Semper Magazin No.6

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Semper!

Rezension eines Gastes

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Ralf Lippold, Prozessdesigner und Blogger

Reihe 7, Platz 23 » Co p p él ia«, Fe br u ar 2011

Neulich mittwochs auf zu »Coppélia« durch den Zwingerpark. Am Zwingerteich entlang entschleunigten sich bereits meine Gedanken in Erwartung auf das Kommende. Kaum bin ich in der Semperoper­, umfängt mich auch schon eine ganz besondere Stimmung. Es sollte eine Nacht der Überraschungen werden. Wie dem Programmheft zu entnehmen war, tanzten diesmal Anna Merkulova (Swanhilda) und Jón Vallejo (Franz). Merke: Stets ein Programm vor der Vorstellung erstehen, dann wird vieles der kommenden Stunden klarer werden. Parkett rechts, Tür D – links neben mir Smalltalk auf Russisch, rechts »Wie krieg’ ich bloß mein Handy aus?« Was war gut? Gratulation an Anna Merkulova, die ihr Debüt als Coppélia feierte und das Publikum in ihren Bann zog, und auch an Jón Vallejo (der einem Jiři Bubeníček durchaus ebenbürtig war); ein geradezu fantastisches Bühnenbild, das die Blickwinkel des Publikums jedes Mal aufs Neue herausforderte; die Bühnenillumination durch die Lichttechniker, die es vermochten, immer wieder neue Stimmungen auf die Bühne zu zaubern; eine gelungene Integration der jungen Palucca-Schülerinnen und -Studentinnen; das zu beobachtende Vertrauen der Tänzer untereinander – wenn Chefs in Unternehmen auch solches Vertrauen in ihre Mitarbeiter hätten!

Ballett birgt tiefere Wahrheiten­, die sich mir als Zuschauer nach und nach eröffnen Was war tricky? Nichts, wenn ich mich so recht entsinne, außer dass ich im Parkett der Einzige war, der Standing Ovations feierte und mächtig ins Schwitzen geriet (im Geiste muss ich wohl mitgetanzt haben, ansonsten kenne ich solche Schweißausbrüche nur vom Ultimate Frisbee oder von Vorleseabenden); Ballett birgt tiefere Wahrheiten, die sich mir als Zuschauer erst nach und nach eröffnen (allein das Verstehen der Handlung über Tanz, Musik, Mimik und Gestik ist eine echte Herausforderung, der man sich nicht oft im Alltagsleben stellen muss); wieder einmal die persönliche Komfortzone des Lernens und Verstehens verlassen – wofür ich dem Semperoper Ballett sehr dankbar bin! Was habe ich gelernt? Stets naiv und ohne feste Erwartungen sich in Neues begeben; die Verbindungen zwischen traditionellem Ballett und den allgegenwärtigen Hightech-Entwicklungen in der Welt sind enger als gedacht (Dr. Coppélius hätte auch Ray Kurzweil heißen und Coppélia das Titelbild des aktuellen »Time Magazin« sein können); Jung und Alt lernen am besten gemeinsam (wunderbar, wie die jungen Tanzschülerinnen der Palucca Hochschule für Tanz in das Spiel einbezogen wurden und somit eine Menge von den »alten Hasen« lernten); Ballett ist mehr als nur Tanz (bedingt durch die »untypische« Ausdrucksweise ganz andere Assoziationen beim Zuschauer auslösend).

Next Action? »Cinderella« in Semper 2 (unter diesem Kürzel auch auf twitter.com zu finden) besuchen; mehr Ballett sehen und verstehen (!); weiterhin über Dinge schreiben, die scheinbar nicht zusammengehören – bei genauerem Hinsehen stets neue und überraschende Denk- und Möglichkeitsräume eröffnen; dringend wieder mehr Märchen lesen. Ausführliche Rezension unter http://leanthinkers.blogspot.com/2011/02/coppelialife-is-surprise.html

Ralf Lippold, stets neugieriger Prozessdesigner und Vernetzer, der nicht offensichtliche Verbindungen zwischen Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft ergründet und zu Neuem wandelt. Weitere Vorstellungen

5., 9., 12., 15., 20., 22. und 26. April 2012 Tickets ab 15,50 Euro


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