Mitteschön Magazin - Ausgabe 15

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Kulturgut

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GUERILLA DINING Ist Kochen auch Kunst? Text Martin Steinmetz Translation P. 42

Beim Kochen geht es viel um Farbe und Geschmack, in der Kunst auch. Aber ist das, was da im Kochtopf blubbert, wirklich kreativ? MITTESCHÖN hat bei drei von Berlins meistgesuchten Guerilla-Köchen nachgefragt.

ZAGREUS PROJEKT

FISK &

ZUHAUSE BERLIN

Ullrich Krauss wollte schon lange einen Ort eröffnen, an dem Kunst und Kulinarisches zusammenkommen. Doch eine Kunstform sei Kochen nun wirklich nicht, sagt Krauss, der seit 2000 das Zagreus Projekt in Mitte betreibt. „Kochen ist ein Handwerk. Es kann unter bestimmten Umständen zur Kunst werden, aber das hängt von der Situation ab“, sagt er mit schwäbischem Akzent. Und genau diese Situationen versucht der kochende Galerist in Zusammenarbeit mit Künstlern im subterranen Konzeptraum zu erschaffen – acht Mal im Monat und mit Gästen am Tisch, die sich vorher per E-Mail anmelden. Momentan erwartet die Mitesser im Zagreus Projekt ein Raum, der auf den ersten Blick an Kindergeburtstage erinnern lässt. Er ist mit Kunstrasen ausgelegt, darauf stehen rot-weiß bedeckte Gartenmöbel und ein Baum aus Playmobil. Im Hintergrund leuchten Malereien der Künstlergruppe Artists Anonymous. Auf der Karte finden sich zum Konzept passende Gerichte wie farbige Buchstabensuppe, gefüllte Wildente mit Maronen und Kräutern. Zum Nachtisch gibt es geeisten Zitronen-Orangenkuchen. „Bei uns kommen fremde Menschen an einem Tisch zusammen, und wir gehen gemeinsam durch den Abend. Es ist ein bisschen so wie im Theater“, sagt Krauss. Also doch irgendwie Kunst. Brunnenstraße 9a, www.zagreus.net

„Kochen ist Kunsthandwerk“, findet die anonyme Frau am Telefon, die tagsüber als Bibliothekarin arbeitet. „Ich habe mich schon mit Molekularküche beschäftigt, aber das finde ich irgendwie albern. Ich möchte einfach in Ruhe essen, ohne Angst haben zu müssen, auf dem Teller was zu zerstören.“ Was genau auf den Teller kommt, entscheidet sie gemeinsam mit ihrem Partner, der alle sechs Wochen ein Menü mit mehreren Gängen kocht. Der Hobbykoch lädt dann eine Handvoll Gäste zum Fisk & Gröönsaken Supper Club in eine Wohnung im Prenzlauer Berg ein. Meistens kommt moderne deutsche Küche mit norddeutschem Einschlag auf den Tisch – oft gibt es Fisch, zum Beispiel Seeteufel„Sauerbraten“ mit Kohlrabi, aber auch Gerichte wie Steckrübenravioli mit Ziegenkäseschaum. Der Blog Miss Marmitelover aus England wurde zur Inspirationsquelle und weckte die Faszination für alternatives, geheimes Speisen. „Der Reiz liegt nicht nur in der Geheimniskrämerei, sondern vor allem darin, dass man eine neue Umgebung und neue Menschen kennenlernt“, sagt die Gastgeberin.

„Alles am Kochen ist eine Kunst. Das fängt bei den Rezeptideen an und hört bei der Präsentation auf“, sagt das Supper ClubTeam, das sich Zuhause nennt. Der Mann hinter den Kochtöpfen stammt aus Irland und schipperte jahrelang als Koch auf Luxusbooten über die Meere. „Auch die Atmosphäre und das Drumherum können künstlerisch gestaltet werden“, sagt die Grafikdesignerin aus Kanada, die plant, irgendwo in der Stadt ein Pop-up Restaurant zu eröffnen. Die beiden wohnen seit einem Jahr in Kreuzberg und sind Neuankömmlinge in Berlins geheimer FoodCommunity, wo Gäste ihre Köche lediglich für die Zutaten bezahlen. Im Zuhause Supper Club werden acht kleine, sehr professionell zubereitete Probiergänge angeboten. Alles wird mehrere Wochen vor dem Dinner Date sorgfältig geplant. „Selbst wenn man es nicht ganz so ernst nimmt, kann man mit Essen kreativ sein“, sagt der Chefkoch, der seine Zutaten in Delikatessenläden und auf Berliner Wochenmärkten kauft. Ein Highlight des Menüs: gebratene Dorade, Perureis und Fenchel-Zitrus-Salat. Zum Schluss bekommen alle noch einen Absacker...

GRÖÖNSAKEN

Fisk & Gröönsaken Supper Club Prenzlauer Berg www.groonsaken.wordpress.com

www.zuhauseberlin.com


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