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Giftige Folgen von Facebook und Co�

Die Whistleblowerin Frances Haugen kann mit Zehntausenden Seiten Akten, Dokumenten, Chats und anderen Beweisen belegen, dass der Techgigant Facebook selbst sehr genau darüber im Bilde ist, wie problematisch sein Geschäfstmodell sein kann. Von Michael Zäh

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Die Whistleblowerin Frances Haugen folgte einem genauen Plan. Zuerst besorgte sich die ehemalige Mitarbeiterin von Facebook (aufgrund eines Sicherheitslecks, haha) interne Dokumente aus der Firmenzentrale. Das waren interne Studien von Facebook, aber auch Präsentationen aus Konferenzen des Konzerns, Chats und vieles mehr. Diese Dokumente reichte Haugen an das „Wall Street Journal“ in den USA (in Deutschland auch an SZ, NDR und WDR) weiter. Dann gab sie ein Interview auf „60 Minutes“ und schließlich sagte sie vor dem US-Kongress aus. Frances Haugen will, dass die Gesetzgeber in den USA, aber auch in der EU und anderswo den Konzernriesen Facebook dazu zwingen, seine eigenen Erkenntnisse dann auch zum Wohle der Öffentlichkeit umzusetzen.

Denn die Whistleblowerin bringt eigentlich keine neuen Erkenntnisse ans Licht, wohl aber die Tatsache, dass sich der Konzern selbst mit seinen internen Studien ganz akribisch um die Probleme von Facebook gekümmert hat. Sie macht mit den gelieferten Dokumenten klar, dass Facebook selbst ein ganz klares Bild davon hat, was seine Plattformen (Facebook, Instagram, Whatsapp) teilweise anrichten. Haugen stellt den Konzern oder dessen Chef Mark Zuckerberg auch nicht als „böse“ dar. Sie sagt aber, dass Facebook sich im Zweifelsfall immer gegen die Sicherheit der Öffentlichkeit und für seine Geschäftsvorteile entscheide. Ihre Kernaussage: Facebook sei in dem Interessenskonflikten „zwischen dem, was für die Öffentlichkeit gut ist und dem, was für Facebook gut ist“ gefangen. Der Konzern habe sich dabei „immer wieder dafür entschieden, seine eigenen Interessen zu optimieren.“ Ihr Fazit: „Diese Version von Facebook zerreißt unsere Gesellschaft und verursacht Gewalt in der Welt.“ Das klingt so, als wolle sie, dass man dem Konzern „helfen“ müsse, sich da zu ändern. Denn von Gedanken wie einer Zerschlagung des Konzerns hält Haugen gar nichts, weil dies die von ihr kritisierten Probleme im Netz insgesamt nur noch vergrößern würde. Haugens grundsätzliche Kritik: Facebook verdiene gut und gern an Hass und Wut, weil solche Emotionen mehr Interaktionen auf seinen Plattformen auslösten als Friede, Freude, Eierkuchen. Neu ist aber, dass Haugen belegen kann, dass der Konzern das alles sehr detailliert weiß, aber dennoch nichts dagegen unternimmt. In einer internen Studie kam Facebook zu dem Schluss, bei zahlreichen Teenagern - vor allem Mädchen - verstärke Instagram die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Und das sorge für Essstörungen und Depressionen. „Für mich fühlt es sich an wie ein Betrug an der Demokratie“, sagt Haugen.

Und die Politik springt ihr verbal gerne zur Seite. Richard Blumenthal, der Vorsitzende des Ausschusses im US-Senat sagte nach der Anhörung von Haugen: „Facebook orientiert sich am Vorbild der großen Tabakkonzerne.“ Denn wie ehemals die Tabak-Lobby habe Facebook interne Studien vertuscht, die „giftige Folgen der Produkte“ bestätigten. Nun ja, das hört sich seinerseits recht giftig an. Aber eine mehrheitsfähige Vorlage, dass die Politik (hier die zutiefst zerstrittenen Demokraten und Republikaner in den USA) dem Techgiganten Fesseln anlegen würde, scheint unwahrscheinlich. Börsenwert von Facebook: 920 Milliarden Dollar.