Rudolf Kaftan zu einem Medienliebling. Zeitungen quer durch das politische Spektrum berichteten immer wieder über das Uhrenmuseum, und Kaftan nutzte auch das Radio, um akustisch durch sein Museum zu führen. Das zu dieser Zeit einzigartige Museum zog viele internationale Besucher an, die hier Raritäten bewundern konnten, die sonst nirgends zu sehen oder öffentlich zugänglich waren. Auch in der austrofaschistischen Diktatur änderte sich nichts an der Beliebtheit des Museums, dessen Leiter sich geschmeidig an die neuen Verhältnisse anpasste. Er und das Museum konnten sich unter dem neuen Bürgermeister Richard Schmitz weiterhin finanzieller Unterstützung und medialer Aufmerksamkeit erfreuen. Auch 1938 mit dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland gab es für das Museum keine grundlegenden Änderungen. Kaftan wusste sich auch jetzt an die neuen Verhältnisse anzupassen und zu profitieren. Dabei war ihm sein jahrzehntelang gepflegtes Netzwerk zu Sammlern und Uhrmachern ebenso behilflich wie die unmittelbare Nähe seines Dienst- und Wohnortes am Schulhof zur Oberaufsicht der kommissarischen Verwalter, zur Zunft der Juweliere und Uhrmacher und zur „Arisierungsstelle der Zunft der Uhrmacher und Juweliere und der Gilde des Uhren- und Juwelenhandels“ am Schulhof 6. So konnte er auf kurzem Dienstweg an Informationen über „arisierte“ Bestände gelangen. In dieser Zeit erwarb das Museum Uhren aus den Sammlungen von Rudolf Schwarzstein, Alexander Grosz, Emil Politzer, Josef Ungar, Albert Pollak und aus dem ehemaligen Besitz der Rothschilds. Der Eisen- und Metallwarenhändler Rudolf Schwarzstein verlor seine private Uhrensammlung, die später ins Uhrenmuseum kam, schon kurz nach dem „Anschluss“ im Zuge einer Beschlagnahmung durch die Gestapo, er starb Mitte Mai 1938 an einem Herzinfarkt. Alexander Grosz war ein Wiener Uhrmacher und Antiquitätenhändler, der dem Uhrenmuseum selbst viele Objekte vermittelt und geschenkt hatte. In der NS-Zeit wurde sein Geschäft liquidiert, Kaftan erwarb die Uhren direkt vom 10
Untergebracht in einem der ältesten Häuser Wiens: das Uhrenmuseum am Schulhof 2, aufgenommen 1927
kommissarischen Verwalter des Geschäftes, Grosz selbst starb 1940 im New Yorker Exil. Emil Politzer hatte ein Juwelier- und Antiquitätengeschäft in der Wiener Innenstadt, verstarb im August 1938 (wahrscheinlich durch Selbstmord), aus seinem Nachlass gelangten ebenfalls einige wertvolle Stücke in die Museumssammlung. Aus dem Besitz des Goldschmieds und Juwelenhändlers Josef Ungar wiederum wurden zwei „arisierte“ Taschenspindeluhren und ein Spindelrepetierwerk ans Uhrenmuseum übergeben. Ungar und seiner Frau gelang 1938 die Flucht nach London, 1941 emigrierten sie in die USA. Albert Pollak war Generaldirektor der Wollhandels AG in Wien. Aus seinem beschlagnahmten Vermögen erhielten die Städtischen Sammlungen Bilder, Miniaturen, Porzellan, Möbel und Uhren. Pollak gelang die Flucht nach Holland, wo er 1943 im Alter von 65 Jahren in Groningen verstarb. Nachweislich in zwei Fällen war Kaftan persönlich in die Verhandlungen eingebunden. Die Sammlung Schwarzstein besichtigte er bereits wenige Tage nach dem „Anschluss“, und die „arisierten“ Uhren des Mitglieds des Freundesvereines des