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Kolumne

DER FROSCHMANN

DER MANN, DER MIKE NELSON WAR

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TEXT // PETER S. KASPAR

Keine Krise ist schlimm genug, als dass nicht noch irgendjemand davon profitieren würde. In diesen schlimmen Zeiten sind es Netflix, Amazon Prime und andere Streamingdienste. Sie bieten epische Schlachten mit Drachen und Riesen, rasante Abenteuer im Weltall, mysteriöse Kriminalfälle, quietschbuntes Gefühlsgedöns im viktorianischen Gewand und alles ist natürlich auf viele, viele Stunden, viele, viele Staffeln und noch mehr Folgen gestreckt. Und wer kommt zu kurz? Die Taucher! Das ist insofern ironisch, weil es das Fernsehen war, das einst dem Sporttauchen zur Popularität verhalf. Und ich meine jetzt weder Jacques-Yves Cousteau noch Hans Hass. Der wahre Held war Mike Nelson. Die nicht mehr ganz so Jüngeren unter uns werden jetzt besserwisserisch sagen: Das war nicht Mike Nelson, sondern Major Nelson – und der war kein Taucher, sondern Astronaut. Nein, ich spreche nicht von „Bezaubernde Jeannie“ und ihrem leicht vertrottelten Meister, der sich Jahre später als Bösewicht J. R. in „Dallas“ versuchte.

Mike Nelson war ein Froschmann, wie man damals Taucher zu nennen pflegte. Der ehemalige Kampfschwimmer tauchte und kämpfte sich als eine Art Privatdetektiv unter Wasser in 155 Folgen durch alle Lebenslagen. 1958 startete die Serie „Sea Hunt“ in den USA und ein Jahr später in Deutschland unter dem Titel „Abenteuer unter Wasser“. Auf YouTube gibt es noch etliche Folgen im englischen Original zu sehen und es lohnt sich wirklich, da mal reinzuschauen. Allerdings sei vor dem Konsum noch eine Warnung ausgesprochen. Heute würde die Serie auf wütende Proteste von Tierschützern, Frauenrechtlerinnen, sämtlichen Tauchsportorganisationen und so manchen mehr stoßen. Damals hingegen wurde die Serie als pädagogisch besonders wertvoll gelobt. Das lag vor allem an Hauptdarsteller Lloyd Bridges. Der war nicht nur der Daddy von Beau und Jeff Bridges, sondern auch eine recht große Nummer in Hollywood. So steht in seiner Vita nicht nur eine Rolle im Edelwestern „High Noon“, sondern auch in „Fackeln im Sturm“. Zudem wirkte er in einer großen Anzahl ziemlich alberner Komödien mit. Wer sich allerdings etwas genauer mit seinem Lebenslauf beschäftigt, stellt erstaunt fest, dass der Mann das Sporttauchen zwar nicht erfunden, aber ganz wesentlich zu den Grundlagen der heutigen Ausbildung beigetragen hat. Ein Hollywoodstar? Echt jetzt? Dazu muss man wissen, dass die ersten Brevets für Sporttaucher in den USA – man höre und staune – von der Parkverwaltung von Los Angeles ausgestellt wurden. Aber das ist eine andere Geschichte.

In den 25-minütigen Folgen löst Mike Nelson nicht nur haarsträubende Fälle, sondern er erklärt auch noch alles, was man teils heute noch in Tauchkursen lernt. Es war also nicht nur unterhaltsam, sondern auch noch überaus lehrreich. Natürlich ist vieles heute nicht mehr so ganz der Stand der Dinge. Auch empfiehlt es sich nicht, wie es der tapfere Mike Nelson tut, mit einem Riffhai zu ringen – der übrigens während der Einstellungen plötzlich zum Blauhai mutiert (Staffel 3, Folge 26).

1960 half Lloyd Bridges mit, die erste Tauchsportorganisation aus der Taufe zu heben, so wie wir sie heute kennen. Zum Dank wurde Bridges zum ersten ehrenamtlichen Tauchlehrer ernannt. Das war nun freilich kein Titel wie „Weinkönigin von Kalifornien“. Bridges reiste viel, hielt Vorträge übers Tauchen und erarbeitete erstes Unterrichtsmaterial. Für jeden Taucher, der inzwischen die einschlägigen Streamingdienste leer geschaut hat, ist es sicher mal ganz witzig, in diesen alten Folgen herumzustöbern. Übrigens: keine Angst wegen des Englischen. Das ist so einfach, dass man es auch mit simplem Schulenglisch noch versteht. Und wem das fehlt: Das meiste ist selbsterklärend – und alles in Schwarz-Weiß.

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