MAG 63: Così fan tutte

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MAG 63

Hier fehlt Kirill Serebrennikov, der Regisseur unserer Mozart-Oper «Così fan tutte». Er kann nicht in Zürich sein, weil er in Moskau unter Hausarrest steht


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Editorial

Heisser Oktober Verehrtes Publikum, mit den Herbstnebeln steigt, wie jedes Jahr, auch die Lust auf Kunst und Kultur. Und das Opernhaus ist in der neuen Saison längst in der Phase grösstmöglicher Produktivität angekommen. Eine Produktion jagt die nächste. Gerade haben wir Christian Spucks neues Ballett Winterreise erfolgreich zur Uraufführung gebracht und eine ganze Serie von Opern als Wiederaufnahme für Sie vorbereitet, da stehen schon die nächsten Premieren vor der Tür. Im November sind es gleich zwei attraktive Opern, die als Neuproduktionen ihre Premiere erleben: Mozarts geniales Liebesverwirrungsstück Così fan tutte und Engelbert Humperdincks romantische Oper Hänsel und Gretel. Es ist inzwischen eine gute Tradition an unserem Haus, dass wir in jeder Saison vor Weihnachten ein Werk für Kinder und Familien auf der Hauptbühne produzieren, mit dem ganzen Bühnenzauber und dem vollen Theaterspass, den die Kunstform Oper zu bieten hat. Waren das in den zurückliegenden Spielzeiten Erst- und Uraufführungen mit populären Stoffen von der Schatzinsel über Robin Hood bis zum Zauberer von Oz, so ist es in diesem Jahr mit Hänsel und Gretel ein im besten Sinne traditioneller Titel. Aber ist diese vor 125 Jahren uraufgeführte Oper, die der Richard-Wagner-Verehrer Engelbert Humperdinck für ein spätromantisches Orchester und grosse Stimmen geschrieben hat, überhaupt ein Stück für Kinder? Auf jeden Fall, findet unser Intendant Andreas Homoki, der dieses Werkes sehr liebt, und es selbst schon für Kinder inszeniert hat. Zu Hänsel und Gretel dürfen sich alle eingeladen fühlen, von den Schulkindern bis zu den Grosseltern. Und Andreas Homoki ist sich sicher, dass der Regisseur Robert Carsen, der dem Zürcher Publikum aus zahlreichen erfolgreichen Inszenierungen bestens bekannt ist, auch für Hänsel und Gretel eine Inszenierung auf die Bühne bringen wird, die mit sinnlichem und bilderstarkem Theater der Einladung an alle Generationen gerecht wird. Das heisst freilich auch, dass Carsen für die märchenhafte Wald- und Lebkuchenwelt eine Übersetzung in die Gegenwart unserer Tage entwickelt. Lassen Sie sich also überraschen, welche Knusperhexe da in Carsens Regiearbeit ab dem 18. November unter der musikalischen Leitung von Markus Poschner um die Ecke biegen wird. Über unsere neue Così fan tutte, die am 4. November Premiere hat, ist im Vorfeld schon viel diskutiert worden, denn für Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme ist der russische Regisseur Kirill Serebrennikov verantwortlich, der die Proben in Zürich aber nicht leiten kann, weil er in Moskau unter strengem Hausarrest steht und inzwischen vom russischen Staat sogar angeklagt wurde wegen höchst fragwürdiger Unterschlagungsvorwürfen. Das MAG-Team hat sich bemüht, ausführliche Hintergrundinformationen zum politischen Fall Serebrennikov für Sie, verehrtes Publikum, aufzubereiten. Aber natürlich auch zum musikalischen und szenischen Konzept dieser grossartigen Mozart-Oper selbst, denn der grösste Triumph für Kirill Serebrennikov und die Kunst wäre eine Così-Produktion, die in ihrem Schwung, ihrer Theater­ lust und ihrem zur Diskussion anregenden Regiemut nicht zu erkennen gibt, unter welch erschwerten Bedingungen sie erarbeitet werden musste. Es sind aufregende Zeiten am Opernhaus Zürich. Die sollten Sie sich nicht entgehen lassen! Claus Spahn

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Ihre

Leidenschaft

Unser

Engagement

Inspiration für alle

Opernhaus Zürich und Swiss Re – eine inspirierende Partnerschaft. Spannende Perspektiven, neue Horizonte, innovative Ideen – bewegen uns bei Swiss Re. Die Zusammenarbeit mit Menschen auf der ganzen Welt begeistert uns. Auch in Kunst und Kultur. Unser Engagement öffnet Augen, bewegt Herzen, berührt Seelen. Und sucht den Dialog. So entsteht Neues, so gestalten wir Zukunft. Gemeinsam, denn: Together we’re smarter. swissre.com/sponsoring

Skulptur: © 2015 Danh Vo. Alle Rechte vorbehalten.


Inhalt

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Kirill Serebrennikov, der Regisseur von «Così fan tutte», steht in Russland unter Hausarrest. Die Journalistin Marina Davydova berichtet über die Hintergründe. Ein Essay

Der Dirigent Cornelius Meister erläutert seine Sicht auf Mozarts vielschichtiges dramma giocoso «Così fan tutte». Ein Gespräch

«Hänsel und Gretel» der Brüder Grimm ist offen für viele Deutungen. Der Germanist Michael Maar beleuchtet die grausame Seite dieses berühmten Märchens. Ein Gespräch

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Humperdincks Oper «Hänsel und Gretel» handelt von Armut und Reichtum und appelliert an unser Mitgefühl. Regisseur Robert Carsen im Gespräch

Opernhaus aktuell – 6 Drei Fragen an Andreas Homoki – 7 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9 Die geniale Stelle – 28 Meine Rolle – 40 Volker Hagedorn trifft … – 44 Der Fragebogen – 46 Kalendarium – 47 Beni Bischof erklärt … – 52

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Eine schöne Bescherung!

Fotos: Danielle Liniger

Als Frau Bartolotti eine Konservenbüchse frei ins Haus geliefert bekommt, ist ihr Erstaunen gross: der Blechbüchse entwächst ein richtiger Junge. Konrad ist perfekt erzogen, putzt freiwillig die Zähne und hasst Zucker. Daran muss sich Frau Bartolotti erst gewöhnen. Doch als ihn die Fabrik aufgrund eines Auslieferungsfehlers zurück haben will, ist guter Rat teuer: Konrad muss ein frecher Junge werden, denn mittlerweile haben ihn alle liebgewonnen …



Opernhaus aktuell

2. Philharmonisches Konzert

Bernstein zum 100. Geburtstag

Leonard Bernstein war einer der faszi­ nie­rendsten und schillerndsten Musiker­ persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Ob als Pianist, Dirigent oder Kom­po­ nist – mit seinem ansteckenden En­t­hu­ sias­mus vermochte er sein Publikum welt­weit zu begeistern. Den 100. Ge­ burts­tag Bernsteins feiern wir mit einem Konzert, das ausschliesslich seinen Kom­ positionen gewidmet ist. Einen WeltHit landete er mit dem Musical West Side Story. In den Sinfonischen Tänzen daraus erklingen die Strassenkämpfe zwischen den Jets und Sharks, das emo­ tionale Somewhere und lateinameri­ka­ nische Tänze. Ausserdem stehen die Suite aus der Oper Candide, aber auch we­ni­ger oft gespiel­te Werke wie die Sere­ nade nach Platons «Symposion» (Solo­ violine: Bartlomiej Niziol) und die Three Meditations aus Mass (Solocello: Claudius Herrmann) auf dem Pro­ gramm. Mit dem britischen Dirigenten Wayne Marshall steht einer der en­­ gagiertesten und erfahrensten Bernstein-­ Kenner am Pult der Philharmonia Zürich. Sonntag, 11. Nov 2018, 19.30 Uhr Hauptbühne

2. Brunch-/Lunchkonzert

Blütezeit des Bassetthorns Im Mittelpunkt des 2. Brunch-/Lunch­ konzerts steht das mit der Klarinette verwandte Bassetthorn. Um 1760 tauch­ ten die ersten Instrumente auf, für die ein Knick in der Rohrführung und ein metallenes Schallstück charakteris­ tisch sind. Sein dunkler, zarter und bei­ nahe melancholischer Ton inspirierte

Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, Girolamo Salieri (Klarinetten­ virtuose und ein Neffe Antonio Salieris) oder Felix Mendelssohn Bartholdy, von denen auch die Werke dieses Foyer­ konzerts stammen. Neben Rita Karin Meier (Bassetthorn) spielen Nina Höhn (Klarinette), Andrea Del Bianco (Kla­ vier), Wen-Chun Lin und Seraina Pfen­ ninger (Violinen), Natalia Mosca (Vio­la) und Luzius Gartmann (Violoncello). Brunchkonzert: Sonntag, 4 Nov 2018, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Lunchkonzert: Montag, 5 Nov 2018, 12 Uhr, Spiegelsaal

3. Brunch-/Lunchkonzert

Musiker an der Front Vor 100 Jahren endete der Erste Welt­ krieg mit dem Waffenstillstands­ab­­ kommen von Compiègne. Aus diesem Anlass widmet sich das 3. Brunch-/ Lunchkonzert den selten ge­spiel­ten Komponisten Rudi Stephan, André Ca­ plet und Lucien Durosoir. Rudi Stephan, deutsche Komponistenhoff­ nung der damaligen Zeit, starb 1915 als Soldat an der Front in Galizien. André Caplet war auf französischer Seite eben­ falls als Soldat im Krieg. Er überlebte, starb aber 1925 an den Folgen einer Brustfellentzündung, die er sich durch eine Gasvergiftung im Krieg zugezogen hatte. Lucien Du­rosoir, bis zum Aus­ bruch des Krieges ein erfolgreicher Gei­ ger, wandte sich nach dem Krieg dem Komponieren zu. Als Soldat spielte er u.a. zusammen mit Caplet für die Sol­ daten im Feld und im Lazarett. Das Konzert gestalten Julie Palloc (Harfe), Ann-Katrin Stöcker (Klavier), Michael Salm und Daniel Kagerer (Violinen), Sebastian Eyb (Vio­la), Alexander Gropper (Violoncello), Ruslan Lutsyk (Kontrabass) sowie die Schauspielerin Isabelle Menke, die aus Briefen der Komponisten liest. Brunchkonzert: Sonntag, 18 Nov 2018, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Lunchkonzert: Montag, 19 Nov 2018, 12 Uhr, Spiegelsaal

Ballett Zürich

Ballettgespräch

In Christian Spucks Winterreise und in Kreationen, dem spannenden Abend des Junior Balletts, waren die neuen Mitglieder des Balletts Zürich und der Juniorcompagnie in den letzten Tagen bereits auf der Bühne zu erleben. Im ersten Ballettgespräch dieser Saison stellen sich die zwölf neuen Tänzerin­ nen und Tänzer nun den Fragen von Michael Küster und Ballettdirektor Christian Spuck. Einige von ihnen sind ausserdem in kurzen Ausschnitten aus ihrem Re­pertoire zu erleben. Sonntag, 18 Nov 2018, 11.15 Uhr Ballettsaal A

Auszeichnung

Preisgekrönte «Lunea»

Grosse Ehre: Die Zeitschrift «Opern­ welt» wählte Heinz Holligers Lunea am Opernhaus Zürich zur «Uraufführung des Jahres». «Zärtliches Rauschen» (Badische Zeitung) war unter anderem ein Prädikat, womit Holligers Lunea in der bedeutenden, jährlich stattfinden­ den Kritikerumfrage bedacht wurde. Das Libretto zu Lunea, eine Hom­mage an den Dichter Nikolaus Lenau, schrieb Händl Klaus. Heinz Holliger selbst stand am Pult der Philharmonia Zürich. Für die Inszenierung zeichnete Andreas Homoki verantwortlich, der Bariton Christian Gerhaher sang die Haupt­ partie.

Illustration: Anita Allemann,  Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

An der Kunst festhalten Herr Homoki, unsere nächste Pre­ mie­re wird gerade unter ausserge­ wöhn­lichen Bedinungen vorbereitet. Der Regisseur Kirill Serebrennikov kann bei den Proben zu Così fan tutte nicht dabei sein, weil er in Moskau unter Hausarrest steht. Sie wollten trotzdem, dass er der Regisseur bleibt. Warum? Es war natürlich nicht unser Wunsch, die Produktion unter diesen Umständen zu realisieren. Wir wurden dazu ge­ zwungen. Ich habe Kirill Serebrennikov für diese Così engagiert, weil ich ihn als Künstler ausserordentlich schätze. Alles war fest verabredet, als er im Au­ gust des vergangenen Jahres festge­ nommen und sich diesen kaum nachvoll­ ziehbaren Veruntreuungsvorwürfen ausgesetzt sah. Zunächst hatten wir die Hoffnung, dass er bald wieder frei kommt, aber dann ahnten wir, dass sich diese quälende Situation lange hinziehen wird, womöglich über den geplanten Probenbeginn hinaus. Die Frage stand im Raum, ob wir auf eine andere, bereits existierende Così-Produktion auswei­ chen. Aber das wollte und konnte ich nicht. Ich fand die Vorstellung unerträg­ lich, Kirill als Künstler und Regiekolle­ gen in dieser schwierigen Situation im Stich zu lassen. Er sitzt ohne rechts­ staatliches Verfahren vollkommen ab­ge­ schnitten von der Welt in seiner Mos­ kauer Wohnung und wird mundtot ge­ macht. Ein Bühnenkünstler, der nicht öffentlich wirken kann, ist kein Künstler mehr, sondern nur noch eine Privat­­per­ son, die Probleme mit dem russischen Staat hat. Genau das ist von politischer Seite beabsichtigt. Dem wollten wir uns nicht beugen und haben deshalb be­ schlossen, an Kirill festzuhalten. Was bedeutete das für das Zustande­ kommen der Inszenierung? Kirill hat während des Hausarrestes im­ mer weiter an dem Così-Konzept ge­ arbeitet, er macht ja auch das Bühnen­ bild und die Kostüme. Wir konnten die

Ausstattung nach seinen Entwürfen bauen, auch wenn die Kommunikation nicht einfach war. Kirill unterliegt einer strengen Kontaktsperre, ist ohne Internetanschluss, darf seine Wohnung nur zwei Stunden pro Tag mit einer Fussfessel verlassen und überhaupt nur mit seinem Anwalt und wenigen weite­ ren Menschen kommunizieren. Was macht ein Künstler in einer solchen Si­ tuation? Er arbeitet! Kirill hat die Insze­ nierung in der Zeit seines Haus­arrests minutiös Szene für Szene vorbereitet und alles en détail am Schreibtisch aus­ ge­arbeitet. Als Intendant kann man sich nur wünschen, alle Regisseure würden ihre Inszenierung so gut vorbereiten. Wie funktioniert nun die Proben­ arbeit ohne den Regisseur? Regieführen heisst normalerweise vor Ort zu sein und die Inszenierung ge­ meinsam mit den Sängern zu erarbeiten. Aber ich kenne das Metier gut genug, um zu wissen, dass man ein existierendes Regie-Konzept zur Not auch mit guten Assistenten umsetzen kann. Das erleben wir ja auch bei Wiederaufnahmen, die in der Regel ohne Anwesenheit des Re­ gisseurs einstudiert werden. Wobei in solchen Fällen die szenischen Vorgänge schon einmal in einem ausführlichen Probenprozess erarbeitet worden sind. Das ist bei unserer Così nicht der Fall, aber Kirill hat mit Evgeny Kulagin einen Assistenten, der ihm sehr nahe steht und das Konzept hier nun einstudiert. Ich war nach einem persönlichen Treffen fest davon überzeugt, dass Evgeny in der Lage ist, auf Augenhöhe mit den Sängern zu arbeiten und eigenständig Entscheidungen im Sinne des Konzepts zu treffen. Das funktioniert erfreuli­cher­­ weise wirklich gut, dank einer hoch­ motivierten Sängerbesetzung. Nicht zu­letzt auch dank Cornelius Meister, der als ausgesprochen szenisch denkender Dirigent in dieser schwie­ri­gen Situation ebenfalls sehr unter­stüt­zend ist.

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Illustration: Anita Allemann

Quietschende Ballettstiefel Woran denken Sie, wenn Sie das Wort «Quietschen» hören? An Bremsen, Fahrradketten, Räder, Türen, Trams, Entchen und Stadelhofen? Das war bei uns bis vor kurzem auch so, doch jetzt denken wir an Schuhe. An Pirouetten-drehende Winter­ stiefel auf bedrucktem Tanzboden. Ich hole etwas aus: Am Anfang steht der Wunsch unseres Ballettdirektors Christian Spuck, dass die Tänzer*innen in seiner Choreografie der Winterreise in einigen Szenen auf der Bühne in Winterstiefeln im Schnee tanzen. Da handelsübliche Winterstiefel zu wenig Bewegungsfreiheit für eleganten Tanz bieten, mussten diese Stiefel speziell nach den Bedürfnissen der Tanzenden angefertigt werden. Unsere Schuhmacherin Cleo Krebs und unser Schuhmacher Simon Schäppi wissen genau, wie sowas geht: So muss z.B. der Schuh zwischen Ballen und Ferse ein Maximum an Bewegungsfreiheit haben, er muss passgenau und möglichst leicht sein und weder eine rutschige noch eine besonders haftende Sohle haben. Der Prototyp dieses Schuhs wurde angefertigt, von ausgewählten Tänzern ausprobiert und für gut befunden. Von diesem Prototyp liessen wir in jeder benötigten Grösse zunächst ein Paar fertigen. Unser Ballettensemble probierte die Schuhe an, so dass wir genau wussten, wieviele Schuhe wir von jeder Grösse herstellen lassen mussten. Sobald die knapp 100 Schuhe angefertigt waren, wurden sie in den Ballettproben­ raum gebracht, damit sich die Tänzer*innen möglichst frühzeitig an diese gewöhnen konnten. Und das Tanzen ging sehr gut darin – alles gut? Zumindest so lange, bis die ersten Proben nicht mehr im Ballettsaal, sondern auf der Bühne stattfanden. Dort lag ein für das Bühnenbild der Winterreise speziell bedruckter Tanzboden, und die Leder­ sohlen der Winterstiefel quietschten fürchterlich auf diesem Untergrund. Simon nahm einen Stiefel und raute die Sohle mit einem Schleifpapier auf, doch das Quietschen wurde dadurch erhöht. Es musste weiter geforscht werden, die Schuhmacherei wurde zum Labor: Eine originale Bodenplatte wurde angeliefert, und es folgten Versuche mit Talkum und Wachs, es wurde geschliffen und poliert. Simon testete jeweils den bearbeiteten Stiefel und drehte zur Freude von Cleo Pirouetten auf der Bodenplatte in der Werkstatt. Ergebnis: Eine mit Wachs behandelte und der Poliermaschine bearbeitete Sohle macht keine Geräusche mehr! Die Zeit lief allerdings davon: Zur grossen Durchlaufprobe am nächsten Tag mussten alle Stiefel wieder bereit sein. Das schafften die beiden, und die Tanzenden betraten mit diesen Stiefeln die Bühne. Lautlos, aber leider: zu rutschig. Die Tänzer*innen behalfen sich damit, die Sohlen schnell mit Ko­­lo­phonium (besteht aus Baumharz) zu behandeln, wodurch sie mehr Haftung be­ kamen. Und natürlich: wieder quietschten. Die Probe war ein akustisches Desaster und die Ratlosigkeit wuchs. Der Durchbruch gelang erst der Kostümbildnerin Emma Ryott: Sie nahm sich nach der Probe ein Schleifpapier und schliff bei einem Stiefel die Sohle vorsichtig etwas rauer, so dass der Schuh wieder ausreichend Haftung bekam. Dann rundete sie die scharf geschnittene Ledersohlenkante ab. Und siehe da: Der Tänzer probierte das aus, der Stiefel rutschte nicht und quietschte nicht mehr. Cleo und Simon bearbeiteten alle Stiefel bis in den späten Abend hinein. Am nächsten Probentag gab es nur noch einzelne, aber vertretbare Quietscher. Ein fast voller Erfolg! Das Problem ist nur, dass die Tänzer*innen gerne mit dem Kolophonium die Reibung ihrer Schuhe für sich selbst einstellen möchten und dass das lautlos nicht möglich ist. Dafür haben wir keine Lösung gefunden und sind bei jeder Probe auf der Gratwanderung zwischen der Gefahr des Ausrutschens und des zu lauten Quietschens. Falls Sie im oberen Teil meines Textes über das Wort «Schnee» gestolpert sind: Es handelt sich natürlich um Schneeflocken aus Papier. Auf diesen rutschen die Tanzenden übrigens erstaunlicherweise nicht aus und: Sie quietschen nicht. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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Foto: Ira Polyarnaya


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An ihm wird ein Exempel statuiert Kirill Serebrennikov steht in Moskau unter Hausarrest und kann deshalb nicht in Zürich sein, um seine Inszenierung von Mozarts Oper «Così fan tutte» zu realisieren. Man wirft ihm vor, Subventionen veruntreut zu haben. Aber in Wahrheit geht es um etwas anderes: Der Regisseur ist die Symbolfigur für die Modernisierung der Künste in Russland. Dafür strafen ihn die konservativen Kräften des Putin-Regimes ab. Ein Hintergrundbericht der russischen Journalistin Marina Davydova


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irill Serebrennikov ist seit einiger Zeit nicht nur einfach ein Regisseur – er ist zum Symbol eines neuen russischen Theaters geworden. Und sein «Fall» ist wie ein Prisma, durch das man – je nach Wunsch – alle politischen, ökono­ mischen oder ästhetischen Probleme Russlands betrachten kann. Kirill Serebrennikov und der «Fall Serebrennikov» sind im Bewusstsein der Öffentlichkeit so sehr miteinander verschmolzen, dass sie kaum mehr zu unterscheiden sind. Versuchen wir, sie voneinander zu trennen. Der Regisseur Serebrennikov nahm in der Theaterwelt Russlands von Anfang an eine Sonderstellung ein. Er wurde in Rostow am Don geboren und schloss sein Studium an der Fakultät für Mathematik und Physik mit hervorragenden Noten ab. Schon als Student begann er, Dokumentarfilme zu drehen und beim Fernsehen zu arbeiten; als Filmregisseur erwarb er sich seinen ersten Ruhm. Er erhielt sogar den in Russland sehr prestigeträchtigen Preis «Teffi». Aber im Unterschied zur grossen Mehr­ heit unserer Theaterregisseure studierte Serebrennikov nie an einer der Hochschulen für Theater, die in Russland so zahlreich vorhanden sind. Im westlichen Ausland hätte diese Tatsache vermutlich keine Bedeutung, in Russland jedoch ist das Diplom einer Hochschule für Theater eine Art Fetisch, und ein Regisseur, der es nicht besitzt, wird bis an sein Lebensende als Dilettant gelten. Dass Serebrennikov dieses berühmt-berüchtigte Diplom nicht besass, hatte für seine Karriere viele negative Folgen, aber auch einen entscheidenden Vorteil. In den Theaterinstituten war damals die Mehrheit der Professoren überzeugt davon, dass sie ihren Studenten erklären kann, wie man eine Aufführung «richtig» inszeniert (das System Stanislawski beispielsweise wurde zu einer Art Religion erhoben), welche Auf­führungen man machen soll und welche nicht. Serebrennikov verfügte nicht über dieses «sakrale» Wissen; damit hatte er aber auch viele Ängste nicht, die oft mit diesem Wissen einhergehen. Eine der am weitesten verbreiteten Ängste in diesem Zusammenhang war die Angst der russischen Theaterszene vor zeitgenössischen Texten. Das Repertoire der grossen Theater in Russland Anfang des 21. Jahrhunderts bestand entweder aus der er­probten Klassik oder aus Komödien nach Broadway-Art. Neue Stücke wurden höchs­tens in Kellertheatern gezeigt. Alexej Kasanzew, der künstlerische Leiter eines dieser Kellertheater (es nannte sich «Zentrum für Dramaturgie und Regie»), hatte schon lange den Traum, Plastilin des damals noch jungen Autors Wassilij Sigarew auf die Bühne zu bringen, der heute ein sehr bekannter Schriftsteller und Filmregisseur ist. Das Stück erzählt von einem Jugendlichen, der in einer kleinen Provinzstadt lebt, wo Gewalt und Repression längst zur Norm geworden sind und man an jeder Ecke recht deftiges Vokabular zu hören bekommt. Der Autor beschreibt dieses Leben sehr anschaulich und detailreich (viele Szenen spielen auf der Schultoilette), und die russische Theaterszene war damals derart keusch, dass man sich so etwas auf der Bühne nicht mal vorstellen durfte.

Er holte zeitgenössische Dramen aus den Kellertheatern auf die Bühnen der wichtigsten Theater Auf der Suche nach einem Regisseur für Plastilin wandte sich Kasanzev an viele russische Regisseure. Alle sagten ab. Serebrennikov sagte zu. Es wurde 2001 sein erster grosser Erfolg in Moskau. Er kam nicht nur mit dem Stück von Sigarev bestens zurecht, es gelang ihm auch auf erstaunliche Weise, diese direkt von der Strasse stammende Sprache zu poetisieren und eine gesunde ironische Distanz zum Text zu finden. Daraufhin war es gerade Serebrennikov, der als erster die «neuen Dramen» (von den Stücken der Brüder Presnjakov bis zu Mark Ravenhills Polaroids) aus den Keller­ theatern auf die Bühne der wichtigsten russischen Theater brachte. Er kannte keinen Ekel vor diesem Milieu, für das sich die russischen Theater damals zu fein waren. Er brach alle ungeschriebenen Gesetze unserer Bühnen und wurde einer der bekanntesten


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Regisseure Russlands. Das provozierte Neid und reizte einen grossen Teil der Tradi­ tions­bewahrer unserer Theater, die der Meinung waren, dass der «Dilettant ohne Diplom» nur dadurch Ruhm erlangt hatte, dass er die «Traditionen des russischen Theaters» zerstörte. Doch der Armee der Gegner stand eine immer grösser werdende Armee von begeisterten Fans gegenüber, zu denen viele im ganzen Land beliebte Künstler gehörten. Dass die besten Schauspieler des Landes in Serebrennikovs Inszenierungen Hauptrollen spielten, lenkte die Aufmerksamkeit Oleg Tabakovs auf Serebrennikov. Tabakov war künstlerischer Leiter des Moskauer Künstlertheaters, faktisch des wichtigsten Theaters des Landes. Tabakov, selbst ein grossartiger Schauspieler, beauftragte Serebrennikov damit, diese berühmte Bühne zu erneuern. In den Jahren um 2000 brachte Serebrennikov im Moskauer Künstlertheater eine aufsehenerregende Inszenierung nach der anderen heraus und entwickelte dabei seinen eigenen Stil: In diesem geht das traditionelle russische psychologische Theater eine erstaunliche Verbindung ein mit greller Groteske und Elementen der Londoner und Pariser Music-Hall. Doch jeder gute Regisseur in Russland träumt von seinem eigenen Theater. Besonders schwierig, ein eigenes Theater zu bekommen, ist es für jemanden, der sich neuen Dramen zuwendet und die «russischen Klassiker verdreht». Umso erstaunlicher war es, dass 2011 unter Serebrennikovs Leitung das Projekt «Platforma» ins Leben ge­r ufen wurde, das jetzt im Zentrum des Finanzskandals steht. Warum ist gerade Serebrennikov zum Opfer des Regimes innerhalb der Theaterwelt auserwählt worden? Und warum steht ausgerechnet «Platforma» nun im Fokus?

Die Präsidentschaft von Dmitri Medwedew steht für eine Modernisierung in der Kultur Auf diese Fragen gibt es eine einfache Antwort. Einer der wichtigsten Oppositio­nellen des heutigen Russland, Alexej Navalny, führt schon lange eine Kampagne gegen die Korruption, die in den höchsten Etagen der russischen Macht blüht. Der Fall Sere­ brennikov ist – unter anderem – eine Antwort auf das, was Navalny aufgedeckt hat. Der Kreml agiert am liebsten spiegelbildlich. Wenn es in Moskau Demonstratio­nen gibt gegen Wahlfälschungen im Parlament, wird es bald danach Pro-Putin-Demon­ stra­tionen geben, die die Macht stützen. Wenn ein Vertreter der Opposition Unregel­ mässigkeiten aufdeckt, die die Finanzen in den höchsten Etagen der Macht betreffen, kann man sicher sein, dass es auch in den Reihen ebendieser Opposition bzw. der liberalen Intelligenzija entsprechende Enthüllungen geben wird. Diese Enthüllungen müssen natürlich für viel Aufsehen sorgen, und der Name dessen, der im Zentrum der Enthüllungen steht, muss in aller Munde sein. Für diese Ziele ist die Theaterszene besonderes geeignet. Einerseits ist das Theater diejenige Kunstform, die am stärksten von staatlichen Geldern abhängig ist. Zum anderen ist unsere Gesetzgebung in Bezug auf die Finanzen so, dass man im Theater eigentlich gar nichts machen kann, ohne die Gesetze zu brechen. Wenn ein Intendant sich streng an das Gesetz hält, kann er weder die Kostüme rechtzeitig kaufen noch das Toilettenpapier. Das macht es sehr einfach, innerhalb der Theaterszene Verstösse gegen das Gesetz aufzudecken. Hier lässt sich in nützlicher Frist und in Bezug auf den unerwünschten Künstler immer irgendeine «Veruntreuung» aufdecken. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der unsichtbare Teil des Eisbergs ist deutlich interessanter. Wenn wir heute zurückschauen, verstehen wir, dass wir 2011, als «Platforma» gegründet wurde, in einer ganz anderen Epoche lebten. Die Krim war noch nicht annektiert worden, Kontakte mit dem Westen wurden noch nicht begrenzt, sondern im Gegenteil erweitert, das Gesetz über die Verletzung der religiö­sen Gefühle Gläubiger war in der jetzigen Version noch nicht verabschiedet, und die Vertreter moderner Kunst galten noch nicht als nationale Verräter. Darüberhinaus haben die Mächtigen gerade in den 10er Jahren, als Dmitri Medwedew Präsident war, zum ersten Mal in der neueren Geschichte der Russischen Föderation lauthals verkündet,


Inszenierungs-Fotos: Ira Polyarnaya

dass sie bereit dazu sind, das, was gemeinhin als moderne Kunst bezeichnet wird, zu unterstützen. Schon bei uns herrscht ein eher oberflächliche Verständnis von der vier­ jährigen Regie­r ungszeit Medwedews – im Westen jedoch sieht man das noch oberflächlicher, dort ist scheinbar «alles klar»: Medwedew war bloss ein Platzhalter Putins auf dem Thron. Aber letztlich ist es nicht so wichtig, wie gross die Machtbefugnisse Medwedews wirk­lich waren. Wichtig ist etwas anderes: In die Jahre seiner Präsidentschaft fällt die Aufforderung zur Modernisierung und «Verwestlichung» verschiedenen Be­reichen der Gesellschaft: der Industrie, der Wirtschaft, der Wissenschaft... In den Jahren unter Medwedew wurde die Gesetzgebung in Bezug auf die Wirtschaft stark liberalisiert. Die ehemals zwei Jahre Wehrpflicht wurden auf ein Jahr verkürzt. In den Schulen wurde ein Zentralabitur eingeführt, und der Ausbildungsstandard wurde westlichen Standards angenähert. Interessant ist auch, dass in diesen Jahren die Miliz


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Beide Fotos: «Maschine Müller» Moskau 2016

in «Polizei» umbenannt wurde. Das scheint eine rein dekorative Massnahme zu sein, doch im russischen Kontext hat sie eine besondere Bedeutung. Polizei – das ist etwas «Westliches», während der Begriff Miliz aus der Sowjetzeit stammt. Im Rahmen dieser Modernisierung erinnerte sich das Establishment im zweiten Jahr von Medwedews Präsidentschaft auch an die Kultur. Es wurde klar, dass es sehr schwer ist, grundlegende Reformen im Bereich der Ökonomie durchzuführen, und dass rein dekorative Massnahmen (Polizei statt Miliz) nicht ausreichen würden. Die Reformen innerhalb der Kultur sollten Ersatz sein für die Modernisierung, die in den anderen Bereichen nicht wirklich stattgefunden hatte. Von dem Treffen Medwedews mit Vertretern verschiedener Künste, das am 24. März 2011 stattfand, existieren Stenogramme, aus denen hervorgeht, dass der Kreml in diesem Moment den neuen Trends nicht nur offen gegenüberstand, sondern sie in gewissem Sinne sogar provozierte. Hier ein Zitat aus der Rede des Präsidenten: «Meiner Ansicht nach sollte die Modernisierung, von der ich so oft spreche und von der auch andere Kollegen sprechen, diese Modernisierung unseres Lebens, der ökono­ mischen Grundlagen, des politischen Systems von Menschen durchgeführt werden, die offen sind für diese Entwicklung. Menschen, die sich mit moderner Kunst beschäf­ tigen, sind normalerweise offen für Veränderung. Hier gibt es, wenn Sie so wollen, eine direkte Verbindung...» In der Kultur jedoch gibt es eine nicht ganz einfache Sparte namens Theater. Und die zu modernisieren, ist schwieriger als alles andere, denn eben dieses Theater scheint sich jeglichen Entwicklungen der neuen Zeit zu widersetzen. Seit 1991 wurde alles mögliche erneuert (ob das gute oder schlechte Erneuerungen waren, ist eine andere Frage), aber die sperrigen, unbeweglichen Repertoiretheater und die ebenso unbeweg­lichen und konservativen Hochschulen für Theater haben sich seit 1975 oder sogar seit 1955, also seit der Stalinzeit, nicht verändert. Die Strukturen der Macht brauchten plötzlich jemanden, auf den sie in ihrem Bestreben nach Modernisierung (sowohl auf organisatorischer als auch auf ästhetischer Ebene) setzen konnten. Kirill Serebrennikov erwies sich als einer dieser Menschen, die, ich wiederhole es, in unseren Theatern so rar sind. Eine weitverbreitete Version besagt, dass der bekannte Regisseur mit ausgestreckten Händen zum Kreml gegangen sei und um Geld für irgendwelche Projekte gebeten habe. Diese Version ist nichts als ein Mythos. Es war genau andersherum. Im Rahmen


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der Modernisierung schauten die Mächtigen sich um und stellten sich die Frage: Auf wen können wir im Theater zählen? Wer ist diese symbolische Figur? Da fiel ihnen Serebrennikov ein. So entstand 2011 das von den Mächtigen initiierte Projekt «Platforma», das vier Sparten miteinander verband – modernen Tanz, zeitgenössische Musik, modernes Theater und Multimedia. Schwer zu sagen, wie viele Choreografen, Komponisten, Künstler, Musiker, Schauspieler, Performer an den vielgestaltigen Veranstaltungen des Projekts «Platforma» teilnahmen. Und schwer zu zählen, wie viele Veranstaltungen es gab. Als die Beteiligten eine Dokumentation der damaligen Zeit erstellen wollten, kamen mehr als 80 (!) Theaterplakate zusammen. Es lohnt sich, zu erwähnen, dass für die Mehrheit der Künstler, Komponisten, Regisseure, die Serebrennikov engagierte, die Türen eines Repertoiretheaters für immer verschlossen bleiben würden. Es war der Versuch, ein paralleles Kulturleben aufzubauen, mit einem Schwerpunkt auf neuen Ideen und einem europäischen Entwicklungsmodell. Der Erfolg von «Platforma» hat das Gogol-Zentrum hervorgebracht. 2012 ernann­te der damalige progressive Leiter des Moskauer Kulturdepartements Sergej Kap­kov Serebrennikov zum künstlerischen Leiter des trostlosen Moskauer Gogol-Theaters, in das die Theaterkritiker schon lange keinen Fuss mehr gesetzt hatten. Dieses Theater verwandelte Serebrennikov in einen Vorposten avantgardistischen Theaters – ins Gogol-Zentrum. Er gründete in Moskau ein Theater neuen Typs, dessen Türen den Zuschauern fast 24 Stunden offen stehen, in dem neben Vorstellungen und Pre­mieren auch Gesprächsrunden stattfinden, poli­ tische Diskussionen, Vorträge, Filmvorführun­gen, und wo sich ständig liberal und oppositionell gesinnte Menschen versammeln. All das passierte in der kurzen Medwe­ dew-Epoche. Diese neue Institution rief eine Welle von Protesten und Skandalen her­vor, und zwar besonders von Seiten der Theaterleute: Die Schauspieler aus dem ehemaligen Ensemble des Gogol-Theaters, die jede Modernisierung kategorisch ab-

Serebrennikov verwandelte das trostlose Moskauer Gogol-­Theater in einen Vorposten der Theater-­ Moderne

«Kleine Tragödien» Moskau, 2017


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lehnten, gingen in Moskau auf die Strasse und riefen mit patriotischen Losungen die Macht dazu auf, die «Zerstörung der nationalen Werte» zu stoppen. Sie schrieben an alle Instanzen – von der Duma bis zur Staatsanwaltschaft – Anzeigen, in denen sie die Aufführungen des neuen künstlerischen Leiters aller möglichen Sünden bezichtigten: der Verwendung verbotenen Vokabulars, der Verletzung religiöser Gefühle, der Propagierung von Homosexualität und Pädophilie und nebenbei auch noch der Veruntreuung von Subventionsgeldern.

Der oberste Herrscher Putin wählt die Ideologien ganz nach seinem Bedarf aus

«Der Student» Moskau, 2015

Diese Anzeigen belegen, dass der Gegensatz von russischer Gesellschaft und russischer Macht, mit dem westliche Journalisten so häufig operieren, die Situation nicht ganz zutreffend beschreibt. In allen Segmenten der russischen Gesellschaft, angefangen von der Spitze der Machtpyramide bis hin zur Theatergemeinde, gibt es Verfechter der Modernisierung und Verfechter des Alten, Liberale ebenso wie Staatstreue. Es genügt zu sagen, dass man im Theater in Rostow am Don, der Stadt, in der Serebrennikov geboren wurde und aufgewachsen ist, bis heute die in der Tradition des «sozialistischen Realismus» stehende Aufführung Stalin, der Uhrmacher über Stalin als effektiven Ma­nager sehen kann; der Regisseur ist Alexander Pudin. Es wäre naiv, anzunehmen, dass Pudin von irgendwelchen hohen Beamten dazu gezwungen wurde, diese Vorstellung auf die Bühne zu bringen. Er tat das aus freien Stücken. Solche Pudins gibt es in Russland viele. Und jeder von ihnen ist bereit, Anzeige zu erstatten gegen den «falschen», nicht traditionell arbeitenden Regisseur. In den Jahren von Medwedews Herrschaft war die Erzählung der konservativen Theatermacher darüber, wie schrecklich der Zerstörer der russischen Tradition und Moral ist, vor allem für sie selbst interessant. In den Jahren darauf veränderte sich die Atmosphäre im Land radikal. 2012 wurde Wladimir Putin zum dritten Mal gewählt. Genauer gesagt, er bestieg wieder den Thron, den er vorübergehend Medwedew überlassen hatte, und überliess diesem gnädig den Posten des Ministerpräsidenten. In seiner Wahlkampagne legte Putin den Schwerpunkt nicht auf Modernisierung, sondern auf die Bewahrung der alten Werte. Er verliess sich offenbar darauf, dass er in Zeiten ökonomischer Schwierig­keiten (der Ölpreis hatte bereits zu fallen begonnen) seine Macht nur erhalten konnte, indem er sich auf archaische Dinge stützte, die aus den tiefsten Tiefen des Volkes kom­men, auf die Idee eines Imperiums, in der sich auf paradoxe Weise orthodoxe Tra­ditionen mit der Verherrlichung der sowjetischen Vergangenheit vermischen. Die Epoche von Putins Herrschaft dauert nun schon 18 Jahre. In Wirklichkeit sind es jedoch mehrere, verschiedene Epochen. Stellen Sie sich vor, dass Sie im Theater sitzen. Der Vorhang ist geschlossen, darauf steht PUTIN. Aber was für eine Aufführung gezeigt wird, wenn der Vorhang aufgeht, wissen Sie nicht. Ungefähr so sieht die Geschichte des «Putinismus» aus. Der oberste Herrscher hat, im Grunde genommen, keine Ideologie. Sie wird nach Bedarf für den Machterhalt ausgewählt. 2012 brauchte Putin die Idee des grossen Russland, das seine Traditionen pflegt und sich dem verfaulenden, amoralischen und sich Russland überlegen fühlenden Westen mutig entgegenstellt. Da die Ideologien nach Bedarf ausgewählt werden, kommt man nicht darum herum, sich auf Menschen zu stützen, für die die jeweilige Ideologie geradezu den Sinn des Lebens ausmacht. Die Aufgabe des Kulturministers fiel Wladimir Medinski zu, einem eingefleischten Anti-Westler und Hurra-Patrioten, der sowohl mit den obskursten Kreisen der russisch-orthodoxen Kirche als auch mit dem Geheimdienst FSB eng verbunden ist. Zur Zeit Medwedews war jedes dritte Wort in den Dokumenten, die vom Kulturminister kamen, «Innovation». Nach 2012 wurden diese Dokumente umgeschrieben, und das Wort «Innovation» wurde sorgfältig durch «Tradition» ersetzt.


18 Così fan tutte

Die Beziehung des neuen Ministers zum Premierminister Medwedew war von Anfang an konfliktreich. Seinen unmittelbaren Chef nahm der Kulturminister nicht ernst; zurecht ging er davon aus, dass der Schutz der hohen Beamten im Geheimdienst seine Position quasi unangreifbar machen würde. Das Amt Medinskis wurde faktisch zum Zentrum der konservativen Revolution in Russland. Von ihm stammt die Idee der heute wirksamen finanziellen Zensur, die sich als sehr viel schlimmer erwiesen hat als die ideologische Zensur sowjetischer Prä­ gung. Was riskierte ein Regisseur oder Intendant, wenn er zu sowjetischen Zeiten eine politisch nicht opportune Inszenierung auf die Bühne brachte? Er riskierte, dass die Kontrollorgane die Aufführung verbieten oder Änderungen erzwingen. Jetzt ist das Risiko viel höher. Offiziell gibt es keine Zensur, aber praktisch passiert Folgendes: Wenn du etwas nicht so inszenierst, wie es den inoffiziellen Zensoren gefällt, kann jedes beliebige Vergehen gegen die absurden Finanzgesetze gegen dich verwendet werden. Auf diese Art und Weise riskiert jeder Regisseur, der sich entscheidet, eine radikale In­szenierung auf die Bühne zu bringen, nicht nur die Aufführung, sondern auch die Freiheit des Intendanten, der alle finanziellen Dokumente unterschrieben hat, und sogar, wie sich herausgestellt hat, seine persönliche Freiheit. Die Selbstzensur ist unter den Theaterschaffenden in Russland inzwischen so stark geworden, dass es keine tat­sächliche Zensur mehr braucht.

Die Kunst rückt ins Zentrum einer konservativen Revolution Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Medinski und seine Gefolgsleute aus dem FSB und der russisch-orthodoxen Kirche die Initianten des «Falls Serebrennikov» waren. Dieser Fall ist nicht nur ein Krieg der neuen Beamtengeneration gegen die The­ater­ schaffenden. Es ist auch ein Krieg gegen die Beamten, die während der Regie­r ungszeit Medwedews für die Politik der Modernisierung verantwortlich waren. Die Kommuni­ kation mit ihnen verläuft so: Wir haben uns jetzt Ihren Protegé vorgenommen. Aber früher oder später nehmen wir uns Sie selbst vor, denn Sie hatten vor, das grosse, unabhängige Russland in einen Teil der verfaulenden westlichen Welt zu ver­wandeln. Wladimir Putin hat den Dschinn des Konservatismus aus der Flasche gelassen, aber dieser Dschinn hat schon bald angefangen, selbständig zu wirken. Und es ist noch nicht ausgemacht, wer sich wem unterwerfen wird. Für all das, was ich hier beschreibe, gibt es das schöne englische Wort Backlash. Das ist eine Reaktion auf den Modernisierungstrend der vergangenen Zeit, auf einen Ruck der Gesellschaft nach vorne. Vielleicht nicht mal ein Ruck, sondern lediglich der Versuch eines solchen Rucks. In Russland waren solche Bewegungen immer von kurzer Dauer. Es genügt schon, sich an den Abgrund zu erinnern, der sich zwischen der gross­ artigen russischen Avantgarde der 1920er-Jahre und dem stalinistischen Totalitarismus aufgetan hat. Stalins Wunsch nach Alleinherrschaft hatte die gnadenlose Vernichtung aller Konkurrenten zur Folge. Neben den persönlichen Ambitionen Stalins ging es damals noch um etwas anderes: Um die archaischen Bedürfnisse eines grossen Teils der Bevölkerung, für die die antiwestlichen Ideen, die Erschaffung eines neuen (sowje­ tischen) Reiches mit einem neuen Zaren bedeutend vielversprechender waren als alle revolutionären Vorhaben der Jahre davor. Man könnte lange davon erzählen, wie in der Stalinzeit ein Modernisierungsprojekt der 20er-Jahre nach dem anderen zurück­ ge­dreht wurde (angefangen von der sexuellen Revolution bis zu den neuen Errungen­ schaften in der Pädagogik). Und man könnte viele avantgardistische Trends im Theater, in der Literatur, in der bildenden Kunst aufzählen, die in der Stalinzeit ver­nichtet wurden. Nicht sofort, nach und nach. Aber gegen Ende der Stalin-Epoche, also Ende der 50er-Jahre, gibt es im Land weder das Theater Mejerhold, noch das Theater Alexander Tairow, noch das Jüdische Theater von Solomon Michoels, noch die gross­

Marina Davydova ist Theaterkritikerin, Historikerin, Pro­du­zen­ tin, Autorin von «Das Ende der Theater­ epoche» (2005) und «Kultur NULL» (2017) sowie Herausgeberin des Journals «Theater». Zudem ist sie Künst­­­ lerische Leiterin des Festivals NET in Moskau. 2017 hatte ihr Stück «Eternal Russia», das sie auch selbst in­sze­nier ­te, in Berlin am Hebbel-­ Theater Premiere. Es wurde am Festival BITEF 2018 mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.


«Wer in Russland ein gutes Leben hat» Moskau, 2015

artigen russischen «Oberiuten» von Daniil Charms und anderen. NICHTS von dem, was wenigstens teilweise an die künstlerisch so aufregenden 20er-Jahre erinnern würde. Das revolutionäre Projekt, das bis dahin auf die ein oder andere Weise im Land umgesetzt worden war, wurde in den Jahren des Stalinismus durch Restauration ersetzt, ob­­wohl an die Fassade der Sowjetunion formal nach wie vor linke Losungen gepinselt wurden. Natürlich kann man den kurzen Versuch der Modernisierung während der Prä­ sident­schaft Medwedews nicht mit der Epoche der russischen Avantgarde vergleichen, und der derzeitige Backlash läuft, Gott sei Dank, weniger blutig ab als vor 70 Jahren. Doch im Kern ist es dasselbe. Es ist nur folgerichtig, dass auch jetzt – ebenso wie Ende der 20er-Jahre – die Kunst wieder im Zentrum der konservativen Revolution steht. In einem Land, in dem es seit der Stalinzeit als Verrat an der Heimat gilt, sich mit avantgardistischen Entwick­ lungen oder westlichen Trends zu beschäftigen und in dem die Klassiker in Ikonen ver­wandelt wurden, die nach strengen Regeln angebetet werden müssen, werden po­litische Fragen schon lange mit dem Massstab der Ästhetik gemessen. Die Logik der neuen Traditionalisten ist einfach: Wenn Menschen, die moderne Kunst verstehen, bereit sind zur Modernisierung, dann bedeutet das, dass alle, die sich mit moderner Kunst beschäftigen, schon allein dadurch verdächtig sind. Kirill Serebrennikov ist zu einer emblematischen Figur des Modernisierungstrends geworden, und gerade er wird nun im Namen der konservativen Revolution geopfert. Sein «Fall» ist nur der sichtbarste Teil im Kampf der zwei Kräfte, die man vereinfacht die archaische und die modernisierende Kraft nennen könnte. Der Ausgang dieses Kampfes wird davon abhängen, welche Vorstellung wir in der nächsten Zeit sehen werden, wenn der Vorhang aufgeht, auf dem steht: PUTIN. Aus dem Russischen von Beate Breidenbach


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Ein grausames Experiment Für Kirill Serebrennikov ist Mozarts Oper «Così fan tutte», die am 4. November Premiere hat, keine frivole Verwechslungskomödie, sondern eine aufregend moderne Geschichte über Geschlechterbeziehungen. Aus seinem Moskauer Hausarrest heraus hat er Fragen zur Konzeption seiner Zürcher Regiearbeit beantwortet


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Kirill Serebrennikov, Sie befinden sich nun seit über einem Jahr in Moskau in Hausarrest. Wie geht es Ihnen in dieser Situation? Womit verbringen Sie Ihre Zeit? Ich arbeite an Mozarts Così fan tutte! Wie es mir mit dieser Situation geht, darüber werde ich dann sprechen können, wenn sie hoffentlich bald vorbei ist. In jedem Fall ist es eine sehr wichtige Erfahrung für mich.

Auf der Probe: Ruzan Mantashyan als Fiordiligi (links) und Anna Goryachova als Dorabella

Obwohl Sie unter Hausarrest stehen, laufen hier am Opernhaus Zürich seit 21. September die Proben zu Ihrer Inszenierung von Mozarts Così fan tutte ... Es ist sehr schmerzhaft, eine Oper sozusagen über meinen Anwalt inszenieren zu müssen. Aber man darf sich den Kräften des Bösen nicht beugen. Heutzutage in Russland – aber auch in vielen anderen Ländern der Welt – Künstler zu sein, bedeutet, ein grosses Risiko einzugehen – als Künstler riskieren wir nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unsere Freiheit. Das Theater ist in Russland zu einer Risikozone geworden, denn es ist gefährlich für die Dogmatiker, wie alles, was den Menschen zum freien Denken und zu einem freien Bewusstsein verhilft. Sie haben die Inszenierung von Così fan tutte im Detail vorbereitet und gemeinsam mit Evgeny Kulagin ein detailliertes Regiebuch erarbeitet – die Inszenierung ist also in Ihrem Kopf theoretisch so gut wie fertig. Haben Sie eine Möglichkeit, zu überprüfen, wie diese theoretische Inszenierung in der Praxis funktioniert? Ja, diese Möglichkeit gibt es zum Glück, dank der Technik des 21. Jahrhunderts und dank meinem Freund und Co-Regisseur Evgeny Kulagin, der mit dem Regiebuch, das wir gemeinsam erarbeitet haben, nach Zürich gereist ist und mit den Sängerinnen und Sängern nun dort probt. Über meinen Anwalt, der mich hier in Moskau im Hausarrest besuchen darf, bekomme ich Videomitschnitte von den Proben und kann den Sängerinnen und Sängern – wiederum über meinen Anwalt – anschliessend Feedback geben über das, was ich gesehen habe, oder sogar Szenen ändern. Sie haben bisher – neben vielen Inszenierungen im Schauspiel und einigen sehr erfolgreichen Filmen, zuletzt Leto (Sommer), der auch am Zurich Film­fes­tival gezeigt wurde – den Goldenen Hahn am Moskauer Bolschoj Theater, Salome an der Stuttgarter Staatsoper und Il barbiere di Siviglia an der Komischen Oper Berlin inszeniert. Così fan tutte ist Ihre erste Begegnung mit dem Musiktheater Mozarts. Was reizt Sie an diesem Stück? Mich reizt vor allem die Musik von Mozart! Er ist ein Weiser und ein Zauberer. Die Musik ist fantastisch, sie evoziert eine ganz eigene Welt. Dazu kommt diese un­ glaublich moderne, aufregende Geschichte. Gerade jetzt im Moment verwendet unsere Gesellschaft sehr viel Energie auf die Klärung der Geschlechterbeziehungen, sowohl auf sexueller als auch auf sozialer Ebene. Und darüber mit der Musik Mozarts nachzudenken, ist sehr aufregend. Oberflächlich gesehen ist Così fan tutte zunächst vor allem eine leicht frivole Verwechslungskomödie; bei genauerer Betrachtung ist es jedoch ein ziemlich grausames Experiment mit den Gefühlen von vier jungen Leuten, das Don Alfonso veranstaltet. Ja, es ist in der Tat ein grausames Experiment. Ein Experiment zudem, in dem ausschliesslich die Männer die Regeln diktieren. Insofern erzählt es auch ganz allgemein etwas über eine männlich dominierte Welt, die unser Leben in vielen Bereichen nach wie vor bestimmt. Neben aller Grausamkeit ist diesem dramma giocoso jedoch auch die Komödie eingeschrieben. Inwiefern interessiert Sie diese Komödie?


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Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man Menschen ohne Humor meiden sollte! Und umgekehrt versuche ich gerade in den ernsten, sogar in den wirklich schrecklichen Momenten, das Lustige zu entdecken. Ich arbeite gern mit schwarzem Humor. Warum veranstaltet Don Alfonso überhaupt ein solches Experiment? Und warum lassen sich Ferrando und Guglielmo darauf ein? Bei Alfonso könnte eine sehr schmerzhafte Erfahrung mit einer Frau der Grund dafür sein, dass er zum Zyniker geworden ist und nicht mehr daran glaubt, dass überhaupt irgendeine Frau ihrem Mann treu sein könnte. Ferrando und Guglielmo lassen sich darauf ein, weil sie Alfonso gegenüber nicht feige wirken wollen. Aber mich interessiert nicht nur die persönliche Geschichte dieser Figuren, mich interessiert ganz grundsätzlich die Beziehung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Ursprung. Es ist nicht einfach die private Geschichte zweier Paare, um die es hier geht. Mozart selbst verwendet das Wort «tutte» – also «alle Frauen» –, darin steckt schon die Verallgemeinerung. Behält Alfonso die Kontrolle über das, was er angefangen hat? Das werden Sie sehen! Behält irgendeiner oder irgendeine der Beteiligten die Kontrolle über seine Gefühle? In unserer Inszenierung wird das Experiment, das mit diesen jungen Menschen durchgeführt wird, sogar noch stärker zugespitzt als in der Oper. Die Beziehungen der Menschen interessieren mich über die Grenzen des Lebens hinaus. Unsere Verliebten finden sich auf verschiedenen Seiten der Realität wieder, wie in dem Film Ghost von Jerry Zucker. Sie müssen den Abschied durch den Tod aushalten. Die Männer ziehen also in Ihrer Inszenierung nicht nur zum Schein in den Krieg, sondern kommen – zumindest in der Vorstellung der beiden Frauen – tatsächlich im Krieg ums Leben. Die Frauen verlieben sich schon bald nach dem Tod ihrer Männer wieder neu. Wie ist das in dem emotionalen Zustand, in dem wir uns die Frauen vorstellen müssen, überhaupt möglich? Zunächst muss man sagen, dass bei Mozart das Ganze in nur einem Tag abläuft; wir gehen in unserer Version davon aus, dass etwas mehr Zeit vergeht, bis die Frauen sich den anderen Männern hingeben. Dennoch ist Così fan tutte für mich auch eine Geschichte über das Vergessen, darüber, was mit der Erinnerung an einen geliebten Menschen passiert, wenn er nicht mehr da ist – und wie schnell diese Erinnerung verblasst. Denken Sie an Shakespeares Hamlet: Seine Mutter kommt gerade von der Beerdigung und sitzt schon kurz danach an der Tafel ihrer eigenen Hochzeitsfeier. Die beiden Frauen sind ja bei Mozart sehr unterschiedlich gezeichnet: Während Dorabella relativ schnell dazu bereit ist, sich ein bisschen zu amüsieren, widersetzt sich Fiordiligi viel länger der Verführung. Fiordiligi kämpft bis zuletzt dagegen an, sich diesem neuen Mann hinzugeben. Gegen die Männer, die mit allen Mitteln kämpfen, haben die Frauen allerdings kaum eine Chance. Es sind sehr aggressive Methoden, die die Männer hier anwenden, es ist, wenn man so will, eine brutale Attacke männlicher Liebe. Das halten die Frauen nicht aus. Diesen Männern ist jedes Mittel recht, um sich die Frauen zu un­ ter­­werfen und damit ihre Wette zu gewinnen. Umso grausamer ist es dann, wenn es im Finale heisst: «così fan tutte» – so machen es alle Frauen! Bei Mozart ziehen die Männer zum Schein in den Krieg und kommen ver­ kleidet zurück, um die Treue ihrer Verlobten auf die Probe zu stellen. Dass

oben: Francesco Guglielmino und David Schwindling als «tierische» Avatare von Ferrando und Guglielmo oben rechts: Ruzan Mantashyan, Anna Goryachova unten rechts: Co-Regisseur Evgeny Kulagin, der die Proben in Zürich leitet


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ihre Frauen sie bloss wegen eines angeklebten Schnurrbarts nicht erkennen, ist nicht sehr glaubwürdig; jede Inszenierung muss für dieses Problem eine Lösung finden. Wie gehen Sie damit um? Das ist das Schwierigste in unserer Inszenierung. In unserer Inszenierung schicken die Männer anstelle ihrer selbst sogenannte Avatare, Figuren, die wir «Tiere» nennen, zu ihren Frauen – sie sind für uns die Verkörperung des dunklen, niederträchtigen Teils im Mann, vor dem die Frau vollkommen hilflos ist... Diese Avatare werden von Doubles verkörpert; Sie spalten die Figuren Ferran­ ­do und Guglielmo also in je einen Sänger und einen Schauspieler auf, um das Glaubwürdigkeitsproblem zu lösen. Wie muss man sich die Szenen konkret vorstellen? Alle Darsteller, Schauspieler ebenso wie Sänger, sind auf der Bühne. Die Männer sind tatsächlich aufgespalten in ihren Körper (die Tiere) und ihren Geist (die Sänger – also die Stimme). Die Sänger beobachten, was mit ihren Frauen passiert, wir sehen ihre Reaktionen, können ihnen sozusagen in den Kopf schauen – viel mehr, als wir das ohne die Doubles könnten. Und mit den Doubles gehen wir in der szenischen Aktion viel weiter, als es mit den Sängern möglich wäre. Dadurch haben wir uns einerseits unsere Aufgabe doppelt schwer gemacht. Andererseits haben wir eine Lösung für das Problem gefunden, das Sie ange­ sprochen haben und das mich immer schon irritiert hat. Am Schluss des Stückes, gerade in dem Moment, in dem die Eheverträge mit den neuen Partnern unterschrieben werden sollen, kehren Ferrando und Guglielmo plötzlich aus dem Krieg zurück, der Schwindel fliegt auf – und alle sind extrem verwirrt und verletzt. Nach einer kurzen Irritation finden sich die ursprünglichen Paare wieder zusammen. Ist das überhaupt möglich, nach allem, was diese vier jungen Menschen erlebt und über sich selbst erfahren haben? Bei Mozart gibt es kein wirkliches Happy End – das macht ihn gross. Er lügt nicht. Das Ende des Stückes ist mit einer grossen Trauer verbunden. Für mich erzählt die Musik im Finale von grosser Angst und starker Unruhe, und meiner Meinung nach entsteht dadurch der Eindruck, dass die Dinge nie mehr so sein werden, wie sie einmal waren. Sie haben sich entschieden, im Finale des zweiten Aktes einen grossen Strich zu machen und den Beginn der Don Giovanni-Ouvertüre zu spielen. Woher kam diese Idee? Unsere Männer kommen für die Frauen ähnlich unerwartet aus der Welt der Toten zurück wie der Komtur im Don Giovanni, und auch das Thema der Rache ist in beiden Momenten vorhanden. Bei uns wird es sogar zwei Komture geben, die aus der anderen Welt zurückkehren und die Frauen über ihren Sündenfall zur Rede stellen. Ein anderes Werk desselben Autors zu zitieren, ist im dramatischen Theater sehr verbreitet, aber in der Oper ist es immer noch ein Schock. Gibt es irgendeine Verbindung zwischen Ihrem Leben im Hausarrest und dieser Oper? Oder ist Così fan tutte eine völlig andere Welt, in die Sie innerlich entfliehen können? Mein geistig-seelisches Leben im Moment – das ist Mozart. Der Fieberwahn, dem ich in der physischen Welt ausgesetzt bin, illustriert nur die Tatsache, dass es unmöglich ist, heutzutage in Russland Künstler zu sein und keine Probleme zu haben. Die Fragen haben wir Kirill Serebrennikov durch seinen Anwalt übermittelt, der uns auch die Antworten zustellte. Übersetzung aus dem Russischen: Beate Breidenbach

Così fan tutte Oper von von Wolfgang Amadeus Mozart Musikalische Leitung Cornelius Meister Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme Kirill Serebrennikov Umsetzung Inszenierung, Choreografie Evgeny Kulagin Mitarbeit Bühne Nikolay Simonov Mitarbeit Kostüme Tatiana Dolmatovskaya Lichtgestaltung Franck Evin Video-Design Ilya Shagalov Choreinstudierung Ernst Raffelsberger Dramaturgie Beate Breidenbach Fiordiligi Ruzan Mantashyan Dorabella Anna Goryachova Guglielmo Andrei Bondarenko Ferrando Frédéric Antoun Despina Rebeca Olvera Don Alfonso Michael Nagy Doubles von Ferrando und Guglielmo Francesco Guglielmino, David Schwindling, Mentor Bajrami Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Chorzuzüger Statistenverein am Opernhaus Zürich Premiere 4 Nov 2018 Weitere Vorstellungen 8, 11, 13, 16, 21, 24, 28 Nov; 1 Dez 2018 Mit freundlicher Unterstützung der Freunde der Oper Zürich


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Alle Figuren wollen ein Abenteuer erleben Der Dirigent von «Così fan tutte» ist der Deutsche Cornelius Meister, der seine dritte Neuproduktion am Opernhaus Zürich leitet. Ein Gespräch über die geniale Vieldeutigkeit in Mozarts Oper und die Kunst in Zeiten schwieriger Politik

Herr Meister, der Blick auf Così fan tutte hat sich seit der Uraufführung immer wieder geändert. Mal wurde die Oper als moralisch ungehörig emp­funden, mal als unglaubwürdige Komödie abgelehnt. Heute schätzen wir sie als ein Werk, das nah dran ist an an den komplizierten Liebes­ paarbeziehungen der Moderne. Was überwiegt für Sie: der komödian­ti­sche Witz oder der bittere Bezie­hungs­ernst? Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit halte ich für wesentliche Kennzeichen von Mozarts Stil. Daher bin ich als Musiker froh, dass ich nicht mit Worten beschreiben muss, was Mozart in Così fan tutte musiktheatralisch zum Ausdruck bringt. Denn der Versuch, eine Eindeutigkeit zu behaupten, ins­ besondere eine verbale, würde Mozarts Kunst verkleinern. Wirklich grosse Kunst­werke lassen sich vermutlich im­ mer unter sehr unterschiedlichen Aspek­­ ten interpretieren. Was bei Mozart immer überzeugt, ist, wie er auf einzig­ artige Weise die Architektur eines Werks gestaltet, den dramatischen Ab­ lauf und vor allem etwas, das sich viel­ leicht mit «emotionaler Gesamtanlage» benennen lässt. Dabei ist er präzise, lässt aber gleichzeitig der Kreativität und Fantasie der Interpreten viel Raum. So notiert er eine Vielzahl an Fermaten, die wir zum Improvisieren nutzen. Dabei ist die jeweilige Stimmung stets Ausgangspunkt. Wie wir etwas aus­ führen, steht an zweiter Stelle. In den Fermaten ruft Mozart uns Interpreten zu: Hier dürft ihr! Macht was daraus! Diese Aufforderung nehmen wir liebend gern an.

Gilt diese Offenheit auch für die in­ haltlichen Aussagen des Stücks? Nehmen wir nur den Schluss der Oper: Nachdem sich Da Ponte und Mozart nicht nur zum Beginn des Abends viel Zeit nehmen, die Handlung zu ent­ falten (man denke an die einleitenden drei Terzette in der genau gleichen Sänger-Besetzung), sondern auch im weiteren Verlauf vielen Details Raum geben, endet die Oper recht knapp, sodass viele Fragen offen bleiben. Wir erleben die ausführlich dargestellten Liebesverwirrungen zweier Paare, und am Ende werden wir uns fragen: Wie leben die denn zukünftig zusammen nach alldem, was passiert ist? Ist jetzt alles wieder Friede, Freude, Eierkuchen, oder liegen die Beziehungen in Scher­ ben? Mozart und Da Ponte hätten diese Fragen in einem eigenen Ensemble eindeutig beantworten können. Aber genau das tun sie nicht. Die Zukunft der Beziehungen wird auf der Bühne nicht dargestellt. So viel wir im Verlauf des Abends über die einzelnen Cha­ raktere gelernt haben, so wenig Ein­ deutiges erfahren wir über die Zukunft. Nicht nur einem Regisseur, sondern vor allem dem Publikum eröffnet das mannigfache Möglichkeiten, sich den weiteren Verlauf auszumalen und mit einer eigenen Interpretation nach Hause zu gehen. Ein ewiges Problem in Così besteht ja darin, dass die Männer, um ihre Frauen der Untreue zu überführen, verkleidet erscheinen und von den Frauen nicht erkannt werden dürfen, weil sonst das ganze Spiel nicht


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funktioniert – was meist zu einem fragwürdigen Witz der angeklebten Bärte führt. Mozart hat diese Si­tua­ tion der Verwechslung geschaffen, weil er das Vexierspiel um Schein und Sein, um Wahrheit und Verstellung so liebt. Ist für Sie immer klar, welche Emotionen nun echt und welche gespielt sein sollen? Auch hier gilt für mich, dass Eindeutig­ keit Mozarts Kunst verkleinern würde. Ob eine Szene noch harmlos lustig oder schon schräg skurril oder gar sarkastisch böse zu deuten ist: Mozart ist zwar präzise darin, wann er erwartbare Wir­ kun­gen setzt und wann er aus dra­ma­ tischen Gründen völlig Unerwartbares aufbietet. Aber als Dirigent bin ich zurückhaltend mit jeder verbalen Fest­ legung bei der Interpretation auf ein: «Nur so kann es gemeint sein!». Wer aber mir mit offenen Ohren zuhört, wird musiktheatralische Antworten erhalten. Wenn Ferrando und Guglielmo in ihrer Verkleidung jeweils Liebesarien an die falschen Frauen richten, sind diese szenisch als ein «Als ob» an­gelegt. Aber musikalisch erklingen sie tief empfunden. Es gab innerhalb der Aufführungsge­ schichte unterschiedlichste Meinungen darüber, ob und wie sehr die beiden Männer, Guglielmo und Ferrando, in ihren Arien ehrliche Zuneigung zum Ausdruck bringen. Aber gibt es zwischen Wahrhaftigkeit und Verstellung, zwi­ schen «Ich liebe dich» und «Ich tue nur so, als ob ich dich liebe» nicht unendlich viele Zwischenstufen? Denken wir an das Gefühl: Ich spüre eine Zunei­ gung, lasse sie für einen Augenblick zu und blende dabei aus, dass ich eigentlich einen anderen liebe. Es gibt auch das Verliebtsein in die verliebte Zuneigung, egal an wen sie sich richtet. Liessen sich in Così fan tutte nicht alle Beteiligten vom Spiel mit dem Feuer jucken, gäbe es die ganze Opern-Handlung nicht. Offenbar wollen alle Figuren Abenteuer erleben, in unterschiedlichster Weise, das gilt auch für Despina und Don Alfon­so. Dieses fluktuierende Schwanken zwi­ schen Unbekümmertheit und Befangen­ heit des Herzens, von dem die Oper

handelt, lässt sich nur unzureichend mit den Kategorien von Wahrheit und Ver­ stellung fassen. In diesem Zusammen­ hang kommt mir das markante Così fan tutte-Motiv in den Sinn, das zum ersten Mal prominent am Ende des Andante-­ Teils in der Ouvertüre erklingt. Dieses «So machen es alle» ist harmonisch mit einer einfachen Kadenz unterlegt und rhythmisch total simpel. Sechs Akkorde: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs. So ist es! Wäre die ganze Oper in ihrer Bot­ schaft so klar wie die Präsentation dieses Mottos, wäre sie wohl nicht geschrie­ ben worden, da uns das Drama weniger ansprechen würde. Dieses musikalische Motiv taucht dann aber noch einmal ge­ gen Ende der Oper auf, in einer kurzen Nummer vor dem Finale des zweiten Aktes. An dieser Stelle werden viele Hö­ rer zusammenzucken: Moment mal, das hatten wir doch schon! Zwischen der Ouvertüre und dem zweiten Finale liegen mehrere Stunden, in denen sich Bewegendes ereignet hat. Und doch ist das musikalische Motiv, zumindest äusserlich, gleich geblieben. Wie fängt man dieses Schwanken der Herzen ein? Für mich ist ein Opernabend dann er­ füllend, wenn ich den Willen aller Be­teiligten spüre, etwas Gemeinsames zu schaffen. Daher mag ich es auch gar nicht, wenn man mich als denjenigen versteht, der nur für die Musik zuständig wäre oder sogar ausschliesslich fürs Orchester. Bei jeder einzelnen Auf­ führung erneut lasse ich mich inspirieren von der Dramatik des Abends, vom Licht, von der Szene. Alles soll eins wer­ den. Und da ich – anders als etwa der Regisseur oder der Bühnenbildner – an jeder Aufführung aktiv beteiligt bin, spüre ich eine besondere Verantwortung eben nicht nur für den musikalischen Teil der Vorstellung. Im Idealfall lieben Regisseur und Dirigent ein Werk auf die gleiche Weise und gestalten zwar mit unterschiedlichen Mitteln, aber doch im gleichen Geist den Abend. Genau diese Zusammenarbeit zwi­ schen Dirigent und Regisseur, die Sie sich wünschen, ist im Moment in


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Foto: Marco Borggreve

Zürich aber sehr schwierig, weil Kirill Serebrennikov in Hausarrest sitzt und vor Ort von seinem Co-Regisseur Evgeny Kulagin vertreten wird. Das ist eine Situation, mit der ich in meinem Theaterleben noch nicht kon­ frontiert war. Allerdings ist mir die Abwesenheit von entscheidenden künst­ lerischen Arbeitspartnern durchaus geläufig: Wie oft möchte ich als Dirigent der Komponistin oder dem Kompo­ nisten tausend Fragen stellen und kann es nicht, weil er oder sie schon lange tot ist. Als Operndirigent bin ich es zu­ dem gewohnt, dass bei Wiederauf­ nahmen hervorragende Spielleiter an­ stelle des Re­gisseurs die Proben leiten und sich dabei streng an das Ursprungs­ konzept halten, gleichzeitig aber frei sind, die Aufführenden in ihren Persön­ lichkeiten optimal über die Rampe zu bringen. Ähnlich ist es jetzt auch in der Zusammenarbeit mit Evgeny Kulagin, der höchst vertraut ist mit Kirill Sere­ brennikovs Theaterverständnis. Hatten Sie die Möglichkeit, direkt mit Kirill Serebrennikov in Kontakt zu treten? Ja, selbstverständlich. Heutzutage ist es dank des Internets ein Leichtes, gleich­zeitig physisch abwesend, aber doch irgendwie da zu sein. Er und ich sind mit dem Umweg über seinen Rechts­beistand in engem E-Mail-Aus­ tausch. Sicherlich wäre es für viele inter­ essant, wenn wir unsere Korrespon­denz einst der Öffentlichkeit zugänglich machen könnten. Über unser allgemei­ nes Theaterverständnis tauschen wir uns aus, aber auch ganz konkret über einzelne Takte in der Così-Partitur. Über allem aber schweben, manchmal ausgesprochen, manchmal unausge­ sprochen, die Gedanken an seinen Haus­ arrest. Die Zürcher Aufführungsfassung würde nicht auf die Bühne gelangen, hätten wir nicht die Möglichkeit gehabt, uns intensiv austauschen. Denn aus meinem tiefen Theaterverständnis inter­ pretieren Regisseur und Dirigent im Idealfall gemeinsam ein Kunstwerk – in Verehrung vor dem ursprünglichen Schöpfer des Werks. Es ist stets mein Ziel, dass Mozart mit der Ernsthaftig­

keit, mit der wir an sein Werk herange­ hen, glücklich wäre. Wie sehr beschäftigt Sie persönlich der politische Fall Serebrennikov? In diesem Herbst arbeite ich mit gleich zwei Regisseuren zusammen, die sich beide politisch stark engagieren und dafür massive persönliche Schwierig­ keiten in Kauf nehmen. Im September habe ich als Eröffnungspremiere meiner gera­de beginnenden Stuttgarter Zeit Wagners Lohengrin dirigiert. Der Regis­ seur war Árpád Schilling. Er gehört zu den stärksten Stimmen, die sich in Ungarn vehement für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Vor kurzem sah er sich gezwungen, nach Frankreich zu emigrieren. Ich mag mir nicht ausmalen, was ihm passiert wäre, wenn er in Ungarn geblieben wäre. Kirill Serebrennikov und Árpád Schilling sind kämpferische Persönlichkeiten. Ich bin dankbar, dass ich mich mit bei­ den nicht nur über Kunst, sondern auch über das, was unsere Welt beschäftigt, austauschen kann. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen: Ich bin Musiker und habe keine Ahnung von Politik. Haben Sie die Sorge, dass der politi­ sche Diskurs die eigentliche künst­ lerische Arbeit überlagert? Solange ich mich mit Mozarts einzig­ artigem Werk beschäftigen darf, plagen mich solche Sorgen nicht. Ich hoffe, dass der Abend als eine Produktion wahr­genommen wird, die hoffentlich viele Jahre im Repertoire bleiben wird, und dass wir Beteiligten nicht un­an­ gemessenerweise wichtiger werden als die Oper selbst. Das wäre sicherlich auch nicht in Kirill Serebrennikovs In­­ ter­esse, denn seine Così-Inszenierung thematisiert seine persönliche Situation in keiner Weise. Ich bin glücklich, mit welchem Feuereifer die SolistInnen, der Chor und die wunderbaren Mu­ sikerInnen der Philharmonia für die ge­ meinsame Sache brennen. Dass sie alle sich bestmöglich präsentieren: das liegt mir am Herzen. Das Gespräch führte Claus Spahn


28 Die geniale Stelle

Das ist alles? Eine Kadenz in Mozarts «Così fan tutte»

Das soll es also gewesen sein? Das ist die Quintessenz der langen Oper mit ihrer streng geometrisch konstruierten Handlung, den vielfältigen Verwicklungen, Irrungen und Wirrungen, durch die vier junge Leute an die Grenzen ihrer Existenz getrieben wurden? Nach rund vier Stunden Oper kommt also am Ende nicht mehr heraus als das? Drei musikalisch dürre, «quadratische» Takte, fünf Akkorde, C-Dur – F-Dur – F-Dur – G-Dur – C-Dur, I-IV-V-I, die banalste und abgegriffenste Kadenzformel, die man sich ausdenken kann, zu allem Überfluss auch noch im «farblosen» C-Dur – hat der Berg gekreisst und eine Maus geboren? Immerhin entspricht die musikalische Banalität dem Inhalt, auch wenn die gesungenen Worte im Stückzusammenhang einiges Gewicht haben. Denn es handelt sich immerhin um den Titel der Oper: «So machen es alle.» Alle Frauen nämlich. Was sie machen? Nun, was bekanntlich frauentypisch ist: Sie wechseln gern mal den Liebhaber und sind überhaupt recht unzuverlässig. Was man ihnen aber nicht übelnehmen darf, denn die Flatterhaftigkeit liegt in ihrer Natur, ihnen fehlt die Vernunft, so dass sie ihren Gefühlen ausgeliefert sind. Darauf muss sich der Mann einstellen. So banal diese Lehre des «Philosophen» Don Alfonso ist, den beiden zuhörenden jungen Männern scheint sie zu helfen. Und Hilfe brauchen sie, nachdem sie mit einer unklugen Wette sich selbst und ihren Verlobten einige unangenehme Überraschungen beschert haben. Nicht nur ging die Treue ihrer Geliebten, auf die sie gewettet hatten, erschreckend schnell zu Bruch, auch sie selbst wissen nun nicht mehr recht, welche der beiden Frauen sie eigentlich lieben. Unverhofft haben sie einen Blick in die eigenen Abgründe und die der Welt getan, und nun sind alle Gewissheiten dahin, nichts ist mehr wie vorher. Aus einer solchen Krise gibt es nur zwei Wege: Man verarbeitet sie und gestaltet sein Verhältnis zu sich und den anderen neu, oder man verdrängt sie. Die jungen Männer wählen die zweite, bequemere Variante, und der zynische Philosoph bestärkt sie in dieser Entscheidung. Und damit nie wieder der Gedanke aufkommen kann, dass vielleicht etwas nicht stimmt, wird die Maxime als ewig gültige Weltweisheit und Ende aller Ungewissheit hingestellt: Kein Nachspiel! Keine Diskussion! Punkt! Schluss! Ende! Aber kaum sind die Schläge verklungen, mit denen die Herren ihre Wahrheit in Stein gemeisselt haben, da zerbröselt der Fels auch schon. Für einen Augenblick scheint es, als wäre das Stück zu Ende, zu einem unbefriedigenden, dafür um so nachdrücklicher behaupteten Schluss gekommen. Aber daraus wird nichts, denn nun ergreifen die Frauen die Initiative. Für sie ist die Sache keineswegs vorbei, tatsächlich beginnt sie erst. Jetzt wollen sie die Ernte einfahren. Die mit so vielen Schmerzen errungene neue Freiheit wollen sie nun auch geniessen: mit den Männern leben, zu denen ihr Herz sie mit einer Lei­ denschaft zieht, die sie gerade erst in sich entdeckt haben. Die Schule der Liebenden (wie das Stück im Untertitel heisst) ist noch nicht vorbei, alle vier haben die wichtigste Lektion noch vor sich. An ihrem Ende ist von einer alles erklärenden Sentenz keine Rede mehr, alle Fragen bleiben offen, denn das wirkliche Lernen beginnt jetzt erst. Aber es gibt Hoffnung, dass die jungen Leute schlussendlich wissender und verantwortungsbewusster ihre Liebe leben werden, wissender um die Gefahren, die ihr drohen, und bewusster der Verantwortung, die ein Mensch für den anderen hat. Werner Hintze



Madama Butterfly Mit überwältigend schönen, ruhig abstrahierenden Bildern und grosser erzählerischer Spannung überzeugte der junge amerikanische Regisseur Ted Huffman mit seiner ersten Arbeit am Opernhaus Zürich. Unter der Leitung von Fabio Luisi singt die chinesische Sopranistin Hui He in unserer Wiederaufnahme die anspruchsvolle Titelpartie. Hui He gilt als eine der führenden Interpretinnen dieser Partie, mit der sie zuletzt mit grossem Erfolg an der New Yorker Met zu erleben war. Der italienische Tenor Piero Pretti, der den Pinkerton bereits an den Staatsopern von München und Wien gesungen hat, debütiert am Opernhaus Zürich.

Foto: T + T Fotografie /  Toni Suter

Wiederaufnahme 25 Nov 2018 Weitere Vorstellungen 30 Nov, 2, 8, 14 Dez 2018


Wiederaufnahme 31


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Warum Märchen g

Foto: Mark Power / Magnum Photos

Wenn Hänsel und Gretel sich im Wald verirren, passieren schlimme Dinge. So ist es in den Märchen der Brüder Grimm und auch in der «Hänsel und Gretel»-Oper von Engelbert Humperdinck, die am 18. November Premiere hat. Der Germanist Michael Maar hat die Grimm-Märchen genau gelesen und gibt Auskunft über seine Erkenntnisse


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grausam sind Herr Maar, in Ihrem Buch Hexengewisper werfen Sie einen erhellenden Blick auf altbekannte Märchen. Wie ist es zu dieser Beschäftigung gekommen? Eigentlich rein zufällig. Der mir befreundete Maler Nikolaus Heidelbach hat die Grimmschen Märchen auf geniale Weise illustriert. Anhand dieser Ausgabe habe ich die Märchen zum ersten Mal der Reihe nach gründlich gelesen. Dabei habe ich mich über die Rätselhaftigkeit dieser Texte gewundert und mich gefragt, was sie uns eigentlich erzählen wollen. Die Märchenforschung ist schon seit Jahrhunderten mit dieser Frage beschäftigt, und ich glaube nicht, dass man sie abschliessend beant­ worten kann. Trotzdem habe ich den Versuch unternommen, diese so vertrauten Texte neu zu befragen. Warum ist in Ihrem Buch gerade das Märchen Hänsel und Gretel so prominent vertreten? Dieses Märchen hat mich besonders interessiert, weil mir aufgefallen ist, dass seine erzählerischen Wurzeln in eine bestimmte historische Epoche zurückgehen könnten: nämlich in die Zeit des Dreissigjährigen Kriegs, der im 17. Jahrhundert stattge­ funden hat und zu den grauenvollsten Kapiteln der europäischen Geschichte gehört. Diese These stimmt nicht unbedingt mit anderen Interpretationen überein: Das kürzlich erschienene, hervorragende Buch über Märchen von Michael Köhlmeier beginnt zum Beispiel mit dem Satz: «Märchen sind die Primzahlen der Literatur» – das heisst, sie sind nicht weiter ableitbar, sind in ihrer ganzen Rätselhaftigkeit einfach da. Damit hat er natürlich Recht. Trotzdem hat es mich damals interessiert, die ganz schlichten Fragen zu stellen. Und die Frage, warum die Hexe eigentlich Hänsel mästen und essen will, hat mich in die Zeit des 17. Jahrhunderts geführt. Richtig bekannt geworden ist das Märchen Hänsel und Gretel erst im 19. Jahr­ hundert, durch die Sammlung der Brüder Grimm... In der Romantik begann man sich verstärkt für das Mittelalter und das Volksgut zu interessieren. Eines der ersten literarischen Zeugnisse dieser Beschäftigung ist die Sammlung Des Knaben Wunderhorn, in der Achim von Arnim und Clemens Brenta­no Volkslieder vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert herausgaben. Auf die Anregung von Brentano hin haben Jacob und Wilhelm Grimm dann auch be­ gonnen, sich mit den Märchen zu beschäftigen. Bis heute hält sich der Mythos – nicht in der Wissenschaft, aber zumindest landläufig – dass die Brüder Grimm ihre Märchen dem Volk abgelauscht und bloss aufgeschrieben hätten. Das stimmt so natürlich nicht. Ihre direkten Quellen sind heute teilweise bekannt, oft waren diese schon literarisch gewesen. In Frankreich gab es bereits die berühmte Märchen­ samm­lung von Charles Perrault, die durch Ludwig Tiecks Übersetzung auch in Deutschland gelesen wurde. Vor allem aber ist die Sprache der Brüder Grimm kom­ plett erfunden: Die Formen, Floskeln und die rhetorischen Figuren, die uns aus ihren Märchen so vertraut sind, hat ihnen mit Sicherheit nicht das Dorfmädchen aufgesagt. Vielmehr gehören die beiden Brüder zu den grössten und wirkungs-


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mächtigsten Sprachschöpfern der Romantik. Abgesehen von E. T. A. Hoffmann sind sie die einzigen deutschen Dichter dieser Epoche, die bis heute weltweit bekannt sind. Und dennoch verstecken sich hinter dieser erfundenen Sprache Erzählungen, die historisch weit zurückführen... Eine faszinierende Eigenschaft der Märchen ist ihre Wandlungsfähigkeit. Nicht nur bei den Grimms, sondern auch in späteren Jahrhunderten haben die Märchenstoffe zu literarischer Produktion angeregt. In meinem Buch habe ich unter anderem anhand der romantischen Kunstmärchen gezeigt, wie die Märchenstoffe jeweils den individuellen Bedürfnissen ihrer Autoren angepasst werden. Dem bedeutenden dänischen Märchenschöpfer Hans Christian Andersen hat zum Beispiel der Stoff der kleinen Meerjungfrau dazu gedient, über persönliche Lebensprobleme zu schreiben, die damals noch ein Tabu dargestellt haben. Die chiffrierte Form des Märchens hat es ihm erlaubt, Geheimnisse zu übermitteln, die sich aber nur dem Leser zeigten, der danach sucht. Alle anderen weinen einfach über das tragische Schicksal der kleinen Meerjungfrau. Aber auch in den grossen Romanen von Thomas Mann oder Marcel Proust und in vielen Filmen der letzten Jahrzehnte findet man Mär­chen­ motive, die Rätselhaftes oder Geheimnisvolles in sich bergen. Das zeigt, dass diese Motive uralt und trotzdem unverwüstlich sind. Wie sind Sie auf den Gedanken gekommen, dass sich in Hänsel und Gretel Motive aus dem Dreissigjährigen Krieg verstecken könnten? Ich hatte mich damals gerade mit dieser Epoche der Geschichte beschäftigt. Be­ kannt­lich war dieser unendlich lange, religiös motivierte Krieg einer der blut­­rün­stigs­ ten und grausamsten Konflikte, der in Europa je stattgefunden hat. Besonders zu erwähnen sind in unserem Kontext die Hexenverbrennungen und die qualvollen Hungersnöte, zu denen es damals gekommen ist. Wenn man diese Gedanken im Hinterkopf hat, liest man das Märchen von Hänsel und Gretel mit einem scharfen Blick auf die Frage: warum sollte die Hexe eigentlich Hänsel essen wollen? Das Vorbild für die Hexe in Hänsel und Gretel wäre demnach ein Schicksal aus der Zeit der Hexenverbrennungen? Der zeitliche Kontext würde das nahelegen. Wenn man meine Fragestellung wei­ ter­verfolgt, könnte man natürlich zu verschiedenen Theorien kommen. Man könnte auch sagen: Hexen schlachten Kinder, weil sie grausam sind. Man könnte dieses schreckliche Ansinnen der Hexe als böses satanisches Ritual verstehen, wie sie in der damaligen Zeit dem verbreiteten Irrglauben nach vorgekommen sind. Vermeint­ liche Hexen wurden ja deshalb verbrannt, weil man glaubte, dass sie mit dem Teufel paktieren und schwarze Messen abhalten, bei denen es auch zu Kinds­opfern kam. Thomas Mann erzählt noch in seinem Zauberberg von solchen Ritualen: Mitten in einem Schneesturm, den Kältetod im Nacken, hat Hans Castorp dort eine Vision. Es erscheint ihm ein Tempel, in dem er zwei grässlichen Weibern dabei zusieht, wie sie ein kleines Kind zerreissen und verschlingen, dass die Knochen knacken und das Blut spritzt. Dann schreckt er aus seiner Vision auf. Verbirgt sich ein Hexenritual hinter der Handlung von Hänsel und Gretel? Wie das Beispiel von Thomas Mann zeigt, sind an solchen Ritualen ja meistens mehrere Hexen beteiligt. Ausserdem bleibt die grosse Frage bestehen, warum Hänsel denn überhaupt gemästet werden soll? Es scheint also nicht nur um ein Kinds­ opfer zu gehen. Mit dem schönen Erzähltrick, dass die Hexe immer wieder Hänsels Finger anfassen will, um zu sehen, ob er bereits ordentlich dick geworden sei, er ihr aber immer ein Knöchelchen hinhält, wird ja in diesem Märchen ausdrücklich da­rauf hingewiesen, dass Hänsel zunächst gemästet werden muss. Es geht also offensichtlich doch um die Kalorien!


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Die Hexe lebt aber doch im Überfluss und leidet gar nicht an Hunger … Aber die Problematik des Hungers ist das grosse Thema am Beginn des Märchens: Die Mutter von Hänsel und Gretel spielt dort mit dem Gedanken, die Kinder im Wald auszusetzen, denn sonst müssten sie «alle vor Hunger sterben». Es sei denn … Und hier kommt ein schrecklicher Gedanke ins Spiel: Nämlich dass die Mutter den Kindern das antun könnte, was ihnen später von der Hexe droht. In diesem Moment setzt in dem Märchen eine Art Tarngeschichte ein, weil die wirkliche Geschich­te zu grausam wäre. Das Schicksal, dem die Kinder bei der Hexe gerade noch entgehen können, hat in Wirklichkeit mit einer unaussprechlichen traumatischen Scheusslichkeit zu tun, die sich in der Zeit des Dreissigjährigen Kriegs tatsächlich zugetragen haben wird, nämlich Kindskannibalismus aus Hungersnot. Das würde bedeuten, dass die Mutter der wahren Geschichte und die Hexe der Tarngeschichte die gleichen Absichten haben, also in gewisser Hinsicht identisch sind? Es liegt für mich nahe, diese beiden Figuren als spiegelidentisch zu sehen. Es gibt in der Version der Brüder Grimm ein kleines sprachliches Indiz, das meine These stützt: Die Mutter weckt ihre Kinder am Anfang des Märchens mit dem Ruf «Wacht auf, ihr Faulenzer», und mit dem selben Wort wird Gretel auch von der Hexe geweckt. Ein weiteres kleines Detail, das oft überlesen wird, steht ganz am Ende des Märchens. Dort heisst es in einem Nebensatz, als Hänsel und Gretel glücklich zu ihrem Vater zurückkehren: «Aber die Mutter war gestorben». Meine Vermutung wäre, dass die Mutter genau in dem Moment gestorben ist, als die Hexe in den Ofen geschoben wurde… Wenn die beiden Figuren symbolisch identisch sind, dann kappt der Tod die beiden Lebensfäden mit einem einzigen Scherenschnitt. In Engelbert Humperdincks Oper erscheint Hänsel und Gretel das Hexen­ häus­chen, als die letzten Nebelschwaden einer grossen Engelsvision sich lichten. Könnte dahinter ebenfalls der Gedanke einer «Tarngeschichte» stehen? Wäre die Hexenszene dann nur eine Traumvision der Kinder? Auf diesen Gedanken bin ich beim Märchen der Brüder Grimm nie gekommen. Aber die Frage nach verschiedenen Fiktionsebenen stellt sich bei den Märchen eigentlich nicht, weil sie sehr flächenhaft und grundsätzlich oft unlogisch sind. In dieser Hinsicht trifft wieder Michael Köhlmeiers schöner Vergleich zu, dass Märchen aus logischer Sicht gleich schwer zu greifen sind wie Primzahlen. In der Theaterpraxis sind solche Fiktionsebenen natürlich von Bedeutung, aber das Märchen schert sich nicht darum.

Der Germanist, Schriftsteller und Literaturkritiker Michael Maar lebt in Berlin. Sein Buch «Hexengewisper» ist 2012 im Berenberg Verlag erschienen.

Sie stellen Hänsel und Gretel in den Kontext eines tabuträchtigen Themas. Die Oper von Humperdinck verschleiert diese Grausamkeit – und doch ist sie nicht wegzudiskutieren. Warum müssen Märchen so grausam sein? Dass viele Märchen so grausam sind, hat sicher mit ihrer Entstehungszeit zu tun. Das ist für mich ein weiteres Indiz, dass Hänsel und Gretel mit der Zeit des Dreissig­ jährigen Kriegs verbunden sein könnte. Grausamkeit hinterlässt immer Spuren in der Literatur, das wissen wir bereits aus den antiken Mythen. Jeder weiss: Am Schlimmsten ist das, worüber man nicht sprechen kann. Das ist die Definition des Tabus. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass wir Formen brauchen, in denen man auf verschlüsselte Weise über das Schlimmste sprechen kann. In der Literatur sind diese Formen der Mythos und das Märchen. Die Tatsache, dass fast alle Märchen glücklich enden, ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Chiffrierung. Am Ende ist dann alles gut: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Das Gespräch führte Fabio Dietsche


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Es geht um das Leben in sozialer Not Der Regisseur Robert Carsen versetzt Humperdincks Märchenoper «Hänsel und Gretel» in die Weihnachtszeit. Dem harten Alltag der Kinder setzt er eine gefährlich verlockende Traumwelt entgegen Foto Florian Kalotay

Herr Carsen, Hänsel und Gretel ist eines der bekanntesten Märchen über­ haupt. Im deutschsprachigen Raum kennen es die meisten Kinder in der Fassung der Brüder Grimm. Sind auch Sie seit der Kindheit damit vertraut? Ja, die Märchen der Brüder Grimm sind in der gesamten westlichen Welt sehr verbreitet, auch in Kanada, wo ich auf­ ge­wachsen bin. Die älteste Erinnerung, die ich an diese Geschichten habe, ist, dass sie mir jemand vorgelesen hat. Und da diese Zeit noch nicht vom Internet und Fernsehen geprägt war, machten diese Texte und die damit verbundenen Vorstellungen grossen Eindruck auf mich. Humperdincks Hänsel und Gretel war übrigens das erste Stück, das ich je auf einer Bühne gesehen habe – und auch eines der ersten Werke, die ich in einem professionellen Rahmen insze­ niert habe. Aber ich bin froh, dass ich das Stück, das ich sehr schätze, nun aus einer neuen Perspektive noch einmal auf die Bühne bringen darf. Ich hoffe sehr, dass ich mein Handwerk heute besser beherrsche als damals... Engelbert Humperdinck schuf mit Hänsel und Gretel die erste und gleich­zeitig die erfolgreichste Mär­ chen­oper überhaupt. Das Werk wird traditionellerweise von Kindern und Erwachsenen besucht. Welche be­sonderen Anforderungen stellt die­se Gattung an den Regisseur? Die Gattung ist für mich nicht so ent­ scheidend. Ich finde, dass man über­ haupt für jedes Werk ein eigenes Uni­

versum kreieren muss. Bei Hänsel und Gretel ist es mir wichtig, die schwieri­ge Situation deutlich zu machen, in der sich die beiden Geschwister und ihre Eltern befinden. Sie besitzen nichts: keine richtige Wohnung, kein Geld und nichts zu essen. In der Fassung der Brüder Grimm hören Hänsel und Gretel nachts, wie die Mutter dem Vater den Plan unterbreitet, die Kinder im Wald auszusetzen und sie verhungern zu lassen. Aber auch in Humperdincks Oper ist diese Not sehr greifbar. Schon die ersten Worte, die die Geschwister wechseln, zeigen deutlich, in welchem Elend sie stecken. Es ist mir wichtig, diese Situation realistisch auf die Bühne zu bringen. Sie soll den grösstmögli­ chen Gegensatz zu der albtraumhaften Welt der Knusperhexe bilden. Ist dieser Gegensatz von krasser Armut und absolutem Überfluss das zentrale Thema dieser Oper? Eines der wichtigen Themen, würde ich sagen. Hänsel und Gretel ist aber auch eine Geschichte über die Entwicklung zweier Kinder – über das Er­wachsen­ werden, wenn man so will: Am Anfang der Handlung machen die beiden Geschwister alles gemeinsam. Das zeigt auch die Musik von Humperdinck: die beiden Gesangslinien sind eng mit­ einander verzahnt, die Kinder fallen sich gegenseitig ins Wort oder sprechen für den anderen weiter. Wenn die Mutter die Kinder wütend aus dem Haus jagt, werden sie auf eine Reise ins Unbe­ kannte geschickt und sind plötzlich auf sich allein gestellt. Und schliesslich



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Hänsel und Gretel

werden sie sogar voneinander getrennt: Die Knusperhexe sperrt Hänsel ein, um ihn zu mästen. Um ihren Bruder zu befreien, muss Gretel eigenverantwort­ lich handeln. In dieser Hinsicht erinnert mich das Stück an Mozarts Zauberflöte, die man auch als Märchenoper ver­ stehen kann. Hier wie dort geht es um grundlegende Fragen der menschlichen Entwicklung, wenn auch auf ganz un­ terschiedliche Weise. In der Zauberflöte geht es, meiner Meinung nach, darum, den Tod als etwas zu akzeptieren, was zum Leben gehört. In Hänsel und Gretel geht es hingegen um ganz existenzielle Ängste. Diese Grausamkeit ist in Humper­ dincks Oper etwas abgemildert. Adelheid Wette, die Schwester des Komponisten, die massgeblich an der Textfassung beteiligt war, wollte damit bewirken, dass sich das Werk auch für Kinder eignet. Wird der Stoff dadurch verharmlost? Ich glaube nicht, dass die Elemente des Naturverbundenen, des Beschützenden und des Fantasievollen, die in der Oper stärker hervorgehoben werden, grundsätzlich darüber hinwegtäuschen können, dass die Handlung eigentlich grausam ist. Auch deshalb ist es mir wichtig, die Geschichte nicht von Anfang an als eine Fantasiewelt zu er­­ zäh­­len, sondern zunächst eine Situation zu finden, die mit der Welt zusammen­ hängt, in der wir leben. Ein Detail der Inszenierung dürfen wir hier vielleicht schon verraten: Das Zuhause von Hänsel und Gretel ist bei uns nicht eine Stube, sondern ein Wohnwagen. Wie ist das zu verstehen? Der Wohnwagen bedeutet nicht etwa, dass es sich um Fahrende handelt. Wir wollen damit zeigen, dass diese Familie tatsächlich nicht einmal das Geld besitzt, um eine normale Miete zu zahlen. Stattdessen besetzt sie temporär einen Wohnraum, den sie so vorgefun­ den hat. Es geht uns nicht darum, einen genau definierten Handlungsort nach­ zubilden, sondern einen allgemeinen Ein­druck von einer Welt zu geben, in

der ein Leben in Armut Realität ist. Es ist das Milieu der Vorstädte, und wir alle wissen, dass ärmliche Verhältnisse, vernachlässigte Kinder, Gewalt, Drogen und Alkoholismus – alles Themen, die bei Humperdinck vorkommen – Probleme sind, mit denen man dort all­ täglich zu kämpfen hat. Ich finde es wichtig, diese Tatsachen in einem heuti­ gen Kontext zu zeigen. Ein folkloris­ tisches Spiel auf die Bühne zu bringen, wäre für mich nicht der richtige Weg. Wie ist diese Vorstadtästhetik denn mit dem weiteren Verlauf der Handlung zu vereinbaren? Mit der unheim­lichen Waldszene zum Beispiel, die tief in der Tradition der Romantik wurzelt? Die Geschichte ist bei Humperdinck so angelegt, dass sie sich immer mehr in eine fantastische Erzählung verwandelt, in der die Erlebnisse, Ängste und Hoffnungen der beiden Kinder – ver­ ständlicherweise – übergross und un­­ realistisch werden. Es geht darum, diese Empfindungen erlebbar zu machen. Zwei Kinder, die sich draussen verlaufen haben, Hunger leiden und den Heim­ weg nicht mehr finden, werden immer vom Gefühl des Unheimlichen befal­len, egal an welchem Ort. Das roman­ti­ sche Gedankengut manifestiert sich in diesem Bild ausserdem in über­natür­­ lichen Wesen wie dem Sand- und dem Taumännchen, die ja nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind. Sie er­ scheinen den Kindern in der gröss­ten Verlorenheit und Einsamkeit. Ich mag diese poetischen Einfälle, die in Hum­ per­dincks Version des Märchens da­­ zugekommen sind. Sie erweitern unse­ ren Horizont: denn wer weiss, ob da nicht jemand ist, wenn wir einschlafen und aufwachen… Wir wissen so wenig über unsere Welt… Im dritten Bild der Oper stossen Hänsel und Gretel auf die Hexe Rosi­na Leckermaul, die sie mit Köst­ lichkeiten zu verlocken versucht… Am Knusperhäuschen der Hexe finden die Kinder eine Welt vor, die genau dem Gegenteil dessen entspricht, das sie von zuhause kennen: Die leckersten


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Süssigkeiten sind hier in allem Überfluss vorhanden. Eine wichtige Referenz für unsere Inszenierung sind in diesem Zusammenhang das Weihnachtsfest und vor allem der ganze kommerzielle Rummel, der heute um dieses Fest herum betrieben wird. Humperdincks Hänsel und Gretel wird ohnehin oft mit Weihnachten in Verbindung gebracht und steht häufig zur Weihnachtszeit auf den Spielplänen. Ich denke, das hat damit zu tun, dass man sich in dieser Zeit besonders viele Gedanken über Ar­ mut und Reichtum macht – für die einen ist es ein Fest des Konsums, für andere ein sehr trauriger und einsamer Anlass. Hänsel und Gretel geraten in dieser Szene vom einen Extrem ins andere. Was für die Kinder zunächst verlo­ ckend erscheint, birgt also auch eine Gefahr in sich? Ja, ich denke, Märchen haben oft eine warnende Funktion. Sie zeigen, dass es im Leben viele Fallen gibt, in die man hineintreten kann. Wenn arme Kinder plötzlich alle Verlockungen der Welt vor sich haben und sich frei bedienen dür­ fen, wenn plötzlich alle Wünsche wahr werden, ist das natürlich mit einer Gefahr verbunden. Nicht umsonst hat Oscar Wilde gesagt: «Sei vorsichtig was du dir wünschst, du könntest es be­ kommen!»… Hänsel und Gretel verfallen den Ver­ lockungen der Hexe, die sich da­ raufhin als kinderfressendes Monster zu erkennen gibt. Diese Hexe hat in Humperdincks Oper die gleiche Stimmlage wie die Mutter der Kinder und wird in unserer Inszenierung von der gleichen Sängerin gesungen. Gibt es zwischen den beiden Figuren auch einen inhaltlichen Zusammen­ hang? Die Hexe wird manchmal auch von einem Mann gesungen. Ich habe mich aber bewusst für die originale Stimm­ version von Humperdinck entschieden, und zwar, weil ich glaube, dass die Kinder die bösen Eigenschaften ihrer Mutter in diese Kreatur projizieren. Aber die Kinder widerstehen den bösen

Absichten der Hexe und können sich retten. Das hat wiederum mit ihrer inne­ren Entwicklung zu tun, über die ich bereits gesprochen habe: Gerade in dem Moment, in dem Hänsel und Gretel völlig auf sich allein gestellt sind, haben sie die Fähigkeit, das Böse aus eigenem Antrieb zu überwinden. Das Böse wird vernichtet, und das Mär­ chen kann gut ausgehen. Aber über die Doppelexistenz der Mutter und der Hexe haben schon viele Interpreten gerätselt… Mich würde interessieren, wie die Kinder das sehen, die in die Oper kommen… Wir sollten sie fragen! Glauben Sie, dass Kinder, die in Zürich in einem wohlhabenden Milieu aufgewachsen sind, sich em­pa­thisch in diese Geschichte über eine maus­ arme Familie einfühlen können oder ist ihnen das womöglich fremd? Wenn man in einer Welt wie der unseren nicht in der Lage ist, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie schlecht es ande­ ren Menschen geht, dann fände ich das äusserst unsensibel. Gibt es denn in der Schweiz keine Armut? Doch. Aber gerade in Zürich ist sie nicht an jeder Ecke wahrzunehmen. Aber das bedeutet ja nicht, dass sie nicht in der Welt ist. Die Märchen der Brüder Grimm – die im 19. Jahrhundert auch in gutbürgerlichen Milieus ge­lesen wurden – sind ja gerade deshalb so wichtig, weil sie immer wieder grausa­­me Themen wie Armut, Angst, Gewalt oder Mord behandeln und es dadurch schaffen, ein Bewusstsein für Themen zu schaffen, die man eigentlich lieber verschweigen und verdrängen würde. Das Gespräch führte Fabio Dietsche

Hänsel und Gretel Märchenspiel von Engelbert Humperdinck ab 8 Jahren Musikalische Leitung Markus Poschner / Michael Richter / Fabio Luisi Inszenierung und Lichtkonzept Robert Carsen Bühnenbild und Kostüme Gideon Davey Lichtgestaltung Robert Carsen, Peter van Praet Choreinstudierung Janko Kastelic Choreografie Philippe Giraudeau Dramaturgie Fabio Dietsche Peter Markus Brück / Ruben Drole Gertrud / Die Knusperhexe Marina Prudenskaya / Irène Friedli Hänsel Anna Stéphany / Deniz Uzun Gretel Olga Kulchynska / Sandra Hamaoui / Hamida Kristoffersen Sandmännchen Hamida Kristoffersen / Natalia Tanasii Taumännchen Sen Guo / Yulia Zasimova Philharmonia Zürich Kinderchor der Oper Zürich SoprAlti der Oper Zürich Premiere 18 Nov 2018 Weitere Vorstellungen 22, 25 Nov; 12, 13, 15, 23, 26, 30 Dez 2018 18, 20, 27 Jan; 17 Feb; 24 März; 20, 22, 25 Apr 2019 Unterstützt durch


40 Meine Rolle

Steckt die Wahrheit im Suff?

Der Bariton Markus Brück ist seit 2001 En­semble­­mitglied an der Deutschen Oper Berlin. Gastenga­­ge­ ments führten ihn an interna­tional renom­ mierte Opernhäuser und Festivals. In jüngster Zeit war er u.a. als Rigoletto an der Bayerischen Staatsoper München und als Saul beim Glyndebourne Festival zu er­ leben. Am Opernhaus Zürich debütierte er 2016 als Macbeth.

Peter, wie der Vater von Hänsel und Gretel in Humperdincks Märchenoper heisst, ist für mich eine zwiespältige Figur. Es kann einem ja nicht entgehen, dass er in seiner Auftrittsszene sturzbetrunken nachhause kommt. «Kümmel ist mein Leiblikör», singt er – Hochprozentiges scheint ihm besonders zu schmecken. Auch Gertrud, seiner Frau, fällt gleich auf, dass ihr Mann wieder getrunken hat. Sie ärgert sich darüber, denn der Familie geht es schlecht: das Geld fehlt, und der Hunger ist gross. Der Alkoholismus des Familienvaters ist auch musikalisch nicht zu überhören. Feinfühlig ist sein Auftrittslied ja nicht gerade. Der derbe Grundton, die vielen kurzen Schlenker nach oben, die wie Schluckauf oder Hickser klingen, und nicht zuletzt das Lallen sind typische Merkmale für den Gesang eines Betrunkenen. Leider habe ich das Gefühl, dass der bedenkliche Alkoholkonsum für Peter längst zur Gewohnheit, zur Sucht geworden ist: das bisschen Geld, das er verdient, wird gleich wieder zu Alkohol gemacht, die Ernährung seiner Familie steht an zweiter Stelle. Besonders erfreulich ist es deshalb, dass er für einmal einen ganzen Korb voller Köstlichkeiten mitgebracht hat, Speck, Eier, Bohnen und sogar Kaffee! Daran zeigt sich, dass Peter doch auch eine fürsorgliche und liebevolle Seite haben kann. Als er erfährt, dass seine Frau wütend die Kinder aus dem Haus gejagt hat, damit sie Beeren sammeln, ist er darüber entsetzt. Anders als in der Fassung der Brüder Grimm, ist Peter in der Oper von Humperdinck von Beruf nicht Holzhacker, sondern Besenbinder. In diesem Detail steckt eine kleine Pointe: Der Besen ist nicht nur der Gegenstand, mit dem Peter sein Geld verdient, sondern auch das Transportmittel, auf dem die Hexen durch die Luft reiten. Es ist ja eigenartig, dass der Vater sofort erkennt, dass seine Kinder in Gefahr sein könnten. Darüber haben wir in den Proben auch mit dem Regisseur Robert Carsen diskutiert. Peter scheint von den Hexen zu wissen, die draussen im Wald ihr Unwesen treiben und erwähnt im Text den Ilsenstein, den unheimlichen Ort, an dem sie zu finden sind. Aber keiner weiss, woher der Vater diese Ahnung hat... Ist es vielleicht der Suff, der ihm diese Klarheit bringt? Man sagt ja, Kinder und Betrunkene sprechen die Wahrheit aus. Robert Carsen integriert die Doppeldeutigkeit des Besens jedenfalls sehr schön in seine Inszenierug: Als Peter mache ich die Mutter sozusagen ungewollt zur Hexe, indem ich ihr den Besen in die Hand drücke, wenn ich von der Knusperhexe zu fantasieren beginne. In unserer Inszenierung ist das ein besonders gelungener Moment, weil die Mutter und die Hexe ja tatsächlich von der gleichen Sängerin dargestellt werden. Es ist also, als ob der Vater hier beginnen würde, die Geschichte zu erzählen, die später wirklich stattfindet. Danach kommt der Vater erst ganz am Ende der Oper wieder vor, die er, nachdem die Hexe verbrannt und die Familie wieder glücklich beisammen ist, mit den Worten beschliesst: «Wenn die Not aufs Höchste steigt, Gott, der Herr, die Hand uns reicht!» Das ist ein bisschen moralinsauer. Und ich frage mich, woher Peter diese Weisheit hat. Am eigenen Leib scheint er das ja bisher nicht erfahren zu haben... Andererseits zeigt sich daran gerade das naive Gottvertrauen, das dieser Vater hat. Markus Brück

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Markus Brück über seine Rolle als Vater in der Märchenoper «Hänsel und Gretel» von Engelbert Humperdinck



Emergence Für nur drei Vorstellungen kehrt dieser in der ver­ gangenenen Saison umjubelte Abend in den Spielplan des Balletts Zürich zurück. In ihrem Stück «Emergence» erkundet die kanadische Choreografin Crystal Pite spannende Paralle­ len zwischen einem Bienen­ schwarm und der hierarchischen Struktur einer klassischen Ballett­compag­nie. Auf faszinie­ rende Weise reflektieren sich die Tänzerinnen und Tänzer als bienengleichen kollektiven Körper. Nicht weniger spektaku­lär ist «Speak for Yourself»  von Sol León und Paul Lightfoot. Zu Musik von Johann Sebastian Bach und Steve Reich entspinnt sich dort ein «chemisches» Tanz­ experiment, in dessen Verlauf nicht nur Feuer und Wasser, sondern auch Chaos und Stille aufeinandertreffen. Wiederaufnahme 9 Nov 2018 Weitere Vorstellungen 15 Nov, 7 Dez 2018


Wiederaufnahme 43


44 Volker Hagedorn trifft  …

Katja Wünsche Katja Wünsche stammt aus Dresden. Sie ist seit 2012 Erste Solistin des Balletts Zürich und war hier u.a. als Anna Karenina im gleichnamigen Ballett von Christian Spuck, als Julia («Romeo und Julia»), Clara («Der Sand­ mann») oder Marie («Woyzeck») zu er­ leben. Zurzeit tanzt sie in Christian Spucks «Winterreise».

Aus Minusgraden der Existenz in die sommerwarme Oktobersonne: Katja Wünsche sitzt vor dem Opernhaus und trinkt eine Apfelschorle, und wir sprechen über den Moment in der Choreografie der Winterreise von Christian Spuck, in dem kurz vor Schluss einmal Wärme, Nähe und Zärtlichkeit spürbar werden, auf dem Totenacker. Neun Tänzerinnen stehen da in grauen Mänteln wie Grabsteine, und der Sänger, der verlassene Liebende, sucht vergeblich ein letztes «Wirtshaus», ein Grab. Aber er kann nicht sterben. Katja Wünsche und Alexander Jones zeigen, warum. Wie ein Traum, der Realität wird, erscheinen sie vorn links, sie in seine Arme sinkend, sanft und selbst­ verständlich. Sie bewegen sich vor den grauen Gestalten über die Bühne, zu den har­moniumartigen, düsteren Klängen des Orchesters, zu den resignierten Worten des Sängers. Der Mann muss sich irren, da ist sie doch, die Liebe! Ein grosser Moment nach so viel Verlust. So habe ich es in der Generalprobe erlebt. Eine dreiviertel Stunde sprechen wir über diesen Moment, während die Erste Solistin der Zürcher Compagnie ihren Flamm­ kuchen zerlegt. Sie mag diese Szene auch, «nicht so schnell, mit den tieferen Tönen, der Ruhe und der Symmetrie der Mädels, fast meditativ, und dann kommen wir. Diese Choreografie hatten wir in fünfzehn Minuten. Ein Moment, der in Erinnerung bleibt.» Solche Momente sind ihr das Wichtigste, und «das Subtile untendrunter.» Sie denkt gern nach, bevor sie etwas sagt, mitunter zögernd. Sie ist keine Künstlerin, die jeden zweiten Tag einem Aussenstehenden etwas über ihre Arbeit erzählt. Eigentlich bräuchte sie jetzt eine richtige Mittagspause, trotzdem ist sie gut gelaunt, und ihre Augen sind derartig hellblau, als käme das Licht auch von innen. Was es ist, das Subtile, und was es mit der Winterreise auf sich hat, darüber spricht sie nicht. Das tanzt sie ja. «Wir erzählen mit unserem Körper.» Aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Für Katja Wünsche begann der Weg eher untypisch. Dass Tänzer Eltern haben, die auch schon Tänzer waren, meint sie, «ist ein Klischee, aber es kommt tatsächlich oft vor. Bei mir ist das gar nicht der Fall, ich komme aus einer recht naturwissenschaft­ lich orientierten Familie. Mein Opa war Physiker, meine Mutter ist Chemikerin, mein Vater war damals bei der Armee.» Damals, das heisst in der späten DDR, in Dresden, wo sie sieben Jahre vor der «Wende» zur Welt kam. Bald zog man nach Berlin. «Ich hatte viel Energie als Kind, und meine Mutter hat eine Möglichkeit gesucht, bei der ich die loswerden kann.» Eine Zeitungsanzeige der Berliner Ballettschule warb für die Aufnahmeprüfung, sie bestand sie mit zehn Jahren und blieb, bis sie achtzehn war. Über die Zukunft habe sie da gar nicht nachgedacht. «Es hat mir immer Spass gemacht, ich war immer ganz gut, und irgendwann war die Schlussfolgerung: Dabei bleibe ich jetzt einfach. Aber eine richtig bewusste Entscheidung war es nicht, es gab auch kein prägendes Erlebnis, nach dem ich gesagt hätte, boah, das will ich jetzt, ich will auch auf die Spitze.» Auf die Spitze, wohlgemerkt, nicht an die Spitze. Vorbilder gab es aber durchaus. An der Staatsoper bewunderte sie grenzenlos Vladimir Malakhov, «überhaupt waren alle Tänzer von der Staatsoper grosse Vorbilder, zu denen man aufgeschaut hat, wenn man mitmachen durfte.» In Schwanensee, Dornröschen, Nussknacker kamen auch die Eleven zum Einsatz. Einer ihrer frühesten Auf­ tritte, erinnert sie sich lachend, war ein Weihnachtsmärchen im noch nicht abgerisse­ nen «Palast der Republik», «da war ich als Schneeflocke auf der Bühne, mit selbstge­ häkelter Mütze!» So lernte sie von der Pike auf die Technik des klassischen Balletts. «Diese Basis bleibt immer gleich, man braucht das, um da rauszugehen und abzuwei­ chen. Und man braucht es im täglichen Training, um die Muskulatur, die Maschine zu pflegen.»


45

Würde man sie ins Paris von 1860 katapultieren, käme sie im Ballett zurecht? Sie grü­belt ein bisschen. «Ich glaube schon. Es ist ja nur ein anderer Stil, und wir haben so viel unterschiedliche Stile, die wir jeden Tag proben. Wir haben vorletztes Jahr Schwa­­nensee in einer Choreografie des 19. Jahrhunderts gemacht. Man hob das Bein damals weit weniger hoch als heute, wie beispielsweise bei William Forsythe, der total in die Extreme geht. Aber was damals getanzt wurde, war zu der Zeit eine enorme Beanspruchung. Die Herausforderung heute ist, dass es soviel Unterschiedliches gibt.» Was sie in den frühen Jahren ihrer Karriere beeindruckte, waren Choreografien von John Cranko und all jenen, die in seiner berühmten Stuttgarter Werkstatt gross wurden, Jiří Kylián und William Forsythe, auch die nächste Generation mit Marco Goecke und Christian Spuck. Letzterer choreografierte schon in Stuttgart, als die neunzehnjährige Berliner Absolventin dort ihren ersten Job antrat, als Mitglied der Compagnie. 2007 war sie zur Ersten Solistin aufgerückt und bekam den Theaterpreis «Faust» für die beste darstellerische Tanzleistung. Dass gerade ihre Darstellungkunst oft gerühmt wird, scheint sie etwas zu wundern. «In der Ballettschule war es mir peinlich, wenn ich etwas darstellen musste. Ich brauche eine gewisse Sicherheit, um loszulassen. Es ist immer noch eine Mutprobe, und in den ersten zwei Proben bin ich ein bisschen nervös, ob ich das treffe, was der Choreograf möchte. Aber ich muss da einfach durch. Wenn ich loslasse und schaue, was intuitiv kommt, ist es meistens das Richtige.» Was ihr in der Zusammenarbeit mit Christian Spuck besonders leicht fällt: «Alles, was er macht, liegt mir, ich muss gar nicht viel überlegen. Auch wenn ich an der Technik immer noch feilen kann.» Wird denn auch die Technik vom Publikum gewürdigt? «Manchmal schon», sie lacht, «im klassischen Ballett. Das Publikum flippt in der Regel aus, wenn der Mann sein Solo beendet, indem er im Kreis irgendwelche hohen Sprünge macht. Die Wir­ kung ist viel grösser, als wenn die Frau extrem schwierige kleine Bewegungen auf der Spitze macht. Das finde ich schon ein bisschen unfair!» Hinter all dem, von Spitze bis Sprung, stecken Tausende von Trainingsstunden – und das für eine Tätigkeit, die weit vor dem Rentenalter endet. «Das wissen alle, aber am Anfang denkt man nicht darüber nach. Das ist auch besser. Gerade weil es so kurz ist, kann man keine Zeit ver­schwenden mit solchen Gedanken. Man schmeisst sich da einfach rein und arbei­ tet und geniesst und leidet.» Das Leiden gehört zum Handwerk. «Man geht beim Training immer wieder über die Schmerzgrenze hinaus, damit man etwas erreicht. Deswegen sind Tänzer sehr hart mit sich selbst und schonungslos. Sie sollten auf sich aufpassen, aber das machen wir nicht! Profisportler schütteln den Kopf, wenn sie hören, wie das bei uns abläuft. Nach acht Stunden Arbeit gehen wir nicht zur Physiotherapie, sondern einfach nach Hause. In den letzten anderthalb Wochen vor einer Premiere verdichtet sich das noch, es muss ja auch laufen. Aber das Bewusstsein verändert sich gerade in die Richtung, dass man sich auch ein bisschen pflegt.» Man verausgabt sich ja auch gern da, wo man glücklich ist. «Natürlich gibt es in der Compagnie eine Hierarchie, aber davon spüren wir hier nichts. Das ist nicht über­ all so. Und seit dem Requiem von Verdi, in dem Tänzer und Sänger zusammen auf der Bühne standen, haben wir viel mehr Gemeinsamkeiten mit den anderen Künstlern entdeckt, über die gleiche Etage mit den Garderoben hinaus.» «Und wie war es für Sie, in Zürich zum Publikumsliebling zu avancieren?» Da lacht sie hell auf. «Das ist mir sowieso ein Rätsel. Das ganze Drumherum kriege ich nie mit, auch nicht, wenn mal jemand schlecht redet. Ich falle dann aus allen Wolken: Echt? Wow. Okay.» Volker Hagedorn


46 Fragebogen

Michael Nagy Aus welcher Welt kommen Sie gerade? So merkwürdig alltäglich es klingt: aus einer Welt voller Fragen. Wir proben Così fan tutte und versuchen musika­ lische und szenische Ansätze auf immanente Fragen zu finden. Auch nach einer Probe schicken mich die offenen Fragen oftmals auf Gedankenreisen. Vor der Probenzeit hier in Zürich sass ich erstmals in der Jury des ARD-Wettbewerbs, habe viele wunderbare junge Stimmen gehört und dabei festgestellt, wie ungebrochen meine Faszination für Musik und insbesondere die Gestaltung mit stimmlichen Mitteln ist. Daneben war ich glücklich, ein paar freie Tage selbst fliegend verbringen zu können. Das ist meine Art der Medi­ tation – die absolute Konzentration auf die vielfältig geteilte Aufmerksamkeit. Auf was freuen Sie sich in der Così-­ Produktion am meisten? Es geht ja in diesem Stück nur vordergründig um eine geschmacklich grenz­ wertige Wette. Das leichtfertige Spiel um Treue gerät schmerzhaft ausser Kontrolle und sprengt den Erfahrungsschatz der beiden jungen Paare. Nur wenige Opern liefern die Offenheit, sich aus einem zutiefst persönlichen und momentanen Blickwinkel befragen zu lassen. Diese Zeitlosigkeit empfinde ich als eine wunderbare Einladung. Nachdem ich in vielen Così-Produktionen Guglielmo, einen unmittelbar «Betroffe­ nen» in dieser kruden Geschichte, ge­ sun­gen habe, geniesse ich es jetzt, in die Rolle des Don Alfonso zu schlüpfen. Er kommt daher wie einer, der über einen grossen, möglicherweise leidvollen Erfahrungsvorsprung verfügt und sich mit voyeuristischem Interesse als Draht­zie­ her der Geschichte geriert. Dabei wird er selbst, entgegen all seiner Erfahrung, von existenziellen Fragen erschüttert. Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Bildungserlebnisse würden ja eine her-

ausragende Bildung nach sich gezogen haben. Was ich erlebe, sind aber die immer grösser erscheinenden Lücken in besagter Bildung. Vielleicht ist das also mein prägendstes Bildungserlebnis – diese drängende Neugierde zu spüren, immer wieder hinzuzulernen. Welche CD hören Sie immer wieder? Ich suche im Häuslichen meist die Ruhe, es ergeben sich viel zu selten Gelegenheiten, ungeteilt aufmerksam eine Platte zu hören. Aber eine Aufnahme begleitet mich seit einiger Zeit: Nina Simones Silk and Soul und insbesondere I wish I knew how it would feel to be free. Was für eine Künstlerin! Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Ein Gegenstand, der geliebt wird, ist schon nicht mehr überflüssig, oder? Wenn ich auf Reisen bin, vermisse ich zwei Dinge, die naturgemäss nicht mitkommen können – meinen Flügel und meine Kaffeemaschine. Das zehn­ jäh­rige Dasein meiner Kaffeemaschine habe ich unlängst durch eigenhändige Reparatur nachhaltig verlängert – hoffentlich. Das schweisst zusammen. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! 1. Musik. Der musikalische Kosmos scheint unendlich und unendlich reich. Er umfasst Ordnung, Schönheit, Zweifel, Fragen, Überwältigung, Entgrenzung – einfach alles für das Leben. 2. Wie hat es die NZZ unlängst werbend formuliert? «Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.» 3. Herbst: Pflaumen.

Michael Nagy, Bariton mit ungarischen Wurzeln, singt den Don Alfonso in «Così fan tutte». Unlängst sang er u.a. Albert («Werther») in München oder Kurwenal in Baden-Baden. Am Opernhaus Zürich war er bereits als «Figaro»-Graf zu erleben.


Kalendarium 47

November 2O18 Do Winterreise 1

19.30

Ballett von Christian Spuck Musik von Hans Zender / Franz Schubert Donnerstag-Abo B, Preise C

Fr Winterreise 2

19.30

Ballett von Christian Spuck Musik von Hans Zender / Franz Schubert Freitag-Abo B, Preise C

Sa 3  Ballett-Führung mit Mini-Workshop

14.00

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Ballettsaal B, CHF 10

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Führung Maskenbildnerei

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Deutsche Oper-Abo, Preise E

Die Entführung aus dem Serail

So Brunchkonzert 4

11.15

14.30

19.00

Do 8

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Winterreise

19.30

Ballett von Christian Spuck Musik von Hans Zender / Franz Schubert Samstag-Abo, Preise C

So 11  Così fan tutte

13.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Sonntag-Abo A, Preise E

So 11  Bernstein zum 100. Geburtstag

19.30

2. Philharmonisches Konzert Wayne Marshall, Musikalische Leitung Bartlomiej Niziol, Violine Claudius Herrmann, Violoncello Konzert-Abo, Modern-Abo, Preise P

13 Di Così fan tutte 19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Dienstag-Abo A, Misch-Abo C, Preise E

15 Do Emergence 19.30

Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Ballett-Abo Gross, Preise B

16 Fr Così fan tutte

«Blütezeit des Bassetthorns» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

19.00

Einführungsmatinee «Hänsel und Gretel»

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Familienworkshop «Winterreise»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Così fan tutte Premiere

19.00

Ballett von Christian Spuck Musik von Hans Zender / Franz Schubert Misch-Abo A, Preise C

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Premieren-Abo A, Preise F

«Blütezeit des Bassetthorns» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

Così fan tutte

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Premieren-Abo B, Preise E

Fr 9  Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

20.00

Emergence  Wiederaufnahme Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Preise H, AMAG Volksvorstellung

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Freitag-Abo A, Preise E

17 Sa Führung Opernhaus

Bernhard Theater, CHF 10

Mo Lunchkonzert 5

12.00

15.00

Familienworkshop «Winterreise»

15.30

11.15

1O Sa Führung Opernhaus

Familienworkshop «Hänsel und Gretel»

Winterreise

18 So Brunchkonzert 11.15

«Musiker an der Front» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

11.15

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Ballettsaal A, CHF 10

Ballettgespräch

Familienworkshop «Hänsel und Gretel»

14.30

17.00

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Hänsel und Gretel Premiere Märchenspiel von Engelbert Humperdinck für Kinder ab 8 Jahren, Preise C


48 Kalendarium

19 Mo Lunchkonzert

12.00

«Musiker an der Front» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

21 Mi Così fan tutte 19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Mittwoch-Abo B, Preise E

22 Do Hänsel und Gretel 19.00

Märchenspiel von Engelbert Humperdinck für Kinder ab 8 Jahren Donnerstag-Abo A, Gute Laune-Abo, Preise C

23 Fr Winterreise

19.00

Ballett von Christian Spuck Musik von Hans Zender / Franz Schubert Ballett-Abo klein, Preise C

24 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Familienworkshop

14.30

«Nussknacker und Mausekönig»

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern, Ballettsaal A, CHF 20

Familienworkshop «Hänsel und Gretel»

15.00

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

“Ah, Mimì, mia bella Mimì!“ (La bohème, 2. Akt)

Così fan tutte

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Misch-Abo B, Mozart-Abo, Preise E

25 So Einführungsmatinee «Sweeney Todd» 11.15

Bernhard Theater, CHF 10

Hänsel und Gretel

14.00

Familienworkshop

14.30

Märchenspiel von Engelbert Humperdinck für Kinder ab 8 Jahren, Preise A

«Nussknacker und Mausekönig»

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Ballettsaal A, CHF 20

Familienworkshop «Hänsel und Gretel»

15.00

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Madama Butterfly Wiederaufnahme

19.30

Oper von Giacomo Puccini Preise H, AMAG Volksvorstellung

26 Mo Führung Kostümabteilung 15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

28 Mi Così fan tutte

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Mittwoch-Abo A, Preise E

30 Fr Führung Bühnentechnik 16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Madama Butterfly

19.00

Oper von Giacomo Puccini Kombi-Abo, Italienische Oper-Abo, Preise E

Dezember 2O18 Sa Führung Opernhaus 1

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballette entdecken

14.30

«Nussknacker und Mausekönig»

Für 7- bis 12-Jährige (ohne Begleitung von Erwachsenen) Ballettsaal A, CHF 20

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Gut essen gehen ohne dramatische Inszenierung. Jetzt im Buchhandel, Kiosk und auf www.gehtaus.ch

Führung für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse

15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30


49

Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Così fan tutte

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Samstag-Abo, Preise E

Mode ·Leder ·Pelze Kaiserstrasse 42 D-79761 Waldshut Tel. 0049 7751 3486

So 2  Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse

11.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

kueblerpelz.com

Madama Butterfly

14.00

Oper von Giacomo Puccini Sonntag-Abo B, Preise E

Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse

15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

Musikalischer Adventskalender

Winterreise

17.30

20.00

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Ballett von Christian Spuck Preise H, AMAG Volksvorstellung

SHEARLING/MINK LAMM

Mo 3  Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Di 4  Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Mi 5  Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse

15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Do 6  Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Liederabend Lise Davidsen

19.30

James Baillieu, Klavier Lieder von Edvard Grieg, Jean Sibelius, Richard Wagner, Johannes Brahms und Richard Strauss Lieder-Abo, CHF 60

Fr 7  Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Emergence

19.00

Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Preise B

Sa 8  Märchen auf dem Klangteppich

15.30

«Der Nussknacker»

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

15.30

Führung für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Madama Butterfly

19.00

Oper von Giacomo Puccini Verismo-Abo, Preise E

So Brunchkonzert 9

11.15

«Märchen aus der Ferne» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Märchen auf dem Klangteppich

15.30

«Der Nussknacker»

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei


50 Kalendarium

Sweeney Todd Premiere

19.00

Musikalischer Adventskalender

Musical von Stephen Sondheim Premieren-Abo A, Preise G

17.30

13 Do Musikalischer Adventskalender

1O  Lunchkonzert

17.30

Mo

12.00

«Märchen aus der Ferne» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Di 11  Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Nussknacker und Mausekönig

19.00 Wiederaufnahme Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Dienstag-Abo C, Misch-Abo C, Preise D

12 Mi Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse 15.00

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Sweeney Todd

Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren Studiobühne, CHF 30

19.00

Musical von Stephen Sondheim Premieren-Abo B, Preise F

14 Fr Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Madama Butterfly

20.00

Oper von Giacomo Puccini Freitag-Abo B, Preise E

15 Sa Hänsel und Gretel

11.00

Märchenspiel von Engelbert Humperdinck für Kinder ab 8 Jahren, Preise K

Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse

11.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

Führung Opernhaus

14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse

15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

Musikalischer Adventskalender

Nussknacker und Mausekönig

17.30

19.00

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Ballett-Abo Gross, Preise D

CA M ERO N M AC K I N TO S H PRESENTS

TM © 1988 CML

B O U B L I L & S C H Ö N B E R G ’S

28. NOVEMBER 2018 – 13. JANUAR 2019 musical.ch Medienpartner

Partner

Veranstalter

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag Unterstützt von Swiss Re

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


Serviceteil 51

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Andrea Zahler Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard Beni Bischof

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MAG Abonnieren  MAG, das OpernhausMagazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-­ Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

Billettkasse +41 44 268 66 66 www.opernhaus.ch

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52 Beni Bischof erklärt …

Manchmal kritisieren Regisseure auf der Probebühne: «Keine stumme Jule bitte!» Sie meinen damit, dass die Darsteller es mit dem pantomimischen Spiel und dem Ausdenken wortloser szenischer Zusatzaktionen übertreiben. Sänger sollen ja ihre Figur auch verkörpern, wenn sie nichts zu singen haben und sich im Kontext der Szene verhalten. Aber mitunter tun sie des Guten zu viel und es wird eine unschöne «stumme Jule» daraus, so wird das im Theaterjargon genannt. Warum die Jule stumm ist, liegt auf der Hand. Warum es eine Jule ist, konnten wir nicht herausfinden.

Illustration: Beni Bischof

Stumme Jule


MES CO LA RE

Mescolare, vermischen. In unserer neuen Reihe vermischen wir Kunst mit Kulinarik, Tradition mit Moderne und Bekanntes mit Unbekanntem. In verblüffenden, anregenden und genüsslichen Abenden stellen sich die jungen Künstlerinnen und Künstler des Internationalen Opernstudios und der Orchester-Akademie der Philharmonia Zürich in einem ungezwungenen, intimen Rahmen vor. Zwischen den musikalischen Aufzügen greift René Hostettler, Küchenchef des Restaurant Belcanto, das Thema des Abends kulinarisch in einem eigens kreierten 3-Gänge-Menu auf. Sinéad O’Kelly und Omer Kobiljak aus dem Internationalen Opernstudio eröffnen die Reihe am Mo, 26 Nov, mit einem italienischen Liederabend. Am Klavier werden sie von Enrico Cicconofri begleitet.

opernhaus.ch/mescolare



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