6 minute read

Der Duft des Goldes

Der Duft des Goldes

TEXT: LIV HAMBRETT

FOTOS: THEA NEUBAUER

Als YVES SAINT LAURENT einen fruchtig-floralen Duft namens BABYDOLL auf den Markt brachte, war ich gerade 15. Das Parfum war in einen rosafarbenen, kreiselförmigen Glasflakon abgefüllt, verschlossen wurde dieses Juwel mit einem goldenen Stöpsel, der wie ein Kristall geschliffen war. Die Worte »BABYDOLL« und »YSL« prangten in goldenen, übereinander verkreuzten Versalien auf dem Flakon. Es war ein Traum. Ich musste es haben.

»Babydoll« YVES SAINT LAURENT

»Babydoll« YVES SAINT LAURENT

ROSA & GOLD

Duftnoten von Pfirsichen und Freesien, das Lolita-artige Aufeinanderprallen von Unschuld und Sinnlichkeit. In der Rückschau muss ich feststellen, dass das ein eher unpassender Duft für Mädchen im Teenager-Alter war. Als ich das Parfum dann endlich zu meinem 16. Geburtstag bekam, kam ich mir vor, als sei ich nun zu der Frau geworden, für die mich das Schicksal bestimmt hatte. Eingenebelt mit dem Wohlgeruch von Grenadine und Zimt, hatte sich ein Hauch wilder Rose in mein ansonsten komplett unmodisches Teenager-Dasein geschlichen. Die Flasche stand auf meiner Kommode, das Licht brach sich im Glas, und immer, wenn ich an ihr vorbeikam, funkelte mich ihr goldener Kristallstöpsel an.

Ein Faible für Düfte hatte ich schon, bevor ich YVES SAINT LAURENTS rosagoldenes BABY- DOLL anschmachtete, aber mit Babydoll bin ich in die erwachsene Parfumwelt eingetreten. Ich fing an, ungeheuerliche Mengen Parfum zu sammeln. Äußerst hilfreich dabei war der Job in einem Parfum-Geschäft während der Studienzeit. Begriffe wie BASISNOTE und WARMES HOLZ gingen mir ganz selbstverständlich über die Lippen. Zu meiner Sammlung gehörten ELIZABETH ARDENS aufmunternd-frischer Duft GREEN TEA und das völlig dekadente FENDI PALAZZO ebenso wie all die goldverzierten GUERLAIN-Flaschen. Mein Badezimmer wurde zu einem Schrein aus Glas und Gold.

»Green Tea« ELIZABETH ARDEN

»Green Tea« ELIZABETH ARDEN

Spricht man über Düfte, betritt man, wenn auch nur vorrübergehend, eine Welt, in der nur die Sinne existieren. Parfum stand lange in dem Ruf, exklusiv und etwas ganz Besonderes zu sein. Es ist teuer, sinnlich und komplett überflüssig.

Doch auch wenn Parfum nicht mehr nur ein Privileg der oberen Zehntausend ist, sondern ein Alltagsartikel, auf den viele von uns nicht mehr verzichten können, verströmt Parfum nach wie vor einen Hauch von Luxus. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Parfumverpackungen seit jeher gern goldgeschmückt sind. Solides Parfum in kleinen goldenen Behältern, antike wie moderne Flakons mit Gold dekoriert, das Wort »Gold« im Namen eines Parfums als ultimativer Indikator für das Luxuslevel, auf den man sich mit dem Kauf des Duftes begibt – das Gold-Level. WO PARFUM IST, IST GOLD NICHT WEIT.

WO PARFUM IST, IST GOLD NICHT WEIT

Beschäftigt man sich mit der Geschichte des Parfums der letzten hundert Jahre, kommt man an CHANEL NO. 5 nicht vorbei. Es ist, mit Verlaub, maßstabgebend in Sachen Gold-Level. Seiner Präsenz kann man sich bis heute nicht entziehen. Verantwortlich dafür sind seine berühmten Käuferinnen, insbesondere die eine, die angab, dass das Parfum das einzige sei, was sie nachts im Bett tragen würde. Den Flaschenhals von NO. 5 zieren wenig überraschend zwei goldene Ringe, und die Farbe des Parfums spricht für sich: ein sattes, sagenhaft altmodisches Gold.

»N° 5« CHANEL

»N° 5« CHANEL

»Shalimar« GUERLAIN

»Shalimar« GUERLAIN

Aber lassen wir Marilyns Nachtgewand beiseite. Das 20. JAHRHUNDERT bescherte uns eine Flut von Parfums, die aus goldenen Gefäßen sprudelten. Ein paar Jahre nach No. 5 eroberte SHALIMAR von GUERLAIN den Markt. Um den Hals des Flakons war ein schwarzes Band geschlungen, das von einem bezaubernden goldenen Medaillon zusammengehalten wurde. Der Freuden verheißende Name »Shalimar« stand in goldenen Lettern auf dem Flakon, und auch der auf den Stöpsel gekritzelte Name des Parfümhauses leuchtete in Gold. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ging der Trend hin zu schweren Düften. Die mächtigen, würzigen Parfumbomben der siebziger und achtziger Jahre kamen in protzigen Flakons daher. YSL hat uns mit OPIUM aus den Latschen gehauen, einem umstrittenen Gebräu aus Mandarine und Myrrhe, auf dessen brauner, im 70er-Jahre-Stil gehaltener Flasche eine große goldene Scheibe prangte, in die, ebenfalls in Gold, Hersteller- und Parfumname geritzt waren. Die Flakons, in die CHRISTIAN DIOR sein POISON abfüllte, waren dunkellila, der Stöpsel aus golden schimmerndem Glas, und auch der Name auf dem Flakon blinkte golden.

»Poison« DIOR

»Poison« DIOR

Die Neunziger wurden von minimalistisch anmutenden, silbrig-blau schimmernden Farbtönen Fame dominiert, das Milchglas von CK One war tonangebend. Doch gegen Ende des Jahrzehnts setzte CHRISTIAN DIOR der Coolness ein Ende, indem er mit J’ADORE einen zarten, fast schon unerträglich weiblichen, blumigen Duft herausbrachte. Die sanfte Komposition aus Jasmin, Zitrone, Rose und Vanille ist in eine tränenförmige Flasche gefüllt, um ihren langen Hals ringelt sich Gold.In den Nullerjahren lieh jede halbwegs berühmte Person, die etwas auf sich hielt, einem Parfum ihren Namen. (Der Vollständigkeit halber sei hier aber auch ELIZABETH TAYLOR genannt, die WHITE DIAMONDS bereits 1991 auf den Markt brachte. Der obere Teil der Flasche ist mit Diamantimitaten verziert, und der große Deckel leuchtet golden.) BRITNEY SPEARS, CHRISTINA AGUILERA, PARIS HILTON und JENNIFER LOPEZ hatten den Trend als Erste erkannt, BEYONCÉ und MARIAH CAREY ließen sich nicht lange bitten und taten es ihnen nach. Sean Combs aka PDIDDY und DAVID BECKHAM sind so ziemlich die einzigen erwähnenswerten männlichen Stars auf einer langen Liste, die sowohl BRUCE WILLIS als auch CRISTIANO RONALDO und DONALD TRUMP umfasst.

»White Diamond« ELIZABETH TAYLOR

»White Diamond« ELIZABETH TAYLOR

»Fame« LADY GAGA

»Fame« LADY GAGA

Britneys erste Duftkompositionen Curious und Fantasy sind schon so alt, dass es mehrere aktualisierte Versionen von ihnen gibt (etwa Midnight Fantasy und Fantasy Intimate). KATY PERRY, LADY GAGA und RIHANNA haben natürlich auch Düfte anzubieten, und ARIANA GRANDE, SELENA GOMEZ und TAYLOR SWIFT versorgen das junge Gemüse mit ihren Düften. Die Flakons von LADY GAGA und RIHANNA sind in Schwarz und Gold gehalten, TAYLOR SWIFTS kugelförmiger mitternachtsblauer Flakon ist golden lasiert. Aber der Flakon eines Stars stahl allen anderen die Show: Nach der eher langweiligen Verpackung ihres ersten Parfums (rosa und lila und mit den riesigen Initialien KK) kam KIM KARDASHIAN mit einer Flasche um die Ecke, die ihren üppigen Rundungen nachgeformt war. Öffnet man die Schachtel, klappen die Seitenteile herunter und machen den Blick auf den sandiggolden schimmernden Torso Kim Kardashians frei, in dem das nach Pfirsich, Jasmin und Ylang-Ylang duftende Parfum sicher verwahrt ist. Fantasievollerweise heißt es Body.

»Crush« RIHANNA

»Crush« RIHANNA

Vom vornehmen Understatement der goldenen Ringe am Hals von NO. 5 bis hin zu Kim Kardashians golden schimmernder Körperschau verzichten nur wenige Parfums auf den Schmuck des edlen Metalls. Möge diese dekadente und völlig überzogene Beziehung weiter wachsen und gedeihen!

»Pure Honey« KIM KARDASHIAN

»Pure Honey« KIM KARDASHIAN