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Der Kaiserliche Rat zu Chalkis

Der Kaiserliche Rat bis zum Ende im Jahrs der Katzen 442 n.P.

Hier war es zuletzt um die Begrüssung der Beobachter-Delegation aus Athanesia gegangen. (Siehe Bote von Karcanon 79)

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Reich und Bündnis

Zur Begrüßung der Delegation aus Athanesia erheben sich in den hinteren Reihen fünf Personen und verneigen sich zum Kaiser. Saaldiener werden herangewunken und ihnen eine Schriftrolle und zwei Schatullen übergeben. Damit nähern sich die Bediensteten dem Thron.

Sollte der Kaiser die Rolle öffen, so findet er das Sendschreiben der Delegation, addressiert an den Kaiser, unterzeichnet von Phygelus dem Dritten zu Rapha, Reichshohepriester von Chums Gnaden und Athanesia, Fürst von Machira, erwählt auf den 17. des Widdermondes 441 und bestätigt durch den Ratstag von Machira.

Die Schatullen aus Holz sind geschlossen, fein gearbeitet jedoch ohne Verzierungen, Scharniere oder Metallbeschläge.

* * * * *

Beim nächsten Zusammentreffen des Rates ...

... erhebt sich Elenis Dorea mit der Bitte einem möglichen Mißverständis zuvorkommen zu dürfen.

"Wir danken für die Ehre, am Tag des Kaisers hier empfangen und begrüßt worden zu sein. Unsere Delegation und die Siedler kommen zwar aus Athanesia, so wir eingeführt wurden. Hingegen entsandt wurden wir von unserem Priesterfürsten, in dessen Namen wir hier für Chnum-Rapha und Machira beobachten und sprechen dürfen. Sprächen wir für Athanesia, so für den Reichshohepriester Phygelus im Namen Chnums, nicht aber im Namen des Diktators und dessen Vorstellung von Athanesia."

Kelgan Aziz stimmt dem bei nächster Gelegenheit zu: Auch er spräche, so erklärt er, wenn er hier das Wort erhebe, nicht als Vertreter von Borgon Dyl, sondern wenn dann für die Religion des Göttervaters, nicht als Reichshohepriester Borgon-Dyls sondern als Hohepriester von Lydia und mit für seinen Verwandten, den Hohepriester von Chnumia.

Rimjin n'Jalkhan dankt Kelgan gul Aziz für sein Erscheinen beim Kaiserlichen Rat, auf dass die Chnum-Religion in Borgon-Dyl eine starke Stimme im Rat habe, und vergisst dabei nicht zu betonen, dass ihr entfernter Vetter Mardon n'Ylon, obwohl er selbst ein glühender Anhänger Borgons ist, viel für die Anerkennung Chnums als gleichberechtigter Religion in Borgon-Dyl getan hat, ja selbst der Bau des Tempels Lydia erfolgte auf seine Veranlassung hin. Es sei daher auch in seinem Sinne, die Stimme Lydias hier direkt erklingen zu lassen. Im übrigen weist sie darauf hin, dass mit dem Anschluss Chnumias an Borgon Dyl nunmehr selbstverständlich deren Hohepriester, der verehrte Verwandte des anwesenden Kelgan, nämlich Khalil gul Aziz, als Reichshohepriester Chnums in Borgon-Dyl anzu-

Bote von Karcanon 80 – Jahr des Blutes 443 n.P. - Seite 9 sehen sei, wo er auch einen Sitz im Kronrat innehat.

Auf das von Prinz Merok vermittelte Angebot Ragalls geht sie ebenfalls ein, indem sie für die angebotene Hilfe dankt, und ihrer Sicherheit Ausdruck verleiht, dass Druiden im Umfeld der Großen Ebene von allen dort wirkenden Kräften Borgon-Dyls herzlich willkommen geheißen würden. * * * * *

Eher am Rande des Treffens äußert sich Rimjin gegenüber der Delegation aus Machira, dass das Gesuch Machiras auf Aufnahme in den bzw. Schutz durch den BdB an ihren erwähnten Vetter weitergeleitet wurde, der gleichzeitig stellvertretender Schirmherr des Bündisses ist. Er werde die Rechtmäßigkeit des Anliegens prüfen, und im positiven Falle den Entscheidungsprozess in Gang setzen. * * * * *

Einige Wochen später kann Rimjin n'Jalkhan mitteilen, dass sie eine Antwort vom Stellvertretenden Schirmherrn des BdB erhalten hat.

Laut seiner Auskunft sehen die Statuten des BdB nicht vor, dass eine Provinz eines größeren Reiches als eigenständiges Mitglied in den BdB aufgenommen werden könnte.

Wahr ist, dass Athanesia nie den Antrag gestellt hat, Machira als sein Reichsgebiet im Sinn der Statuten anzuerkennen. Wahr ist jedoch auch, dass die Fassung der Statuten, die dies verlangt, erst entstand, nachdem Machira schon lange Zeit (mindestens acht Jahre) Bestandteil von Athanesia war.

Wie dem auch sei, ist eine Aufnahme Machiras in den BdB als selbständige Entität ausgeschlossen, solange es Teil eines größeren Reiches, noch dazu eines Mitgliedsreiches des BdB, ist.

Die Gewährung bewaffneten Schutzes für Machira seitens anderer BdB Mitglieder ist genauso absolut ausgeschlossen, da dies eine militärische Verletzung der Souveränität eines Mitgliedsreiches (also Aggression gegen ein solches) bedeuten würde, was von den Statuten explizit ausgeschlossen wird.

Die Möglichkeiten für Machira, vom BdB geschützt zu werden sind also äußerst begrenzt:

1) Die Möglichkeit, sich von Athanesia unabhängig zu machen, um nunmehr als Reich dem BdB beizutreten, besteht zwar theoretisch, birgt aber die Gefahr, dass Athanesia die Verselbständigung glaubhaft als Gefahr für den BdB darstellt, auf die seine Verbündeten mit Waffengewalt - gegen Machira - reagieren müssten.

2) Die größere Chance bestünde darin, den Schirmherren des BdB (also Steq'ker von Tharan, Herrscher Quadrophenias) davon zu überzeugen, dass Athanesia gegen die Grundsätze des BdB verstoßen oder gegen seine Interessen gehandelt habe und daher sein Ausschluss aus dem BdB gerechtfertigt wäre. In diesem Falle könnte Athanesia, vorbehaltlich des Einspruchs anderer Mitglieder, aus dem BdB ausgeschlossen werden. Dann wiederum könnte eine Versammlung der verbliebenen Mitglieder des BdB über eine Sonderregelung für Machira (Provinz Athanesias) als Protektorat des BdB beschließen, oder Machira könnte sich selbständig machen und nunmehr als Reich in den BdB aufgenom-

Bote von Karcanon 80 – Jahr des Blutes 443 n.P. - Seite 10 men werden. Allerdings stehen die Chancen gut, dass Borgon-Dyl gegen den Ausschluss Athanesias votieren würde, denn es waren athanische Helden, die maßgeblich zum Sturz des Haengstyr-Reiches beitrugen, was Borgon-Dyl seinerzeit erst ermöglichte, das Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln. * * * * *

Mit leicht geneigtem Kopf und unter Beibehaltung des Augenkontaktes deutet Dorea gegenüber Rimjin n'Jalkhan eine Verneigung an.

"Bitte richtet dem stellvertretenden Schirmherrn im Namen unseres Priesterfürsten unseren Dank aus, sich mit der Angelegenheit zu befassen." * * * * *

Nach einer stillen Beratung mit seinem Ratgeber Phaedron Dhuras (Bild) erklärt Kaiser Bofri von Karcanon:

"Die Tatsache dass Athanesia seit Jahren von einem Diktator beherrscht wird, wie Ihr es nennt, ist Uns nicht völlig neu, auch wenn, wie Wir zugeben müssen, Kezunsea bisher selten im Fokus Unserer Aufmerksamkeit stand, war dieser Teil des Karcanons doch", und hier nickt er anerkennend zur Hohen Ritterin Sunrise von Sakilia, "stets durch Taron don Umn und den Kaiserlichen Erzmagier, Analon Tuatha Katuum gut vertreten."

"Machira ist als Teil Athanesias, wie Wir gehört haben, in Bündnisverbindungen, die den Bund der Blumen daran hindern mögen, euch als eigenes Reich anzuerkennen und aufzunehmen.

Diesen Beschränkungen unterliege Wir Unsererseits nicht. Wir bieten Euch an, wenn Ihr den Kaiser Bofri von Karcanon und seine legitimen Nachfolger als Schutzherren Machiras anerkennt, Euch im Gegenzug als eigenes Reich und damit als eigenes Teilreich des Kaiserreichs Karcanon anzuerkennen und anzunehmen, Euch in eine Reihe mit Silur und Gorgonya, Antam und Phialeia, Helion und Taron don Umn zu stellen."

* * * * *

Sunrise erbittet das Wort. Als es ihr dann erteilt wird, steht sie auf und sagt: "Im Namen von Taron don Umn befürworte ich diese Initiative. Wenn Machira Teil des Kaiserreiches weden will, wird Taron don Umn dafür sorgen, das der Schutz des Kaiserreiches Machira vor Angriffe aus Athanesia - Dirzunhal schützt."

Damit endet der Bericht aus dem Kaiserlichen Rat für dieses Jahr und diesen Boten. Fortsetzung folgt.

Ruf des Widders im Blute

Brüder und Schwestern!

Im Namen des Vaters der Götter und Beschützer der Menschen rufe ich euch!

Im Namen des Heiligen Drusus Danubius Hospita rufe ich euch!

Im Namen unser Legionäre, ob heil, verwundet oder erkrankt, rufe ich euch!

Im Namen der leidenden Menschen von Midlifee rufe ich euch!

Im Namen der geschändeten Länder des Ophis rufe ich euch!

Im Namen der Barmherzigkeit rufe ich euch!

Ich rufe euch nach Midlifee!

Helft unseren Legionären, auf das sie genesen von ihren Wunden! Helft den verloren Seelen, auf das nicht Brüder ihre Brüder erschlagen müssen! Helft den Menschen, die der Krieg mit Armut, Hunger und Krankheit geschlagen hat, auf das sie leben werden!

Ich rufe euch zu den Waffen!

Denn geht nicht wie Zicklein zu den Wölfen, diese Wölfe kennen kein Erbarmen! Wappnet euch mit den Waffen, die euch gegeben sind! Gürtet eure Keulen aus Stahl und stählt eure Seelen im Gebet! Seid Streiter für das Licht!

Ich rufe euch in den Krieg!

Kommt alle, kommt gewappnet und kommt sofort! Die Stunde ist da, in der die Barmherzigkeit wehrhafte Streiter braucht, um die Schwachen zu schützen und den Versehrten Linderung zu bringen.

Brüder und Schwestern, im Namen Chnums rufe ich euch nach Midlifee!

gezeichnet am 1. Tag im Widdermond des Jahres des Blutes

Marius Philippus, Großmeister des Heiligen Ordens der Hospitaliter

Blutlinien – Erben des Imperiums

Senator Cornelius Wachholder schritt durch den Tunnel in die Arena von Praeparata. Natürlich hatte er für diesen Anlass nicht das Fraxinum, das Theater des verrückten Regentors, gewählt, sondern die von Wachholder XVIII. erbaute Arena. Er trug Uniform und Rüstung aus seiner Legionärszeit, er war bei der Vierten Legion in Midlifee gewesen. Leider schmückten nur wenig Orden und Abzeichen die Brust, aber das würde von den Rängen kaum jemand erkennen können. Cornelius hatte nur die Mindestzeit abgeleistet, dann war er vor den grauenhaften Erlebnissen an der Ophisfront zurück in die friedliche Heimat geflüchtet. Doch der Militärdienst genoß auch hier hohes Ansehen und so zeigte man sich dem Volk besser in Rüstung. Die Rüstung war recht schwer, doch schwerer trug Cornelius an der Last seines Namens. Dabei war es seine eigene Entscheidung, den Namen seiner Mutter anzunehmen, da dieser beim Volke höheres Ansehen genoss. Zwar war in Bakana- san eine Thronfolge über die weibliche Linie nicht möglich, doch der Name Wachholder hatte noch immer Gewicht. Und sicherlich würde ein neuer Kaiser von Bakanasan nicht auf Grundlage seiner Abstammung ernannt werden. Nein, entscheidend würden sein militärische Erfolge, Beziehungen und Beliebtheit beim Volk. In militärischen Belangen war ihm sein schärfster Konkurrent Galba über, daran konnte Cornelius auch nichts ändern. Er hatte jedoch mit einiger Sicherheit die besseren Beziehungen im Senat und in der Reichskirche, da konnte Galba vom fernen Ophis aus nicht mithalten. Das Volk hingegen war kaum einzuschätzen, die Stimmung schwankte ständig. Doch war dies ein Punkt an dem Cornelius ansetzen und arbeiten konnte und heute tat er einen weiteren Schritt. Öffentliche Amtseinführungen waren bisher nur bei Kaisern und Consulen üblich gewesen, aber er dachte nicht daran, sich diese Gelegenheit entgehen zu lassen. Blinzelnd trat er durch das Tor ins Licht der Sonne. Die Ränge waren gut gefüllt was vermutlich nicht der Fall gewesen wäre, wenn er nicht auch einige Spiele und Kämpfe organisiert hätte, um den eigentlichen Anlass zu umrahmen. Es gab einigen spontanen Jubel für ihn, den er dankend aber ohne übertriebene Gesten entgegennahm. Auf dem eilig errichteten Podest erwarteten ihn Cassius Antonius Aula, der Sprecher des Senats, und Tirion Quadriga, der Erzbischoff des Erzbistums Bakanasan, sowie einige weitere Würdenträger aus Senat und Reichskirche der Provinz Bakania. Als Leibwachen waren wie übliche einige Chnumiten anwesend.

Nachdem sich das Volk ein wenig beruhigt hatte, eröffnete Aula die kurze Zeremonie.

„Senator Cornelius Wachholder, der Senat von Bakanasan beruft Euch in das Amt des Proconsuls von Bakania. Wollt Ihr dieses Amt übernehmen?“

„Das will ich, Senator!“ antworte Cornelius kurz und bündig entsprechend der Tradition. Darauf trat der Erzbischof vor.

„Senator Cornelius aus der Familie der Wachholder, Ihr habt euch bereit erklärt, dem Reich, dem Volk und dem Senat von Bakanasan als Proconsul für Bakania zu dienen. Schwört Ihr bei Chnums heiligen Namen, mit dem Segen der Alten und mit aller Kraft, die Pflichten Eures Amtes der Tradition gemäß auszuführen, den Gesetzen und Befehlen des Senats zu gehorchen und Schaden vom Reiche abzuwenden zum Wohle des Volkes von Bakania und Bakanasan?“

„Dies alles schwöre ich bei Chnum, dem Vater der Götter und Schützer Bakanasans, und beim Leeren Thron im Palast zu Praeparata!“

Ein Raunen ging durch die Menge auf den Rängen, dann brach Jubel aus. Der letzte Teil seines Eides war nicht gemäß der Tradition. Der neue Proconsul hatte auf den verwaisten Kaiserthron Bakanasans geschworen und sich damit nicht nur als Anhänger der Imperialisten bekannt, sondern gewissermaßen auch seine Ansprüche geltend gemacht. Natürlich waren diese auch vorher schon diskutiert worden, doch hatte er selbst sich nie zuvor, öffentlich dazu geäußert. Nun aber hatte er Galba den sprichwörtlichen Fehdehandschuh hingeworfen.

Der Erzbischof nickt anerkennend. Die Reichskirche schwankte zwischen der Treue zum bakanasanischen Kaisertum und des Höchstpriesters Unterstützung für Bofri. Aula dagegen, ein Anhänger der republikanischen Partei, blickte recht säuerlich drein, doch brachte er die Zeremonie korrekt zu Ende.

„So sei es. Mit dem Segen der Alten seit Ihr, Cornelius Wacholder, nun der neue Proconsul von Bakania. Möge Chnum Eure Schritte leiten. Gehet hin und dient! * * * * *

Es war der erste Schultag in der Schule der Artanpriester in Tarenum. Mißtrauisch betrachtete Clanlord Nirion der Starke (selbst benannt) die tobenden Jungen auf dem Schulhof. Als der unangefochtene Anführer eines Clans der Imperial-Crisen wusste er natürlich schon alles, aber seine Mama hatte ihn gedrängt, dennoch herzukommen. Wenigstens war sie draußen geblieben. Der Achtjährige hatte eine sehr genaue Vorstellung von der

Welt und nicht vor, diese zu ändern. Aber er würde sich großzügig zeigen und zuhören wenn die Artanpriester sprachen, das hatte er Mama versprochen und ein Mann von Ehre hielt seine Versprechen.

Einige Stunden später war Nirion den Tränen nahe, hielt aber tapfer durch, und um einige blaue Flecken und rote Striemen reicher. Mehrmals an diesem Vormittag war er gezwungen gewesen, die Ehre des Reiches und seine eigene gegen Mitschüler und Priester zu verteidigen. Wären es nicht allesamt Crisen wie er gewesen, wenn auch einige von jenseits des Walles, dann hätte er das Schwert seines Vaters von zu Hause holen müssen, das Clanmänner von der Leiche seines Vaters geborgen hatten, als dieser vor zwei Sommern gegen die menschenfressenden Burundi fiel. Mehr als das Schwert hatten sie nicht mitnehmen können, eine Vorstellung die den Jungen mit Grauen erfüllte. Was waren denn die Crisen bevor das Imperium kam? Ihr sogenanntes Reich Midlifee erstreckte sich nur wenige Imperiale Meilen über Crisis hinaus, jenseits davon war weites Land wo wilde Clans der Crisen untereinander Krieg führten. In Crisis hielt Ermobaron der Prächtige verschwenderisch Hof als sei er der Kaiser von Karcanon, dabei war in der Hauptstadt nur eine Straße gepflastert, die Befestigungen waren aus Holz und das Volk hungerte und krankte. Erst mit dem Imperium kam die Einheit der Crisen und sowohl Midlifee als auch Crisis blühten auf. Die Straßen wurden gepflastert, Stadtmauern errichtet, Wasserleitungen verlegt, Tempel wurden gebaut und auch ein Theater und eine Arena! Na gut, nicht alle Crisen waren vereint, einige Clans waren mit dem Verräter Bogo geflohen und hatten in den fernen Bergen ein neues Reich mit Namen Midlikor gegründet, Berg-Crisen hatte Nirions Vater sie genannt. Weitere Clans, die ihre primitive Lebensweise nicht ändern wollten, hatten sich ihnen später angeschlossen, gelegentlich wurden sie abschätzig Steppen-Crisen genannt (Im Gegenzug sprachen diese von den Imperialen als Weide-Crisen). Aber das Volk, das heute in Midligur lebte, bestand nach Nirions Meinung aus einer Mischung aus diesen abtrüningen Crisen, Liguriern, Kelani, Bakanasani, Quadropheniern und Streunern anderer Völker der Region. Diese sollten das wahre Midlifee repräsentieren? Das war eine Beleidigung, die nicht ungesühnt bleiben konnte. Warum wurde er dafür so schändlich bestraft? Morgen würde Nirion einige seiner Männer mitbringen und seinen Peinigern etwas Gleichgewicht beibringen.

Aurelia Lydia Galba war die Frau des Consuls von Bakanasan, doch daran konnte sie sich einfach nicht gewöhnen. Seit ihrer Kindheit hatte sie auf dem Hof ihrer Eltern geholfen und auch als sie die Frau des Proconsuls von Midlifee wurde, hatte sie auf dem Landsitz bei der Ernte geholfen oder bei der Geburt eines Kalbes. Als Frau des Consuls jedoch war dies endgültig vorbei, man erwartete von Aurelia, dass sie sich entsprechend verhielt und hielt sie mit viel Geschick von Arbeit fern. Das Leben wäre sehr langweilig für die tatkräftige junge Frau, wären da nicht ihre Kinder. Lucius Adesus war der älteste, gerade sieben geworden und das Ebenbild seines Vaters. Die Zwillinge Anna Fidelia und Felix Antonius waren vier Jahre alt und begannen gerade die Welt außerhalb des Hause zu erkunden. Ständig musste Aurelia die beiden daran hindern, irgendwelche Dummheiten zu machen. Ihr Mann war keine Hilfe, war er doch meist bei seinen Legionen. Neben dem Personal unterstützte nur ihre Mutter sie bei ihren mütterlichen Pflichten. Julia Victoria Ducatez war eine resolute Dame mit sehr ausgeprägtem Standesbewußtsein. Das sie nun die Schwester eines Heiligen war, hatte sie nicht milder gestimmt.

„Mutter!“ Lucius kam, sein Holzschwert schwingend, in das Atrium gestürmt, wo Aurelia mit den Zwillingen aus Holzklötzen Türmchen baute. „Mutter, es kommen Legionäre!“

Aurelia sprang auf und strich sich rasch die Kleidung glatt. Sie hatte ihren Mann nicht zurück erwartet, um so freudiger war seine Ankunft. Doch als die Männer den Innenhof betraten war Galba nicht unter ihnen. Einen Augenblick starrte Aurelia in die verschlossenen

Gesichter der Legionäre, dann stahl sich Begreifen in ihre Seele. Sie versuchte Haltung zu bewahren, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte, doch dann riss sie ihre Kinder an sich und umklammerte die kleinen Körper. Ein Schluchzen entfuhr ihr und von den Worten des Offiziers hörte sie nur die Hälfte.

Sie spürte die tröstende Hand ihrer Mutter auf der Schulter und riss sich zusammen. Ihr Gemahl war verschwunden aber nicht tot, sie war noch immer Frau eines Consuls von Bakanasan und hatte eine Verantwortung. Aurelia beschloss, stark zu sein. Stark zu sein für ihre Kinder, die eines Tages diese Welt erben würden.

„Mutter, sage bitte dem Kutscher, er möge die Pferde anspannen, wir fahren nach Tarenum.“ * * * *

Diese Woche verbrachte Gaius Volsensus Senna auf seinen Landsitz im Ophis von Praeparata. Der alte Consul saß an seinem Schreibtisch und las die Briefe seiner zahlreichen Freunde, Kollegen, Informanten und anderer Kontakte. Ein Brief von Lux war leider nicht dabei, der Chnumit meldete sich immer seltener aus dem fernen Chnumdur. Schlimme Nachrichten hatte es aus Midlifee geben, wo Consul Marcus Antonius Galba verschwunden war, sich Chnum geopfert hatte, wie es offiziell hieß. Damit war er derzeit der einzige Consul in Bakanasan, eine Situation mit der er vertraut war, die ihm aber nach wie vor nicht gefiel.

Damals, als Wachholder XXIV. vergiftet wurde und die Geschichte Bakanasans für eine kurze Zeit den Atem anhielt, da wählte der Senat zwei Consulen, um die Regierung zu führen, einer davon war Senna, der andere Marcus Drusus Livius, der später im Auftrag von Fraxinus ermordet wurde. Später wurde Adesus Ducates Consul an Sennas Seite, doch dieser fand sein Schicksal auf Silur. Nach vielen Jahren wurde mit Galba ein neuer Hoffnungsträger des Reiches zum Consul berufen, aber nun war auch dieser fort. Wer würde ihm nachfolgen? Lucius Thymian vielleicht? Sollte sich der General vielleicht endlich bereit finden, in die Hauptstadt zurückzukehren? Er hatte vielleicht nicht nur den größten Anspruch auf das Amt, nein, auch dem Thron stand er näher als kein anderer. Er war vielleicht der letzte Mann in Bakanasan, der in direkter Linie von Vater zu Sohn von den sieben Familien abstammte, die einst mit der Gründung Praeparatas den Grundstein des Imperiums legten. Die Wachholders hatten in der Generation des letzten Kaisers nur Töchter hervorgebracht. Auch wenn der junge Cornelius den Familiennamen seiner Mutter angenommen hatte, war er doch im Sinne einer Thronfolge kein Wachholder. Ähnlich war es den Brassica und den Sennas ergangen, wenn auch schon einige Generationen zu vor. Die Linie der Fraxinus war mit dem wahnsinnigen Despoten erloschen, was vielleicht so auch besser war. Seit längst vergangenen Tagen verloren waren die Linien der Ingwa und der Currius. Und der letzte der Thymians verbrachte seine Tage als General in der Provinz und hatte nie höhere Ambitionen geäußert. Selbst zum Amt des Proconsul hatte man ihn drängen müssen. Jüngere Familien bestimmten die Politik des Reiches, einige davon alteingesessene Bakanasaner wie die Galba und die Livius, andere stammte aus den Provinzen. Die Ducatez waren beinahe Anguri, andere waren Maraniten, Lapathier, Crusen oder gar Omaden.

Wehmütig blickte Senna aus dem Fenster in den Garten. Dort spielten seine Enkel und Enkelinnen in der warmen Frühlingssonne. In was für einer Welt würden sie groß werden? Würden sie in Frieden leben, Ehen schließen und ihrerseits Kinder bekommen? Würden sie in dieser zukünftigen Welt bedeutende Rollen spielen? Senna kam der Sohn Bofris in dem Sinn, dem Jungen war eine große Zukunft gewiss. Seine jüngste Enkelin Claudia war nur zwei Jahre jünger, doch sie hatte nicht viel zu erwarten in dem von Männern beherrschten Bakanasan. Ein Gedanke formte sich in Sennas Kopf und nachdenklich wandte er seinen Kopf in Richtung Machairas wo irgendwo das ferne Chalkis liegen musste. Grübelnd griff Senna zu einem Pergament, tauchte eine Feder in das Tintenfässchen und

Bote von Karcanon 80 – Jahr des Blutes 443 n.P. - Seite 15 schrieb einen kurzen Brief an eine Mutter, die er noch nie gesehen hatte. * * * * *

Leise pfeifend schritt Flavius Ancus, ein alter Priester des Chnums, durch die Gänge des neuen Tempels. Adesum wurde die Anlage genannt, natürlich nach Adesus Ducatez, dessen Gebeine heute hier zur letzten Ruhe gebettet worden waren. Adesum war aber nur die Abkürzung für den vollen Namen der lautete „Tempel zu Ehren Chnums in Ewiger Erinnerung an den Heiligen Adesus Ducatez und alle weiteren Märtyrer der Liga des Lichts“. Der Priester war Geistlicher der Fünften Legion unter Adesus gewesen, damals beim Marsch auf Praeparata als sie die Prätorianergarden unter Dio dem Schlächter vernichtend besiegten und den Giftmörder Fraxinus absetzten. Daher hatte er sich über seine Berufung zum Priester von Adesum besonders gefreut. Es war ein großer Tag gewesen, ein erhebender Moment in der Geschichte Bakanasans. Viele tausend Veteranen und zahlreiche aktive Legionäre waren erschienen, um Adesus Ducatez, dem Proconsul von Midlifee, Consul von Bakanasan, Protector Maximus von Bakanasan, Führer der Zweiten Liga des Lichts zur Befreiung Silurs und Märtyrer im Dienste Chnums, das letzte Geleit zu geben. An diesem Tag war es für die alten und jungen Recken keine Schande zu weinen, denn ein großer Mann war von ihnen gegangen und erst mehr als zehn Jahre später kehrten seine sterblichen Überreste in die Heimat zurück. Adesus hatte dem Volk von Bakanasan nach Jahren der Unterdrückung durch einen wahnsinnigen Despoten und einem grausamen Krieg gegen nahezu alle Nachbarreiche wieder Frieden und Freiheit gebracht. Er allein hatte den Legionen ihre Würde zurückgegeben und die vielen Opfer des Despoten rehabilitiert. Mit gutem Recht wurde er in Bakanasan als Heiliger verehrt, auch wenn die offizielle Bestätigung durch Seine Heiligkeit Sukor im fernen Chnumdur noch ausstand. Nun war der Tag zu Ende, die Glocken hatten bereits zur Mitternacht geläutet, und Flavius kehrte noch einmal in die Halle zurück, in der die Gebeine des Protector Maximus lagen. Er wollte nochmal in aller Stille dem Heiligen gedenken, bevor er sich für die Nacht zurückzog. Als er die Halle betrat sah er jedoch, dass er nicht alleine war, ein einsamer Legionär stand vor den aufgebahrten Gebeinen. Auf sein Räuspern hin wandte sich der Legionär um und beinahe traf den alten Priester der Schlag. Vor ihm stand niemand anders als der Märtyrer selbst! Nicht so wie er ihn zuletzt kannte, als er sich in Praeparata vom Senat verabschiedete, nein, er war jünger, wie damals als er das erstmal das Kommando über die Fünfte Legion übernahm, auf dem Schlachtfeld stehend über den Leichen der gefallenen Offiziere. Wie konnte das sein? Ein Wunder des Göttervaters? Doch nein, auf zweiten Blick erkannte der Priester Unterschiede. Die Augen waren gleich, aber die Nase war gerader und der Schwung der Lippen ganz anders. Dieser Mann sah dem jungen Ducatez ähnlich, doch war er es nicht.

„Wer seid Ihr und was treibt Ihr hier?“ entfuhr es Flavius. Der Legionär richtete sich zu voller Größe auf und betrachte den Priester mit einem Blick, den dieser schon lange nicht mehr gesehen hatte.

„Mein Name ist Tiberius Faustus Opiter, ich führe die Dritte Kohorte der Fünften Legion von Midlifee.“

„Und was macht Ihr hier?“

„Ich wollte, soweit es noch möglich ist, den Mann kennenlernen, der meine Mutter geschändet hat.“

„W … wie meint Ihr das?“

„Euer Heiliger schwängerte meine Mutter und dann entehrte er sie öffentlich, indem er ihr die Heirat verweigerte. Ich wollte wenigstens einmal in meinem Leben meinen Vater sehen.“

Ataris ist eines der wenigen Reiche, in denen Religionsfreiheit herrscht. Der Glaube an Finstergottheiten existiert zwar, breitet sich aber seltsamer weise kaum aus. Staatsreligion ist der Glaube an Chnum, und gesetzlich ist das Verhaltnis vom Wert seiner Tempel zu den Tempeln aller anderer Gotter geregelt. Der Kult des Chnum bestimmt auch den Kalender und den Zeitpunkt der großen Atarischen Feste.

Priester sind dazu da, wie im Bild den Herrscher zu beraten und dem Volk zu dienen. Die folgenden Seiten geben eine Kurzerklarung der verschiedenen Gottheiten in Ataris. Auch wird kurz angesprochen, wie beliebt die Gottheit ist.

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