringen, z. B. den vielen Ausflüglern, die Andechs besuchen?

Bischof Gregor: „Die Eucharistie ist Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens“, hat das Zweite Vatikanische Konzil zurecht formuliert. Wir stehen in Westeuropa aber schon seit einiger Zeit vor dem großen Problem, dass vielen Menschen bereits die Grundlagen unseres Glaubens fremd geworden sind. Andechs hat als Benediktinerkloster und beliebter Ausflugsort sicherlich die Möglichkeit, an der dringend nötigen Neu-Evangelisierung mitzuwirken. Das bedeutet zunächst einmal, die Menschen zu befähigen, ihren noch verschütteten tiefsten existenziellen Bedürfnissen Raum zu geben, auf die die Botschaft Jesu Antwort sein will. Es bedeutet, die Sehnsucht danach entfachen. Für Andechs bietet es sich vielleicht an, z. B. bei den üblichen Angeboten für Besucher des Klosters bewusst kurze Erklärungen zu den Grundlagen unseres Glaubens einzubauen.“

Welche persönlichen Begegnungen und Erlebnisse verbinden Sie mit dem Kloster Andechs?

Bischof Gregor: „Ich habe Andechs zum ersten Mal als Mönch des Klosters Plankstetten besucht. Dabei war ich sehr beeindruckt, wie überzeugend hier in den Klosterbetrieben sowie in der Wallfahrtskirche und den betreuten Pfarreien die benediktinische Verbindung von ora et labora („bete und arbeite“) umgesetzt wird. (…)“

die heiligen drei hostien

Von den Drei Heiligen Hostien gehen zwei auf den Hl. Papst Gregor den Großen († 604) und eine auf den Hl. Papst Leo IX. († 1054) zurück. Auf Vermittlung der Andechs-Meranier auf dem Bamberger Bischofsstuhl sind sie im 12. Jahrhundert aus Rom über Bamberg auf die Andechser Burg gekommen. Seit 1128 ist auch die Andechser Wallfahrt bezeugt. Nach der Zerstörung der Burg um 1248 galten sie – wie der restliche „Heiltumsschatz“ – rund 140 Jahre als verschollen. Ihre Wiederauffindung 1388 erregte großes Aufsehen und belebte die Andechser Wallfahrt neu. Der päpstliche Kardinallegat Nikolaus von Kues hieß die Wallfahrt Mitte des 15. Jahrhunderts gut und empfahl ihre weitere Durchführung. Am Dreihostienfest kommt die ursprüngliche Christus-Wallfahrt am Heiligen Berg deutlich zum Tragen. Die Gläubigen verehren in der Eucharistie den gegenwärtigen Herrn. Das Dreihostienfest bezeugt, dass Christus in seiner Kirche lebt und die Menschen im Glauben zusammenführt. So ist das Dreihostienfest auch Zeichen für die Völkerwallfahrt zum Heiligen Berg Zion, wie sie der Prophet Jesaja verheißt. Gott selbst lädt ein und stiftet Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg.