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Kiombael – Goldene Äpfel (Mythen und Legenden

Weltbote 82– Jahr der Katzen 442 n.P. 23 Sommer 2022

Weltbote 82– Jahr der Katzen 442 n.P. 24 Sommer 2022 Goldene Äpfel (Bräuche und Legenden)

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Journal des Firenzius (eine sogar recht ordentliche Seite)

Ein alter Chronist, bekannt unter dem Namen Firenzius, verbrachte seine letzten und zunehmend verwirrten Jahre in Arki bei seiner Großnichte. Dieser Mann hatte auf der Suche nach Wissen einige Kontinente der Schwertwelt bereist. In seinem Nachlass befanden sich mehrere vollgekritzelte Journale mit persönlichen Notizen und Verweisen auf Fundorte von Geschichten und mit weiteren unsortierten Anmerkungen zu allerlei Themen von Rezepten für Kräutertinkturen bei wunden Füßen etwa bis hin zu Überlegungen über die beste Regierungsform für Inselvölker wärmerer Regionen. Ringe von Weinbechern und Kräutertee schmücken den Einband oder sind auf den Innenseiten festzustellen. Andere Flecken zieren ebenfalls die allermeisten Seiten im Journal und erzählen eine eigene Geschichte von den liederlichen Gewohnheiten des Chronisten, sowie den gelegentlichen unverschuldeten Malheurs beim Schreiben – unter anderem sind in schwarzer Tinte die Spuren von Katzenpfoten auf manchen Blättern zu sehen. Meistens sind die Texte auf Eldorisch, gelegentlich aber auch in anderen Schriften und Sprachen geschrieben.Die Großnichte nahm eine Kiste voller Notizbücher und Papiere und brachte sie zu einem Archivar in Arki, einem alten Bekannten, aber in dessen private Behausung in der Hoffnung, dass sich dieser bei Gelegenheit mit dem Inhalt beschäftigen könne. Ansonsten sei es auch möglich, das Zeug als Zunder zu verwenden. Der Bekannte nahm die Kiste an sich und stellte sie in einem vollen Raum auf weitere Kisten, die mit Papieren und Pergamenten überquollen.

So schlummert auf den Seiten bisher unentdeckt einiges an Hinweisen. Zu lesen sind etwa die Stichworte

"Apfelblütental – Cempalen – Gerolf verschenkt Apfel – warum? er hatte doch schon Apfelbäume gepflanzt, wenn die Legende stimmt ?!?" "Gardum ist eine erneute Reise wert, siehe meine Notizen zu der Stadt und goldgelben Äpfeln" (quer am Rand: „Heblós Afful schreiben, er weiß bestimmt etwas, verrückter Vogel“). "Bericht von Gastophan – Notiz zu Fallonia finden" (eine entsprechende Notiz fällt beim Blättern aus dem Journal heraus)

Persönlicher Bericht eines Chronisten und Weltenbummlers (Auszug)

Fragt man in Gardum, einer Stadt in Cempalen, wieso die Stadt einen Apfelbaum auf dem Wappen hat, wird auf die offensichtliche Nähe zum Apfelblütental verwiesen und der Fragende belächelt. Hört man aber länger

Weltbote 82– Jahr der Katzen 442 n.P. 25 Sommer 2022 zu mitternächtlicher Stunde in der Gastwirtschaft einem betrunkenen Barden zu oder auf der Straße dem Gebrabbel eines alten Bettlers, vernimmt der wache Chronist oder interessierte Weltenbummler immer wieder Mären alteingessessener Gardumer Familien, die mal einen goldenen Apfel im Besitz hatten: Die unfruchtbare Frau, die plötzlich ein Kind bekam; vom Küchengarten, der im heißesten Sommer des Jahres immer kühl und fruchtbar war (mit einem Apfelbaum in der Mitte, der stärker wuchs als jemals davor und danach); vom Mann dessen goldroter Bart bis an den Boden reichte und noch dergleichen mehr. Die Urgroßmütter dieser Stadt ermahnen ihre Nachkömmlinge oft zur Großzügigkeit mit dem Spruch: „Goldene Geschenke, offenbaren ihren Wert erst dann, wenn man sie nicht behält“, obwohl niemand mehr sagen kann, woher diese Volksweisheit stammt. Am jährlichen Stadtfest, dem Apfelfest, werden Äpfel (goldgelb wird an jenem Tag bevorzugt) an Bekannte und Unbekannte verschenkt.

Die Reiseberichte eines solchen Chronisten und Weltenbummlers bestücken vermutlich irgendwo die Bibliothek in einem Herrschersitz. Ob sich mindestens eine Kopie eines solchen Reiseberichts in Reanndt-tenn befindet, weiß wohl nur der dortige dienstälteste Bibliothekar: Heblós Afful dessen persönliches Interesse und Forschungsgebiet aus unerklärlichen Gründen Früchte, Nektar und insbesondere goldene Äpfel sind.

In den Archiven vergraben

In den Archiven der Pyramide von Arki vergraben befindet sich ein Konvolut von Rechnungsbüchern, Briefen privater wie geschäftlicher Natur und anderen schriftlichen Hinterlassenschaften einer mittlerweile vergessenen Händlerfamilie. Die ein oder andere findige Person hat im Archiv bereits ihre Nase in die historischen Angelegenheiten dieser Familie gesteckt, welche Verbindungen in viele Städte, Meere und Kontinente vorzuweisen hatte. In einem etwas zerblätterten Brief fanden womöglich ein oder zwei Personen ein weiteres Fragment zum Goldenen Apfel (wer sich wohl an diesen Fund erinnert?):

Der hochverehrten A… Vers…. [Name und Rest der Anschrift unleserlich]

Verehrte Herrin meines Herzens,

jüngst legten wir nach mehrtägiger Seefahrt wieder in derjenigen Hafenstadt an, wo wir zum ersten Mal einander gewahr wurden. Ihr könnt Euch kaum vorstellen, wie die Erinnerungen an Euch vor meinem inneren Auge aufstiegen – und die Gedanken an jegliche Geschäfte, die Euer Vater mir auftrug, verbannte, bis ich mich schließlich mit viel Anstrengung dieser Aufträge besinnen konnte. Abends schlenderte ich durch die Straßen, die ich einst mit Euch an meinem Arm durchschritt. An einer Ecke, wo wir einmal einen innigen Kuß austauschten, blieb ich kurz stehen und vernahm unvermittelt den betörenden Geruch von Rosen und Apfelblüten. Ich

Weltbote 82– Jahr der Katzen 442 n.P. 26 Sommer 2022 konnte mir nicht erklären, woher er kam, denn diese Ecke war von hohen Häusern umstellt und ein Garten war nicht in Sicht. Nicht weit entfernt, sah ich aber ein altes Weib mit einem Korb auf dem Rücken, welcher ihr große Mühe bereitete. Ob es der Duft von Apfelblüten und Rosen war, die Erinnerung an den Frieden, der mir Euer Kuß in jener Nacht bescherte oder Eure ernste Ermahnung, Alter und Weisheit zu achten… ich bot dieser gebeugten Person meine Hilfe an und trug den Korb eine geraume Strecke bis zu ihrer Hütte. Nachdem ich mich zum Abschied verbeugte und meiner Wege gehen wollte, rief mich die Frau zurück und gab mir einen Apfel in die Hand mit den Worten: „Eurer lieben Frau einen Segen, möge sie sich wohl und fruchtbar fühlen.“ Und „ein Geschenk, dessen Wert sich erst dann offenbart, wenn man es nicht behält“. Sprach’s und sah mich mit aufrechtem Blick aus einem runzligen Gesicht an. So findet Ihr nun in dieser Schatulle den goldenen Apfel, der vom Segen der weisen Frau begleitet wird. Dass der Apfel golden war und nicht nur eine goldgelbe Frucht, sah ich erst am nächsten Morgen. Der Segen ist Euer, aber der Apfel selbst muss an die nächste richtige Person weitergegeben werden – so vermute ich und bitte Euch inständig, die Worte der Frau zu achten. Möge dieses Kleinod Euch daran erinnern, wie gerne ich jetzt bei Euch wäre und es sicherlich bis zum Ende des Einnahmemonats sein werde, so die Winde der Götter mich nach weiteren langen Monaten sicher wieder zu Euch bringen.

~~M.S.~~

Wissen der Elfen

Während die Legende von Gerolf, der vom Astrom-See nach Athania zog, um Bäume zu pflanzen, auf ganz Karcanon und darüber hinaus bekannt ist, verlieren sich über die Jahrhunderte zunehmend die Einzelheiten. Die Elfen des Apfelblütentals haben ein langes Gedächtnis und erinnern sich an mehr von der Legende: Nachdem Gerolf im Tal, wo nun die Apfelbäume blühen, viele Bäume gepflanzt hatte, zog er weiter in Richtung des großen Flusses, um von dort aus in der Welt sein Glück zu suchen. Irgendwann überfiel ihn eine große Müdigkeit, so dass er sich eher gedankenlos im Schuppen oder Stall auf einer Weide ins Stroh fallen ließ und einschlief. Am nächsten Morgen wurde er etwas unsanft von einer großen Frau geweckt und aufgefordert zu erklären, was er denn in dieser Gegend trieb. Nachdem Gerolf seinen Namen nannte, wurde die Frau freundlicher und lud ihn zu einem Mahl in das Haus ihrer Familie ein. Die Kunde von einem Pflanzer friedlicher Haine war ihm in dieser Gegend vorausgeeilt. Er blieb einige Tage in der Siedlung und wurde gebeten zu bleiben und über das Wohlergehen der Gärten und Haine in der Gegend zu wachen. Dies lehnte Gerolf ab als eine Aufgabe, die den dauerhaften Bewohnern zustünde und bat sie um einen Geleitsegen. Die Bewohner gaben ihm mehr als das und schenkten ihm einen goldenen Apfel, als Zeichen ihrer Dankbarkeit und Anerkennung. Gerolf wollte dies nicht annehmen, aber konnte sich der Großzügigkeit zuletzt nicht widersetzen, aber nahm sich vor, kein Geschenk solcher Art zu behalten, wenn jemand es dringlicher benötigte als er selber.

Normale Gegenstände können mit der Zeit magisch werden, wenn sie mit

Weltbote 82– Jahr der Katzen 442 n.P. 27 Sommer 2022 der emotionalen Energie eines entscheidenden Ereignisses und der daran Beteiligten aufgeladen werden – wie es manche Weise wissen. Niemand wusste, dass sich der goldene Apfel, der in einem Geist des Friedens und der Großzügigkeit gegeben wurde, durch dieses Geben wohl ein wenig auflud. Auf seinem Weg nach Gardum (wie Gerolf später herausfand) – damals noch eine sehr kleine, schlammige Stadt – traf er auf eine arme Familie, die ihn um ein Almosen bat. Da Gerolf nichts anderes zu geben hatte als den Apfel und noch die Großzügigkeit der Schenkenden in seinem Herzen trug, gab er ihn an die Familie weiter. Diese wollte das Geschenk erst nicht annehmen und so sagte er leichthin, dass der Apfel vor allem dann seinen Segen entfalte, wenn die Beschenkten ihn weitergäben. Der Gedanke liegt nicht fern, dass sich besonders am Anfang mit jeder Gabe die freundlichmagische Kraft des Apfels ein wenig auflud.

Fund der Traumritter in den Schatzkammern der Pyramide

Ein goldener Apfel wurde von Kaya und Nyalja, Traumritterinnen, unweit von Arki in einem Räuberhort gefunden und dann zur Pyramide gebracht, um von den dortigen Archivaren und Wissenskundigen untersucht zu werden - unter anderem im Hinblick auf Ähnlichkeiten mit den goldenen Äpfeln der Parana. Der Apfel hat eine unscheinbare Größe, er passt bequem in die Hand einer kleinen Frau oder eines größeren Kindes, also auch in kleine Taschen und Beutel, ohne zu sehr aufzufallen. Nach einigen Tagen in der fensterlosen Schatzkammer, bemerkt ein junger Kämmerer und Novize, dass der Apfel eine Art Patina angenommen hat, was bei Gold sonst nicht passiert. Wiederum einige Tage später umhüllt den Apfel eine Art ungesättigter Aura, mit zusammengekniffenen Augen angeschaut, wirkt er zunehmend faulig und verschimmelt. Beim Anfassen fühlt er sich aber an wie immer. Dieser Apfel gibt den Kundigen also einige Rätsel auf, sobald suchen die Archivare in den umfangreichen Regalen und Katalogen nach jeglichen Hinweisen, die diesen Schatz wieder zum glänzen bringen können.

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