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Demenz oder nur vergesslich?

Aktuell leben 146‘500 Menschen mit Demenz in der Schweiz. Jährlich kommt es zu 31‘375 Neuerkrankungen, das heisst alle 17 Minuten erkrankt jemand neu an Alzheimer oder einer anderen Demenz. 66 Prozent der Menschen mit Demenz sind Frauen. Über 7600 Menschen, rund 5 Prozent aller Menschen mit Demenz, erkranken vor dem 65. Lebensjahr. Bis 2050 werden voraussichtlich 315‘400 Menschen an Demenz erkranken, denn der grösste Risikofaktor ist das Alter.

WAS IST DEMENZ?

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Demenz ist der Oberbegriff für mehr als 100 verschiedene Krankheiten, welche die Funktion des Gehirns beeinträchtigen. Besonders die geistigen, die sogenannten kognitiven Fähigkeiten wie das Denken, das Gedächtnis, die Orientierung und die Sprache sind bei Demenz betroffen. Dadurch sind erkrankte Personen im Verlauf der Demenz zunehmend in ihren Aktivitäten des täglichen Lebens und/oder des Berufs eingeschränkt und auf Hilfe angewiesen.

DEMENZ ODER EINFACH NUR VERGESSLICHKEIT?

Jeder Mensch ist ab und zu vergesslich; der eine öfter, der andere seltener. Es besteht kein Grund zur Beunruhigung, wenn Sie ab und zu das Portemonnaie oder die Brille verlegt haben, aber genau wissen, dass sie das Verlegte nicht mehr haben. Sollten Sie jedoch merken, dass die Vergesslichkeit zunimmt und bei verschiedenen gewohnten Alltagstätigkeiten auftritt, empfiehlt sich eine Abklärung beim Hausarzt. Der Verlust des Gedächtnisses ist allerdings nur eines der Symptome für Demenz. Je nach Krankheitsform kann sich eine Demenz auch anders äussern, beispielsweise indem sich das soziale Verhalten ändert.

IST DEMENZ HEILBAR?

Demenz kann zahlreiche Ursachen haben. Einige Demenzformen sind reversibel: Sie sind durch eine geeignete Behandlung teilweise oder ganz heilbar. Dies ist etwa bei einer Demenz aufgrund einer Stoffwechselkrankheit wie beispielsweise einer Schilddrüsenunterfunktion oder einem Vitamin-B12-Mangel. Bei einer irreversiblen Demenz ist das Gehirn direkt erkrankt. Die bekanntesten und häufigst vorkommende solcher irreversiblen Formen ist die Alzheimer-Demenz. Eher selten sind die die vaskuläre Demenz, Lewy-Körperchen-Demenz, die frontotemporale Demenz und die Parkinson-Demenz. Bis heute lassen sich diese Krankheiten nicht heilen oder aufhalten. Eine passende Therapie kann unter Umständen länger die Selbstständigkeit der Betroffenen erhalten und die Symptome der Demenz etwas mildern. Voraussetzung ist eine frühe und fachärztliche Diagnose und ob die Medikamente bzw. deren Nebenwirkungen verträglich für den Menschen mit Demenz sind.

WIE ZEIGT SICH DEMENZ?

Vergesslichkeit ist zwar eines der bekanntesten Anzeichen von Demenz, tritt jedoch nicht vereinzelt und meist auch nicht als alleiniges Anzeichen auf. Mögliche Anzeichen von Demenz sind: Gedächtnisstörungen, Mühe mit der Sprache, desorientiert in Raum und Zeit, verwirrt mit Personen und Gegenständen, ungewohntes Verhalten, Routine ist plötzlich weg, wahnhafte Vorstellungen, antriebslos und passiv im Verhalten oder auch agitiertes herausforderndes Benehmen. sen). Typisch für diese Gehirnerkrankung ist der Gedächtnisverlust. Das Risiko von Alzheimer steigt mit dem Alter. Ab 60 Jahren verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit zu erkranken alle fünf Jahre. In seltenen Fällen kann die Krankheit bereits ab Anfang 30 auftreten. Ursachen – Alzheimer verursacht den fortschreitenden Abbau von Nervenzellen im Gehirn. Die Wissenschaft ging bisher davon aus, dass krankheitstypische Eiweissablagerungen für das Sterben der Nervenzellen verantwortlich sind. Was zu den Eiweissablagerungen im Gehirn führt, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Inzwischen vermutet und forscht man paralell auch an andern Ursachen. Symptome und Krankheitsverlauf – Der Abbau der Nervenzellen findet in Hirnregionen statt, die wichtige geistige Funktionen wie Gedächtnis, Sprache, Planen, Handeln und die zeitliche und räumliche Orientierung steuern. Die Krankheitsdauer beträgt im Durchschnitt etwa sieben bis neun Jahre. Kann individuell aber sehr verschieden sein. Beginnende Demenz – Zu Beginn ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Beispielsweise erinnern sich Menschen mit Alzheimer nicht mehr an eine Abmachung vom Vortag oder es fällt ihnen schwerer, einem Gespräch zu folgen. Auch erste Wortfindungsstörungen treten auf. Für einzelne Gegenstände entfallen ihnen die Bezeichnungen. Die Orientierung an unbekannten Orten, wie beispielsweise in den Ferien, nimmt ab. Die Selbstständigkeit im Alltag geht zunehmend verloren, was sich auf Privat- und Berufsleben auswirkt. Diese frühe Phase dauert ca. zwischen drei und fünf Jahren. In dieser Zeit ist es wichtig, eine genaue Diagnose zu erhalten, sich ausführlich über Demenz zu informieren und persönliche Angelegenheiten auch mittels einer Vorsorgeregelung für die Zukunft in Ordnung zu bringen. Mittlere Demenz – In einem mittelschweren Stadium ist die demenzkranke Person stärker auf Hilfe und Anleitung angewiesen. Eine Betreuung durch mehrere Menschen wird notwendig. Zunehmend verblassen Erinnerungen an Kernereignisse des eigenen Lebens. Ein Gespräch zu führen wird schwieriger, das Sprachverständnis nimmt ab. Die Desorientierung betrifft auch vertraute Umgebungen. Betroffene können Geschehnisse nicht mehr zeitlich einordnen. Durch den Gedächtnisverlust erleben sie sich immer mehr in der Vergangenheit. Schwere Demenz – Im Spätstadium einer Alzheimer-Demenz ist das Gedächtnis schwer beeinträchtigt. Sie Menschen mit Demenz leben dann in einer Welt, die für andere unzugänglicher wird. Ihre Sprache beschränkt sich auf einzelne Worte, wenn überhaupt, körperliche Symptome treten auf, beispielsweise wird der Gang unsicherer. In diesem Stadium sind die erkrankten Menschen rund um die Uhr auf Pflege und Betreuung angewiesen. Spätestens dann ist ein Umzug in eine Pflegeeinrichtung unumgänglich.

VORTEILE EINER FRÜHERKENNUNG

Beobachten Sie bei sich oder einer nahen Person mögliche Warnzeichen, empfiehlt Alzheimer Zürich sich im Zweifel bei einer spezialisierten

Memory.Clinik anzumelden. Eine frühzeitige, spezifische Abklärung bei den Spezialisten lohnt sich unbedingt: • Erhalten Sie eine sorgfältige Demenzdiagnose, können frühzeitig passgenaue Therapien verschrieben werden, die die Symptome mildern und die Krankheit verlangsamen. Dies bedeutet, dass Sie mit Demenz länger selbstbestimmt, selbstständig leben können. • Sie wissen dann genau an welcher Art von Demenz sie leiden und können sich auf das, was auf sie und ihre Angehörigen zukommt auseinandersetzten. • Sie können, falls sie es noch nicht gemacht haben noch eine Vorsogeregelung und Anderes ausfüllen und rechtsgültig unterzeichnen. • Sie können viele Dinge selbständig und selbstbestimmt regeln, die sie vielleicht noch aufgeschoben hätten. • Sie können mit Ihren Angehörigen und Freunden reden und gemeinsam nach Lösungen suchen mit der Gewissheit, dass sie selber später, wenn sie nicht mehr entscheiden können, so einverstanden sind, was gemacht wird. • Ist es keine Demenz, entpuppen sich die Anzeichen vielleicht als

Symptome für eventuell heilbare Erkrankungen, wie etwa Burnout,

Depression, ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Stoffwechselkrankheit, die dann gut behandelt werden können.

DEMENZ UND DEPRESSION

Demenz und Depression sind die zwei häufigsten psychiatrischen Störungen bei älteren Menschen. Weil sich einige Symptome ähneln, können die zwei verwechselt werden. Darum gilt es, frühzeitig in einer Memory-Klinik abzuklären, denn Depression ist behandelbar mit Demenz grossen Chancen auf Heilung, Demenz hingegen nicht. kann jeden DIE URTEILSFÄHIGKEIT – EINE KOMPLEXE SACHE Ob eine Person urteilsfähig ist, ist immer in Bezug auf das Krankheits treffen. stadium und später in der Erkrankung eventuell nur noch auf eine bestimmte Situation zu beurteilen, denn eine Demenzdiagnose bedeutet Danke für Ihre Spende! keinesfalls den sofortigen Verlust der gesamten Urteilsfähigkeit. PK 10-6940-8

AKTIV IM ALLTEAG

Eine geeignete Beschäftigung bringt Freude ins Leben. Zudem hilft sie, Fähigkeiten und den Rhythmus im Alltag möglichst lange aufrecht zu erhalten. Je nach Vorlieben und Krankheitsphase können diverse Aktivitäten sinnvoll sein. Am besten probieren Sie Verschiedenes aus: Spielen, Freizeitaktivitäten, Sport, Geselligkeit, Spazierbegleitung sowie alltagsbezogene Aktivitäten zur Stützung der vorhandenen Fähigkeiten. Fordern Sie das Gehirn ab und zu mit etwas Neuem heraus, dies aktiviert die Zellen und stärkt die Verbindungen dazwischen.

DAS ZUHAUSE ANPASSEN

So schwer es fällt - die betreuende angehörige Person hat es leichter, wenn sie sich von Vorstellungen wie etwas sein muss lösen kann. Z.B., dass man die gute Stube aufgeben muss, da dieser Raum sich besser eignet als Zimmer für den Menschen mit Demenz, da sich vielleicht das Bad/WC auf dem gleichen Stock befindet. Damit sich Personen mit Demenz möglichst lange und gefahrlos zu Hause zurechtfinden und wohl fühlen, Es empfiehlt es sich, in einem möglichst frühen Krankheitsstadium die Wohnung anzupassen. Starten Sie dabei mit einigen grundsätzlichen Überlegungen: Wo liegt eine Gefahrenquelle und was braucht eine an Demenz erkrankte Person, um eine gewünschte Tätigkeit möglichst lange selbstständig weiterführen zu können? Vermeiden Sie angstauslösende Quellen und nehmen Sie sobald als nötig Sicherheitsvorkehrungen bei möglichen Gefahren vor (Stolperfallen, Warmwasser, Herd, Bad, Rauchmelder, und verwahren sie Messer, Schlüssel, Geld usw. sicher.)

SICH HILFE UND UNTERSTÜTZUNG HOLEN

Denken Sie daran, Sie erhalten Beratung, Unterstützung, Information und Entlastung etc. bei Alzheimer Zürich. Die Beratungen, so oft Sie sie auch brauchen, sind unentgeltlich und können telefonisch, an der Geschäftsstelle im direkten Gespräch und via ZOOM am Computer stattfinden.

DEN HEIMEINTRITT VORBEREITEN

Ein Mensch mit Demenz braucht über kurz oder lang rund um die Uhr Betreuung. Spätestens, wenn dieser Punkt erreicht ist, stossen betreuende, pflegende Angehörige an ihre Grenzen. Es ist wichtig, sich frühzeitig auf den Heimaufenthalt vorzubereiten, noch bevor die Belastung nicht mehr tragbar ist. Als betreuende Angehörige entscheiden Sie mit über den richtigen Zeitpunkt für den Heimeintritt. Menschen mit Demenz sind sich in diesem Stadion ihrer Hilfsbedürftigkeit nicht bewusst und an der Betreuung und Pflege unbeteiligte Personen unterschätzen den Aufwand. Auch wenn der Heimeintritt ein schmerzliches Thema ist, sollte man es vom Beginn der Erkrankung an ansprechen sich damit auseinandersetzten und es angehen.

IM UMGANG UND GESPRÄCH MIT MENSCHEN MIT DEMENZ

Im Umgang mit der erkrankten Person gibt es keine exakten Regeln und es ist abhängig vom Stand der Erkrankung. Im Gespräch mit der Person hilft, dass Sie langsam und deutlich sprechen, Sie sie mit ihrem Namen ansprechnen, gebrauchen Sie konkrete Worte und kurze Sätze, ergänzen Sie Ihre Worte durch Gesten, geben Sie nur eine Mitteilung auf einmal, benutzen Sie bestätigende Aussagen und Haltungen.

Dieser Text entstand im Austausch und in Zusammenarbeit mit Christina Krebs, Geschäftsleiterin Alzheimer Zürich, Seefeldstr. 62, 8008 Zürich, Tel 043 499 88 63, www.alz-zuerich.ch

21. September 2022 Welt-Alzheimer-Tag

Dringliche Massnahmen nötig angesichtseiner drastischen Zunahme von Erkrankungen Alzheimer Schweiz, Swiss Memory Clinics sowie die Stiftung Synapsis – Alzheimer Forschung Schweiz sind alarmiertangesichtsstetswachsender Fallzahlen, dem grossen Leiden Betroffener und der steigenden sozioökonomischen Belastung durch Demenzerkrankungen. Anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages rufen sie dringlich zum Handeln auf und fordern bessere Rahmenbedingungen für die Prävention, Erforschung und Behandlung von Alzheimer und anderer Demenzformen.