Semper!
Nachruf
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Rolf Wollrad, Autor Erwin Döring, Fotograf
Sänger und Komödiant Zu m Tod von Ka rl- Fr iedr ich Höl zke
Seinen 90. Geburtstag haben wir noch im Kreise seiner auch nicht mehr so jungen alten Kollegen in der Oper begangen. Er war verschmitzt optimistisch, Alter und Krankheit spielten in den Gesprächen kaum eine Rolle. Nun ist Kammersänger Karl-Friedrich Hölzke, Ehrenmitglied der Sächsischen Staatsoper Dresden, verstorben. Wie wir hören, schon am Ende des vergangenen Jahres im 93. Lebensjahr. Nicht in Dresden wohlgemerkt, wir hätten ihm sonst einen würdevollen Abschied bereitet. Der Anhaltiner kam 1952 über Anfängerjahre in Bernburg und Halle schnurstracks an unsere Staatsoper. 1920 geboren, gehörte er zu denen, die ihre jungen Jahre Krieg und Vernichtung opfern mussten. Als er 25-jährig heil entkommen war, konnte er das werden, was er immer sein wollte: Sänger und Komödiant.
Von Natur aus eine Buffobegabung, feinster Differenzierungen fähig, begann er seine Laufbahn folgerichtig mit David und Albert Herring. Aber die Stimme war zu schön, sein Ehrgeiz zielte weiter. So folgten bald Belmonte, Ernesto, Alfredo, Pinkterton und Lenski. Walter Felsenstein holte ihn an die Komische Oper Berlin, erarbeitete mit Hölzke Hans (»Verkaufte Braut«), Puccinis Des Grieux und Henry Morosus. Auch die Staatsoper Unter den Linden lockte, er blieb in Dresden. In den großen Partien des Charakterfachs fand er ein reiches Betätigungsfeld, er sang Schuiski und Canio, glänzte als Hauptmann im »Wozzeck«, ließ den Eisenstein nicht aus und war in Harry Kupfers »Banditen«-Inszenierung ein hinreißender Falsacappa. Wir waren dabei und haben ihn bewundert. Dem jüngeren Theaterbesucher muss
erklärt werden: All das ereignete sich im Großen und Kleinen Haus der Staatstheater Dresden. Als die Semperoper 1985 eröffnet wurde, ging er in den Ruhestand. Nicht gänzlich, wir haben ihn noch gebraucht. Erst nach der letzten »Soldaten«-Vorstellung Mitte der 90er Jahre räumte er seinen Garderobenschrank. Karl-Friedrich Hölzke ist aus der Dresdner Operngeschichte der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nicht wegzudenken. Er steht in einer Reihe mit Elisabeth Reichelt, Gisela Schröter, Arno Schellenberg und Werner Faulhaber. Wir trauern in Dankbarkeit und Verehrung. Rolf Wollrad, ehemaliger Operndirektor der Staatsoper Dresden (1989–2003)
Januar 2013