MAG 45: Médée

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MAG 45

William Christie dirigiert «Médée»


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Editorial

Zwei Entdeckungsreisen Verehrtes Publikum, es ist ein grosses Privileg, dass am Opernhaus Zürich in jeder Saison neun Opern- und drei Ballettproduktionen auf die Bühne kommen. Weltweit gibt es nur sehr wenige Häuser, die so viele Premieren pro Spielzeit anbieten. Dieses Privileg ermöglicht uns, einen facettenreichen Spielplan zu gestalten und auch Werke zur Diskussion zu stellen, die abseits der gängigen Repertoiretitel liegen. Ihnen wiederum gibt es die Gelegen­ heit, überraschende Stückentdeckungen zu machen und neue Repertoire-Leidenschaf­ ten zu entwickeln. Die These sei gewagt: Die Premieren-Vielzahl, die ja in Zürich in­zwischen eine lange Tradition hat, macht Sie zu einem informierten und inhaltlich aufgeschlossenen Publikum, wie man es in der Welt der Oper und des Balletts kaum sonst je findet, denn das Angebot wird von Ihnen mit nicht nachlassender Neugier angenommen. Die Zahlen des gerade veröffentlichten Geschäftsberichts zur Spielzeit 2015/16 belegen das einmal mehr. Mit den aktuellen Premieren möchten wir Sie nun erneut auf eine Entdeckungsreise mitnehmen: Für unseren dreiteiligen Ballettabend Quintett wird der italienische Choreograf Jacopo Godani, der zum ersten Mal in Zürich zu Gast ist, eine Uraufführung erarbeiten, flankiert durch Tanz-Klassiker von Hans van Manen und William Forsythe. Premiere ist am 11. Februar. Zuvor präsentieren wir Ihnen mit der Oper Médée von Marc-Antoine Charpentier eine echte Trouvaille aus dem französischen Barock. Charpentier ist ein Komponist, der zur Zeit von Ludwig XIV. gelebt hat und noch nie am Opernhaus Zürich zu hören war. Wie sind wir ausgerechnet auf ihn und seine Médée gekommen? Es ist, wie immer, eine Kombination aus programmatischen Überlegungen und persönlichen Leidenschaften, die zu einer solchen Stück-Entscheidung führt. In diesem Fall war der Diri­ gent William Christie ein wichtiger Impulsgeber, der wie kein anderer in der französischen Musik des 17. und 18. Jahrhunderts zu Hause ist und mit seiner Arbeit ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass Komponisten wie Charpentier oder Jean-­Philippe Rameau überhaupt wieder aufgeführt werden. Gemeinsam mit Christie hat Andreas Homoki vor gut vier Jahren beim Festival in Aix-en-Provence die Charpentier-­Oper David et Jonathas produziert. Nun setzen sie ihre künstlerische Partnerschaft mit einer weiteren Charpentier-Erkundung in Zürich fort, wobei die beiden vor allem der Glaube an das Werk selbst befeuert hat: Médée ist ein packender musikdramatischer Stoff voll farbiger Musik und berührendem Gesang. Unsere aktuelle MAG-Ausgabe informiert Sie über die Künstler und den konzeptionellen Hintergrund rund um diese ganz besondere Produktion. Ausserdem stellen wir Ihnen den Choreografen Jacopo Godani in einem ausführlichen Porträt vor. Das MAG-Team wünscht Ihnen ein gesundes, lebensfrohes, opern- und ballettreiches Jahr und viel Spass bei der Lektüre. Claus Spahn

MAG 45 / Jan 2017 Unser Titelbild zeigt William Christie, der «Médée» dirigiert. (Foto Florian Kalotay) Das Interview lesen Sie ab S. 16

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Inhalt

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ythos Medea M Der Gewaltforscher Wolfgang Sofsky schreibt über die ungeheuerlichen Mordtaten der Medea

Premiere «Médée» William Christie und Andreas Homoki bringen Marc-Antoine Charpentiers Barockoper «Médée» auf die Bühne und sprechen über ihre Konzeption

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Ballettpremiere «Quintett» Der italienische Choreograf und Forsythe-­Schüler Jacopo Godani kreiert eine Uraufführung für das Ballett Zürich. Ein Porträt W iederaufnahme «Anna Karenina» Paul Connelly dirigiert das Ballett «Anna Karenina» und ist einer der besten in seinem Metier. Volker Hagedorn hat ihn in seiner Heimatstadt Paris getroffen

Opernhaus aktuell – 6 Drei Fragen an Andreas Homoki – 7 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9 Meine Rolle – 38 Die geniale Stelle – 40 Kalendarium und Serviceteil – 43 Der Fragebogen – 48

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Zaubern ist Stress «Der Zauberer von Oz» mag ja im Parkett poetisch aussehen, aber hinter der Bühne ist er Stress pur. Immerzu müssen die Bühnenwagen lautlos links ab- und rechts wieder ange­koppelt werden. Eben noch ragen die roten Hexenschuhe ins Bild, jetzt wollen die Flügelaffen schweben, bald soll der Ballonkorb abheben. Und wohin mit den abgeräumten Baumstämmen, der Mausefalle, dem Ziegelsteinweg? Unmöglich, das zu schaffen. Aber der Bühnencrew gelingt es dennoch. In jeder Vorstellung!


Fotos: Michael Sieber


Opernhaus aktuell

3. Philharmonisches Konzert / 2. La Scintilla-Konzert

Franco Fagioli singt Rossini

Die brillante Technik, der Stimmum­ fang von drei Oktaven und seine hohe gesangliche Durchsetzungskraft machen den Argentinier Franco Fagioli für Viele zum virtuosesten Counter­ tenor der Gegenwart. Bei den Salz­ burger Pfingstfestspielen 2014 trat er erstmals mit einem Gioachino Rossini gewidmeten Programm auf und erntete sensationelle Kritiken: «Was Fagioli in den Arien aus Rossinis Opern an Aus­ drucksvielfalt und Farbenreichtum herausarbeitete, war unerhört», so die NZZ. Soeben ist sein erstes Solo­album mit Arien von Rossini erschienen. Am Opernhaus Zürich wird er nun seine Belcanto-Künste gemeinsam mit Riccardo Minasi und dem Orchestra La Scintilla unter Beweis stellen. Auf dem Programm stehen Arien aus den Rossini-Opern Demetrio e Polibio, La donna del lago, Tancredi und Semiramide. Sonntag, 29 Jan 2017, 18 Uhr Hauptbühne

4. Philharmonisches Konzert

An einen Engel Dieses Konzert führt mitten in die musikalischen und persönlichen Ver­ flech­tungen der Zweiten Wiener Schule. Alban Bergs Violinkonzert ist nicht zuletzt durch seinen berührenden bio­ grafischen Hintergrund bekannt ge­ worden: Hinter dem «Engel», dessen Andenken Berg sein Konzert widmete, verbirgt sich Manon Gropius – die Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius –, die 1935 im Alter von nur 18 Jahren verstarb. Die Interpretin Arabella Steinbacher zählt zu den füh­ renden deutschen Geigerinnen unserer

Zeit und ist unter der Leitung des auf­ strebenden Amerikaners Robert Trevino erstmals mit der Philharmonia Zürich zu erleben. Auch Alexander von Zemlin­ skys Fantasie für Orchester Die Seejungfrau steht biografisch mit Alma Mahler in Verbindung: Es ist anzunehmen, dass die unglückliche Liebe zu Alma eine Inspirationsquelle für Zemlinskys Ver­­ tonung der traurigen Liebesgeschich­te nach Hans Christian Andersen war. Diese faszinierende spätroman­tische Ton­dichtung stand lange Zeit im Schat­ ten der Kompositionen des Zemlinsky-­ Schülers Schönberg und wurde erst in den 1980er-Jahren wiederentdeckt. Mittlerweile hat sie den ihr gebührenden Platz im Repertoire gefunden. Sonntag, 19 Feb 2017, 19.30 Uhr Hauptbühne

3. La Scintilla-Konzert

Salut à la France! Er ist schon längst kein Geheimtipp mehr: der junge französische Dirigent Raphaël Pichon. Gemeinsam mit seinem Ensemble Pygmalion begeistert er seit einigen Jahren das fran­zösische Publikum. Und auch international macht er mit so originell konzipierten CDs wie Rheinmädchen oder The Weber Sisters sowie mit Gesamtaufnahmen von Castor et Pollux und Dardanus von sich reden. Endlich steht Pichon nun auch am Pult unseres Orchestra La Scin­tilla. Gemeinsam mit der So­pra­nis­ tin Julie Fuchs entführt er uns am 20. Februar in die theatralen Welten von Jean-Philippe Rameau und Chris­ toph Willibald Gluck. Es erklingen unter anderem Ausschnitte aus Rameaus Opern Les Boréades, Castor et Pollux, Les Paladins, Les Indes galantes sowie Glucks Orphée et Eurydice. Ein be­­son­de­­­ res Highlight dürfte dabei die exaltierte Bravourarie der Folie aus Rameaus Platée werden – Julie Fuchs hat mit dieser Rolle in der vergangenen Spielzeit bereits an der Pariser Oper für veritable Beifallsstürme gesorgt. Montag, 20 Feb 2017, 19.30 Uhr Hauptbühne

Liederabend

Klaus Florian Vogt

Weltweit bekannt geworden ist er als Lohengrin, und auch das Zürcher Publikum konnte ihn bereits in seiner Paraderolle erleben: Der Tenor Klaus Florian Vogt hat den Schwanen­ ritter an Opernhäusern wie der Met in New York, der Scala in Mailand und den Staatsopern in Wien, Berlin und München verkörpert. Dass er auch ein hervorragender Liedsänger ist, wird er nun Ende Februar in Zürich unter Beweis stellen. In seinem attraktiven Programm mit weniger bekannten Liedern von Joseph Haydn und Johan­ nes Brahms sowie den Liedern eines fahrenden Gesellen von Gustav Mahler und ausgewählten Liedern von Richard Strauss wird er von Jobst Schneiderat am Klavier begleitet. Donnerstag, 23 Feb 2017, 19 Uhr Hauptbühne

Ballettgespräch

Kinozeit: Tanz-Kurzfilme von Christian Spuck Mit Christian Spuck und Eva Dewaele spricht Michael Küster über zwei ausser­­­­ gewöhnliche Tanzfilme. Marcia Haydée als Penelope ist Spucks Hommage an eine Tanzlegende des 20. Jahrhunderts. Ausserdem ist der Kurzfilm Solo Finale zu sehen, den Spuck gemeinsam mit dem Re­gisseur Ingo Putze realisierte. In einem verlas­senen Opernhaus finden sich ein Mann und eine Frau (Eva De­ waele) in einem magischen Pas de deux. Beim Filmwettbewerb des London Dance Festivals wurde der Streifen 2016 mit einem Hauptpreis ausgezeichnet. Sonntag, 15 Jan 2017, 11.15 Uhr Studiobühne

Illustration: Anita Allemann,  Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Die Zahlen stimmen Herr Homoki, der Geschäftsbericht des Opernhauses für die Spielzeit 2015/16 ist veröffentlicht. Was sagen die Zahlen? Sie zeigen, dass wir wirtschaftlich gut unterwegs sind. Der künstlerische Erfolg unserer Arbeit spiegelt sich auch in einem ökonomischen Erfolg, und das ist sehr erfreulich. Wir hatten mehr Zuschauer als in der Spielzeit zuvor. Wir haben mit 83,5 Prozent in der Oper und mit 90,1 Prozent im Ballett eine sehr gute Auslastung und mit einem Eigenwirtschaftlichkeitsgrad von 38,2 Prozent einen Wert, der inter­­ natio­nal Spitze ist. Der minimale Rückgang in der Gesamtauslastung um 1 Pro­zentpunkt auf 83,1 Prozent liegt aus­schliesslich an etwas tieferen Fre­ quen­zen in Formaten wie der Kinder­ oper, der Philharmonischen Konzerte und den Liederabenden. Unsere Sponsoringeinnahmen konnten wir in der vergangenen Spielzeit auf ein neues Rekordergebnis von 9 Millionen Fran­ ken steigern. Der Kanton Zürich, unser mit Abstand grösster Geldgeber, gibt uns ja genaue Ziele vor, die wir in wirtschaftlicher Hinsicht erreichen müssen, und die haben wir allesamt mehr als erfüllt. Und das, obwohl wir seit dem 1. Januar 2016 mit mehr als 3 Millionen Franken pro Jahr weni­ ger auskommen müssen. Denn wir mussten eine Subventionskürzung von 2 Prozent hinnehmen, ausserdem sind die Sparbeiträge der Pensionskasse um rund 1,5 Millionen Franken pro Jahr gestiegen. Der Effekt dieser Mehr­ belastungen ist in der Rechnung für die Spielzeit 2015/16 allerdings noch nicht voll enthalten, das wird erst in der laufenden Saison passieren. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir das aus eigener Kraft auffangen können. Wird denn die Tatsache, dass dem Opernhaus in Zu­kunft 3 Millionen Franken weniger zur Verfügung stehen, Auswirkungen auf die künst­ lerische Arbeit haben?

Nein, wir versuchen das mit aller Kraft zu vermeiden. Mal abgesehen davon, dass wir im Umgang mit der Kunst immer ökonomisch verantwortungsvoll vorgehen und bei der Spielplangestal­ tung sowohl die künstlerischen als auch die ökonomischen Aspekte stets im Blick haben. Mein Ziel ist immer Kunst, aber nicht mit roten, sondern mit schwar­zen Zahlen! Allerdings haben die Subventionseinbussen natürlich schon zur Folge, dass unsere finanziellen Spiel­ räume insgesamt enger werden. Zu­­­ sätzliche finanzielle Lasten wie die aktuell anstehende Asbestsanierung und Ka­pa­zi­tätserweiterung unseres grossen Aus­stattungslagers Kügeliloo in Oer­ likon werden wir in Zukunft nicht mehr aus unserem Budget finanzieren kön­ nen. Das geben die Zahlen des aktuellen Geschäftsberichts bereits jetzt zu er­ kennen: Der Gewinn ist um 45 Prozent zurückgegangen. Das Ausstattungslager Kügeliloo ist für das Opernhaus von grosser Be­­ deutung, weil dort Bühnenbildteile und Mate­ria­lien der Repertoirestücke in gros­sem Umfang gelagert werden. Steht denn die Finanzierung für die aufwendige Asbestsanierung des Lagers? Ja. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 28,5 Millionen Franken. 16 Millionen wird der Kanton Zürich übernehmen, die restlichen 12,5 Millionen müssen wir selbst aufbringen. Daran arbeiten wir und sind zuversichtlich, dass wir das schaffen werden. Vor allem weil wir in den vergangenen Jahren dafür Reserven bilden konnten. Der Kantonsrat hat das Projekt im Dezember einstimmig bei zwei Enthaltungen genehmigt. Über ein so klares politisches Votum kann man sich als Intendant eines Opernhauses nur freuen, und wir sind sehr dankbar dafür. Die Sanierung kann nun in Angriff genommen werden. Es ist eine gute und wichtige Investition in die Zukunft unseres Hauses.

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Die grosse Lauftrommel

Illustration: Anita Allemann

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Für unsere Médée haben sich Bühnenbildner Hartmut Meyer und Regisseur Andreas Homoki eine bühnentechnisch spannende Welt ausgedacht. Viel werde ich Ihnen nicht verraten – aber ein klein wenig möchte ich dennoch den Vorhang heben, um Sie dahinter schauen zu lassen. Ein wichtiges Element ist ein riesiges Rad, in dem der Chor spielen kann. Kein Riesenrad mit Gondeln wie auf dem Sechseläutenplatz beim Zürifäscht, sondern eine grosse Röhre, in der einige Personen stehend laufen können. Aussen an der Röhre sind zwei Ringe angebracht, auf denen wiederum die Röhre läuft... Oh! Ich merke schon, ich bin zu schnell, dem kann ja keiner folgen... Stellen Sie sich ein Fahrrad mit 5 Meter hohen Rädern vor. Die beiden Räder demon­tieren Sie und stellen sie senkrecht in einem Abstand von 2 Metern auf. Nun befestigen Sie zentriert zwischen den beiden Rädern ein 2 Meter langes Rohr mit 4 Meter Durchmesser. Sie haben nun eine Röhre, die zwischen zwei Rädern befestigt ist. Jetzt können Sie aber nicht in die Röhre klettern, da die Speichen stören: Diese trennen Sie aus den beiden Rädern heraus. Es bleibt eine schwebende Röhre, die an den Enden je in einem Rad eingebaut ist. Dafür gibt es (glaube ich) keinen Begriff, ich nenne es mal «Lauftrommel». Da hinein möchte Andreas Homoki Mitwirkende stellen, die durch Verlagerung ihrer Position das ganze Teil in Bewegung setzen. Also ganz einfach wie in einem Rhönrad, nur halt mit sehr vielen Menschen ... Da wir gerade weder 5 Meter grosse Räder noch die passende Röhre hatten, hat unsere Schlosserei diese Teile aus Stahl gebaut, und die Schreinerei die Röhre mit Sperrholz beplankt. Folgende Probleme hatten wir dabei zu berücksichtigen: Die Bau­vorlage – das Modell von Hartmut Meyer — war gerade einmal 10 cm hoch, die «Räder» waren aus Draht gebogen und die Röhre aus Pappe. Das Gebilde wiegt etwa 50 Gramm. Das bühnentaugliche Pendant ist 5 Meter hoch, aus Stahl und Holz, und wiegt 1,2 Tonnen. Es ist sehr im­posant und für sich schon eine Wucht. Es musste sehr stabil gebaut werden, da der Regisseur gerne 20 Chormitglieder darin spielen lassen möchte – und das Gebilde sich dabei weder verformen noch zerbersten soll! 20 Perso­ nen Chor wiegen ungefähr 1,8 Tonnen (wer jetzt nachrechnet und schmunzeln muss: da ist natürlich ein Sicherheitsfaktor mitgerechnet!). Alles in allem lasten also 3 Tonnen auf den beiden Rädern. Würden wir die Konstruktion einfach so auf unseren Bühnenboden rollen, könn­ ten wir den Weg der Lauftrommel anhand der tief ins Holz eingegrabenen Radspuren verfolgen. Wahrscheinlicher ist aber, dass wir anhand der Spuren das Loch gefunden hätten, in dem das Rad den Bühnenboden durchbrochen hätte, denn die Belastung auf einem Punkt ist viel zu schwer für unsere Bühne. Damit das nicht passiert, legen wir zunächst Schienen auf dem Boden aus, auf denen die Laufräder ge­führt rollen und die die Last über eine grössere Fläche verteilen. Auf diesen Schienen rollt die Lauf­ trommel nun so gut, dass diese sogar von einer einzigen Person in Bewegung gesetzt und durch Gewichtsverlagerung auch wieder gestoppt werden kann. Ob das mit einem ganzen Chor auch so gut funktioniert, werde ich erst in den nächsten Wochen bei den Proben sehen. Und Sie in der Vorstellung. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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Wenn Zorn ins Unermessliche wächst Medea hat ihre Kinder ermordet. Eine ungeheuerliche Tat. Wie kann man so etwas tun? Anlässlich der Premiere von Marc-Antoine Charpentiers Barockoper «Médée» haben wir den renommierten Gewaltforscher Wolfgang Sofsky gebeten, die Motive der «Medea»-Tragödie zu erläutern Text Wolfgang Sofsky Illustrationen Alex Simpson



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lles hat sie für ihn getan. In Liebe war sie entbrannt, als Jason nach Kolchis kam, um das Goldene Vlies zu stehlen. Mehrfach bewahrte sie den Fremdling vor dem sicheren Tod. Gegen die feuerschnaubenden, bronzehufigen Stiere schützte sie ihn mit dem blutroten Saft des kaukasischen Krokus. Den unbesiegbaren Drachen, der das Fell bewachte, schläferte sie mit Tropfen frischen Wacholders ein. Jasons verwundete Gefährten heilte sie mit erlesenen Essenzen. Alle Künste der weis­ sen und schwarzen Magie gab sie für seine Liebe. Sie hinterging ihren Vater; ihren Halbbruder hackte sie in Stücke und warf die Leichenteile ins Meer. In Palaga, der Heimat Jasons, überredete sie die Töchter des Usurpators Pelias, ihren schlafenden Vater zu zerstückeln und das Fleisch im Kessel zu sieden. Sie zauberte für ihren Geliebten, sie tötete für ihn, sie flüchtete mit ihm aus der Heimat, und sie schenkte ihm Kinder. Aus der helfenden Jungfrau wurde die liebende Mutter, aus dem Schutzgeist die mörderische Gefährtin. Doch nun, am Hofe des korinthischen Königs Kreon, wo sie mit Jason ein Exil gefunden hat, beschleicht sie eine böse Ahnung. Undankbar sei ihr Gatte, den Eid der Ehe habe er gebrochen; Krëusa, der Tochter des Gastgebers Kreon, habe er sich zugewandt. Mit diesem Verdacht beginnt Marc-Antoine Charpentiers Oper. Der Argwohn ist mehr als eine Vermutung. Medea weiss es bereits, aber sie kann, sie will das Wissen nicht wahrhaben. Ihre Liebe erträgt keine Zweifel. Schon der geringste Verdacht käme einer Katastrophe gleich. So gut meint sie Jason zu kennen, dass ihr ein Liebesfrevel undenkbar erscheint. Überallhin hat sie ihn begleitet. An seiner Seite «ist alles süss, auch die Flucht, das Exil, selbst der Tod». Bis zum letzten Atemzug reicht ihre Treue. Umso ungeheuerlicher erscheint ihr die Niedertracht. Sie benötigt Zeit, bis aus Wissen Gewissheit geworden ist. Es ist nicht die enttäuschte Liebe oder die Eifersucht der älteren Frau auf die jüngere Rivalin, die den grossen Zorn erwecken wird. Es ist der Verstoss gegen das Gesetz der Gegenseitigkeit, der Dankbarkeit für selbstlose Treue, der die Tragödie in Gang setzt. Das Band, welches das Paar verknüpft hat, ist zerrissen. Auf Leben und Tod hat das Schicksal beide aneinandergekettet, und nun bricht Jason den Eid. Die Vertraute Nerina will ihre Herrin beruhigen und mahnt zu Besonnenheit: Falscher Jähzorn ruiniere nur die Chancen wohlerwogener Rache. Doch der Dialog mit Jason bestätigt Medeas Argwohn. Der Treulose will sich herausreden: Die Notlage am Hof rechtfertige die Zuneigung Krëusas. Jene habe sogar versprochen, sich der Kinder anzunehmen. Medea weiss zu gut, wie rasch «süsse Gewohnheiten» entstehen. Häufige Begegnungen wecken Sehnsüchte, Jasons Beteuerungen sind nur vorgespiegelt. Noch immer will sie nicht recht an den Betrug glauben. Doch ist der Zweifel einmal gesät, ist das Vertrauen dahin. Was immer der andere sagt, es gereicht ihm zum Nachteil. Zwar besteht die Gegenseitigkeit noch fort. Wie Medea auf die Pflicht zur Dankbarkeit pocht, so verspürt ihr Gatte die Fesseln der Treue. Was gäbe er darum, nicht derart von ihr geliebt zu werden? Nach Pflichtvergessenheit sehnt er sich, nach Freiheit von den Ketten der Dankbarkeit. Weil die Bindung der Treue reziprok ist, bedarf es eines Aktes einseitiger Willkür, um Jason von Scham, Selbsthass, Furcht zu befreien. Aus dem Hirn tilgt er die Sorgen, und der nahe Krieg befreit ihn, den Helden, von den Selbstzweifeln. Medea droht nicht nur der Verlust des geliebten Gatten, sondern auch der Verlust des Gastrechts. In einem zweiten Dialog erfährt sie von Kreon, dass sie als Opfer­preis vorgesehen ist für den Frieden mit dem übermächtigen Akastos. Jener fordert Medeas Kopf, sein Heer liegt bereits vor den Mauern Korinths. Der Gastgeber Kreon tut so, als müsse er, um seine Herrschaft zu wahren, das Gastrecht verletzen und Medea ausser Landes weisen. Als Akt der Gerechtigkeit kaschiert er das Dekret, als wohlfeilen Tausch moralischer Güter: «Ich schütze Deine Kinder, wenn Du gehst.» So erscheint das Unrecht der Verbannung als Abmachung zu beidseitigem Nutzen. Dies ist, nach dem Treuebruch Jasons, der zweite Verstoss gegen die Gesetze des Sozialen. Das Asyl soll aufgehoben, die sichere Zukunft entzogen, Medea verstossen werden. Und obendrein soll sie diesem ungerechten Handel noch beipflichten. In Wahrheit


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ist alles Intrige, Betrug. Kreon will Medea vertreiben, um Jason, den grossen Krieger, an seine Tochter, an sein Königshaus zu binden. Nichts erzürnt Menschen mehr als grobe Ungerechtigkeit. Wenn Gleiches nicht mit Gleichem vergolten wird, entsteht Missmut, Ärger, Groll. Wer jedoch alles gegeben hat und alles verlieren wird, den packt der grosse Zorn. Für Medea geht es nicht um ein Mehr oder Weniger. Es geht um Alles oder Nichts. Alles hat sie gegeben, aber nichts wird ihr vergolten, nichts erwidert, nichts anerkannt. Alles gegen nichts, lautet ihre Lebensbilanz. Alles verliert sie, ihre Kinder, den geliebten Mann, den Schutz des Asyls, die Zukunft, alles. Schlimmer noch: Nicht nur werden ihre Liebesgaben entwertet, sondern auch sie selbst, ihre Person: Es wird ihr die Selbstachtung geraubt. Wer derart belogen, verraten, verachtet wird, der ist zutiefst in seinem Selbstbewusstsein getroffen. Das Gefühl eigenen Wertes wird zerfetzt, das Bewusstsein eigenen Könnens, eigener Handlungsmacht. Dagegen hilft keine Empörung, kein Aufschrei, keine Anklage, sondern nur eine Tat, in der sich die gesamte Macht der Person beweist. Der grosse Zorn will mehr als Rache, mehr als die gerechte, äquivalente Strafe für eine Untat. Medea ahndet nicht nur den Frevel Jasons, Kreons und Krëusas. Sie muss ihre Selbstachtung, ihr Selbstverhältnis wiederherstellen. Im Tod der anderen gewinnt sie ihr Leben zurück. Alles muss sie vernichten, um zu werden, was sie war: die grosse Zauberin. Keineswegs darf Medeas Gemütszustand mit Wut oder Raserei verwechselt werden. Das Ungeheuerliche des Kindermords hat dazu verleitet, von blindem Furor, von einem Exzess der Gewalt zu sprechen. Charpentiers Medea ist nicht wütend, sie ist vom grossen Zorn ergriffen. Zu keinem Zeitpunkt gerät sie ausser sich. Von den Affekten der Feindseligkeit ist Zorn der gefährlichste. Er zielt direkt gegen den anderen. Anders als die Wut, die blindlings um sich schlägt, behält der Zorn den anderen im Visier. Feindschaft wird destruktiver, indem sie präziser wird. Wut sprüht wahllos, Zorn indes fixiert sein Opfer mit loderndem Blick und lässt es nicht mehr los. Es gibt kein Entkommen. So lange setzt der Zorn nach, bis er den anderen zerstört hat. Wut tobt, brüllt, schäumt, berauscht sich an sich selbst; sie ist ungestüm, masslos, ein innerer Überfall. Doch endet der Ausbruch, wenn die Energie erschöpft ist. Zorn indes hält an und agiert mit Bedacht und Berechnung. Wut verpufft oder verraucht rasch, Zorn verfolgt sein Ziel bis zum Triumph, ja, er steigert sich in der Aktion. Wut ist ein Ereignis. Plötzlich bricht sie hervor. Zorn hingegen ist ein Prozess. Er baut sich auf, unterhält sich selbst, gewinnt an Kraft bis zur Vollendung. Der Tat geht die Imagination voraus. Als auch Jason Medea auffordert, in die Verbannung einzuwilligen, schlägt die Liebe endgültig in Zorn um. «Alle sollen sie erzittern», all ihr Tun und Streben soll sich nur mehr der Rache widmen. Was sie zuvor wusste, aber nicht glauben wollte, ist jetzt praktische Gewissheit. Hundertfache Qualen soll Jason erleiden, an den giftigsten Säften des Tartaros soll ihre Rivalin verbrennen. Nach und nach vollstreckt Medea ihre Rache. Nachdem sie das Gewand für Krëusa mit Gift präpariert hat, ist ihr erstes Opfer der Herrscher Korinths, Kreon. Keineswegs ist Medeas Macht total. Die Absichten der Menschen vermag sie kaum zu lenken. Weder kann sie Jasons Zuneigung zurückerobern noch die Liebesbande des neuen Paars zerreissen. Weder Appelle, Drohungen noch Beschuldigungen ändern die Konstellation. Läge die Gefühlsmacht in ihren Händen, wäre das Drama der Vergeltung ohnehin gegenstandslos. Doch mit der politischen Macht des Tyrannen kann es Medea unschwer aufnehmen. Sie provoziert ihn, indem sie die Heirat seiner Tochter mit Orontes verlangt. Die Forderung ist unerfüllbar, der Monarch kann sie unmöglich akzeptieren. Erbost ist der König über die Anmassung, den Hochmut seiner Feindin. Doch Medea macht kurzen Prozess, sie schlägt den Despoten mit Wahnsinn, treibt die Wachleute gegeneinander – und beendet das Geplänkel mit einem seltenen, opernhaften Zauber. Hübsche Elfen ruft sie herbei, die mit ihrem Liebreiz die widerstreitenden Recken becircen und hinwegführen. Kreon indes fällt ins Delirium. Seine Wahnsinnsarie spricht vom Verlust des Wirklichkeitssinns: Visionen kosmischen Unheils,


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plötzliche Stille, Flammen am Himmel, Erdstösse, Abgründe, Ungeheuer. Das innere Bild nimmt vorweg, was am Ende Bühnenrealität sein wird. Zuvor jedoch ersticht er sich selbst, nachdem er in Umnachtung seinen Verbündeten Orontes getötet hat. Ihre alte Macht gewinnt Medea vermittels der Hilfsgeister zurück. Den Furien der Rache gibt sie sich hin, um sich selbst erneut zu beleben. Dämonen ruft sie auf, welche die Höllenflüsse Styx und Kokytos bevölkern, dort, wo die Toten erkennen, dass sie tot sind. «Beim Styx» werden die Eide geschworen, die «Töchter des Styx» ahnden den Bruch des Schwurs. Sie sind Geister der Gerechtigkeit. Hekate ruft sie an, die kurzgeschürzte Hexengöttin, die Herrin der nächtlichen Wege, und den brodelnden Vulkan Avernus nahe bei Cumae, wo der Eingang zur Unterwelt liegt. Geister bringen das Gewand für ihre Rivalin herbei, heizen den Hexenkessel für das Gift an, mit dem das Kleid getränkt wird. An unsterblichen Dämonen erprobt sie dessen Wirksamkeit. Feuergeister setzen den Palast in Flammen, der Himmelsdrache trägt sie in die Lüfte und befreit sie von den Qualen der Erde. Medea ist nicht von dieser Welt. Sie verfügt über Kräfte, die jener Sphäre entstammen, die zwischen Menschen und Göttern liegt. Das zweite Opfer ist Krëusa. Zur Hochzeit will sie in Medeas Gewand ihre Schönheit feiern und sich bewundern lassen. Die Selbstliebe rächt sich. Wie sie in Liebe zu Jason und zu sich selbst entflammt ist, so verbrennt sie an dem Gift, das Medea in dem Kleid entzündet. Leibesfeuer ist ihr Verhängnis. Unter Qualen stirbt sie in Jasons Armen den Liebestod. Von den Mitteln der Gewalt bevorzugt die Rächerin das Medium der totalen Vernichtung. Kreon überkommen Visionen des Feuers, Krëusa verbrennt innerlich. Am Ende geht der Palast in Flammen auf. Feuer ist nicht nur das Medium ritueller Reinigung, Läuterung und Sühne, welches den alten Zustand wiederherstellt. Feuer ist die überlebendige, gefrässige, vertilgende Macht schlechthin. Es verbrennt den Frevel restlos. Wer das Feuer entzündet, verfügt über absolute Vernichtungsmacht. Schlimmer noch als das Feuer sind ewige Verzweiflung und Verlassenheit. Kreon verliert den Verstand und den sozialen Sinn. Krëusa verliert ihren geliebten Vater, Jason indes verliert alles: seinen Schutzherrn, seine Geliebte, seine Gattin, seine Kinder. Er ist das dritte, das Hauptziel der Vergeltung. Ihn will Medea nicht töten, ihn, den Treulosen will sie leiden sehen. Zugrunde gehen soll er in seiner Qual, verbrennen soll er in unerfüllbarer Rachsucht. Die Kinder tötet Medea im Tempel der Hera Akraia, dort, wo noch heute deren Grabstätten zu sehen sind. Der Kindermord ist ihr lediglich Mittel zum Zweck. Medea erdolcht sie, um den Vater zu treffen – und sich selbst der Mutterschaft zu entledigen, die sie an Jason kettet. Von allem befreit sie sich, was sie jemals an ihr früheres Leben erinnern könnte. Verlassen bleibt Jason, der Heros, zurück, ohnmächtig, etwas zu tun, allein mit sich selbst. Alles hatte ihm Medea gegeben, nun ist ihm alles genommen. Er würde seinem Leben ein Ende machen, falls ihm die Widerrache gelänge, falls er Medeas Verbrechen sühnen könnte. Aber er vermag nur leere Drohungen auszustossen. Gefangen ist er in seiner inneren Hölle. Bis in die Unterwelt will er sie verfolgen. Die Zauberin indes erhebt sich souverän in die Lüfte, schwebt davon in die Himmelswelt zwischen den Menschen und Göttern, derweil auf Erden die Statuen zerfallen, die Ornamente in der Brandhitze zerplatzen und die fürstliche Pracht im Feuerregen verglüht. Wolfgang Sofsky lehrte als Professor für Soziologie an den Universitäten Göttingen und Erfurt. Seit 2000 arbeitet er als Buchautor und Essayist. Er zählt zu den profiliertesten Analytikern der Formen sozialer Macht, der Gewalt und des Terrors.


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Mit Hingabe und Mut William Christie ist einer der profundesten Kenner des französischen Barockrepertoires. Ab dem 22. Januar dirigiert er die selten gespielte Oper «Médée». Ein Gespräch über seine Liebe zu Frankreich, den unterschätzten Komponisten Marc-Antoine Charpentier und die hohe Kunst der französischen Sprachvertonung Fotos Danielle Liniger


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Herr Christie, Ihre persönliche Begeisterung für den Komponisten Marc-Antoine Charpentier hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass seine Médée heute wieder auf der Bühne zu erleben ist. Wie ist es zur Begegnung mit Charpentiers Musik gekommen? In den USA, wo ich aufgewachsen bin, wurde französische Musik eher selten gespielt – ganz zu schweigen von französischer Barockmusik. Ich hatte aber das Glück, dass meine Eltern grosse Musikliebhaber waren. Und meiner Mutter war die Musik von Charpentier bekannt. Aber Charpentier war nur einer von vielen Komponisten, die ich genauer kennenlernen wollte. Eine fas­zinierende Entdeckung war es für mich, als mir damals während meines Studiums die erste Einspielung von Jean-Philippe Rameaus Oper Hippolyte et Aricie in die Hände fiel. Ich habe mich ganz grundsätzlich in die franzö­ sische Kultur verliebt.

Die Partie der Médée fordert der Sängerin alle Energie und Leiden­schaft ab: Stéphanie d’Oustrac bei den Proben

Zogen Sie deshalb 1971 nach Paris? Frankreich wurde Ihre Wahlheimat ... Für einen jungen Menschen war das Leben in den USA in dieser Zeit nicht einfach. Viele junge Männer wurden in den Vietnamkrieg eingezogen – und das war für mich ein Grund mehr, mir meinen Wunsch zu erfüllen und nach Frankreich zu gehen. Ich wollte – ganz im romantischen Sinn – geografisch näher an der Kultur sein, die mich so begeisterte. Aber ich wollte auch in die Kirchen gehen können, wo die Musik der französischen Barockzeit häufiger gespielt wurde als bei uns, in den Bibliotheken die Partituren erforschen – und vor allem wollte ich nicht mehr nur unterrichten und forschen wie in den USA, sondern eine Karriere als Cembalist beginnen. Ist Paris Ihren Erwartungen gerecht geworden? Um ehrlich zu sein, war ich sehr ent­ täuscht von dem, was ich dort gehört habe. Das bisschen Alte Musik, das man in den 70ern in Paris hören konnte, war nicht sehr überzeugend. Es klingt jetzt vielleicht seltsam, aber ich musste

feststellen: Selbst an den Universitäten von Berkeley oder Chicago war man damals in der Erforschung französischer Barockmusik eigentlich weiter als in Paris! Deshalb spielte ich zuerst vor allem moderne Musik (Werke von Morton Feldman, Luciano Berio etc.). Doch die Zeit um 1970 brachte dann einen wichtigen kulturellen Wendepunkt: In verschiedenen Städten Europas begann damals die unglaublich spannende Phase der Entdeckung, Recherche und Erarbeitung von Alter Musik. Zur gleichen Zeit wie ich widmeten sich junge engagierte Kollegen wie René Jacobs, Jordi Savall, Konrad Junghänel oder Ton Koopman der Erforschung der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts – wir waren sehr gut vernetzt, tauscht­en uns aus und lernten viel voneinander. Ende der 70er haben Sie Ihr eigenes Ensemble «Les Arts Florissants» ge­ gründet – benannt nach einem kleinen allegorischen Bühnenwerk von Charpentier, das die aufblühenden Künste als Bringer des Friedens feiert. Stand die Musik von Charpentier damals im Zentrum Ihres Interesses? Unser Ziel war es, die französische Musik des 17. Jahrhunderts zu spielen. Das hat sonst niemand gemacht. Und zwar deshalb, weil es sich dabei vor­ wiegend um vokale Musik handelt – und die Gesangsstimme ist sozusagen das letzte «Instrument», das von der Alten-­Musik-Bewegung ergriffen wurde. Bis dahin hatte man sich der Entwicklung und Verbesserung der Instrumente gewidmet: Orgeln, Cembali, Violinen und Flöten wurden erforscht und nachgebaut – aber vom barocken Gesang hatte man damals wirklich sehr seltsa­me Vorstellungen! Ich selber habe die Ge­sangsstimme immer geliebt; für mich war sie das Wichtigste. Und ich glaube, dass die Erforschung und Entwicklung des Gesangsstils mein wichtigster Beitrag zur Alten-Musik-Bewegung war. Und Marc-Antoine Charpentier ist vielleicht der wichtigste französische Komponist auf dem Gebiet der Vokalmusik des 17. Jahrhunderts ...


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Natürlich, er ist der Wichtigste! Er hätte ein grossartiger Opernkomponist sein können – aber es war ihm nicht vergönnt ... Warum nicht? Wegen Lully. Jean-Baptiste Lully war bis zu seinem Tod im Jahr 1687 der Hofkomponist von Louis XIV. Er stand in der Gunst des Königs und be­ herrsch­te die Musikszene am Hof in immer stärkerem Mass. Er hatte das Privileg zu entscheiden, welche Werke an der Académie royale de musique auf die Bühne kamen – und wie man sich denken kann, setzte er sich vor allem für seine eigenen Werke ein. Charpentier, der zwar von der königlichen Familie geschätzt wurde, aber nie am Hof angestellt war, musste sich deshalb mit kleineren Formen be­ gnügen. Als er nach Lullys Tod Médée, seine erste und ein­zige Tragédie en musique an der Académie royale auf­ führen durfte, war er bereits 50 Jahre alt. War Lully für Charpentier aber auch ein Vorbild? Lully hat etwas Geniales vollbracht: Er hat es geschafft, die Sprache der Tra­ gédie – der damals bedeutendste Kunst­ form am Hof – musikalisch zu notieren: in Rezitativen. Damit hat er einen enormen Schritt hin zu einer eigen­stän­ digen französischen Operngattung gemacht. Aber: die Sprache der Tragödie war immer noch das Zentrale. Die Musik musste also immer relativ einfach bleiben und durfte nie zu wichtig werden. Lullys Genie war also gewissen Grenzen unterworfen. Aber die Mu­sika­­lisierung der fünfaktigen französischen Tragödie ist seine grosse Leistung. Und dieser Tradition musste auch Charpentier folgen. Lully, der die Grundlagen für eine eigenständige französische Opern­tra­ dition schuf, war ursprünglich Italiener. Bei Charpentier verhält es sich genau umgekehrt. Er ist in Frankreich aufgewachsen – hat aber in Italien studiert... Charpentier lernte in Italien die besten

Komponisten seiner Zeit kennen und nahm bei ihnen Unterricht. Als er zurück­kam, war er ein brillanter Kom­ po­­nist. Viel brillanter als Lully. Aber auch für Charpentier galt die grosse Fra­ge, ob die Sprache oder die Musik wichtiger sei. Diese Frage hat dann im 18. Jahrhundert bekanntlich zu einem dramatischen Streit geführt: Auf der einen Seite standen die Anhänger Lullys (Lullisten) und auf der anderen diejenigen Jean-Philippe Rameaus (Ramisten). Und die Lullisten hingen so sehr an Lullys Nähe zur gesprochenen Tragödie, dass sie Rameau hassten, weil er zu viel Musik machte. Das ist übrigens der Grund, warum uns Rameaus Musik heute so stark berührt: Die Musik löst sich bei ihm von den Banden der Sprache und wird frei. Charpentiers Médée wurde 1693 aufgeführt – nach dem Tod von Lully und vierzig Jahre vor Rameaus erster Tragédie lyrique für die Académie royale. Seine Médée steht also genau in der Mitte ... «In der Mitte» ist nicht richtig. Char­ pen­tier gehört ganz klar zum Zeitalter von Lully. Das Zeitalter Rameaus ist dann das 18. Jahrhundert, und seine Zeit­genossen sind Komponisten wie Bach und Händel. Charpentiers Médée bildet in diesem Sinn auch das Ende einer Tradition. Aber in Italien, wo er studiert hat, war die Unabhängigkeit der Musik vom Text damals schon viel stärker. Deshalb kam Charpentier als «musikalischer» Komponist zurück. In den Augen seiner Zeitgenossen lief er dadurch in seiner Médée immer Gefahr, die Wichtigkeit des Texts zu verlieren und zu viel Musik zu machen. Ist das der Grund dafür, dass das Werk zu seinen Lebzeiten nur etwa zehn Mal gespielt wurde und kein grosser Erfolg war? Ich denke, dass Charpentiers Médée einfach zu bald nach Lullys Tod auf die Bühne gekommen ist. So viel Musik wollte damals in Frankreich niemand hö­ren. Aus heutiger Sicht kann man aber Folgendes erkennen: Das Libretto von Thomas Corneille ist sehr


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stark, und die Musik von Charpentier ist ebenfalls sehr stark. Es überwiegt also weder der Text, wie bei Lully, noch die Musik, wie bei Rameau. Wir haben es hier wahrscheinlich mit der per­ fektesten Synthese von Text und Musik dieses Zeitalters zu tun.

William Christie

Foto: Simon Fowler

ist Dirigent, Cembalist und Musik­wissen­ schaft­­ler. Er stammt aus Buffalo/USA. Seit 1971 lebt er in Frank­ reich, wo er 1979 das Ensemble «Les Arts Florissants» gründete. Eine besondere Affi­nität hat er zur französischen Musik des 17. und 18. Jahr­ hunderts, die er einem breiten Publikum zugänglich machte. Charpentiers «Médée» hat er zwei Mal auf­ge­ nommen und 1993 am Théâtre de Caen di­ rigiert. Am Opernhaus Zürich hat er u.a. «Iphigénie en Tauride» und «Orphée et Eury­ dice» von Gluck, «Les Indes galantes» von Rameau sowie Händels «Radamisto» und «Orlando» erarbeitet.

Sie haben Charpentiers Médée mit «Les Arts Florissants» 1984 zum ersten Mal aufgenommen. Wie haben Sie sich dem Werk damals angenähert? Wir sind sukzessive in solche grossen Werke «hineingewachsen». Zunächst be­ stand das Ensemble aus einem Kern von sechs oder sieben Sängern. Also haben wir mit kleinen Werken angefangen, die nur wenige Instrumentalisten erforderten. Für die Médée mussten wir zuerst das Orchester aufbauen. Das war ein langer Prozess, eine Art Laboratorium. Sie haben vorhin die wichtige Ent­ wick­lungsarbeit betont, die hinsichtlich des Gesangs geleistet werden musste. Was waren da die Aufgaben? Das hängt stark mit den Aspekten zusammen, die wir gerade besprochen haben: Wir mussten uns damals erst bewusst werden, dass die Sprache in der französischen Vokalmusik genau so wichtig ist wie die Musik, wenn nicht sogar wichtiger. Das war damals die Hauptaufgabe. Ohne genaueste Kenntnis des Texts ist es unmöglich, fran­ zösische Opern des 17. Jahrhunderts zu singen. Deshalb bildet die Arbeit an der Diktion noch heute einen sehr grossen Teil meiner Proben mit den Sängern. Mit Stéphanie d’Oustrac, die in unserer Produktion die Titelpartie singt, habe ich übrigens vor einigen Jahren ein sehr interessantes Projekt gemacht: Wir sind der Entwicklung des Stücks Psyché nachgegangen: Dieses Stück war ursprünglich ein Schauspiel, geschrieben als Gemeinschaftswerk von Molière, Pierre Corneille und Phi­lip­pe Quinault. Lully hatte dazu Zwi­ schenspiele geschrieben. Einige Jahre später entstand derselbe Stoff – jetzt mit dem Libretto von Thomas Corneille – als durchkomponierte Tragédie en musique, wiederum mit Musik von

Lully. An diesem Beispiel lässt sich die Entwicklung vom gesprochenen zum gesungenen Text zur Zeit Lullys sehr schön nachvollziehen. Charpentiers Musik verstärkt die Affekte der Figuren der Tragödie. Die leidenschaftliche Medea, deren Liebe zu Jason nach und nach in Zorn umschlägt, ist für diese Art von Musik ein hervorragendes Subjekt. Aber sind die Affekte der damaligen Zeit für ein Publikum von heute noch verständlich? Die Musik des 17. Jahrhunderts überträgt Leidenschaften und Emotionen sehr stark und sehr direkt auf den Zuhö­rer. Nicht nur der Medea-Stoff, auch die Stoffe von Lully drehen sich immer um die Grundfragen des Menschseins: Es geht immer um Liebe, Hass, Eifersucht, Grausamkeit etc. Ich denke, dass jemand, der heute z. B. die Ereignisse in Aleppo durch­ gemacht hat, die Gefühle sehr gut nachvollziehen kann, die diese Musik so klar vermittelt. Ist es heute einfacher geworden, ein so grosses Werk aus dem 17. Jahr­ hundert an einem Opernhaus zu reali­sieren als in den Anfängen Ihrer künstlerischen Arbeit? Einerseits schon. Durch die Arbeit, die ich hier mit dem Orchestra La Scintilla bereits gemacht habe, und durch die enormen Fortschritte, die das Orchester selber gemacht hat, kann man heute auf gewissen Erfahrungen aufbauen. Aber es fehlt uns nicht an Herausforderungen. Immerhin ist es das allererste Mal, dass am Opernhaus Zürich eine Tragédie en musique von Charpentier auf die Bühne kommt. Das ist für jeden Beteiligten mit einem Lern­prozess verbunden, der Hingabe und Mut zu neuen Erfahrungen erfordert! Es freut mich besonders, dass Andreas Homoki sich nach David et Jonathas jetzt dem zweiten Werk von Charpentier widmet – und meine Be­ geisterung für diesen Komponisten teilt! Das Gespräch führte Fabio Dietsche


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Ein Werk voll mitreissend dramatischer Szenen Die französische Barockoper lebt von theaterwirksamen RezitativDialogen, kurzen Arien und grossformatigen Tableaux. «Médée»-Regisseur Andreas Homoki über seinen Weg, die vielfältige Formensprache in eine packende Geschichte einzubinden

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Barockoper einen festen Platz im Repertoire der Opernhäuser erobert, allerdings ist im deutschsprachigen Raum die italienische Variante deutlich populärer als die französische. Die gilt vielen als eher untheatralisch, unangemessen pathetisch und musikalisch dürftig. Wie siehst du das? Ich finde das, ehrlich gesagt, gar nicht. Allerdings erst, seit ich Charpentiers David et Jonathas inszeniert habe, übrigens durch die Vermittlung von William Christie. Vorher habe ich den französischen Barockopern eher reserviert gegenübergestanden, vor allem aus Sorge, die vielen Ballettmusiken tatsächlich mit Tanzeinlagen füllen zu müssen. Aber die Begegnung mit Charpentiers Médée hat mich überzeugt, dass dieses Problem lösbar ist. Ausserdem zeigt sich in dieser Oper, dass Charpentier ein Komponist mit grossem Gespür für das Theater war. Mittlerweile halte ich die französische Barockoper für mindestens ebenso vielfältig und interessant wie die italienische. Bei der italienischen Oper spürt man immer, dass die Dramaturgie der Stücke auf die damaligen Gesangsstars und ihre virtuose Stimmakrobatik ausgerichtet ist. Daraus ergibt sich der stark schematisierte Aufbau dieser Stücke: Sie bestehen aus einer Folge von Rezitativ-Szenen, an deren Ende jeweils eine Arie in A-B-A-Form steht. Dieses Schema, das streng durchgehalten wird, spürt man noch bis in die mittleren Opern Verdis, und es macht die Handlung oft voraussehbar und unglaubwürdig. Charpentiers Dramaturgie hingegen ist viel flexibler und durchlässiger für unterschiedliche Arten der Begegnung von Bühnenfiguren. Aber die Dramaturgie der französischen Oper des 17. und 18. Jahrhunderts ist auch nicht frei von Schematisierung. Gewiss nicht. Auch hier gibt es Regeln, nach denen sich alle Autoren zu richten hatten, und diese wurden sogar strenger überwacht als in der italienischen Opernpraxis. Journalisten, Gelehrte und – nicht zu vergessen – die Académie française kontrollierten, dass die Werke den Regeln entsprechend gestaltet wurden. Diese Regeln beziehen sich eher auf die grosse Form: Die Opern haben aus fünf Akten zu bestehen, die Handlung muss sich im Verlauf eines Tages abspielen, jeder dieser Akte hat zweiteilig zu sein, wobei der erste Teil aus kammerspielartigen Dialogen be­steht und die Handlung vorantreibt, während der zweite Teil ein sogenanntes «Divertissement» zeigen soll, eine Folge von Chor- und Tanzsätzen, die nur lose mit der Haupthandlung verbunden ist. Was sich aber innerhalb dieser beiden Teile abspielt, kann sehr differenziert und höchst abwechslungsreich sein und bietet der Originalität der Librettisten und Komponisten viel Freiraum. Die Dialogszenen sind musikalisch als Rezitative gestaltet, wobei im französischen Rezitativ der Text die entscheidende Rolle spielt. Eigentlich handelt es sich um die Übertragung der Rezitationskunst der klassischen französischen Tragödie auf die Opernbühne. Dazu dient ein kontinuierlicher Musikfluss, der in jedem Moment fast unmerkliche


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Übergänge vom Secco-Rezitativ ins Accompagnato oder Arioso und schliesslich in Arien und Duette ermöglicht, wobei diese Arien und Duette immer sehr kurz sind, alle Möglichkeiten der Formgebung ausschöpfen und fast vollständig auf vir­tuose Koloraturen verzichten. Wenn Koloraturen vorkommen, dienen sie ausschliesslich dem Textausdruck. Mit diesen Mitteln komponiert Charpentier sehr bewegende, theaterwirksame Dialoge, die sich auf die Psychologie der Figuren konzentrieren. Er war wirklich ein grosser Musikdramatiker und hat nicht einfach irgendeinen Text mit mehr oder weniger angenehmer Musik dekoriert, sondern starke, mitreissende dramatische Szenen schaffen wollen. Die eigentliche Herausforderung für die Inszenierung liegt in der zweiten Akthälfte: Hier löst sich die dramatische Handlung in grosse Tableaux auf, in denen Chor und Ballett in Aktion treten, die Situation der Handlung erweitert wird und in einer unterhalt­ samen und auch humorvollen Gestalt auf ganz andere Weise reflektiert wird. Die Schwierig­keit besteht hier darin, diese revueartige Form zu bedienen, ohne den Zusammenhang des Stücks zerreissen zu lassen.

Der Regisseur Andreas Homoki probt mit Stéphanie d'Oustrac (Médée)

Und da muss man auch das Ballett auftreten lassen… So ist es jedenfalls gedacht, und so ist es seinerzeit auch geschehen. Damit aber die einzelnen Akte nicht in zwei völlig unterschiedliche Teile zerfallen, ist es wichtig, diese Divertissements auch in den Ballettmusiken nicht einfach zu «vertanzen», son­dern die Geschichte mit den Figuren der Handlung in anderen Formen und Strukturen vertiefend weiterzuerzählen. Eine Schwierigkeit, die ich persönlich beson­ders reizvoll finde. Darum war mir auch wichtig, dass wir alle Divertissements


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«Es ist sehr schön, wenn in der Probe die grosse Kraft des Stücks die Führung übernimmt und wir ihr alle folgen»


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ohne Striche spielen, damit die Gewichtungen, wie sie der Form entsprechen, wirklich zum Tragen kommen. Der Medea-Stoff ist sehr oft dramatisch bearbeitet worden. Worin mag der besondere Reiz dieser Geschichte für dramatische Autoren liegen? Ich muss gestehen, dass ich mit dem Stoff lange Zeit meine Probleme hatte: Eine Frau, die ihre Kinder ermordet, um sich an ihrem Mann zu rächen – das wird mir wohl immer sehr fremd bleiben. Allerdings hilft mir Charpentier, der Sache näher­­zukommen. Bei ihm ist das nicht nur die wüste Geschichte von entfes­selten Leidenschaften und blutigen Mordtaten. Charpentier und sein Librettist spitzen den Stoff vielmehr auf archetypische Situationen zu: Da ist eine Ge­sellschaft und ein Fremdkörper – Médée, die durch ihre pure Anwesenheit den Frieden stört, einfach weil sie nicht dazu gehört. Das ist also das immer viru­ lente, im Moment gerade sehr brennende Problem der Konfrontation mit dem Fremden. Und zum anderen haben wir das Problem einer zerbrechenden Beziehung zwischen zwei Menschen: Was geschieht, wenn ein Partner geht und den anderen allein lässt? Diese beiden Situationen, die für jeden unmittelbar nachvollziehbar sind, werden dadurch verknüpft, dass die Verlassene die Fremde ist – Médée, die auf diese Weise jeden Halt verliert.

Das Ende einer grossen Liebe: Reinoud van Mechelen (Jason) und Stéphanie d'Oustrac (Médée)

Kommt dir Médée in der Arbeit näher? Sie bleibt ja die Frau, die ihre Kinder umbringt. Zunächst einmal ist Médée eine sehr starke Frau, die mit ihrer Direktheit und Ehr­ lichkeit, in ihrer Fähigkeit, dem Schicksal gerade in die Augen zu sehen, den Männern weit überlegen ist. Damit gewinnt sie schon mal eine grosse Sympathie. Dann möchte ich sehr deutlich zeigen, dass diese Gesellschaft ablehnend und verständnislos, mit einer verletzenden Arroganz auf sie reagiert. So wird erkennbar, woraus ihre extreme Wut und Grausamkeit – auch gegen sich selbst – entsteht. Médée ist nicht zur Kindesmörderin geboren, sie wird dazu durch das, was ihr wider­ fährt. Darum ist es mir wichtig, auch ihre weichen Seiten zu zeigen, ihre Liebes­ fähigkeit, ihre Zärtlichkeit, ihre Mütterlichkeit, ihre Sehnsucht nach Glück. Ich habe bis weit nach Beginn der Probenarbeit überlegt, ob wir den Mord an den Kindern zeigen sollten oder nicht, denn Charpentier hat diesen Vorgang eigentlich nicht gestaltet. Schliesslich hat uns die Komposition den Weg gewiesen: Es gibt kurz vor Ende der Oper einen starken und berührenden Trauerchor, der mir für die de­ kadente Gesellschaft der Korinther viel zu schade ist – zu dieser Musik werden wir den Tod der Kinder zeigen. Es ist immer sehr schön, wenn in der Probenarbeit Momente entstehen, in denen das Stück selbst die Führung übernimmt und wir alle ihm folgen. Inszenieren heisst für mich nämlich nicht, mit einem fertigen Ab­lauf­plan der Vorstellung auf die Probe zu kommen und diesen dann auf die Darsteller durchzupausen. Der Probenprozess ist ein gemeinsames Suchen und – hoffentlich! – Finden, in dem sich die Figuren nach und nach entlang der Handlung entwickeln. Und man tut gut daran, ihnen genau zuzuhören, denn sie wissen ja am besten, wie es um sie bestellt ist. Übrigens habe ich das Gefühl, dass mich gerade dieses Stück in der Probe ganz stark führt, viel stärker als andere. Das ist eine besondere Er­fahrung. Die Kraft des Stücks kann sich aber nur entfalten, wenn man sie zulässt. Jason verlässt Médée, die alles für ihn geopfert hat, und wendet sich einer anderen Frau zu. Warum tut er das? Jason ist auf den ersten Blick ein durch und durch unsympathischer Kerl. Er ist nicht nur undankbar und egoistisch, sondern auch noch ein Feigling, der versucht, sich mit läppischen Lügen und Ausflüchten aus der Affäre zu ziehen. Wäre das alles, wären wir schnell mit der Sache fertig: Médée hätte unsere ganze Sympathie und Jason unsere Verachtung. Deshalb geht Charpentier anders vor: Er zeigt uns


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Médée Tragédie en musique von Marc-Antoine Charpentier Musikalische Leitung William Christie Inszenierung Andreas Homoki Bühnenbild Hartmut Meyer Kostüme Mechthild Seipel Lichtgestaltung Franck Evin Choreografische Beratung Katrin Kolo Choreinstudierung Jürg Hämmerli Dramaturgie Werner Hintze Fabio Dietsche Médée Stéphanie d’Oustrac Jason Reinoud Van Mechelen Créon Nahuel Di Pierro Créuse Mélissa Petit Oronte Ivan Thirion Nérine Carmen Seibel Arcas Spencer Lang Cleone Gemma Ni Bhriain in weiteren Partien: Sandrine Droin Spencer Lang Roberto Lorenzi Francisca Montiel Nicholas Scott Florie Valiquette Orchestra La Scintilla Chor der Oper Zürich Mitglieder von Les Arts Florissants Statistenverein am Opernhaus Zürich Premiere 22 Jan 2017 Weitere Vorstellungen 26, 28, 31 Jan 3, 5, 8, 12, 18 Feb 2017 Partner Opernhaus Zürich

einen Menschen, der in einer schwierigen Situation völlig überfordert ist, eine Entscheidung zu fällen, der mit sich hadert. Er hat Médée einmal sehr geliebt, das wird bei aller Spannung in den Dialogen der beiden sehr deutlich, aber im Laufe der Zeit muss er immer mehr gespürt haben, dass er dieser Frau und ihrem un­be­ dingten Anspruch ans Leben, sich selbst und allen anderen nicht gewachsen ist. Nun ist er müde geworden und will seine Ruhe, will sozusagen zu Hause an­­ kommen und seine Irrfahrten endgültig beenden. Und dieses Korinth und seine Gesellschaft, in die er viel besser passt als seine «wilde» Frau, bietet sich ihm als neues Zuhause an. Geht es ihm nur darum, oder liebt er Créuse, die Tochter des Königs, die er heiraten soll, wirklich? Die Musik ist hier tatsächlich unmissverständlich: Die zärtlichen Liebesduette zwischen Créuse und Jason sprechen eine deutliche Sprache. Da sind zwei verliebte Menschen, und Charpentier macht hörbar, dass diese Liebe ganz aufrichtig ist. Das gilt übrigens für das ganze Stück und hat mich zunächst irritiert: Der Komponist scheint keine Stellung zum Geschehen zu nehmen, scheinbar steht er den Vorgängen ganz unkritisch gegenüber und schildert sie ohne eine eigene Meinung. Ich habe mich zunächst gefragt, ob ich nun selbst eine Stellungnahme hinzufügen und zum Beispiel den Szenen zwischen Jason und Créuse eine kräftige Portion Bosheit und Tücke injizieren sollte. Aber wenn man sich von ihm führen lässt, merkt man, dass das Stück klüger ist. Es gibt in der Welt dieser Oper keine bösen Menschen, deren Bosheit für die Katastrophe verantwortlich wäre. Die Figuren sind nicht schuldlos, aber es sind die tragischen Verstrickungen, die sie schuldig werden lassen. In welcher Landschaft, in welcher Zeit siedelt die Inszenierung das Geschehen an? Für die klassische französische Tragödie wie für die französische Barockoper ist es charakteristisch, dass die Handlung eigentlich an keinem bestimmten Ort an­­ gesiedelt ist. Das Geschehen trägt sich immer in irgendeiner nicht näher bestimmten Halle, einem Vorzimmer, dem Hof eines Tempels zu, also an Orten, wo alle Figuren problemlos allen anderen begegnen können, ohne dass erklärt werden müsste, wie sie sich Zugang verschafft haben. Das heisst, der Bühnenraum ist nur ein architektonischer Rahmen für das Geschehen, das sich im dramatischen Dialog entfaltet. Darum wäre es unangemessen, Zeit und Ort irgendwie zu konkretisieren und etwa das Weisse Haus oder den Kreml auf die Bühne zu bringen. Allerdings erwarten wir heute, dass ein Bühnenraum etwas über die Situation erzählt, in der sich das Geschehen entfaltet, und ich kann es mir auch gar nicht anders vorstellen. Bei uns spielt sich die Geschichte in einem unwirtlichen, etwas seltsam anmutenden Korridor ab, einem Ort also, an dem niemand zu Hause ist, ein Bereich, den man normalerweise schnell durchschreitet, um irgendwo anders hinzukommen. Damit wird die Situation der Unbehaustheit, der Unzufriedenheit, der Sehnsucht nach etwas anderem ins Bild gefasst, die ja alle Figuren, nicht nur Médée und Jason, bestimmt. Es geht um das Allgemeingültige, zeitlos-modellhafte dieser Geschichte. Das Gespräch führte Werner Hintze


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Médées Gewand wird Créuse (Mélissa Petit) zum Verhängnis. Probenszene mit Reinoud Van Mechelen (Jason)


Just do it! Der Choreograf Jacopo Godani kreiert ein neues Werk für das Ballett Zürich, das im Rahmen des dreiteiligen Ballettabends «Quintett» am 11. Februar uraufgeführt wird. Die Biografie des Italieners ist reich an künstlerischen Erfahrungen. Stark geprägt hat ihn die Arbeit in der Compagnie von William Forsythe, dessen Nachfolger er inzwischen ist: Godani leitet als Künstlerischer Direktor die Dresden Frankfurt Dance Company. Text Melanie Suchy


Foto: Rahi Rezvani


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I

n Antwerpen trafen sie sich zum ers­ ten Mal. Dort arbeiteten Christian Spuck und Jacopo Godani vor elf Jahren als Gastchoreografen für das Kö­ nig­ liche Ballett Flandern. Beide waren da­mals viel auf Achse, denn ein Choreo­ graf ohne eigene Compagnie kann seinen Beruf nur ausüben, wenn er unterwegs ist. Und um engagiert zu werden, braucht man Können, eine gute Reputation sowie das Vertrauen der jeweiligen Ballettdirek­ toren in den Gast, dem sie ihre Tänzer für ein neu zu schaffendes Werk übergeben. Nachdem Spuck 2012 in Zürich selbst Chef geworden war, lud er Jacopo Godani für eine Produktion ein. «Wir haben über Jahre versucht, das hinzukriegen», erzählt der Italiener. Immer kam ihm etwas dazwi­ schen, zuletzt die Übernahme und Neu­ ausrichtung der Dresden Frankfurt Dance Company (ehemals The Forsythe Company) vor zwei Jahren. «Aber jetzt endlich!», freut sich Godani auf seine erste Arbeit in Zürich. Für die etwa dreissigminütige neue Choreografie hat er sieben Wochen Pro­ ben­zeit mit den acht von ihm ausgewähl­ ten Tänzerinnen und Tänzern. Für ein neues Stück ist das nicht viel. Aber diesen Zeitdruck kennt Godani bereits. Schon nach den ersten Probenwochen ist er be­ glückt: «Eine grossartige Erfahrung für bei­de Seiten. Ich habe das Gefühl, wenn wir im Studio sind, sind wir wirklich ge­ mein­sam Teil von etwas Besonderem und haben etwas auf den Weg gebracht.» Was genau, verrät er noch nicht, nur soviel, dass das Stück ganz anders aussehe als das, was er in Frankfurt und Dresden mit sei­nem 16-köpfigen Ensemble erschaffe. Diese eine Uraufführung des dreiteiligen Abends neben Hans van Manens Kammerballett und Quintett von William Forsythe setze ganz auf die Gegenwart, ohne explizit Be­ züge zu schaffen zu den älteren Nachbar­ werken, erklärt Godani. In Quintett steckt schon seine eigene Vergangenheit. Doch die ist vorbei, betont er. Das war 1993. Damals war er Tänzer im Ballett Frank­ furt und einer der fünf, die das Quintett aufführten, das sie gemeinsam mit William Forsythe choreografiert hat­ ten. Zu dieser kreativen Kerntruppe inner­ halb des Balletts gehörte er, seit er nach Frankfurt gekommen war. Wie war ihm

das gelungen? Vielleicht lag es am Feuer. Denn Godanis Bewerbung bei Forsythe scheiterte zunächst. Damals war er noch auf der Schule, der berühmten Rudra von Maurice Béjart in Brüssel, im letzten Ab­ solventenjahrgang, bevor sie nach Lau­ san­ne zog. Jemand hatte Godani geraten, die Frankfurter seien das Richtige für ihn. Béjart war mit den Jahren von seinen modernen Ansätzen abgerückt und «im­ mer klassischer geworden». Ein Ballettstil, der den jungen Godani nicht sonderlich interessierte. «Dann diese Compagnie von Forsythe zu sehen, die klassische Technik benutzte, aber in einer zeitgenössischen und sexy Weise!» Die war: «mein Traum», 1988. Doch zwei Tage vor dem verein­ barten Vortanzen brannte eine der beiden Bühnen in Frankfurt ab. Termin abgesagt. Jacopo Godani zögerte lange, sich noch einmal zu bewerben. Er zog nach Paris, machte selbst schon kleine Stücke, im Stil «zeitgenös­ sisch», nahm dann ein Engagement in Brüssel an, choreografierte auch für diese Compagnie, wurde als Residenzchoreo­ graf für ein Jahr am Theâtre de l’Atelier Sainte-Anne angeworben. Wie sahen seine Stücke damals aus? Jacopo Godani lacht. «Komisch», von heute aus betrachtet, «naiv, sehr jung, ganz streng». Seine Er­ innerung daran sei verblasst. Doch tauchte kürzlich ein Video von damals im Internet


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Fotos: Danielle Liniger

auf, das Trio namens Solaris, nach dem Film von Andrej Tarkowski. «Man sieht: atmosphärische Beleuchtung und Dunkel­ heit haben mich immer schon interessiert.» Es war die Zeit des Aufbruchs, die Zeit der jungen Tanzformen jenseits der Ballettcompagnien an den Opernhäusern. «Damals gab es noch nicht so viele visuelle Stimuli wie heute im Internet oder durch Fernsehserien. Also waren Literatur, Kino, Bildende Kunst, Bildhauerei für uns wich­ tig. Wir hatten enge Beziehungen zu an­ deren Künsten, gingen in Ausstellungen, sahen uns Bühnenstücke von anderen Theatermachern an, besuchten Work­ shops von Kollegen. Art used to feed art, wir ha­ben uns gegenseitig ‹gefüttert› mit je­der Menge kreativem Input. Es war eine schöne Zeit», erinnert sich Godani. Bis zwei Uhr nachts seien sie im Theater auf Leitern herumgeklettert, hätten am Boden gehockt und Sachen ausprobiert; «damals durfte man auch überall rauchen».

Heutzutage, fügt er hinzu, inspirierten ihn vor allem wissenschaftliche Themen. «Ich bin also ein bisschen durch die Kunst hindurch gegangen. Jetzt möchte ich mir Anregungen von etwas Realem ho­ len, some­thing that makes sense.» Er stu­diert Fachbücher, gerne Physik, Quantenphy­ sik. Auch wenn er jede Seite dreimal lesen müsse und die Formelsprache nicht kenne. «Ich verstehe, was ich verstehen kann.» Er sucht: «Wie funktioniert diese Welt? Wie ist Materie aufgebaut? Das finde ich fas­zinierend, die Beziehung zwischen Ele­ menten, Partikeln und der Kraft, die Din­ge zusammenhält. Oder dass Din­ge zugleich verbunden und getrennt sind. Das alles er­gibt Sinn.» Nein, in seine Choreografien übertrage er das nicht direkt oder gar il­ lu­­strativ. «Aber vielleicht spielt es mit hin­ ­ein.» Mit einigen Tänzern fachsimple er manchmal, sie zögen Analo­gien zwischen ihrer Arbeit und der Physik. «So etwas zu lesen, macht einen zu einem besseren Men­­ schen», vermutet der Choreograf fröh­lich. In der Kindheit suchten sich seine Interessen andere Wege. «Ich war schlecht in der Schule. Aber alles Künstlerische, Kreative fiel mir leicht.» Das war in La Spezia, an der Nordwestküste Italiens. Mit vierzehn muss man in diesem Bildungs­ system die Spezialisierung der weiterfüh­ renden Schule wählen. Seine Eltern, keine Akademiker, keine Künstler, favorisierten die Naturwissenschaften für Sohn Jacopo. Das ging nicht auf. «Ich wusste nicht mit Dingen umzugehen, die ich nicht mochte. Erst im Tanz habe ich sie dann gefunden: die Kraft, Disziplin zu haben.» Später durf­te er zur künstlerischen Highschool wechseln, an die Accademia Carrara. Er konnte gut zeichnen. Die damals sehr lebendige Populärkultur hatte bei ihm längst das Interesse an Mode und Kunst geweckt. Die Achtzigerjahre: Er war sech­ zehn, als er mit ein paar Kumpels einen neuartigen Tanzkurs im Nachbardorf auf­ suchte. Nach ein paar Wochen hatten die Freunde desertiert, er blieb. «Ich bin im­ mer gern hingegangen.» Was fand da statt? «Ein bisschen Pan­ tomime, bisschen Moderner Tanz, biss­ chen Flashdance, mit entsprechender Mu­ sik.» Erwähnenswert aber sei, dass der Lehrer Kontakt zu Lindsay Kemp hatte,


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einem bekannten Schauspieler und Regis­ seur, Ex-Partner von David Bowie, für dessen Alter Ego Ziggy Stardust er das Image und die Choreografien schuf. Go­ dani erinnert sich an Kemps Mimentruppe mit weiss geschminkten und mit dramati­ schen Blutstropfen garnierten Gesichtern. Sie gab Workshops. Von einer Mitschüle­ rin wurde Jacopo Godani schliesslich mo­ tiviert, auf eine anerkannte Tanzschule zu wechseln. Zum ersten Mal lernte er Tanz­ technik! Godani war fasziniert: «Diese Kodifizierung der Bewegungen, die Kom­ bination zwischen allen den Formen, die körperliche Architektur, bewegt in Musik, im Rhythmus.» Diese Art der Komposi­ tion im Studio sprach ihn an: «Mein Cho­ reografieren hat wohl dort angefangen, in meinem Kopf, beim Sehen». Später, nach der Zeit an der Béjart-­ Schule in Brüssel und der ersten Frank­ fur­ter Absage, beschloss Godani, einund­ zwan­zig Jahre alt, nicht länger mit der Verwirklichung seines Traums zu warten. Er wagte sich erneut an die Audition bei William Forsythe. Die fiel ihm und seiner Studien- und Arbeitskollegin Jone San Martin bei einem Besuch in Paris dann in den Schoss, da plötzlich zwei Stellen beim Ballett Frankfurt frei geworden waren. Beim Vortanzen im Théâtre du Châtelet brauchten die beiden Aspiranten aus Brüs­ sel statt zwei Tage nur zwei Stunden zum Einüben der vorgegebenen Variationen und wurden prompt engagiert. Wie war es, zum ersten Mal solche Cho­reografien zu tanzen? Jacopo Godani hat es nie vergessen: «Zu den Teilen aus dem etwas älteren The Vile Parody of Address konnte ich mich in Beziehung set­zen; aber The Loss of Small Detail war etwas total Neues. Meine erste Empfin­ dung war: Ok, du fühlst dich schlecht da­­­bei, du hast keine Kontrolle über das, was du gerade gelernt hast, aber du willst das. Egal, fake it. Tu, was du tun musst, und suche nicht nach etwas, das dich sicher fühlen lässt.» Nichts in seinem Körper fand Halt in Bekanntem. «Eine interessan­te Er­­­fahrung. Du arbeitest dich durch etwas durch, von dem du das Gefühl hast, es noch nicht kontrollieren zu können. Aber du kannst dein Hirn kontrollieren: DO IT!» 1991 also zog der Tänzer nach Frank­ furt. Das Arbeitstempo im Ballett war sehr

hoch, neue Stücke, Repertoire, viele Auf­ tritte, Gastspielreisen. Godani tanzte, aus­ ser bei In the Middle, Somewhat Elevated, in allen der weltberühmt gewordenen Ballette damals, die er auch ko-choreogra­ fierte: Quintett, ALIE/N A(C)TION , Eidos: Telos II und III, Sleepers Guts. Die siebenköpfige Kerngruppe entwickelte gemeinsam mit Forsythe Basismaterial, das die Tänzerkollegen lernten und mit dem dann weitere Phrasen oder Szenen komponiert wurden. Auch ganze Stücke choreografierte Godani für das Ballett Frankfurt, zuletzt Kid Dynamo. Neben­ bei, ausserhalb des Balletts, probierte er ganz andere Dinge aus, «Non-Dance». Ideen auf die Bühne zu bringen, körper­ lich zwar, aber nicht als Tanz-Schritte. «Ziemlich krass, was mir in der Zeit so durch den Kopf ging.» Eigentlich, sagt er, würde er ähnlich experimentelle Ansätze gern wieder aufnehmen, parallel zu der Arbeit für grosse Bühnen. Da er zunehmend Aufträge für an­ dere Ballettcompagnien in Deutschland und europaweit erhielt (für die ihn For­ sythe ab 1998 monatsweise gehen liess), nahm Godani im Jahr 2000 Abschied vom Ballett Frankfurt. Es fiel ihm schwer. Auch weil sein Körper heftig auf die Umstellung reagierte, nicht mehr neun Stunden täg­ lich zu tanzen. Doch der Moment war gut, sagt Godani heute, um sich als Cho­ reograf auf den Weg zu machen. 2003 zog er nach Monte-Carlo. Er wurde als Haus­ choreograf ans dortige Ballett berufen und jettete für weitere Aufträge in alle Welt. Umso lieber, weil er Monaco als


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Stadt nicht mochte. Zehn Jahre später kehrte er zurück nach Frankfurt, «mein Zuhause». Hier erreichte ihn schliesslich der Anruf, ob er 2015 die Forsythe Com­ pany übernehmen wolle, die 2004 ge­ gründet worden war, als die Städtischen Bühnen das Ballett schlossen, und die Forsythe aus gesundheitlichen Gründen abgab. Ein eigenes Ensemble, das war Godanis lang gehegter Wunsch. Seine Choreografien haben sich im Laufe der Zeit verändert, bestätigt er. «Ich habe das Gefühl, sie sind einfacher ge­ worden. Vielleicht nicht die choreografi­ sche Sprache selbst, aber was ich auf die Bühne bringe, ist fokussierter. In früheren Stücken passierte viel Unterschiedliches zur selben Zeit. Jetzt möchte ich, dass sich die Zuschauer auf das konzentrieren, was ich ihnen als Fokus darbiete. Ich benutze weniger special effects.» Er kalkuliert die Aufmerksamkeitsphasen der Zuschauer mit ein. So hält das Geschehen, samt der von ihm speziell komponierten Lichtein­ stellungen und der Soundladungen und -schichtungen der Musiker von 48nord, Godanis langjährigen Kooperations­ partnern, die Spannung und erreicht eine Unmittelbarkeit des Tanzes. Der Tanz sei­nerseits ist aufgeladen mit Intensität. Kraft, Ausdehnung. Er ist hitzig und kühl zugleich. Fest und flüssig. Schwer und leicht. So verweist er meist auf nichts aus­ serhalb seiner selbst, sondern auf das, was Tanz kann und ist. Das zu begreifen, hilft auch Godanis Erinnerung daran, wie es ist, Tänzer in einem solchen künstlerischen Projekt zu sein: «Du stehst hinter dem Vorhang und weisst, wenn du heraus trittst, schauen dich hunderte Leute an. Diese Art von Auf­regung, von Energie oder Chemie, die das in dir auslöst, ist extrem intensiv. Vor anderen Menschen aufzutreten, das ist keine Erfahrung von Egozentrik, sondern eher ein Kanalisieren von Energie. Wenn die Energie vieler Menschen durch einen Korridor strömt, und du leitest sie um, du konvertierst sie in etwas anderes.»

Quintett Choreografien von Hans van Manen, Jacopo Godani und William Forsythe Kammerballett Choreografie Hans van Manen Musik John Cage, Kara Karajew, Domenico Scarlatti Bühnenbild/Kostüme Keso Dekker Lichtgestaltung Joop Caboort Uraufführung Jacopo Godani Choreografie/ Bühnenbild/Kostüme Lichtgestaltung Jacopo Godani Musik 48nord (Ulrich Müller, Siegfried Rössert) Assistentin des Choreografen Francesca Caroti Quintett Choreografie William Forsythe in Zusammenarbeit mit Dana Caspersen, Stephen Galloway, Jacopo Godani, Thomas McManus, Jone San Martin Musik Gavin Bryars Bühnenbild/ Lichtgestaltung William Forsythe Kostüme Stephen Galloway Premiere 11 Feb 2017 Weitere Vorstellungen 17, 24, 28 Feb, 30 April 1, 12, 19 Mai, 9 Juni 2017 Einführungsmatinee 5 Feb 2017 Exklusiver Partner Ballett Zürich

ab


Hans van Manen

Gleich drei Choreografen-Generationen vereint der neue Abend des Balletts Zürich. Neben der mit Spannung erwarteten Uraufführung von Jacopo Godani präsentiert er ausserdem Meisterwerke von Hans van Manen und William Forsythe – zwei Choreografen, die im Repertoire des Balletts Zürich mit schöner Regelmässigkeit präsent sind.

Foto: Erwin Olaf

D

er Niederländer Hans van Manen gilt als eine der Lichtgestalten des Balletts im 20. Jahrhundert. Im November 2017 feiert er seinen 85. Geburtstag. Zeitlos in seiner modernen Ästhetik ist das 1995 für das Nederlands Dans Theater entstandene Kammerballett. Jeder der beteiligten Tänzer wird hier mit einem eigenen Hocker in Szene gesetzt. Im engen Rund eines Lichtkegels beanspruchen die acht Protagonisten Raum für ihre hölzernen Sitzmöbel, die mal elegant positioniert und dann wieder quietschend über den Boden gezerrt werden. Während sie zunächst als reine Sitzgelegenheit fungieren, scheinen sie im Lauf des Stücks mit den Körpern der Tänzer zu verwachsen. Zu einem Musikmix von John Cage, Domenico Scarlatti und Kara Karajew paart sich kühle Distanz mit Eleganz, Menschlichkeit und Witz. In der Klarheit seiner Linienführung und der Transparenz seiner Struktur lässt das Kammerballett Nähe in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht nur als Möglichkeit, sondern als Bedürfnis erscheinen. Einmal mehr erweist sich Hans van Manen als der unerreichte Meister eines Minimums an äusserem Geschehen und eines Maximums an tänzerischer Substanz.


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William Forsythe A

uch William Forsythes Quintett aus dem Jahr 1993 gilt als Klassiker der Mo­ derne. Nur wenige Ballettcompagnien haben dieses sehr persönliche und von Forsythe selbst streng behütete Werk in den letzten Jahren getanzt. Kreiert hatte der damalige Chef des Frankfurter Balletts Quintett 1993 für seine sterbende Ehefrau, die Tänzerin Tracy-Kai Maier. Ihr war es nicht mehr vergönnt, das Stück auf der Bühne zu sehen. Quintett erzählt keine Geschichte, so hat Forsythe immer wieder betont. Vielmehr schuf er eine Hommage an das Leben, an eine grosse Tänzerin, an den Tanz selbst – als Ausdruck unbändiger Kraft, grosser Eleganz, aber auch der Ver­ letzlichkeit des menschlichen Körpers. Voller Anmut, weich und ästhetisch, präsentiert sich die zarte Choreografie, die von einer sehr eigenwilligen Komposition untermalt wird: Zu hören ist die Stimme eines Obdachlosen, der – ein bisschen schief – eine Strophe aus einem alten Gospel singt. Durch einen hellen Raum, der lediglich mit einem Spiegel und einem alten Projektor ausgestattet ist, bewegen sich fünf Tänzer. Ihre Bewegungen sind fliessend und doch unterbrochen. Eben noch völlig versunken in ihre Choreografie, straucheln sie plötzlich, drohen zu stürzen, finden Halt aneinan­ der und stossen sich einen Augenblick später wieder ab. Nichts ist von Bestand, immer wieder vereinen zwei oder drei Tänzer ihre Bewegung, finden Harmonie, plötz­liche Gleichförmigkeit, nur um sie sofort wieder zu verlieren, sich abzuwenden, einen anderen Weg zu suchen. Nie aber ergibt sich, was der Titel verspricht: ein Quintett. Stets ist ein Paar ausgeschlossen, immer bleibt jemand allein. Schliesslich finden vier der fünf Protagonisten in dieselbe Bewegung, werden scheinbar eins, während einer in ihrer Mitte um sein Leben ringt. Technisch und künstlerisch verlangt dieses Ballett den Tänzern alles ab. Unaufhörlich müssen sie pendeln – zwischen Kraft und Zurückhaltung, Ästhetik und Emotionalität. «Ver­ trauen» ist das entscheidende Schlüsselwort für diese Choreografie. Wie alle seine Frankfurter Choreografien ist auch Quintett in engem Zusammenwirken mit Forsythes Tänzern entstanden. Neben Dana Caspersen, Stephen Galloway, Thomas McManus und Jone San Martin gehörte 1993 auch Jacopo Godani zu Forsythes tän­ zerisch-­­choreografischem Team. Mit seiner Uraufführung für das Ballett Zürich schlägt Godani die Brücke vom 20. ins 21. Jahrhundert.

Foto: Dominik Mentzos

Michael Küster


34 Wiederaufnahme

Anna Karenina Lew Tolstoi hat mit Anna Karenina einen Roman von Weltrang geschrieben. Er erzählt die Geschichte einer an den herrschenden Moralvorstellungen scheiternden Liebesbeziehung, entwirft gleichzeitig aber auch ein vielschich­tiges Panorama der russischen Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahr­ hundert. Christian Spuck hat die anspruchsvolle Romanvorlage für das Ballett adaptiert und damit nicht nur das Publikum in Zürich, sondern auch in Oslo und Moskau begeistert. Das Schicksal der Titelheldin, die zwischen moralischer Ehepflicht und tief empfundener Liebe verzweifelt, stellt der Choreograf in den Mittel­ punkt, widmet sich aber auch den Lebensentwürfen der weiteren Haupt­ figuren. Zu Sinfonik und Kammermusik von Sergej Rachmaninow und Witold Lutosławski übersetzt er das Schicksal von Tolstois Romanhelden in ein­dringliche choreografische Bilder. In der Titelrolle alternieren in den nächsten Vorstellungen Katja Wünsche (Foto) und Anna Khamzina. Die musikalische Leitung hat Paul Connelly (siehe auch das Porträt auf Seite 36). Vorstellungen 15, 18, 20, 21 Jan, 22, 25 Feb, 1 März, 28 Juni, 1 Juli 2017


Foto: Gregory Batardon


36 Volker Hagedorn trifft…

Paul Connelly Paul Connelly Der gebürtige Amerikaner studierte am New England Conservatory in Boston und war Erster Kapell­ meister des American Ballet Theatre (ABT). Heute lebt er in Paris und ist als Ballett­ dirigent weltweit ge­ fragt. In Zürich dirigiert er zurzeit erneut Auf­ führungen von «Anna Karenina». Unter seiner Leitung wurde das ge­ feierte Ballett von Christian Spuck auch in Oslo und Moskau auf­ geführt.

Blauer Himmel über Paris bei vierzehn Grad plus. Das hat an einem Mittag kurz vor Weihnachten etwas Surreales, ebenso wie ein stilles, leeres Lokal mitten in der Stadt, einen Katzensprung vom Centre Pompidou entfernt, bestens versteckt und keinem Touristen bekannt – wohl aber Paul Connelly, der seit vierzehn Jahren an der Seine lebt und wohlweislich reserviert hat. Wie alle, die sich im Laufe der Mit­tags­stunden an die Tische im kleinen Lokal setzen und irgendwann so munter durcheinander lärmen, dass ich mir Sorgen um das Fassungsvermögen des winzigen Mikrofons mache. Bloss gut, dass Paul so klar wie baritonal spricht. Die Stimme eines Mannes, der sich gern unterhält. Es stört ihn gar nicht, dass ich über ihn nicht viel mehr herausfinden konnte, als dass er, schon seit langem, an den grössten Häusern mit den besten Choreografen arbeitet, und dass er, natürlich, in Zürich die aktuelle Ballettproduktion Anna Kare­nina dirigiert. Man findet seinen Namen in einer Menge von Rezensionen, aber es gibt keinen Eintrag bei Wiki, keine Website, keine PR-Abteilung. Wie alt mag er sein? In den Fünfzigern? Die dunklen Augen unter schwarzen Haaren funkeln jünger, das Gesicht mit leicht indianischem Teint ist das eines Geniessers. Er empfiehlt foie gras, in der Pfanne gebraten. Sein Alter soll ich für mich behalten. In diesem Punkt eignet ihm die Zurückhaltung der Tänzer, die sein Leben prägten. Zwar war Paul Connelly niemals nur Ballettdirigent, und sein Debüt am Pult gab er mit Porgy and Bess, aber ohne den Tanz wäre alles anders gelaufen für den jungen Mann aus Buffalo im US-Staat New York, der, mehr auf Wunsch seiner Eltern als den eigenen, in Boston Klavier studierte zu einer Zeit, als dort junge Dirigenten wie Seiji Ozawa und Claudio Abbado mit den Studenten arbeiteten. Bei einem Picknick im heimischen Bufallo lernte er David und Anna Maria Holmes kennen, ein bekanntes kanadisches Tänzerpaar, und sie befreundeten sich. «Die Compagnie zog nach London, ich folgte ihnen mit meiner Freundin. Und dort sahen wir eines Abends eine Choreografie von Maurice Béjart. So etwas hatte ich noch nie gesehen, das war wirklich der Gipfel, I was pretty blown off. Ich ging nach der Show zu Béjart und sagte, ich bin kein Tänzer, sondern Pianist, aber wenn es irgendeinen Weg gibt, mit Ihnen zu arbeiten, würde ich alles dafür tun.» Er nimmt Tanzunterricht, um sich an Béjarts legendärer Brüsseler Schule Mudra bewerben zu können. Er wird angenommen. «Da hab ich tatsächlich ein Jahr Tanz studiert. Aber das Beste war, Béjart bei der Arbeit mit der Compagnie zuzusehen.» Dann zieht Paul nach New York, schlägt sich durch als Korrepetitor, wandert zur Oper nach Minnesota und über Santa Fé nach San Francisco, wo er als assistant conductor alles macht, «auch aufpassen, dass sich die Sänger im Haus nicht verlaufen». Dazu gehören immerhin Gäste wie Joan Sutherland, Kiri Te Kanawa, Birgit Nilsson, die jungen Tenöre Pavarotti und Carreras. Er springt bei einer Tourneeproduktion von Porgy and Bess für den erkrankten Dirigenten ein, arrangiert für eine Minitruppe diverse Opern für zwei Klaviere, «wirklich eine gute Schule», schliesslich gerät er ans American Ballett Theatre, dessen Dirigent John Lanchbery sein Porgy-Mitschnitt gefallen hat. Das American Ballett Theatre in New York ist zu der Zeit legendär. «Michail Baryshnikow, Natalja Makarowa, solche Tänzer!» Nur den rising star der achtziger Jahre nennt er bescheiden nicht, Susan Jaffe, die Ballerina, mit der er zusammen lebte und über die er damals sagte: «Die Vorbereitungen auf einen Flug mit dem space shuttle verblassen neben denen eines Tänzers auf die nächste grosse Saison.» Er lacht,


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als ich den alten Artikel zitiere. «Das stimmt schon. Wenn man die Zahl der Trainings­ stunden und der Probenstunden vergleicht mit der Zahl der Minuten auf der Bühne, versteht man, warum Tänzer sich so viel Sorgen machen um den Moment, in dem sie da draussen sind. Sie brauchen Unterstützung.» Ein Ballettdirigent muss wissen, wer ein Springer ist und wer nicht, und dass Grossgewachsene für manches mehr Zeit brauchen. «You can kill a dancer, wenn du zu schnell oder zu langsam bist.» Darum sind die Tempi ein grosses Thema. Selbst er höre von Tänzern noch: «Das war gut, aber bitte nicht schneller. Dann sage ich, danke, gern, ich hatte eigentlich vor, es beim nächsten Durchlauf zwanzigmal so schnell zu machen.» Neulich rief ihm ein Ballettmeister aus dem Parkett zu, er sei zu schnell. «Ich sagte nur, oookay, versuchen wir es nochmal, und dirigierte exakt dasselbe Tempo. Da sagte er: THAT’s the good one. Manche müssen einfach ihr bisschen Macht haben.» In Zürich läuft es entspannter. «Christian ist ein so guter Musiker, sensibel und offen für das, was Musik bedeutet, und er nimmt den Dirigenten ernst.» Das sagt er nicht, weil wir uns hier für die Oper Zürich treffen. Er war skeptisch, als er vom Konzept einer musikalischen pastiche für Anna Karenina erfuhr. «Eine pastiche, oouuhh … aber er macht das einfach gut und bringt frische Luft in das Tanzvokabular, das muss ja ständig revolutioniert werden. Deswegen wirken heute selbst Béjarts Kreationen überholt.» Wie aber hat es den Tänzerversteher Paul Connelly nach Paris verschlagen? «Ein paar Jahre lang flog ich hin und her zwischen New York und Europa, dann beschloss ich, in Europa zu bleiben, zunächst in den Niederlanden, dann machte ich immer mehr an der Pariser Oper.» Und da gab es diese Tänzerin, von der alle Choreografen sagten: «I want HER.» Er wollte sie auch. Ein Jahr später kam die gemeinsame Tochter zur Welt, die jetzt dreizehn ist. «Aber mein Französisch ist immer noch …» Er verdreht die Augen und bestellt mit schwerem Akzent einen dahinschmelzenden Schokoladenkuchen. Zum Nachtisch tauchen wir nochmal in seine frühen Jahre: Welcher Dirigent hat ihn besonders beeindruckt? «Good question! Bernstein!» Als Paul 1977 bei einer Gedenkfeier für Isadora Duncan am Flügel Brahms spielte, «fühlte ich, dass jemand hinter mir stand». Das war Bernstein, der als nächster dran war. «You know, that was really good», habe ihm Lenny gesagt, Paul imitiert perfekt die raue, langsame Sprechart. Anschliessend ging es in ein Restaurant, «wie in einem Traum! Da war Bernstein, da war Stephen Sondheim, der Autor der West Side Story, Jerome Robbins, der grosse Choreograf.» Paul gab Bernstein eine Aufnahme, «yeah, give it to my driver ... Er kriegte jeden Tag 5000 Kassetten». Aber er hörte sich den Mitschnitt an, lud Paul ein zu einem Symposium junger Dirigenten und irgendwann nach einem Konzert zu sich nach Hause: «Das war im Dakota Building, in dem auch John Lennon lebte. Es gab da acht oder zehn riesige Apartments, Bernsteins Küche war etwa so gross wie bei anderen Leuten das ganze Haus. Und der Typ, der vor einer Stunde noch ganz ernst Brahms dirigiert hatte, wollte jetzt mit Michael Tilson Thomas Bess you is my woman machen. Tilson Thomas sass am Klavier und sang Porgy, Bernstein kroch auf dem Boden herum und sang. Als Bess! He was such a character und funny!» Wenn Paul über solche Begegnungen nachdenkt, wird er streng mit dem jungen Mann, der er war. «Ich hätte meine Hausarbeiten machen und besser über diese Leute Bescheid wissen müssen. Wie sie dahin gekommen waren, wo sie waren. Und wie viel sie taten, um ihre Kunst zu verstehen. Heute ist das natürlich viel leichter herauszufinden …» Es sei denn, einer wie Paul Connelly gibt im Netz so wenig von sich preis. Lieber empfiehlt er andere. «Haben Sie Verdis Requiem in Zürich gesehen? Nein? Fabio Luisi dirigiert das. Er zeigt genau das, was nötig ist. Keine Bewegung zu viel.» Es klingt, als seien für Paul Dirigenten auch Tänzer. Aber sie dürfen trotzdem foie gras und Schokoladenkuchen essen. Volker Hagedorn


38 Meine Rolle

Ein unmenschlicher Mensch

Stéphanie d’Oustrac wurde in Rennes geboren. Nach ihrem Studium in Lyon wurde sie von William Christie gefördert und war unter seiner Leitung in bedeutenden Partien des Barock­ repertoires zu erleben. Grosse Erfolge feierte die vielseitige Künstlerin aber auch als Sesto, Carmen, Mélisande oder Béatrice (Berlioz). Die Titelpartie in Charpentiers «Médée» hat sie 2004 konzertant unter Hervé Niquet gesungen.

Schon während meiner Gesangsausbildung hat Medea eine entscheidende Rolle gespielt – damals war es aber nicht die Médée von Charpentier, sondern diejenige in Jean-Baptiste Lullys Thésée, die ich für ein internationales Vorsingen für die Académie baroque européenne d’Ambronay vorbereitete. Diese Akademie wird jeweils von einem Barockspezialisten geleitet, und in dem Jahr, in dem ich vorgesungen habe, war das William Christie. Ich war damals 24 Jahre alt, und als ich bei der Audition in Paris die anderen Sängerinnen hörte, glaubte ich nicht mehr an meine Chancen. Doch es hat geklappt, und die Médée in Lullys Thésée wurde die erste Partie, die ich gemeinsam mit William Christie erarbeiten durfte. Anschliessend hat er mich für die Titelpartie in Lullys Psyché vorgeschlagen. Lullys Erstfassung von Psyché ist eine spezielle Mischung aus Tragödie, Komödie, Musik und Ballett mit Texten von Molière und Corneille, in der die Partien auf Schauspieler und Sänger verteilt werden. Die Schauspielerin für die Psyché musste aber absagen – und so bekam ich als einzige die Möglichkeit, meine Partie sowohl zu sprechen als auch zu singen. Dieses Erlebnis war für mich ausserordentlich wichtig, denn Textverständnis und -beherrschung sind für die Opern des fran­zösischen Barock absolut grundlegend. Auch die Musik von Marc-Antoine Charpentiers Médée ist eng mit dem Text von Thomas Corneille verbunden. William Christie, mit dem ich die Medea nun zum ersten Mal für eine szenische Produktion erarbeite, legt in seinen Proben äusserst viel Wert auf die Sprache – sie ist das Fundament der Musik. Die Musik des französischen Barock will den menschlichen Leidenschaften Ausdruck verleihen. Und die Leidenschaftlichkeit ist der prägendste Charakterzug von Médée. Allem voran ist sie eine leidenschaftlich Liebende: Aus Liebe hat sie alles für Jason getan – um ihm zum Raub des Goldenen Vlieses zu verhelfen, hat sie den eige­ nen Vater hintergangen und den eigenen Bruder umgebracht. Und wenn sie nach Jasons Liebesverrat die gemeinsamen Kinder ermordet, so ist es die ins Negative ver­wandelte Kraft ihrer unendlichen Liebe, die sie zu dieser grausamen Tat zwingt. Médée ist in ihrem leidenschaftlichen Handeln absolut kompromisslos: Sie will keine Kinder haben, die das Resultat einer gescheiterten Liebe sind, also müssen sie sterben. Doch dieser extremen, unmenschlichen Haltung Médées steht immer auch ein zutiefst menschliches Empfinden und Leiden gegenüber. Und ich glaube, diese Widersprüchlichkeit muss man sich klar machen, wenn man Médées Charakter begreifen will: Sie ist ein Mensch mit göttlichen Wurzeln. Über all ihren Taten schwebt ein gött­licher Superlativ. Das ungeheure Übermass, von dem ihre Handlungen geprägt sind, wäre für eine Göttin nicht ungewöhnlich. Doch als Mensch wird sie nicht verstanden. Aus der Fassung von Charpentier und Corneille geht aber besonders deutlich hervor, dass Médée mit allen Mitteln darum kämpft, menschlich zu sein. Sie könnte jederzeit von ihren göttlichen Fähigkeiten Gebrauch machen – aber sie will es nicht. Erst im letzten Teil der Tragödie, nach all den gescheiterten Versuchen, als Mensch verstanden zu werden, greift sie auf ihre göttlichen Fähigkeiten zurück und zerstört die falsche Welt, die sie umgibt. Stéphanie d'Oustrac

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Stéphanie d’Oustrac debütiert mit der Titelfigur in Charpentiers «Médée» am Opernhaus Zürich




Die geniale Stelle 41

Wie beginnen? Ein Akkord in Giuseppe Verdis «Otello»

Peter Hacks hat einmal seinen Dramatikerkollegen einen guten Rat gegeben: «Wenn Sie ein Theaterstück schreiben, tun Sie nie eine unverzichtbare Information in den ersten Stücksatz, sie wird wahrscheinlich nicht gehört werden.» Diese handwerklich-­ pragmatische Bemerkung verweist auf ein Problem, mit dem sich jeder Dramatiker konfrontiert sieht: «Wie soll es losgehen?» Laut Aristoteles darf der Anfang des Dramas beim Zuschauer keine Kenntnisse voraussetzen. Andererseits muss das Stück die Zuschauer aus ihrem Alltagsbewusstsein, mit dem sie eben noch Platz genommen haben, in seine Phantasiewelt ziehen und dort festhalten. Das wird nur selten gelingen, wenn es mit einer minutiösen Darlegung von schon vergangenen Geschehnissen, verwandtschaftlichen, politischen und geographischen Verhältnissen usw. aufwartet, denn wer ins Theater geht, will Theater sehen, nicht lange Erzählungen hören. Nun sind zu allen Zeiten Stücke entstanden, deren Autoren überzeugende Lösungen für dieses Problem gefunden haben. Aber die Zahl der Dramen, die schon in den ersten Minuten daran gescheitert sind, dürfte um ein Vielfaches grösser sein, allerdings fielen sie sofort der Vergessenheit anheim und sind seitdem nur noch Spezialisten bekannt, die der Langeweile aus professionellen Gründen nicht ausweichen können. In den Jahrhunderten der europäischen Theatergeschichte hat es viele verschiede­ne Lösungen für das Problem des Anfangs gegeben, aber unter ihnen allen ragt eine als ganz besonders kraftvoll, plastisch und theaterwirksam hervor: Das Orchester (ver­stärkt durch Orgel und Donnermaschine) spielt ohne Vorbereitung einen grell dissonanten Akkord, gleichzeitig wird der Blick auf die Bühne frei. Das ist ein überraschender, ja schockierender Opernanfang. Schockierend ist das Fehlen einer Ou­ ver­türe und der üblicherweise folgenden – eher dekorativen – Chorintroduktion, schockie­rend ist der Ruck, mit dem die Zuschauer in das Geschehen hineingerissen werden, schockierend ist nicht zuletzt die Lautstärke, dieses Anfangs, der auch als die Explosion gehört werden kann, mit der Shakespeares Tragödie die traditionelle Opern­ form sprengt. So erfüllt dieser erste Akkord in Verbindung mit dem Aufgehen des Vorhangs, der den Blick auf den sturmgepeitschten Hafen freigibt, in nahezu idealer Weise alle Forderungen an einen starken Stückbeginn: Der Zuschauer ist sofort gespannt auf das, was nun folgen soll, sozusagen auf der Stuhlkante sitzend verfolgt er das Geschehen, über dessen düsteren Charakter er sich sofort im Klaren ist, obwohl keine unverzichtbaren Informationen in den ersten Satz gelegt sind. Tatsächlich folgen zunächst nur abgerissene Satzfetzen, aus denen sich erst nach und nach etwas entnehmen lässt: Ein Sturm – ein Schiff in Seenot – darauf ein siegreicher Feldherr – das Schiff im sicheren Hafen – der Held tritt auf – er ist schwarz. Noch sind keine Einzelheiten über die Vorgeschichte oder die Figurenkonstellationen bekannt, aber schon weiss man, dass eine grausige Geschichte folgen wird, deren Schrecken irgendwie mit der Hautfarbe des Helden zusammenhängen. Natürlich lassen sich immer wieder Stimmen hören, die diesen Einstieg auf Grund trockener ästhetischer Theorien als banal oder effekthascherisch denunzieren. Aber das lebendige Erlebnis im Opernhaus wischt solche Mäkelei einfach vom Tisch. Gerade in der Einfachheit, mit der hier das komplexe Problem des Dramenbeginns gelöst wird, als wäre nichts leichter als das, erweist sich Verdi als genialer Theatermann, der am Ende seiner langen Laufbahn virtuos mit den Strukturen zu spielen versteht. Werner Hintze


42 Wiederaufnahme

Blind vor Eifersucht: Giuseppe Verdis Otello Otello, siegreicher Feldherr, wird auf dem Gipfel seines Ruhms und seiner Macht von dem missgünstigen Jago zu Fall gebracht. Mit diabolischer Freude schürt dieser die Eifersucht Otellos, der schliesslich den Ein­flüsterungen über die vermeintliche Untreue seiner Ehefrau Desdemona erliegt. Der lettische Tenor Aleksandrs An­tonenko ist als Otello auf den grossen Bühnen der Welt gefragt. Mit Maria Agresta als Desdemona, Željko Lučić als Jago und Marco Armiliato am Dirigentenpult stehen ihm in dieser Wiederaufnahme drei gefeierte Verdi-Interpreten zur Seite. Wiederaufnahme 5 März 2017 Weitere Vorstellungen 8, 12, 16, 19, 23 März 2017


Kalendarium 43

Januar 2O17 14 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Lady Macbeth von Mzensk

19.30

Oper von Dmitri Schostakowitsch Preise H AMAG-Volksvorstellung

15 So Ballettgespräch

11.15

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Studiobühne, CHF 10

Brunchkonzert

11.15

«Karneval in Venedig» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Der Zauberer von Oz

14.00

Märchenoper von Pierangelo Valtinoni Preise K

Anna Karenina

19.30

Ballett von Christian Spuck nach dem Roman von Lew Tolstoi, Sonntag-Abo C, Preise D

16 Mo Lunchkonzert

12.00

«Karneval in Venedig» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

18 Mi Anna Karenina

19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem Roman von Lew Tolstoi, Wahl-Abo, Preise D

Rezitationskonzert mit Sunnyi Melles und dem Ensemble Opera Nova 19.00

Ein Rezitationskonzert mit Werken von Iannis Xenakis und Texten von Euripides Studiobühne, CHF 50/35

19 Do Juliette Gréco: Abschiedstour «Merci» 19.30

Wahl-Abo, Preise C

2O  Anna Karenina Fr

20.00

Ballett von Christian Spuck nach dem Roman von Lew Tolstoi Freitag-Abo B, Preise D

21 Sa Der Zauberer von Oz

11.00

Märchenoper von Pierangelo Valtinoni Preise K

Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballett-Führung mit Mini-Workshops 14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

21 Sa Geschichten erzählen «Die Zauberflöte»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

Anna Karenina

18.00

Ballett von Christian Spuck nach dem Roman von Lew Tolstoi, Misch-Abo B, Preise D

22 So Brunchkonzert

11.15

Geschichten erzählen «Die Zauberflöte»

15.30

«Concerts royaux» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

Médée Premiere

19.00

Oper von Marc-Antoine Charpentier Premieren-Abo A, Preise F

23 Mo Lunchkonzert

12.00

«Concerts royaux» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

26 Do Médée

19.00

Oper von Marc-Antoine Charpentier Premieren-Abo B, Preise E

27 Fr Der Zauberer von Oz

18.00

Märchenoper von Pierangelo Valtinoni Preise K

28 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Geschichten erzählen «Die Zauberflöte»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

Médée

19.00

Oper von Marc-Antoine Charpentier Samstag-Abo, Preise E

29 So Der Zauberer von Oz

11.00

Märchenoper von Pierangelo Valtinoni Preise K

Geschichten erzählen «Die Zauberflöte»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

Rossini

18.00

3. Philharmonisches Konzert / 2. La Scintilla-Konzert Riccardo Minasi, Dirigent; Franco Fagioli, Countertenor Orchestra La Scintilla, Konzert-Abo, Preise P1


44 Kalendarium

31 Di Médée 19.00

Oper von Marc-Antoine Charpentier Dienstag-Abo B, Preise E

Februar 2O17 Fr Führung Kostümabteilung 3

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Médée

19.00

Oper von Marc-Antoine Charpentier Freitag-Abo A, Preise E

Sa Gold! 4

14.00

Kinderoper von Leonard Evers Studiobühne, CHF 50/35, Kinder CHF 20/13

Familienworkshop «Schwanensee» 14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Ballett-Führung mit Mini-Workshops 14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

1O Fr Führung Bühnentechnik 16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Lucia di Lammermoor

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Donnerstag-Abo A, Preise E

Sa 11  Führung Opernhaus

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Rumpelstilzchen Wiederaufnahme

15.00

Halbszenisches Kinderkonzert ab 4 Jahren, Studiobühne, CHF 25

Quintett Premiere

19.00

Choreografien von Hans van Manen, Jacopo Godani und William Forsythe Premieren-Abo A, Preise C

12 So Einführungsmatinee «Orest» 11.15

Bernhard Theater, CHF 10

Médée

14.00

Oper von Marc-Antoine Charpentier Sonntag-Abo A, Preise E

Lucia di Lammermoor Wiederaufnahme Lucia di Lammermoor

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Misch-Abo C, Belcanto-Abo, Preise E

So 5  Einführungsmatinee «Quintett»

11.15

Brunchkonzert

11.15

Märchenoper von Pierangelo Valtinoni Preise K

Familienworkshop «Schwanensee»

14.30

«Philip Glass» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Der Zauberer von Oz

14.00

Bernhard Theater, CHF 10

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Médée

19.00

Oper von Marc-Antoine Charpentier Barock-Abo, Preise H  AMAG-Volksvorstellung

Mo Lunchkonzert 6

12.00

«Philip Glass» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

Di 7  Lucia di Lammermoor

19.30

Oper von Gaetano Donizetti Dienstag-Abo C, Ital. Oper Abo, Preise E

Mi Médée 8

19.00

Oper von Marc-Antoine Charpentier Mittwoch-Abo A, Preise E

20.00

Oper von Gaetano Donizetti Sonntag-Abo D, Preise E

15 Mi Rumpelstilzchen

15.00

Halbszenisches Kinderkonzert ab 4 Jahren Studiobühne, CHF 25

Lucia di Lammermoor

20.00

Oper von Gaetano Donizetti Mittwoch-Abo B, Preise E

Fr Quintett 17

20.00

Choreografien von Hans van Manen, Jacopo Godani und William Forsythe Premieren-Abo B, Preise B

18 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Médée

19.00

Oper von Marc-Antoine Charpentier Misch-Abo B, Franz. Oper-Abo, Preise E

19 So Lucia di Lammermoor

14.00

Berg / Zemlinsky

19.30

Oper von Gaetano Donizetti Preise H  AMAG-Volksvorstellung

4. Philharmonisches Konzert Robert Trevino, Dirigent; Arabella Steinbacher, Violine Philharmonia Zürich Konzert-Abo, Misch-Abo, Preise P1


Kalendarium 45

2O Mo Rameau / Gluck

19.30

3. La Scintilla-Konzert Raphaël Pichon, Dirigent; Julie Fuchs, Sopran Orchestra La Scintilla, Scintilla-Abo, Preise H

22 Mi Anna Karenina

19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem Roman von Lew Tolstoi, Preise D

23 Do Liederabend Klaus Florian Vogt

19.00

Jobst Schneiderat, Klavier Lieder-Abo, CHF 60

Mode·Leder·Pelze

Ihr Haus für · Cashmere · Lammfell · Pelze

24 Fr Quintett

19.00

Choreografien von Hans van Manen, Jacopo Godani und William Forsythe Donnerstag-Abo B, Preise B

25 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Anna Karenina

19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem Roman von Lew Tolstoi, Preise D

26 So Brunchkonzert

11.15

«Goldberg-Variationen» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Orest Premiere

19.00

Musiktheater von Manfred Trojahn Premieren-Abo A, Preise F

27  Lunchkonzert Mo

12.00 «Goldberg-Variationen»

Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

28 Di Quintett 19.00

Choreografien von Hans van Manen, Jacopo Godani und William Forsythe Dienstag-Abo A, Preise B

März 2O17 Mi Rumpelstilzchen 1

15.00

Halbszenisches Kinderkonzert ab 4 Jahren Studiobühne, CHF 25

Kaiserstrasse 42 D-79761 Waldshut Tel. 0049 7751 3486 kueblerpelz.com

Fr 3  Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Sa 4  Opernball Zürich

18.00 Spezialpreise

So Otello Wiederaufnahme 5

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Preise H  AMAG-Volksvorstellung

Mo 6  Liederabend Simon Keenlyside

19.00

Malcolm Martineau, Klavier Lieder-Abo, CHF 60

Di Orest 7

19.00

Musiktheater von Manfred Trojahn Dienstag-Abo D, Preise E

Führung Werkstätten 15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Anna Karenina

19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem Roman von Lew Tolstoi, Kombi-Abo, Preise D

Do Orest 2

20.00

Musiktheater von Manfred Trojahn Premieren-Abo B, Preise E

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


46 Serviceteil

Billettkasse

Billettpreise und Platzkategorien

Öffnungszeiten: Mo–Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1.5 Stunden vor Vorstellungsbeginn resp. 1 Stunde bei kleinen Produktionen. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.00 – 18.00 Uhr / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich

1

2

3

Preisstufe A

92

76

65

43

16

AMAG-Volksvorstellungen

Preisstufe B

141

126

113

56

20

Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu be­suchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvor­stel­lungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per News­letter an­gekündigt. Die AMAG-­ Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufsbeginns auf einen Sonn- oder Feier­tag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person.

Preisstufe C

169

152

130

56

20

Preisstufe D

198

173

152

92

32

Preisstufe E

230

192

168

95

35

Preisstufe F

270

216

184

98

38

Preisstufe G

320

250

220

98

38

Preisstufe H

75

59

44

25

15

Kinderoper K

60

50

40

30

20

Preisstufe P1

95

80

65

50

35

Preisstufe P2

Opernhaus-Tag  Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50 % Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter

125

105

85

65

40

Legi (Preisstufen A – C + K + P)

35

25

20

18

13

Legi (Preisstufen D – F)

45

33

25

20

15

Alle Preise in CHF

Club Jung Stark vergünstigte Tickets, Probenbesuche, interessante Einblicke hinter die Kulissen und mit Gleichgesinnten die neuesten Opern- und Ballettproduktionen besuchen: All das und mehr bietet der Club Jung für junge Leute zwischen 16 und 26 Jahren. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und unverbindlich (einmalige Aufnahmegebühr von CHF 20). Club Jung-Mitglieder erhalten Last-Minute-Karten ab 30 Minuten vor der Vorstellung für CHF 15. Auch stehen ihnen bereits im Vor­ verkauf Karten zum Preis von CHF 15 für ausgewählte Vorstellungen zur Verfügung. Spezielle Veranstaltungen wie Probenbesuche oder Workshops geben einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen und sind für Clubmitglieder kostenlos. Der Club Jung-Newsletter informiert regelmässig über die aktuellen Angebote und Aktionen. Details zur Mitgliedschaft im Club Jung und zum aktuellen Programm finden Sie auf www.opernhaus.ch/clubjung.

Ermässigungen  Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Sai­son­­buch.

MAG Abonnieren  MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

4 5

ein film von

claude barras


Serviceteil 47

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki

Partner

ab

Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Nathalie Maier Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard

Produktionssponsoren

StockArt – Stiftung für Musik

Evelyn und Herbert Axelrod

Swiss Casinos Zürich AG

Freunde der Oper Zürich

Van Cleef & Arpels, Zürich

Walter Haefner Stiftung

Else von Sick Stiftung

Swiss Re Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Förderer Confiserie Teuscher

Projektsponsoren

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG

AMAG Automobil- und Motoren AG

Garmin Switzerland

Baugarten Stiftung

Horego AG

Familie Christa und Rudi Bindella

Sir Peter Jonas

Clariant Foundation

Luzius R. Sprüngli

Freunde des Balletts Zürich

Elisabeth Stüdli Stiftung

Ernst Göhner Stiftung

Madlen und Thomas von Stockar

Max Kohler Stiftung

Zürcher Theaterverein

Ringier AG Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung Swiss Life Zürcher Kantonalbank Gönner Abegg Holding AG Josef und Pirkko Ackermann Alfons‘ Blumenmarkt Allreal Ars Rhenia Stiftung Familie Thomas Bär Berenberg Schweiz Beyer Chronometrie AG Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Gübelin Jewellery Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG Kühne-Stiftung Landis & Gyr Stiftung Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Die Mobiliar Fondation Les Mûrons Neue Zürcher Zeitung AG Notenstein La Roche Privatbank AG Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung


48 Fragebogen

Manuel Renard Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Aus unserer Inszenierung von Verdis Messa da Requiem. Sie hat mich wirklich stolz auf das Ballett Zürich gemacht. Auch wenn wir Tänzer nicht immer im Mittelpunkt der Proben standen, haben wir den Produktionsprozess jederzeit mitgetragen und dieser fantastischen Aufführung zum Erfolg verholfen. Die Begegnung von Chor, Solisten und Tänzern war für alle Beteiligten eine einzigartige menschliche und künstlerische Erfahrung. Worauf freuen Sie sich im neuen Ballettabend Quintett am meisten? Mit Hans van Manen, Jacopo Godani und William Forsythe hat Christian Spuck wieder drei tolle Choreografen vereint. Forsythes Quintett ist ein echtes Juwel, und es ist eine Ehre für mich, das zu tanzen. Es ist anders als unsere anderen Forsythe-Stücke: Ohne Spitzenschuhe, klein besetzt, sehr intim und subtil. Es ist verspielt und präzise zugleich und lässt einen ver­ stehen, warum wir Tänzer sind. Auch die repetitive Musik ist einzigartig, weil sie weder Anfang noch Schluss hat. Quintett hält die Zeit an. Fast würde ich sagen «Forsythe at his best», wenn das nicht ohnehin auf alle seine Stücke zutreffen würde. Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Während meines Studiums in Lausanne war ich eines Abends etwas länger im Studio geblieben, um noch weiter zu probieren. Plötzlich ging die Tür auf, und Maurice Béjart kam herein. Der legendäre Choreograf bot an, mir zu helfen und hat dann tatsächlich eine Stunde lang seine Tanz- und Lebens­erfahrung mit mir 17-jährigem Tänzer geteilt. Unvergesslich. Welches Buch würden Sie niemals weggeben? Oscar und die Dame in Rosa von Eric-­

Emmanuel Schmitt. Die Erzählung erinnert mich immer daran, in grösseren Dimensionen zu denken, falls die Dinge mal nicht so laufen, wie ich sie mir vorgestellt habe. Welche CD hören Sie immer wieder? Immer wieder höre ich Edith Lefel, eine 2003 verstorbene karibische Künstlerin. Es ist Musik von meiner Insel und auch unter dem Namen Zouk bekannt. Meine Mutter liebte diese Sängerin, und ich fand sie wahnsinnig schön. Ihre Stimme versetzt mich immer in gute Laune. Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Das Porzellanservice meiner Grossmutter, das sie als Hochzeitsgeschenk bekommen und wie einen Schatz gehütet hat. Auf jedem Teil stehen ihre Initialen. Ich bin glücklich, dass ich es habe, weil es mich an sie erinnert. Mit welchem Künstler würden Sie gerne einmal essen gehen? Schwierige Frage. Meine Gäste wären die vier Evangelisten – Matthäus, Johannes, Lukas und Markus. Sie ge­ hören gewissermassen zu den Autoren der Bibel. Ich würde sie fragen, was das für ein Trick mit dem Übers-Wasser-­ Gehen war. Und würde sie bitten, eine Neufassung der Bibel zu schreiben, weil viele Menschen die wahre Bedeutung heute nicht mehr verstehen und das Geschriebene allzu wörtlich nehmen. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Mein Mann. Meine Familie und meine Freunde. Die Sonnenuntergänge mit ihnen. Manuel Renard stammt von der Insel Guadeloupe (Frankreich). Seit der Spielzeit 2012/13 tanzt er im Ballett Zürich. In unserem neuen Ballettabend ist er in William Forsythes «Quintett» zu erleben.


RIMSKY-KORSAKOV FABIO LUISI PHILHARMONIA ZÜRICH

Symphonie fantastique

G

ER S C

Scheherazade

UN

H EI N

BERLIOZ FABIO LUISI PHILHARMONIA ZÜRICH

N EU R ACHMANINOV LISE DE LA SALLE BARTLOMIEJ NIZIOL CLAUDIUS HERRMANN

WAGNER FABIO LUISI PHILHARMONIA ZÜRICH

R ACHMANINOV FABIO LUISI LISE DE LA SALLE PHILHARMONIA ZÜRICH

Preludes and Interludes

Piano Concertos 1–4 Rhapsody on a Theme of Paganini

Piano Trios

BRUCKNER FABIO LUISI PHILHARMONIA ZÜRICH Symphony No. 8

Erhältlich im Opernhaus Zürich, unter www.philharmonia-records.ch und weltweit im Handel.


«So soll es bleiben, auch wenn ich 70 bin. Darum plane ich schon jetzt.» Credit Suisse Finanzplanung Für alles, was kommt. credit-suisse.com/finanzplanung

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