MAG 29: La verità in cimento

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MAG 29

Julie Fuchs singt Rosane


Sol Gabetta Cello Montag, 25. Mai 2015 19.30 Uhr, Tonhalle Zürich

© Marco Borggreve

Barocke Meisterwerke und Raritäten Vivaldi: Ouvertüre «La verità in cimento», Doppelkonzerte für Violine, Cello und Orchester RV 532 und 547 Chelleri: Cellokonzert G-Dur WD 531 Dall’ Abaco: Concerto a più strumenti D-Dur op. 5 Nr. 6 C.P.E Bach: Sinfonie G-Dur Wq. 182 J. S. Bach: Brandenburgisches Konzert Nr. 3 G-Dur BWV 1048 Platti: Cellokonzert c-Moll WD 669

Vorverkauf Tonhalle Zürich, 044 206 34 34, www.tonhalle.ch Jecklin, Musik Hug, Jelmoli, SBB-Eventschalter, BIZZ

Medienpartner:

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Editorial 1

Der Venezianer Verehrtes Publikum, vergessen Sie bitte einmal Die vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi. Die kennen alle. Aber den italienischen Barockkomponisten immer nur mit diesem Klassik-Hit in Verbindung zu bringen wäre genauso ungerecht wie die Schweiz auf Ricola-­ Bonbons und Alphörner zu reduzieren. Antonio Vivaldi hat viel mehr zu bieten: Er war einer der berühmtesten Musiker seiner Zeit, selbst Händel und Johann Sebastian Bach inter­ essierten sich respektvoll für das, was der hochgelobte Ve­ nezi­aner zu Papier brachte. Vivaldi war ein workaholic, hat Concerti, Solosonaten und geistliche Werke am laufenden Band geschrieben. Vor allem aber wurde er als Musikdrama­ tiker geschätzt. An die hundert Opern umfasst sein Werkkatalog. Und seine Art, Opern zu schreiben, ist musi­k­alisch mitreissend, farbig, virtuos und doppelbödig. Am Opernhaus Zürich bringen wir am 25. Mai mit La verità in cimento zum ersten Mal eine Oper von Antonio Vivaldi auf die Bühne. Und natürlich soll die Produktion beweisen, dass der Komponist eine Wiederentdeckung wert ist. Wir haben mit dem italienischen Dirigenten Ottavio Dantone einen der brillantesten Kenner des italienischen Barockrepertoires ans Pult unseres Orchestra La Scintilla geholt. Wir bieten ein musikalisch temperamentsprühendes und rasant spielendes Sängersolistenensemble auf und mit Jan Philipp Gloger einen Regisseur, der es liebt, den Arien­Wahnwitz der Barockoper in Szene zu setzen. Antonio Vivaldi war kein einzelgängerischer Künstler, der im Elfenbeinturm über avantgardistischen Tendenzen der Tonkunst brütete. Als gefragter Opernschreiber und

Im­presario in Personalunion stand er im Feuer des Marktes. Er komponierte für ein grosses Publikum, das zur Karne­ val­s­­zeit aus ganz Europa in die angesagte Kultur- und Luxusdestination strömte, die Venedig zu dieser Zeit war. Vi­valdi musste den Geschmack seiner Epoche bedienen und ihn zugleich innovativ fortschreiben, denn die vergnügungssüchtigen Opernenthusiasten gierten nach immer neuen Ge­fühlssensationen und Bühnenspektakeln. Seine Kreativität ist die eines Erfolgskomponisten, der die Nachfrage kaum befriedigen kann, der folglich schnell und metiergewandt liefern und trotzdem immer für kompositorische Über­ raschungen und theatralische Pointen gut sein muss. Gleichzeitig ist er hoch gebildet und besitzt ein feines Sensorium für die feinen Seelenregungen und die negativen Energien, die den Menschen in seinem Inneren antreiben. Diese Kombination macht ihn zu einem Musikdramatiker, der Sänger­ eitelkeiten mit linkshändig aus dem Ärmel geschüttelten Bravourarien bedient, aber zugleich charakterscharfe Figuren entwirft und die dekadente venezianische Gesellschaft tänzelnd an die Sturzkanten ihrer eigenen Abgründe führt. Aber am Besten, verehrtes Publikum, Sie verschaffen sich selbst einen Eindruck vom Opernkomponisten Antonio Vi­ valdi in einem Werk, das die Frage aufwirft, ob es im Leben immer gut ist, die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit kommt auf den Prüfstand: La verità in cimento. Unser aktuelles MAG hat, wie immer, viele Informa­ tionen rund um diese Neuproduktion zusammengetragen. Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre. Claus Spahn

MAG 29 / Mai 2015 Das Cover zeigt Julie Fuchs, die Rosane in unserer Vivaldi-Produktion. Lesen Sie ein Porträt auf Seite 27 (Foto Florian Kalotay)


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Reisedatum 17.09. – 24.09.2015


Inhalt 3

Mit La verità in cimento gelangt am Opernhaus Zürich erstmals eine Oper von Antonio Vivaldi zur Aufführung. Ein Gespräch mit dem Dirigenten Ottavio Dantone.

18 Jan Philipp Gloger inszeniert Vivaldi. Ein Gespräch über den Spass und die Tücken, eine verrückte Barockoper auf die Bühne zu bringen.

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Die französische Sopranistin Julie Fuchs singt die Rosane in Vivaldis La verità in cimento. Ein Porträt Ab dem 6. Juni ist Verdis Aida wieder auf dem Spielplan.

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6  Opernhaus aktuell 9  Drei Fragen an Andreas Homoki 11  Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 32  Die geniale Stelle

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Porträt  36 Der Fragebogen  38 Kalendarium und Serviceteil  39 Sibylle Berg  44


Fotos: Stefan Deuber


PARALLELE WELTEN

Fotos: Stefan Deuber

Die Kunst der Präzision verbindet George Balanchines «The Four Temperaments» (oben) mit «Falling Angels» von Jiří Kylián. Neben einer unvergleichlichen Musikalität bestechen beide Choreografien durch ihre symmetrische Raumwirkung.


Opernhaus aktuell 6

Liederabend René Pape

Venezianisches Barock

René Pape gilt als der führende «Basso cantante» seiner Generation. Im berühmten Dresdner Kreuzchor begann seine mu­sikalische Laufbahn, die ihn dann von der Berliner Staatsoper Unter den Linden an die New Yorker Met, die Mailänder Scala und zu den Bay­reuther Festspielen geführt hat. Nachdem er in der vorigen Saison als König Philipp II. in Don Carlo erstmals am Opernhaus Zürich zu hören war, ist René Pape nun als sensibler Liedgestalter zu erleben. Begleitet von Camillo Radicke singt er neben den berühmten Liedern und Tänzen des Todes von Modest Mussorgsky und den Biblischen Liedern von Antonín Dvořák auch Werke von Ludwig van Beethoven und dem englischen Komponisten Roger Quilter.

Unser Brunchkonzert am Pfingstmontag bietet virtuose Instrumentalmusik aus dem Venedig des 18. Jahrhunderts. Im Zentrum des Programms stehen Werke von Antonio Vivaldi, dessen Oper La verità in cimento am gleichen Tag auf der Hauptbühne Premiere hat. Weitere Komponisten sind Tomaso Albinoni, Arcangelo Corelli, Antonio Caldara und Giovanni Girolamo Kapsberger. Ensemblemitglieder unseres Orchestra La Scintilla spielen auf historischen Instrumenten. Claus Spahn moderiert. Montag, 25. Mai 2015, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Dienstag, 26. Mai 2015, 12 Uhr, Spiegelsaal

Ballettgespräch Dramaturg Michael Küster spricht mit dem jungen Schweizer Tänzer Benoît Favre. Der Gewinner internationaler Ballettwettbewerbe ist nach zwei Spielzeiten im Junior Ballett seit dieser Saison Mitglied des Balletts Zürich und hat bereits mehrfach mit eigenen Choreografien auf sich aufmerksam gemacht. Im Rahmen des Ballettgesprächs kommt seine neueste Arbeit zur Uraufführung. Ausserdem stellen unsere Ballettpädagogin Bettina Holzhausen und die Choreografin Teresa Rotemberg das Tanzund Film­projekt #ROMEO_JULIA vor, das sie zurzeit mit Schülern der Zürcher Sekundarschule Hirschen­ graben erarbeiten.

Montag, 8. Juni 2015, 19 Uhr, Opernhaus

Montagsgespräch mit Christian Spuck und Kurt Aeschbacher Im Montagsgespräch am 18. Mai stellt sich Ballettdirektor Christian Spuck den Fragen des Fernsehmoderators und erklärten Ballettfans Kurt Aeschbacher. Montag, 18. Mai 2015, 19 Uhr, Restaurant Belcanto

Foto: Agentur

Sonntag, 7. Juni 2015, 11.15 Uhr, Studiobühne

René Pape


Bank Julius Bär Präsentiert

30. AUGUST BIS 12. SEPTEMBER 2015 TONHALLE ZÜRICH

Wiener Symphoniker, Philippe Jordan

Tonhalle-Orchester Zürich, Sir Neville Marriner Baltic Sea Youth Philharmonic, Kristjan Järvi Tschaikowsky Sinfonieorchester Moskau, Vladimir Fedoseyev

Vorverkauf Billettkasse Tonhalle Zürich, 044 206 34 34, www.tonhalle.ch, sowie bei allen üblichen Vorverkaufsstellen.

Veranstalter Orpheum Stiftung, zur Förderung junger Solisten, www.orpheum.ch, in Zusammenarbeit mit der TonhalleGesellschaft Zürich.


Drei Fragen an Andreas Homoki 8

Jonas Kaufmann, Cecilia Bartoli, Zubin Mehta/Israel Philharmonic Orchestra, Sir Andràs Schiff, Jean-Yves Thibaudet, Erwin Schrott, Sol Gabetta, Daniil Trifonov, Patricia Kopatchinskaja, Khatia und Gvantsa Buniatishvili, Philippe Jordan/Wiener Sinfoniker, Ivan Fischer/Budapest Festival Orchestra, Kristjan Järvi/Gstaad Festival Orchestra Telefon 033 748 81 82 – www.gstaadmenuhinfestival.ch


Drei Fragen an Andreas Homoki 9

Herr Homoki, warum braucht ein Opernhaus Abonnenten? Das Abonnement-System bedeutet für das Opernhaus Planungssicherheit und Stabilität, denn mit den Abos schaffen wir für jede Spielzeit eine Basisauslastung. Wir sind so etwas weniger auf den kurzfristigen Verkauf an der Kasse angewiesen. Durch unsere über 40 Abos haben wir normalerweise bereits zu Beginn einer Spielzeit etwa ein Drittel aller Karten verkauft, das ist für uns sehr wertvoll und wichtig. Die grosse Anzahl an Abos ermöglicht es uns, besser auf die Wünsche des Publikums einzugehen – die entweder nach dem Wochentag ausgerichtet sind oder eben auch nach inhaltlichen Vorlieben, wie etwa die deutsche Oper, die Belcanto-Oper oder auch die Moderne. Für die Zusammenstellung der Abos gibt es viele Kriterien. Es braucht in jedem Abo eine Mischung aus Ballett und Oper, und es braucht gute Abstände zwischen den einzelnen Vorstellungen. Wir versuchen ausserdem, Wieder­ holungen des gleichen Titels über sechs Spielzeiten hinweg zu vermeiden, und achten auf eine gute Mischung von Neuproduktionen und Wiederaufnahmen. Das gelingt natürlich nicht immer gleich gut, denn es ist eine wirklich komplexe Angelegenheit, an der unser Kauf­ männischer Direktor Christian Berner häufig wochenlang arbeitet. Unser Ziel ist es, in jeder Vorstellung wenigstens ein Abo zu haben; Vorstellungen im reinen freien Verkauf gibt es nur noch wenige. Viele Zuschauer wollen sich heute nicht mehr auf Wochen im Voraus festlegen und lieber kurzfristig planen; entsprechend ist schon seit Längerem die Zahl der Abonnenten an den Opernhäusern rückläufig. Wie gehen Sie damit um? Das stimmt, alle Kulturinstitute beobachten einen Trend, der insgesamt hin zu mehr Flexibilität geht. Aus dieser

Beobachtung ist unter anderem unser Wahl-Abo entstanden, bei dem man sich seine Wunsch-Vorstellungen selbst zusammenstellen kann; das Wahl-Abo ist beliebt und verkauft sich sehr gut. Ausserdem haben wir auch kleinere Abos aufgelegt und die Abos insgesamt attraktiver gemacht. Allzu häufig ist es doch so, dass zum Beispiel Highlights mit besonders luxuriösen Besetzungen bewusst nicht im Abonnement angeboten werden, weil sie im freien Verkauf mehr Geld bringen. Das haben wir geändert und bemühen uns gezielt, auch besonders gefragte Vor­ stel­lungen in einem Abo anzubieten. Wenn einem Kunden ein Vorstellungstermin kurzfristig doch nicht mehr passt, gibt es immer die Möglichkeit, eine Vorstellung zu tauschen, denn wir haben den Abotausch sehr vereinfacht. Das wird zunehmend genutzt. Der Zuschauer muss also trotz Abo nicht ganz darauf verzichten, flexibel zu bleiben? Genau. Und geniesst noch weitere Vorteile, denn, was viele unserer Zuschauer nicht wissen: Als Abonnent erhält man zusätzlich zu den ohnehin ermässigten Abo-Vor­ stellungen auch auf alle anderen Vorstellungen zehn Prozent Ermässigung! Davon ausgenommen sind nur die Premieren und Vorstellungen ab der Preisstufe G. Ausserdem erhält man ein Vorkaufsrecht auf alle Karten – so kann ein Abonnent sich bereits eine Woche, bevor der Vorverkauf der neuen Spielzeit beginnt, Karten für besonders begehrte Vorstellungen sichern. In überbuchten Vorstellungen sind es neben unseren Aktionären zuerst die Abonnenten, deren Kartenwünsche berücksichtigt werden. Die Abonnenten sind unsere wichtigsten Kunden, die wir besonders pflegen möchten und denen wir mit Vergünstigungen entgegenkommen.


Chefdirigent: Douglas Bostock

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 11

Illustration: Laura Jurt

Marmor auf dem Prüfstand Ben Baur und Jan Philipp Gloger haben sich bei der Deko­ ration unserer Neuproduktion La verità in cimento für authentische Räume einer Villa entschieden: Es gibt eine Garage (inkl. Auto), einen Flur, ein Arbeitszimmer, ein Esszimmer und ein Schlafzimmer. Diese Räume sollen total realistisch gestaltet sein: teilweise mit Holzvertäfelung, teil­ weise mit Marmor, teilweise verputzt, verziert mit Messing­ leisten, Spiegeln, Waschtischen, Terrassentüren, Gardinen, Wandleuchten… Der Aufwand, den die Werkstätten für eine glaubhafte Authentizität leisten müssen, ist riesig. Jede und jeder im Zuschauerraum kennt die «echten» Materialien und weiss, wie diese aussehen – aber die echten Materialien können aufgrund des Gewichts und der Zerbrechlichkeit meistens nicht verwendet werden. Riesiger Aufwand? Für die Marmorwände müssen zum Beispiel zunächst bis zu zwei Meter grosse Muster erstellt werden, bei denen die Marmorierung in Grösse und Farbe im Malsaal gemalt und dann vom Bühnenbildner für gut befunden werden muss. Das ist ein Vorgang, der sich über mehrere Arbeitstage hinzieht, in denen immer neue Ent­ würfe gemacht werden, bis man sich auf ein Muster geeinigt hat. Dann kommt die Herstellung: Es wird eine riesige Marmorplatte auf Stoff gemalt, die dann in Stücke geschnitten und auf Holzrahmen aufgeklebt wird. Diese Holzrahmen

sehen nun aus wie zwei Zentimeter starke Marmorplatten. Diese werden mit einer vom Bühnenbildner angegebenen Fuge auf einen grossen Holzrahmen geschraubt – natürlich werden dabei die Schrauben von hinten in die «Marmor­ platte» getrieben, so dass man keine Schraubköpfe in der Marmorplatte sieht. Das ist schnell beschrieben, der Herstel­ lungsprozess zieht sich aber über Wochen hin. Jede einzelne Marmorplatte ist letztendlich ein Gemäl­ ­de, ein Kunstwerk unserer Theatermaler. Der Betrachter hält sie im Idealfall für echten Marmor. Das Kunstwerk als solches wird nur dann wahrgenommen, wenn es sein Ziel, Marmor vorzutäuschen, verfehlt, also misslungen ist. Gleiches gilt für die Holzvertäfelung, für Ziegelsteine, für Balken… Ei­gent­ lich gilt für das komplette Bühnenbild: Je besser es gebaut und gemalt ist, desto weniger wird die unglaubliche Arbeit, die dahinter steckt, wahrgenommen. Wenn man also tatsäch­ lich die «Wahrheit» im Sinne der Echtheit und Authentizi­ tät auf den Prüfstand stellt, so komme ich zum Schluss: Im Dekorationsbau ist die Wahrheit undankbar. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich



Foto: Colin Maillard / Oredia / Laif


Eine Brücke zum Festland gibt es noch nicht. Reisende von dort erreichen die Stadt im «burcello», einem Schlepp­ kahn für Passagiere, mit wimpelge­ schmücktem Häuschen darauf, den ein Boot mit vier bis sechs Rude­ rern zieht, und wer zum ersten Mal kommt wie der Engländer Edward Wright im Dezember 1720, staunt, «eine so grosse Stadt, wie man Venedig wohl nennen kann, auf der Meeresoberfläche schwimmen zu sehen, Kamine und Türme zu er­ kennen, wo man nichts als Schiffs­ masten erwarten würde.» Masten freilich gibt es hier auch zu tausenden, aber eine Seemacht ist die Republik Venedig nicht mehr. Die Hochborder mit ihren gut hundert Kano­ nen, die im «Arsenale» gebaut werden, haben siebzehn Monate zuvor ihre letzte Schlacht geschlagen. Im Juli 1718 haben die Türken in der Ägäis noch das venezianische Flaggschiff «Trionfo» in Brand geschossen, unnötigerweise. Der Friedensvertrag zwischen Österreich, Sultan Ahmed III. und der Republik Venedig ist da schon unterzeichnet, letztere bestätigt ihren Bedeutungsverlust nach Jahrhunderten mittelmeerischer Machtpolitik. Korfu, immerhin, bleibt den Venezianern, das hat der mit einer Stargage bezahlte Graf von der Schulenburg, ein taktisches Genie, 1716 noch gegen die Türken halten können, von Vivaldi mit einem Oratorium gewürdigt. Jetzt geniesst der Niedersachse in einem gotischen Palast am Canal Grande einen rauschenden Lebensabend voller Gelage, Kunst und Musik, hochgeehrt, eines von vielen Originalen auf diesem steinernen Floss Venedig, das nun unkriegerisch am Rand der Weltgeschichte dümpelt. Und zugleich am Ufer einer neuen Zeit. Es ist eine seltsame Stadt, in der am 26. Oktober 1720 Antonio Vival­ dis Oper La verità in cimento ihre erste Aufführung erlebt.

Die Türken und Österreicher, die sich anderswo weiterhin bekriegen, gehen hier spazieren, zwischen ihnen mehr und minder wohlhabende Touristen, junge Aristokraten aus ganz Europa auf ihrer Grand Tour, die seit dem späten 17. Jahrhundert als unerlässlich für die Ausbildung gilt – und für die Ausschweifung, beson­ ders in dieser Stadt, deren fast sechs Monate dauernder Karneval auch ein Fest der Libertinage ist. Und der Opern, die hier an sieben Häusern gespielt werden. Mit einer un­ fassbaren Dichte von Instutitionen und Persönlichkeiten war Venedig die musikalische Hauptstadt des 17. Jahrhunderts geworden, nun wird es zur Luxusinsel des 18. Jahrhunderts. 1720 leuchten hier abends erste Strassenlampen wie sonst nur in Paris und Wien. Innenpolitisch sieht es finster aus. Eisern hält man fest an den mittelalterlichen Strukturen, an der Hierarchie der Nobili, die über Rat, Senat und den faktisch machtlosen Dogen bestimmen, ihrerseits wie alle scharf beäugt von den drei Staatsinquisitoren und ihrer allgegenwärtigen Geheim­ polizei. Edward Wright, Gast von Lord Parker, betrachtet erstaunt die «klaffenden Mäuler» in marmornen Masken, in die jeder Denunziant sein Briefchen werfen kann, er vermisst Stühle in den Cafés und erfährt, dass dadurch lange, also politische Gespräche unterbun­ den werden sollen. Auch hüten sich die Nobili geradezu pa­ nisch vor jedem Kontakt mit politischen Reprä­ sentanten aus dem Aus­ land. Denn auch ein Nobile, der ins Visier der Staatspolizei ge­ rät, kann schnell mal ohne Prozess in der Bleikam­ mer oder gleich im Canal Or­ phano


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versenkt werden. Da hat sich nichts geändert, seit Antonio Vivaldi und der Dresdner Geiger Pisendel sich vier Jahre zuvor von Beschattern verfolgt sahen. Der Adel trägt, mit schwerer Perücke, grundsätzlich langes Schwarz. Trifft ihn ein Bekannter niederen Standes, und sei es ein reicher Kaufman, tritt der zur Seite, verbeugt sich und murmelt «Eccellenza». Auch die Nobildonne gehen in Schwarz, sofern sie überhaupt gehen und nicht in einer «portatina» getragen werden. Wie allen Venezianerinnen ist ihnen das Tragen von Schmuck, bis auf eine Goldkette, nicht erlaubt, anders als den Jüdinnen – und den «cortigiane». Die Prostituierten sind ein massiver Wirtschaftsfaktor in Venedig, schon im 16. Jahrhundert wird ihre Zahl hier auf mehr als 11 000 geschätzt, ihnen wird sogar bei der jähr­ lichen Festregatta ein corso delle cortigiane zugestan­ den. Sie sind überall, auch wenn das nicht jeder keusche Engländer merkt. Wright staunt über Vestalinnen ohne Schleier, die vorm Konvent mit Bekannten plaudern, perfekt frisiert, Hals und Brust mit dünnem Stoff «next to nothing» verhüllt. Tatsächlich gelten Venedigs Klöster als «äusserst libertin», wie Sabine Hermann in einer Arbeit über «Käufliche Liebe im Venedig des 18. Jahrhun­ derts» belegt. 1739 haben sogar drei Konvente darum gestritten, welches dem neuen Nuntius eine Ge­ liebte liefern dürfe. Wo aber die Liebesdiene­ rinnen Freiheiten ge­ niessen wie nirgends sonst, definiert man auch die Ehe etwas offener. Lord Chesterfield, der seine Grand Tour 1714 absolviert, empfiehlt später, in Venedig statt leichter Mädchen Damen der Gesellschaft zu frequentieren, die als besonders aufge­ schlossen gelten. Der Cicisbeo, kavalieresker junger Haus­ freund vornehmer Damen mit nicht weiter beredetem Ak­ tionsradius, der sich noch in Mozarts Cherubino spiegelt, wird sogar Teil von Eheverträgen. Für männliche Bewohner und Besucher der Stadt gehört es sich sowieso, Affären zu haben. So exotisch ist das Libretto also gar nicht, das Anfang Oktober 1720 mit dem «faccio fede» der staatlichen Zen­ soren freigegeben wird und den Verwicklungen folgt, die sich ergeben, wenn ein Mann Kinder sowohl mit der Ehefrau

als auch mit der Geliebten hat. Das und die Frage nach dem Machterhalt sind so eminent venezianische Themen, dass die Librettisten Giovanni Palazzi und Domenico Lalli sie gar nicht weit genug auslagern können: Nach Cambaja, ins Reich indischer Moguln, moslemischer Herrscher. Auf die Weise kann man auch ohne Verwerfungen die Polygamie jener Osmanen ins Spiel bringen, an die Venedig vor kurzem die griechische Halbinsel verloren hat – eine offenkundige «Türkenoper» würde sich zur Stunde nicht empfehlen. Und schliesslich lässt sich am Beispiel von Sultan Mahmud zeigen, dass ein Mann, der treuherzig alle Verhältnisse offenlegen will, nur Ärger kriegt und zur tragikomischen Figur verklei­ nert wird zwischen Intrigen, wie man sie in Venedig bestens kennt. Der Konkurrenzdruck ist hier enorm. Als Wright die Stadt besucht, in der Saison von La verità in cimento, ver­ zeichnet er sieben Opernhäuser, alle benannt nach den Kirchen, in deren Nähe sie stehen. Das älteste, San Cassiano, ist schon 1637 eröffnet worden, als das präch­ tigste und konservativste gilt das Teatro San Giovanni Crisostomo, seit 1678 in Betrieb. Hier könnte Edward Wright die Austattungsorgie erlebt haben, die ihn – der aus London ja einiges gewöhnt ist – schwer beeindruckt: Nero und Gemahlin werden auf gewaltigem Thron von einem Elefanten hereingezogen, der Kopf, Au­ gen und Rüssel «as if alive» bewegt. Während sich dann der Thron zu einem Amphitheater auseinander­ faltet, zerfällt der Elefant, und seinem Bauch entsteigen Gla­ diatoren in voller Rüstung. Das Sant’Angelo direkt am Canal Grande hat es nie ganz leicht gehabt, auch nicht während Vivaldis kurzer Zeit als Impresario des Theaters. Fünf seiner bislang zwölf Opern sind hier uraufgeführt worden, die dreizehnte soll seinen Wiedereinstieg in die Szene sichern, nachdem er drei Jahre lang Kapellmeister in Mantua war. Fast alle Nummern hat er eigens für diese Oper neu komponiert. Sein Name ist in Venedig freilich auch so schon ein Begriff; selbst der nur begrenzt musikaffine Reisende Wright nennt den «famous Vivaldi (whom they call the Prete rosso)», spricht von ihm aber nur als musizierendem Priester früherer Jahre. Tatsächlich verdankt der


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Musiker den Ruhm in der Stadt seiner Geburt auch seiner Tätigkeit als Geigenlehrer, künstlerischer Leiter und Komponist am «Ospedale della Pietà», einer legendären Institution. Nicht zuletzt ist dieses «Hospital», eines von vier grossen Fürsorgezentren in der Stadt, die karitative Antwort auf die Folgen nichtehelicher Verbin­ dungen. Es verfügt über eine Babyklappe und nimmt ausschliesslich Mädchen auf – «generally bastards», wie Wright anmerkt. An die tausend Zöglinge sind hier, an der Riva degli Schiavoni, untergebracht, von denen die musikalisch begabten als «figlie di coro» zu Sängerinnen und Instrumentalistinnen von höchster Qua­ lität ausgebildet werden, den besten Profis Europas auch als Solisten ebenbürtig. Ihre Auftritte – im Ospedale hinter eisernen Gittern, soviel Mittelalter muss sein – sind eine Einnahmequelle und Teil eines Musiklebens, das in Venedig auch ausserhalb des Karnevals und der Oper omnipräsent ist: In den Kirchen, den privaten Palästen, den «Gran Scuole» der Zünfte, auf dem Wasser. Aber erst im Karneval, der im Okto­ ber beginnt, kommt alles zusammen, treffen sich erotische Entfesselung und Musiktheater. Es sei, staunt Wright, als begrüsse man hier die Sonne nach der Polarnacht. Die meis­ ten, Männer wie Frauen, Patrizier wie Pöbel und natürlich die Besu­ cher, tragen nun tagsüber den Ta­ barro und die Bautta: Ein bis übers Knie reichendes schwarzes, mantel­ artiges Gewand, und eine den Kopf um­schliessende schwarze Seidenkappe unter schwarzem Drei­ spitz, dazu eine weisse Halbmaske mit schnabel­ artig vorspringender Nase. Je weiter die Saison voran­ schreitet, desto bunter maskiert man sich: Frauen als Nymphe und Schafhirtin, Männer als Pulcinello

und Pantalone, ebenso aber Frauen als Männer und umgekehrt. Das alles erleichtert auch in­ time Treffen, für die nicht zuletzt die Opern­ logen mit Vorhängen geeignet sind. «Es gibt hier keine offenen Ränge wie in London», wundert sich Edward Wright. Der Zuschauerraum sei von unten bis oben in Logen aufgeteilt, in die jeweils an die sechs Personen passen. Das tief eingewurzelte Be­ dürfnis der eng beieinander leben­ den Venezianer nach Diskretion und Abgeschlossenheit kommt hier der Lust entgegen und macht die Staatsinquisitoren nervös, de­ ren Spitzel hier den Überblick verlieren; Insider Giacomo Casa­ nova empfiehlt noch 1780, im Theater für bessere Beleuchtung zu sorgen, damit die Prostituierten nicht sogar dort ihrer Arbeit nach­ gehen könnten. Doch was der rei­ sende Engländer Wright eine «skandalöse Sitte» nennt, ist etwas anderes: Aus den oberen Logen wird während der Vorstellung ins Parkett hinab gespuckt, man wirft mit Obst­ schalen, und nicht selten trifft es Besucher von Rang. Denn auch die begeben sich aus ihren Logen gern nach unten. Manche, um den Sängern näher zu sein, die meisten aber, so Wright, um herauszufinden, wer sich hinter dieser und jener Maske verbirgt. Dann gibt es da noch Kunstfreunde, die, Wachsker­ zen in der Hand, das gedruckte Libretto mitlesen, solange nicht eine der «Gefälligkeiten von oben» ihnen die Flamme auslöscht. Roheit und Raffinesse, Regelstrenge und Entfesselung sind Nachbarn in Venedig. Noch weitaus unruhiger wird es während der «Intermezzi comici», den komischen Einlagen, mit denen sich vor allem kleinere Opernhäuser wie das San Moisé und das Sant’Angelo Kundschaft abzuja­ gen versuchen. Ein Komikerpaar singt, lacht und blödelt da zur Musik einer Minioper. In Vivaldis


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La verità in cimento wird L’avaro einge­ baut, offenbar ein totaler Flop, der sofort nach der Premiere verschwindet und wohl auch den Erfolg der Oper selbst beschädigt. Das trifft sich verheerend mit einer Satire, die, perfekt getimt, kurz nach der Premiere erscheint, anonym verfasst von einem Spross der ältesten Familien der Stadt, des­ sen Verfasserschaft freilich nicht nur die Zensoren kannten, die Il teatro alla moda freigegeben hatten. Benedetto Marcello, 24 Jahre alt, als Nobile Rats­ mitglied, selbst Komponist und Autor, steht der Moderne verächtlich gegenüber. Seiner Fa­ milie gehört nicht nur ein Teil des Grundstücks, auf dem das Sant’Angelo steht, sondern auch eine Loge, um deren Benutzung Benedetto einen langen Rechtsstreit mit seinem älteren Bruder Alessandro führt. Bestens vertraut mit Tradition und Alltag des Opernbetriebs, verwöhnt, konservativ und zynisch, brillant und unfair, nimmt Benedetto mit Hilfe leicht entzifferbarer Anspielungen den europaweit bekannten Vivaldi und sein Team aufs Korn. Er empfiehlt in grotesken Übertreibungen genau das, was er ablehnt, etwa ausgedehnte Verzierungen. «Kommen in Arien Substantive vor, wie Vater, Herrschaft, Liebe, Arena, Königreich, Stärke, Herz etc. etc. […], unterlege der mo­ derne Komponist diese mit möglichst langen Koloraturen, z.B. Vaaaa… Herrschaaaaa… Liiiiee…» Von der Motorik über die Harmonik bis zur Dynamik beschreibt er Vivaldis Stil ex negativo, und diese Kritik ist diabolisch ver­ schränkt mit der an Eitelkeiten, Schlampereien, Intrigen, ruinösen Gagen und penetranten Prima­ donnenmüttern, die den Opernbetrieb bis heute begleiten. Es fehlt nicht einmal der Seitenhieb auf Gastro­ nomen, deren Schokolade «aus Zucker, falschem Zimt, Mandeln, Eicheln und unbehandeltem Kakao» bestehe. Da wehen uns venezinianische Aromen entgegen, auf die Antonio Vivaldi vorerst lieber verzichtet. Zu einer weiteren Premiere im Dezember steuert er nur einen Akt bei, die Arbeit an einer dritten Oper bricht er ab und besteigt den «burcello» zum Festland. Seine nächsten Opern kommen in Mailand und Rom heraus, mit Venedig riskiert es Vivaldi erst fünf Jahre später erneut. Sein junger

Widersacher Benedetto Marcello aber verliebt sich unstan­ desgemäss in eine Gesangsschülerin, die er heiratet – heimlich, um seine Ämterlaufbahn nicht zu gefährden. Venedig, eine Oper? Man kann sie hören, diese Oper. Zynismus zwischen den Epochen, Überdruck auf engem Raum, Spannung zwischen grossem Gefühl und schneller Ironie – das ist La verità in cimento.


Der Star, den alle liebten Antonio Vivaldi war einer der erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit. Was hat die Menschen an seiner Musik so hingerissen? Und wie kann man die Begeisterung heute neu entfachen? Ein Gespr채ch mit Ottavio Dantone, dem Dirigenten unserer Vivaldi-Produktion.


La verità in cimento

D

er Mann wusste, wie er für die Ewigkeit festgehalten werden wollte: Mit offenem weissen Unter(!)-Hemd und aufreizend nackter Männerbrust liess er sich in Öl porträtieren. Das war sehr gewagt, wenn nicht skandalös, für eine Epoche, in der die Herrenmode eigentlich hochgeschlossen war. Ausserdem hatte der Mann die Priesterweihe, alle Welt nannte ihn den «prete rosso», den roten Priester. Da hätte man eigentlich mehr Keuschheit und Demut in der Aussendarstellung erwarten dürfen. Das Ölgemälde ist das einzige, das von Antonio Vivaldi überliefert ist. Ein exzentrischer Aussenseiter war der venezianische Komponist trotzdem nicht. Im Gegenteil: Er war der Star, den alle liebten. Als Violinvirtuose hatte er den Ruf eines Hexenmeisters, wie später Niccolò Paganini. Als Produzent von Solo­konzerten und Kammerkonzerten war er europaweit gefragt. Und in seiner Heimatstadt Venedig lieferte er als Opernkomponist und Impresario in Personalunion über Jahre hinweg die angesagtesten Shows für den grossen Karnevalstrubel. 97 Opern hat er im Verlaufe seiner Karriere auf die Bühne gebracht. Antonio Vivaldi war, wie der Biograf Siegbert Rampe schreibt, «einer der reichsten Venezianer und ganz gewiss der bestverdie­ nende Musiker seiner Epoche».

Illustration: Serafine Frey

Herr Dantone, wie lange brauchen Sie, um ein Musikstück von Antonio Vivaldi zu erkennen? (Ottavio Dantone setzt sich ans Klavier und spielt) Hören Sie das? Klingt wie Vivaldi, nicht wahr? Ist aber von mir, improvisiert im Stil von Vivaldi. Sie sehen: Vivaldis Stil ist unverwechselbar, die Eigenheiten seiner Musik sind auf Anhieb zu erkennen. Worin liegt das Unverwechselbare seiner Musik? Es gibt viele Eigenheiten, zum Beispiel die ribattuta, ein typisch venezianischer Rhythmus, oder ein bestimmter harmonischer Umgang mit Septimakkorden. Man muss unterscheiden zwischen dem venezianischen Stil allgemein und Vivaldi im Besonderen. Vivaldi ist tief verankert in der venezianischen Art zu komponieren. Er arbeitet im Stil seiner Zeit und seines kulturellen Umfelds. Aber seine Musik ist eigenständiger, sie unterscheidet sich von Marcello, Albinoni und all den anderen. Vivaldi hatte mehr drauf. An seinem Stil fällt eine packende, durchschlagende Einfachheit auf. Vivaldi war eben kein Komponist, der musica riservata für den kleinen höfischen Kreis schrieb. Als Venezianer

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komponierte er für das ganz grosse Publikum. Venedig war zu Vivaldis Zeit eine touristische Metropole und reich an Opernhäusern. Aus ganz Europa reisten die Gäste an, um sich bei Musik und Theater zu vergnügen. Die Werke mussten so konzipiert sein, dass sie beim Publikum an­ kamen. Vivaldi war zwar durchaus in der Lage, elaborierte und tiefgründige Musik für Kenner zu schreiben, aber als Erfolgskomponist musste er vor allem den Publikums­ geschmack seiner Zeit bedienen. Und er wusste ganz ge­ nau, wie man mitten ins Herz der Musikbegeisterten trifft. Zu seinen Stärken gehört, dass er Situationen auf den Punkt zu bringen versteht. Ja genau. Auf den ersten Blick mag seine Musik ein bisschen banal klingen, aber bei genauerem Hinsehen merkt man, dass alles messerscharf kalkuliert ist. Mit geradezu wissenschaftlicher Präzision konstruiert Vivaldi emotionale Verläufe, genau wissend, wann der Moment ist, die Aufmerksamkeit zu bündeln, Höhepunkte zu setzen, das Publikum zum Staunen oder zum Weinen zu bringen. Es ist ein grosses Vergnügen, dieses Raffinement in den Partituren zu studieren. Würde Vivaldi heute leben, wäre er womöglich ein ausgebuffter Action-Movie-Regisseur, der seine Konkurrenz, was Innovation und Präzision angeht, weit übertrifft. Die Barockmusik lebt in all ihrem Reichtum von der Stra­ tegie, mehr wegzulassen als zu viel hineinzupacken, damit das Wesentliche klar hervortritt. So funktionieren auch die guten Hollywoodfilme. Vivaldi war ein Meister darin. Zu seinen Markenzeichen gehören die extremen Kontras­te, in der Dynamik, in den Farbwechseln. Interessant ist, dass man in Vivaldis Noten gar nicht viele Dynamikbezeichnungen findet. Die Kontraste sind in der Rhetorik der Musik angelegt. Sie ergeben sich selbstverständlich aus dem musiksprachlichen Fluss. Diese Rhetorik zu verstehen, ist die Aufgabe der Musiker. Wie kontrastreich Vivaldi erklingt, hängt also vor allem von den Ausführenden ab, von ihrer Metierkenntnis und ihrer Fantasie, von ihrer Mischung aus Fachkenntnis und musikalischer Freiheit. Barockmusik ist also immer nur so gut wie die Ausführenden? Zu Vivaldis Zeit war das überhaupt kein Thema, weil für alle Beteiligten – Komponisten, Sänger, Musiker und Publikum – das Beherrschen der Musiksprache eine


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Selbstverständlichkeit war. Man spielte die Musik, wie sie gemeint war, auch wenn das meiste nicht explizit in den Noten stand. Heute sind wir in einer anderen Situation. Wir haben die Partituren als Überlieferung und müssen uns die Kontexte erschliessen. Tun wir das als Musiker nicht, riskieren wir Missverständnisse. Wenn wir die Noten nur lesen, wie sie überliefert sind, existiert die Musik noch nicht. Wir müssen etwas daraus machen, Artikulation, Phrasierung und Dynamik kreieren, Verzierungen einfüh­ ren usw. Wir müssen philologisch arbeiten und die Musik­ sprache von innen heraus verstehen. Philologie heisst für mich nicht, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Vivaldi-Oper mit acht oder zehn Violinen aufgeführt wurde. Das ist völlig unerheblich und hing von den Auffüh­ rungsbedingungen ab. Ich würde gerne noch vor meinem Tod erleben, dass alle Musiker verstanden haben, dass Philologie sich einzig auf das Verständnis der Sprache konzentrieren muss. Aus der Musiksprache leitet sich alles ab! Man muss sie selbstverständlich beherrschen. Das ist viel wichtiger als nur buchstabentreues Notenstudium. Hat Vivaldis Musik Schwächen? An seinen Opern wird kritisiert, dass die Dramaturgie in der Abfolge von Rezitativ und Arie sehr schematisch sei. Da ist auch etwas dran. Vivaldi hat nur selten Accompag­ nato-Rezitative geschrieben, und die Rezitative selbst sind harmonisch oft nicht so interessant. Die Komponisten hatten zu der damaligen Zeit Assistenten und Schüler, die ihnen bei der Ausarbeitung der Rezitative halfen. Die Arien waren eben viel wichtiger. Ich habe kürzlich Vivaldis Oper L’incoronazione di Dario für eine CD-Produktion aufgenommen, und ich gehe davon aus, dass er darin die Rezitative selbst geschrieben hat. Man hört es sofort, es ist viel spannender. Aber auch in La verità in cimento gibt es harmonisch interessante Passagen. Man muss dabei immer die Rezeptionshaltung des damaligen Publikums bedenken. Die Leute hörten nur in den Arien wirklich zu und interessierten sich dabei meist nur für die allerbesten. Heute konzentrieren wir uns auf alle Bestandteile eines Wer­ kes, wenn wir in die Oper gehen. Wir wollen die Hand­ lung, die ja in den Rezitativen vorangetrieben wird, genau verstehen. Das stand damals nicht so im Vordergrund. Die Atmosphäre in den Theatern war eine ganz andere. Man montierte zum Beispiel Commedia dell’arteZwischenspiele in die Opern, die mit dem Handlungsverlauf des Hauptwerks gar nichts zu tun hatten. Wir haben das vor einiger Zeit bei einer Aufführung in Jesi, dem Geburtstort Pergolesis, auch einmal probiert. Man

muss wissen: Das Publikum kannte damals die Geschichten, die da eingeschoben wurden. Und für die Oper gilt: Nicht die Handlung als Ganzes war das Spannende, sondern die einzelnen Momente. Man stieg bei den Emotionen umstandslos ein, ging dann aber richtig mit. Ich glaube, das Publikum war damals viel wilder. Wir gehen heute womöglich besser vorbereitet in die Oper, haben aber mehr Probleme, uns auf die Emotionen der Musik einzulassen, als Musiker wie als Publikum. Aber darum geht es: Aus the­ atralischen Situationen die Funken maximaler emotionaler Expression zu schlagen. Vivaldi war ein Vielschreiber und hat wahnsinnig schnell komponiert. Ist das sein Problem? Das war normal. Üblicherweise brauchten die Komponisten höchstens einen Monat für eine Oper, und das war schon viel! Komponieren war ein Handwerk und hatte nicht den Kunst-Stellenwert, den es heute einnimmt. Vivaldis Musikproduktion lief extrem hochtourig. Er war ein überaus gefragter Mann, nicht nur als Opernkomponist, sondern auch als Geigenvirtuose. An welchem Punkt seiner Karriere stand er, als er La verità in cimento auf die Bühne brachte? Die Uraufführung fand 1720 in Venedig statt, Vivaldi war auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Es war für ihn die goldene Zeit seines Erfolgs und seines Schaffens, aber auch eine goldene Zeit für die venezianische Musik ins­ gesamt. Die Leute kamen von überall, um in Venedig Opern zu hören. Es gab einen grossen Hunger nach Musik, und die Nachfrage musste befriedigt werden. Das war eine sehr kreative und fruchtbare Zeit. Für Zürich habe ich mich zum ersten Mal mit La verità befasst, ich kannte die Oper vorher nicht wirklich. Aber was die Qualität angeht, hat sie mich nicht enttäuscht: Es ist eine sehr schöne Oper. Eine Barockoper auf die Bühne zu bringen, heisst, eine Spielfassung zu erstellen, und da taucht natürlich die Frage auf, was erlaubt ist und was nicht. Dass die Rezitative nicht zum Allerheiligsten des Komponisten gehören, haben wir bereits erwähnt. Gegen kräf­tige Rezitativstriche ist also nichts einzuwenden, oder? Das war gängige Praxis der Zeit. Das Werk wurde den Notwendigkeiten der jeweiligen Aufführung angepasst. Vivaldi selbst hat von Aufführung zu Aufführung massive Striche und Veränderungen in seinen Opern vorgenommen. Von L’incoronazione di Dario etwa existiert eine erste Version, die fünf Stunden dauerte, Vivaldi hat dann in einer zweiten Version so viel gestrichen, dass man der


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Handlung kaum noch folgen kann. Er hat pragmatisch auf Sänger­wünsche und die Aufführungssituation reagiert. Die Aufführung war also das Werk und nicht die Partitur. In den Noten ist ja vieles gar nicht festgehalten. Die Musik muss in gewisser Weise für jede Aufführung durch die Sänger und Musiker neu erfunden werden. Wir haben in unserer Zürcher Fassung am Schluss eine Arie aus einer anderen Oper eingefügt. Ist das eine Schandtat? Auch das war üblich. Ich gebe Ihnen ein besonders krasses Beispiel: Caffarelli, einer der berühmtesten Kastraten der damaligen Zeit, mit dem Vivaldi allerdings selbst nicht zusammenarbeitete, liess sich in seinem Vertrag zusichern, dass er gleich nach der Ouvertüre und einem Rezitativ eine Bravourarie singen darf, die mit der Handlung gar nichts zu tun hat. Er liess vertraglich festschreiben, dass er diese sogenannte Kofferarie, die die Stars immer im Gepäck hatten, auf einem echten Pferd mit Helm und grossem Federbusch singen darf. So war das damals. Lassen Sie uns über die Konvention des lieto fine sprechen, des Happyends als Pflichtschluss am Ende jeder Barockoper. In La verità in cimento wirkt dieses lieto fine unglaubwürdig und angeklebt, wie so oft. Alle Figuren treiben über drei Akte hinweg in die totale emotionale Zerrüttung, und im allerletzten Rezitativ setzt plötzlich das grosse Verzeihen ein, und es vollzieht sich die wundersame Lösung aller Konflikte. Das lieto fine war damals Pflicht. Die Leute hätten das Theater auseinandergenommen, wenn sich am Ende einer Oper nicht alles zum Guten gewendet hätte. Manchmal wurde das lieto fine bis zum letzten Satz im allerletzten Rezitativ hinausgezögert. Aber es musste sein. Damit man sich in den Stunden zuvor umso hemmungsloser den sündigen Themen hingeben konnte, der Untreue, der Machtgier, der Heuchelei, der Nieder­tracht und der erotischen Zügellosigkeit. Das waren die eigentlich interessanten Themen! Das Finale ist, gemessen daran, der unwichtigste Moment in einer Barockoper. Auch wenn das mancher strenge Philologe kritisieren wird: Ich habe kein Problem damit, das lieto fine zu streichen. Wir lassen in Zürich den kurzen Finalchor weg, der übrigens auch im Faksimile der Verità-Partitur fehlt.

Er fehlt, aber das heisst nicht, dass Vivaldi die Oper ohne einen Schlusschor aufgeführt hat. Man nahm dann einen Schlusschor aus einer anderen Oper oder gar von einem anderen Komponisten. Ich finde grundsätzlich, dass man alle musikalischen Entscheidungen in Abhän­ gigkeit von der Szene treffen muss, in Bezug auf das, was man erzählen möchte. Weil dann erst die Emotionalität zünden kann, auf die es ankommt. Es gehört zum Stil der Barockopern, dass die Dacapo-­ Wiederholungen der Arien mit Verzierungen versehen werden. Woher stammen die in unserer Produktion? Normalerweise schreibe ich diese variazioni für die Sänger. Ich höre mir die jeweiligen Stimmen genau an und ver­ suche mir vorzustellen, was für den Stimmumfang und den Charakter gut passen könnte. Aber es sind nur Anregun­ gen. Die variazioni sind etwas Kreatives. Könnte man sie auch jeweils aus dem Moment der Aufführung heraus improvisieren? Schon, aber man muss dennoch etwas festlegen in der Stimmführung wie im Orchester. Oft ist die Idee, die einem spontan als Erstes einfällt, nicht die beste. Wenn man aber erreichen will, dass das Publikum an einer bestimmten Stelle zu Tränen gerührt wird, muss alles gezielt daraufhin angelegt sein. Die Möglichkeit kleiner Varianten bleibt natürlich trotzdem. Das ist wirklich eine Kunst. Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren immer wieder mit Vivaldi. Langweilen Sie sich nie mit dieser Musik? Nein, weil ich immer, wenn ich an eine neue VivaldiPartitur gehe, gespannt darauf bin, was in der Musik ver­ steckt ist. Das will ich unbedingt herausfinden. Und da gibt es immer etwas zu entdecken? Immer. Was direkt in den Noten steht, ist ja nur wenig. Man muss sich mit Fantasie in die Musik hineindenken. Dann findet man immer Spannendes. Meine Meinung ist, dass es keine schlechte Musik aus dem Barock gibt. Es gibt nur schlecht gespielte Musik. Man kann als Musiker aus Mist etwas Grossartiges machen, und umgekehrt aus einem Meisterwerk Mist. Es kommt ganz auf die Musiker und die Sänger an. Das Gespräch führte Claus Spahn


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Sage nie die Wahrheit Vivaldis Oper «La verità in cimento» ist ein raffiniertes Drama um echte und gespielte Gefühle. Ein Gespräch mit dem Regisseur Jan Philipp Gloger Fotos Danielle Liniger

Herr Gloger, beginnen wir gleich mit der komplizier­ testen Frage: Worum geht es in La verità in cimento? Gloger: Die Handlung spielt in einem orientalischen Serail und dreht sich um die Nöte eines reichen Sultans, der seinen Thron und seine Königreiche vererben will. Der Potentat hat zwei gleichalte Söhne. Den einen hat er mit seiner Ehefrau gezeugt, den anderen mit einer Neben­frau. Diese beiden Söhne hat er nach der Geburt heimlich vertauscht. Sie sind also jeweils mit der falschen Mutter, in falschen Verhältnissen aufgewachsen, denn der Sultan hatte seiner Nebenfrau versprochen, ihren Sohn als offiziellen Thronfolger aufwachsen zu lassen, wenn sie seine Ehe nicht stört und sich im Hintergrund hält. Die Opernhandlung setzt in dem Augenblick ein, in dem er beschliesst, mit dieser Lebenslüge Schluss zu machen, die Wahrheit auf den Tisch zu bringen und das Erbe neu zu verteilen. Es brechen Machtkämpfe und Identitäts­ krisen aus. Die Wahrheit kommt auf den Prüfstand. Das ist ja auch der Titel der Oper: La verità in cimento. Was hat Sie an diesem auf den ersten Blick sehr kon­ struiert wirkenden Stoff interessiert? Zum Beispiel das Thema, das durch den Titel benannt wird: Die Frage nach der Wahrheit. Ist es immer gut, die Wahrheit zu sagen? Welche Folgen hat es für das soziale Gleichgewicht in einer Familie, wenn man eine Lüge rückgängig machen will und auf der Wahrheit beharrt? Und welche Folgen der Wahrheit führt die Oper vor? Mamud, der Herrscher, ruiniert sich und seine Familie. Mit seinem Versuch, die Wahrheit offen zu legen, stösst er auf viele Widerstände. Alle Beteiligten sind so tief in den

falschen Verhältnissen verankert oder haben sich bewusst in der Doppelbödigkeit eingerichtet, dass sie gar nicht mehr zurück wollen. Die Versuchsanordnung der vertauschten Kinder birgt Brisanz. Man erlebt, wie es junge Männer plötzlich innerlich zerreisst, wenn sie erfahren, dass ihre Eltern gar nicht die leiblichen Eltern sind. Umgekehrt müssen die Mütter damit klar kommen, dass sie Stiefsöhne aufgezogen haben. Solche Krisen kennen wir ja im Zeitalter der Patchwork-Familien sehr gut. Das Ganze wird noch perfider, wenn es nicht nur um Zu­ wendung und Liebe geht, sondern auch noch um Reichtum und Erbansprüche. Die Geschichte aus dem scheinbar so fernen Serail weist mehr Parallelen zu unserer Gegenwart auf, als man zunächst ahnt. Ich musste gleich an den Kinofilm Das Fest von Thomas Vinterberg denken, in dem bei einer Familienfeier plötzlich die dunkle Wahrheit von Kindesmissbrauch und Suizid auf den Tisch kommt,


Die Wahrheit bereitet Kopfschmerzen: eine Szene mit Richard Croft als Mamud und Julie Fuchs als Rosane

mit ruinösen Folgen. Auch die Dramen von Ibsen erzählen davon, wie Familienkonstellationen auseinander brechen und welche destruktive Energien ihnen innewohnen. Ein barockes Opernlibretto offenbart aber nicht die psychologischen Abgründe, die sich in den Dramen des 19. und 20. Jahrhunderts auftun. Das stimmt. Aber die Barockoper thematisiert mit ihrer Affektdramatik etwas, das ich in diesem Zusammen­hang sehr spannend finde – das Darstellen und Ausstellen von Emotionen. Soziale Konstruktionen funktionieren immer über bestimmte Rollen, die wir spielen und auf die wir uns verlassen. In La verità in cimento steht die Wahrheit auch deshalb auf dem Prüfstand, weil es in diesem Stück immer wieder um das Vorspielen von Rollen geht, die durch die Wahrheit nicht gedeckt sind. Das beste Beispiel dafür ist Damira, die zur Seite geschobene Ex-Geliebte

von Mamud. Sie spielt nicht nur das ahnungslose Dienstmädchen. Sie spielt ihrem Stiefsohn auch über drei Akte hinweg die Farce einer liebenden Mutter vor, obwohl sie genau weiss, dass er nicht ihr leibliches Kind ist und ihr Interesse in Wirklichkeit nur dem als Thronfolger aufwachsenden wahren Sohn gilt. Damira performt Gefühle. In ihrer letzten Arie versucht sie ihrer Konkurrentin, Mamuds Gattin Rustena, beizubringen, wie man als Frau Tränen und Verzweiflungsanfälle strategisch einsetzt. Sie berauscht sich in dieser Arie regelrecht an ihrer eigenen Verschlagenheit, obwohl diese als Strategie längst gescheitert ist. In unserer Inszenierung schlägt ihr Vorspielen, wie man künstlich weint, dann in echtes Weinen um. Wenn wir anfangen, mit unseren Gefühlen strategisch umzugehen, können wir uns irgendwann nicht mehr sicher sein, ob wir überhaupt noch echt fühlen. Diese Verschränkung von Empfindung und Performance in der Barockoper


Die Soldaten 24

Foto oben: Wer soll erben? Mamud (Richard Croft) ist in Nöten Foto rechts: Zelim (Anna Goryachova) liebt Rosane (Julie Fuchs, links), sie ihn aber nicht

ist im Grunde ungeheuer modern. Denn wir leben doch in einer Welt, in der die Performance auch im Sinne von Leistungsfähigkeit, Selbstbewusstsein, guter Laune, Anteilnahme und was auch immer eine riesige Rolle spielt. Die Darstellbarkeit von Emotionen und Befähigung ist heute von grosser Bedeutung. Und genau damit spielt die Oper im 18. Jahrhundert. Die von manchen als sehr künstlich empfundene Barock-­Dramatik hat für Sie also eine Entsprechung in der Moderne? In gewisser Weise schon. Weil der Affekt unmittelbar hervorbricht und nicht den Umweg über die psychologische Begründung nimmt. Das ist ja das Faszinierende an einem Komponisten wie Vivaldi: Dass die Gefühle wie aus der Pistole geschossen kommen. La verità setzt in ihrer Dramaturgie auf extreme Kontraste und Brüche. Da spüre ich manchmal eine grössere Nähe zur Wirklichkeit von heute als in vielen Stoffen des 19. Jahrhunderts. In der Barock­ oper ist der Emotion ihre Behauptung eingeschrieben. Es gibt Untersuchungen darüber, ob bei weinenden Menschen zuerst die Träne kommt und dann das Gefühl oder zuerst das Gefühl und dann die Träne. Das heisst:

Ein Gefühl beinhaltet immer auch einen Willen zu einem Gefühl. Kinder zum Beispiel sehen sich gerne vor dem Spiegel weinen. Und in La verità blendet Vivaldi strategisch eingesetzte und echte Emotionen bis zur Ununterscheidbarkeit ineinander, bei Rosane zum Beispiel. Sie ist die hochattraktive junge Frau, die von beiden Söhnen geliebt und umworben wird. Das Begehren ist in ihrem Charakter ein wichtiger Antrieb. Es bezieht sich aber nicht nur auf Männer, sondern auch auf den Appeal von Macht und Reichtum. Rosane folgt ihrem Herzen und hat gleich­ zeitig einen knallharten Aufstiegswillen. Sie nimmt sehr genau wahr, welchen Zickzackkurs die Thronfolge-Regelung nimmt und folgt dieser Spur, zugleich ist sie eine grosse Liebende. Das ist hochwidersprüchlich, aber in dieser Wider­­sprüchlichkeit sehr real. Die grosse, nicht zweckgebundene Liebe und die Zweckmässigkeit der Liebe können sich eben bis zur Ununterscheidbarkeit verschränken. Das kennt wohl jeder aus Beispielen des realen Lebens. Diese Rosane ist eine schillernde, moderne Figur, die in unserer Produktion bei Julie Fuchs fantastisch aufgehoben ist. Wo spielt die orientalische Verità-Handlung in unserer Zürcher Produktion?


Die Nerven von Damira (Delphine Galou) liegen blank

Sie in einem fernen, märchenhaften Serail anzusiedeln, hat uns nicht interessiert. Gemeinsam mit dem Bühnen­bildner Ben Baur und der Kostümbildnerin Karin Jud haben wir beschlossen, die Geschichte zeitlich in die Gegen­wart zu holen. Sie spielt in einer Villa von heute, die theoretisch in dieser Stadt, etwa auf dem Züriberg, stehen könnte, aber natürlich auch jedem anderen westlich modernen Wohlstandsmilieu entstammen könnte. Im grossen Esszimmer dieser Villa hat sich die Familie am Abend vor der Hochzeit des einzigen Sohns eingefunden. Mamud ist ein erfolgreicher Unternehmer im gesetzten Alter. Ein Kunstsammler, der mit seinem Familienunternehmen wirklich etwas zu vererben hat. Es braucht ein gesellschaftliches Oben und ein Unten, ein steiles Gefälle zwischen dem Familienoberhaupt und der Hausangestellten, die den Ehrgeiz hat, nach oben zu kommen oder zumindest ihren Sohn oben zu sehen, sonst funktioniert die Geschichte nicht. Wo liegen die Chancen, wo liegen die Gefahren einer solchen konkreten theatralischen Behauptung? Die Gefahren spürt man sofort: Wenn man sich auf diese Form von Realismus einlässt, muss er auch schlüssig

sein und funktionieren. Wir haben eine Stückfassung erstellt, die dem, was wir erzählen wollen, entgegen kommt. Um einen nachvollziehbaren dramaturgischen Bogen spannen zu können, haben wir Rezitative gekürzt und auch mal eine Arie umgestellt. Wir wissen alle, dass Realismus auf der Opernbühne stinklangweilig sein kann, aber hier trifft er auf einen Stoff, der überhaupt nicht realistisch ange­legt ist. Wir haben es mit einem Libretto aus vorpsychologischer Zeit zu tun. Es passieren verrückte und nahezu uner­klär­bare Dinge. In dieser Kombination finde ich Realismus spannend. Das ist eine Erfahrung, die ich auch im Schauspiel gemacht habe. Wenn ein Text von Elfriede Jelinek, der jedem Realismus spottet, auf konkrete theatralische Situationen trifft, entsteht eine produktive Reibung. Wie sehr sperrt sich die Verità-Handlung in ihrer Unwahrscheinlichkeit einer realistischen Erzählweise? Wenn man erst einmal eine theatralische Setzung vor Augen hat, wird es leichter und es öffnen sich Türen. Was uns enorm geholfen hat, ist Vivaldis griffige musi­ka­li­ sche Charakterisierung der Figuren. Sie sind so angelegt, dass man tatsächlich moderne Figuren herausarbeiten


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kann. Rosane habe ich ja bereits erwähnt. Das gilt aber beispielsweise auch für Rustena, Mamuds Ehefrau. Sie singt etwa im dritten Akt eine tief melancholische, von Block­ flöten umspielte Arie, in der sie sich danach sehnt, im Wald, fernab vom Schmerz ihrer unglücklichen Ehe, geboren zu sein. Das passt nicht schlecht zum Typus einer älter werdenden Unternehmergattin, die sich mit zunehmend bedrückender Eherealität in andere Welten träumt, der Vergangenheit einer heilen Familie nachhängt und sich mit Spiritualität und Esoterik zu therapieren versucht. Ist Vivaldis Blick auf seine Figuren mitunter zynisch? Das kann ich nicht erkennen. Es ist doch viel eher der Versuch, menschliches Verhalten genau zu durchdringen. Dann wäre auch Mozart ein Zyniker, aber das war er nicht. Er hat nur sehr genau hingeschaut und viel vom Menschsein verstanden, wie wir gerade aus seinen Opern Le nozze di Figaro und Così fan tutte erfahren. Er weiss um die gefährliche Nähe von Sein und Schein, von hehren und weniger hehren Gefühlen. Menschen werden eben dadurch zu ganzen Menschen, dass sie sich in Widersprüchen verstricken. Auch Vivaldi ist wohl eher von der Genauigkeit der Menschenbeobachtung getrieben als von Verachtung und Parodie. Selbst Damira,

LA VERITÀ IN CIMENTO Oper von Antonio Vivaldi Libretto von Giovanni Palazzi Musikalische Leitung Inszenierung Bühnenbild Kostüme Lichtgestaltung Dramaturgie Rosane Rustena Melindo Damira Zelim Mamud Unterstützt durch Premiere Weitere Vorstellungen

Ottavio Dantone Jan Philipp Gloger Ben Baur Karin Jud Franck Evin Claus Spahn Julie Fuchs Wiebke Lehmkuhl Christophe Dumaux Delphine Galou Anna Goryachova Richard Croft Orchestra La Scintilla

25 Mai 2015 27, 29, 31 Mai 3, 7, 10, 13, 16 Juni 2015

die eigentlich die klassische Furie ist, die Böse, die ein­ dimensional erscheint, weil sie an ihrem Konzept von Intrige und Heuchelei festhält, offenbart in der Musik Momente der echten Verzweiflung und des Nicht-mehr-weiter-wissens. Ist der Wechsel von Rezitativ und Arie, der gerade bei Vivaldi etwas schematisch ausfällt, ein Problem für die Regie? Aus unserem heutigen Blickwinkel ist das natürlich eine hochartifizielle Form, eine Geschichte zu erzählen. Aber gerade die Künstlichkeit empfinde ich als theatralische Chance. In den Arien singt eine Figur über sieben Minuten hinweg nur zwei Sätze, das ist doch spannend. Es ist wie ein grosses leeres Blatt Papier, das es mit Ideen zu füllen gilt. Im ersten Moment kann das Angst machen, aber Vivaldi gibt einem mit der Musik ja auch den vollen Farbeimer in die Hand. Man kann mit Situationen spielen, mit jeder Arie eine eigene kleine Geschichte erzählen, die Zeit anhalten und sie einfach nur singen lassen. Ben Baurs Bühnenbild macht in unserer Produktion Parallelhandlungen möglich. Man sieht, was in dem einen Zimmer passiert, während in dem anderen gesungen wird. Eine Dacapo-Arie szenisch zu füllen, ist natürlich auch für die Sänger eine Herausforderung, man sitzt gewis­ sermassen im gleichen Boot und entwickelt die Situationen gemeinsam. Man wird gemeinsam erfinderisch und manchmal verzweifelt man auch gemeinsam. Die Ausgrabung einer Barockoper wie La verità in cimento ist ein offenes Feld und in vieler Hinsicht spannender als eine Oper aus dem Kernrepertoire auf die Bühne zu bringen, die jeder schon in zwanzig verschiedenen Umsetzungen gesehen oder selbst gesungen hat. Ich empfinde es als ein grosses Glück, dass alle sechs Sängersolisten in dieser Produktion starke Persönlichkeiten sind. Sie wollen wirklich Charaktere entwickeln und werden zu Anwälten ihrer Figuren. Der Satz: «Das würde meine Figur nie tun», hört man von Schauspielern oft, manchmal zu oft, von Sängern hört man ihn seltener, aber gerne. Und was besonders Spass macht: Zwei Französinnen und ein Franzose, eine Deutsche, eine Russin und ein Amerikaner reden mit einem italienischen Dirigenten und einem deutschen Regisseur während der Proben auf Englisch ganz viel über Rhetorik und Diktion. Und alle sind sich einig, dass Vivaldis Theater zuallerst über die Leben­ dig­keit der Sprache funktioniert.


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Den Blickwinkel wechseln Die junge französische Sopranistin Julie Fuchs singt seit zwei Jahren im Zürcher Opernensemble und ist in Frankreich ein Shooting-Star. In unserer Vivaldi-Oper gibt sie die Rosane. Text Annette Freitag

Der TGV aus Paris kommt ein paar Minuten zu früh an. Eine der ersten, die aussteigt, ist Julie Fuchs. Eine junge Frau, der man gleich die Französin ansieht, sie hat das gewisse Etwas… Knallroter Schal, strahlend gelbes T-Shirt unter der Jacke, schwarze Leggins, bequeme Schuhe, kleiner roter Rollkoffer und grüne Tasche. Da kommt einerseits die quirlige Pariserin, andererseits präsentiert sie auch gleich die Farbenpracht des Südens, die Wärme der Provence. Denn dort, in Avignon, ist sie eigentlich zuhause. Und sie strahlt.

Dieser Mischung kann man sich kaum entziehen… Gute Voraussetzungen, um auf der Bühne eine ähnliche Person darzustellen, die Rosane in Antonio Vivaldis Oper La verità in cimento. Eine vertrackte Familiengeschichte voller Turbulenzen, die sich um ein Geheimnis dreht. Kennt sie sowas auch? «Zum Glück nicht!», sagt sie, während wir mit der S-Bahn zum Opernhaus fahren. «Ich habe meine Eltern gefragt, ob es bei uns auch so ein Familiengeheimnis gibt, und falls ja, dann will ich es sofort wissen. Aber es gibt keins…!»


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Eigentlich hätte Julie Fuchs an diesem Tag probenfrei. Allerdings nicht ganz. Auf der Fahrt nach Zürich hat sie erfahren, dass sie nach ihrer Ankunft zur Klavierprobe erwartet wird. Nicht für die Vivaldi-Oper, sondern für ein Rameau-Konzert, das unter der Leitung von Teodor Currentzis stattfinden soll. Rameau, französische Musik, französisch gesungen, das tut ihrer französischen Seele gut. Man spürt, wie es aus ihr strömt, wie der kleine Probenraum sich füllt mit ihrer Stimme. Es ist ein erstes Antasten an diese Stücke. Anderntags, nach der Probe mit dem Dirigenten Teodor Currentzis selbst, schwärmt sie: «Er ist so präzis und verlangt das Äusserste von einem. In den Pianissimi, im Ausdruck. Es ist wunderbar, so gefordert zu werden.» Für Julie Fuchs ist es jetzt die zweite Spielzeit am Opernhaus Zürich. Aufgetreten – und aufgefallen – ist sie während dieser Zeit als Morgana in Händels Alcina, als Marzelline im Fidelio, als Melanto in Monterverdis Il ritorno d’Ulisse in patria, aber auch als Susanna in Le nozze di Figaro. Und jetzt also die Rosane. «Diese Rolle passt perfekt zu meiner Stimme», sagt sie. «Und sie passt zu mir. Rosane ist eine junge Frau, wie ich. Sie ist gleichzeitig anrührend und ein bisschen zweideutig. Am Anfang weiss man nicht so recht, ob diese Rosane nett ist…» Julie Fuchs denkt kurz nach, dann ist es klar: «Non! Sie ist alles andere als ‹nett›. Sie ist verliebt, aber man weiss nicht in wen und warum, oder ob sie überhaupt nur so tut als ob.» Julie Fuchs sieht da Parallelen zu Morgana, der Schwester von Alcina. «Das sind interessante Personen, schillernd und mehrschichtig.» Und die Musik? Ist es schwierig, Vivaldi zu singen, verglichen mit Monteverdi, Händel und Rameau? «Nein, überhaupt nicht. Keiner dieser Komponisten ist schwierig für meine Stimme. Zum Glück! So kann ich mich auf den Rest des Reperoires konzentrieren.» Schwierig war für sie eher die Zerbinetta in Ariadne auf Naxos. «Das ist eine Rolle, die ich nicht zwei Tage hintereinander singen könnte. Die Susanna oder jetzt die Rosane, die kann ich auch singen, wenn ich krank bin oder müde.» In Frankreich ist Julie Fuchs das, was man auf Englisch einen «shooting star» nennt. 2014 wurde sie «Sängerin des Jahres», zwei Jahre zuvor «Entdeckung des Jahres» und dies sind nur die wichtigsten der verschiedenen Auszeichnungen, die sie bereits erhalten hat. Das hat schon etwas Schwindelerregendes. Julie Fuchs besitzt allerdings genug Bodenhaftung, um dabei nicht abzuheben. «Ach, bevor man solche Auszeichnungen kriegt, denkt, man, das wäre wunderbar. Und wenn man sie dann in den Händen hält, weiss man, dass alles genau gleich ist wie am Tag zuvor. Höchstens in den Augen der anderen hat man sich vielleicht verändert.» Ein bisschen schwindlig sei es ihr dann doch geworden, gibt sie

zu, denn plötzlich war sie ein Medienstar und musste rechts und links Interviews geben. Als sie 2013 in Zürich ankam, kannte sie hier niemand. Rückblickend sieht sie das als positiv an. «Ich musste einfach gut singen und gut spielen.» Und doch war einiges anders, als sie es von Frankreich gewohnt war. Teil eines festen Ensembles zu sein, war neu für sie. «Ich fühle mich sehr gut aufgenommen hier, alle waren so hilfsbereit, die Kollegen, die Pianisten, die Gesangs-Coaches, auch die Leute aus der Administration. Ich war total gerührt.» Sie sieht all diese Erfahrungen als grosse Chance. Dazu gehören natürlich auch die künstlerischen Begegnungen. «Cecilia Bartoli hat mir wunderbare Ratschläge gegeben und einige Regisseure haben mich viel weiter geführt, als ich es mir je hätte vorstellen können.» Dabei hatte in ihrer Kindheit zunächst nichts darauf hingewiesen, dass Julie Fuchs eines Tages auf der Bühne stehen würde. Geboren in der Nähe von Paris, ist sie in Avignon aufgewachsen. In der Stadt der Päpste und eines

“ ”

Ich liebe es, wenn mich die Figuren, die ich verkörpere, überraschen.

berühmten Theaterfestivals. Als kleines Mädchen lernte sie Geige, aber Julie und die Geige, die waren nicht geschaffen für eine gemeinsame Zukunft. Die Musik interessierte sie aber schon. Zur Jahrtausendwende war ihr klar, wie es weitergehen sollte. Ausschlaggebend war Björk. Ausgerechnet Björk, die isländische Sängerin und Songwriterin. Es war das Jahr, in dem sowohl Avignon als auch Reykjavik europäische Kulturhauptstädte waren. Björk kam für ein europäisches Chor-Projekt nach Avignon, und in einem dieser Chöre sang Julie mit. Aber Chorsingen, das war wie Geigespielen, also nicht die ganz grosse Begeisterung. Kurz: es gab ein Casting, Julie wurde ausgewählt und durfte in kleinerer Gruppe mit Björk auftreten. Ein Riesen-Ereignis für die damals 14-jährige Julie. «Diese Erfahrung hat mein Leben umgekrempelt. Singen, Reisen, Menschen aus anderen Kulturen treffen, das wollte ich.» Und das machte sie. Geradlinig von der Musikschule Avignon übers Conservatoire in Paris auf die Bühne. Seit sieben Jahren lebt sie in Paris, in der grossen schillernden, lärmigen Metropole. Und jetzt natürlich auch in Zürich. «Als ich hier ankam, war das beklemmend. Ich habe mich ernsthaft gefragt, ob ich die Ruhe hier ertragen kann.


La verità in cimento 29

Inzwischen habe ich mich ein bisschen daran gewöhnt. Wenn ich jetzt nach Paris fahre, frage ich mich, wie die Leute es dort machen, in diesem Trubel zu überleben.» Den Blickwinkel immer mal wieder zu wechseln, ist also eine gute Sache. Das gilt auch für Rollen. Zurzeit spielt Julie Fuchs vor allem luftig Heiteres. Das hat mit ihrer jugendlichen Stimme zu tun. In Zukunft möchte sie aber auch Dramatisches singen. «Meine Stimme verändert sich und ich verändere mich. Ich weiss, dass meine Stimme mich in diese Richtung führen wird. Einige Regisseure haben mich auch schon darauf angesprochen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es viel schwieriger ist, Menschen zum Lachen zu bringen, als zum Weinen. Es braucht eine grosse Ernsthaftigkeit, um lustig zu sein.» Gibt es denn so etwas wie Traumrollen für sie? «Die Traviata!» Da muss sie nicht lange überlegen. «Vielleicht ist das ja eines Tages möglich, ich muss abwarten, wie meine Stimme sich entwickelt. Die Noten habe ich jedenfalls schon…» In der Zwischenzeit gibt es aber auch noch anderes, das sie reizen würde. «Manon, das ist ja schon so eine Art französische Traviata, und ich singe gern französisch. Mal sehen… oder dann die Mélisande, das ist eine Rolle, die einem andere Ausdrucksmöglichkeiten bietet. Sehr gern habe ich auch die Blanche in Dialogues des Carmélites von Poulenc, eine sehr berührende Figur mit einer wunderbaren Musik». Julie Fuchs hat ziemlich klare Vorstellungen, wie es weitergehen könnte, und auch ein paar Highlights, wenn sie auf bisherige Rollen zurückblickt. Die Susanna gehört zu ihren Lieblingsrollen, aber auch die Zerbinetta in Ariadne auf Naxos. «Sie ist zwar sehr schwierig, aber ich liebe es, wenn mich Figuren, die ich verkörpere, auch überraschen. Ich dachte erst, das ist so eine junge Frau, leichtsinnig und fröhlich, dann habe ich diese Heftigkeit in ihr entdeckt und diesen grossen Schmerz. Voilà, das hat mich wirklich überrascht.» Ist es eigentlich schwer, eine neue Rolle auswendig zu lernen? In der Oper sind es ja immer gleich Text und Musik. «Das macht es auch einfacher», sagt Julie Fuchs. «Die Melodie hilft beim Textlernen. Schon als Kind in der Schule habe ich Gedichte gesungen, die ich auswendig lernen musste. Grundsätzlich habe ich aber Glück und lerne relativ schnell. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass ich mir komplizierte Stücke manchmal besser merken kann, weil man sich so darum bemühen muss. Die leichten Sachen fliegen einem zu und man vergisst sie auch schneller. Für solche Fälle gibt es ja auf unseren Bühnen den Souffleur, der schlimmstenfalls eingreifen kann.» Das war für Julie Fuchs ganz ungewohnt. «Das haben wir nicht in Frankreich! Am Anfang hat der Souffleur hier fast vorwurfsvoll zu mir gesagt, ich würde während der Vorstellung nicht auf ihn

schauen, und ich habe geantwortet, dass ich mich gar nicht erst daran gewöhnen will, weil ich es in Frankreich sowieso nicht mehr habe.» Wenn man den ganzen Tag ständig mit Musik zu tun hat, wie wird man die Musik dann wieder los? Gerade an Probentagen, an denen man vielleicht immer wieder das gleiche singen muss? Verfolgt einen das dann endlos? «Das stört mich eigentlich nicht so», sagt sie leichthin. Klar, ihre Generation, die mit Smartphone und Kopfhörern aufgewachsen ist, hat da keine Probleme. «Schon im Tram hole ich die Ohrenstöpsel raus und höre ein Kontrastprogramm. Ganz sicher keine Opern, dann habe ich die Beatles im Ohr, Ella Fitzgerald oder so…» Und wie wäre es mit Stille? «Hmmm… das ist noch nicht so lange her, seit ich die Stille zu schätzen gelernt habe, ein, zwei Jahre vielleicht… vorher habe ich immer Musik um mich herum gebraucht. Stille ist nicht einfach auszuhalten, Leere auch nicht.» Und sonst? Wie würde sie sich denn selbst beschreiben? «Das hängt ganz vom Tag ab. Aber ich würde sagen… joyeuse… heiter, strahlend, ich liebe das Leben, ich bin neugierig und möchte so viel entdecken…» Und noch was: eine «gourmande passionnée» sei sie, ein richtiges Schleckmaul, was man durchaus nachvollziehen kann, wenn jemand in Paris lebt und aus der Provence stammt. Aus ihrem roten Köfferchen packt sie in der Garderobe eine dicke Partitur aus. Il viaggio a Reims von Rossini. Da wird sie zum Jahresende die Comtesse Folleville spielen, eine junge Pariserin, die verrückt nach Mode ist. «Im Zug habe ich schon mal reingeschaut, aber weiter bin ich noch nicht.» Bis nächsten Winter wird sie wohl noch ein paar Mal nach Frankreich fahren und hat genügend Gelegenheit, die Stunden im Zug mit dem Notenstudium zu verbringen. Besonders, wenn es dann wieder einmal nach Avignon geht. «Ahhh, le soleil du Sud, in die Sonne des Südens...» Mehr muss sie gar nicht sagen. Aus ihren Worten klingt die ganze Wehmut mit, die Sehnsucht nach Wärme, nach den Gerüchen und Klängen der Provence. Ach ja, und dann wäre da noch die Sache mit ihrem Namen. Die Grosseltern, denen sie den Namen «Fuchs» verdankt, kamen nämlich aus Lauterbrunnen, im Berner Oberland. «Dann sind sie über das Waadtland nach Frankreich gekommen», erzählt sie. «Ich muss unbedingt einen Ausflug dorthin machen!»


Aida Giuseppe Verdis Aida entstand 1870 für das neu erbaute Opernhaus von Kairo. Die faszinierende Welt der alten ägyptischen Kultur, in der die Geschichte angesiedelt ist, verleitete zahlreiche Regisseure zu prunkvollen Ausstattungsorgien auf der Opern­ bühne oder gar im Fussballstadion. Dabei geriet oft in Vergessenheit, dass Verdis Oper, die von einer unmögli­ chen Liebesgeschichte in Zeiten des Krieges zwischen Ägyptern und Äthio­piern erzählt, im Grunde ein höchst subtiles Werk von kammer­ musik­alischer Qualität ist. Regisseurin Tatjana Gürbaca interpretierte das Werk als «düsteres Seelendrama» einer heutigen saturierten Gesellschaft, «dessen schicksalhafter Grundzug fast an Ibsen denken lässt» (NZZ). Im Fokus ihrer Interpretation stehen die Protagonisten, die erneut von Latonia Moore (Aida), Aleksandrs Antonenko (Radamès) und Veronica Simeoni (Amneris) gesungen werden. Die mu­ sikalische Leitung übernimmt Renato Palumbo. Wiederaufnahme: 6 Juni 2015 Weitere Vorstellungen: 9, 12, 14, 17, 20 Juni Oper für alle: Am 20 Juni 2015 wird «Aida» live auf den Sechseläutenplatz übertragen. Eintritt frei!


Foto: Monika Rittershaus

Blindtext 31


Die geniale Stelle 32

Der liebende Krieger Ein Akkord in Giuseppe Verdis «Aida»

Kein Zweifel: Aida gehört zu den beliebtesten Opern Verdis, aber die Spezialisten zeigen sich immer wieder irritiert von der vermeintlichen Zwiespältigkeit in der Dramaturgie des Werkes, das fast in zwei einander ausschliessende Teile zu zerfallen scheint: In eine repräsentative Festoper mit Tri­ umphmarsch, Ballett und exotischem Kulissenzauber einer­ seits und ein psychologisch subtiles Kammerspiel auf der anderen Seite. Immer wieder hat man versucht, diesen dra­ maturgischen Bruch dadurch zu «heilen», indem man sich bei Inszenierungen für eine der beiden Seiten entschied, und hat so auf zwei verschiedenen Wegen (wenn auch oft mit beeindruckenden Ergebnissen) den Kern der Sache verfehlt. Denn dieses Auseinanderklaffen der Ebenen hat unmit­ telbar mit dem Thema des Stücks zu tun. Wie konsequent Verdi das Disparate der Dramaturgie bis in feinste Details seiner Komposition hinein realisierte, lässt sich stellvertre­ tend für viele andere Stellen an einem bemerkenswerten Detail in der ersten Szene der Oper zeigen: Radames hofft, zum Heerführer im Krieg gegen die aufständischen Äthiopier ernannt zu werden, weil er glaubt, nach dem Sieg vom Pharao die Erlaubnis zu erlangen, die äthiopische Kriegs­ gefangene Aida zu heiraten, die er leidenschaftlich liebt. Charakteristisch für das Rezitativ, in dem er von diesen Hoffnungen spricht, ist der grelle Kontrast zwischen schmet­ ternden Passagen der Blechbläser (wenn vom erhofften Kriegsruhm die Rede ist) und weichen Klängen der Streicher (wenn es um das erhoffte Liebesglück geht). Dieser Kontrast wird zusätzlich betont, indem die Einsätze der Blechbläser stets mit unorganisch wirkenden Ausweichungen in die Mediante einhergehen, und so den harmonischen Verlauf ständig destabilisieren. So erwartet man nach Radames’ letzten Worten einen Abschluss in Des-Dur, wird aber durch eine schmetternde Fanfare in F-Dur irritiert. Den Übergang von diesem martialischen Ton zum sanften Klang der folgenden Romanze schafft nun ein be­ merkenswerter Instrumentationseffekt: Mit dem letzten Akkord der Blechbläser treten auch Holzbläser hinzu, die der Hörer allerdings erst wahrnimmt, wenn Trompeten und Posaunen nicht mehr spielen, während die Holzbläser ihren Akkord weiter aushalten. Der Effekt ist eine radikale Verän­

derung des Klangs: Die Musik des Kriegers enthüllt sich plötzlich als die des Liebenden, eine Wirkung, die noch einmal verstärkt wird, wenn der Klang der Holzbläser fast unmerklich in einen einzelnen Ton übergeht, den die ersten Violinen in höchster Lage spielen. Es ist, als würde der Akkord der Blechbläser im Verhallen sein eigentliches Wesen zu erkennen geben, als wären die Hoffnungen auf Kriegs­ ruhm und Liebesglück untrennbar miteinander verbunden. Die häufig geäusserte, allerdings umstrittene Auffas­ sung, dass Stellen wie diese den Einfluss der Instrumentation des Lohengrin zeigen, verkennt über der oberflächlichen Ähnlichkeit den fundamentalen Unterschied. Denn Verdi strebt hier keine wagnerische Verschmelzung der Klangfarben an. Vielmehr bleiben die verschiedenen klanglichen Sphären deutlich getrennt. Erst wenn die Blechbläser schweigen, treten die Holzbläser hervor und überlassen nach und nach den Violinen das Feld. Das Zusammenfliessen der Klänge des Krieges und der Liebe ist eine Illusion, die schon nach kurzer Zeit entlarvt wird, und dieser Vorgang führt ins dramaturgische und inhaltliche Zentrum des Werkes: Indem Radames dieser Illusion nachjagt und versucht, seine gesell­ schaftliche Funktion und seinen persönlichen Glücksan­ spruch zu vereinen, führt er die Katastrophe herbei. Denn die Kluft ist nicht zu überwinden. Und es ist eben diese Kluft zwischen dem Menschlichen und dem Politischen, die sich in der Brüchigkeit der Dramaturgie des Werkes wider­ spiegelt. Das Disparate dieser Dramaturgie zeigt, dass der Konflikt in der Welt, die das Stück zeigt, nicht lösbar ist, dass der Krieger kein liebender Mensch sein darf und dass der, der trotz allem versucht, sein Glück zu realisieren, vom Räderwerk der Politik zermalmt wird. Selbstverständlich ist die Welt, die Verdi hier zeigt, nicht das Alte Ägypten (mit dessen Realitäten die Oper ohnehin so gut wie nichts zu tun hat), sondern die, in der Verdi lebte, und es zeugt von der Kraft seines dramatischen Entwurfs, dass wir diese Beschreibung auch 150 Jahre nach der Urauf­ führung noch als ganz gegenwärtig empfinden. Werner Hintze



Romeo und Julia Romeo und Julia sind die Kinder zweier aufs Blut verfeindeter Familien. Den familiären und gesellschaftlichen Zwängen setzen sie die Kraft ihrer Liebe entgegen und ziehen am Ende den Selbstmord jedem Kompromiss vor. Nachdem das Ballett Zürich in dieser Saison mit Romeo und Julia bereits in Lateinamerika und Israel gefeiert wurde, kehrt Christian Spucks auf Shakespeares Tragödie basieren­des Erfolgsballett für drei Vorstellungen in den Spielplan zurück. «Viel choreografisches Herzblut und wachen Sinn für die Wirkungsmöglichkeiten des Handlungsballetts» bescheinigte die NZZ dem Zürcher Ballettdirektor nach der Premiere. Das komödiantische Element setzt er als fein dosierten Kontrast zum düster-tragischen Geschehen und findet mit dem Ballett Zürich und dem Junior Ballett aufwühlende Bilder, deren überwältigender Kraft man sich nicht entziehen kann. Dirigent Michail Jurowski gilt als einer der erfahrensten Interpreten für die Musik von Sergej Prokofjew. Unser Foto zeigt das Ballett Zürich beim Ball der Capulets. Wiederaufnahme: 28 Mai 2015 Weitere Vorstellungen: 30, 31 Mai 2015


Foto: Monika Rittershaus


Porträt 36

Balanchine tanzen wie er sämtliche physischen Möglichkeiten ausreizt und einen als Tänzer ein­lädt, ins Extrem zu gehen. Die klassische Ballett-Technik eines Marius Petipa hat er in ungewöhnlicher Weise genutzt und wei­tergeführt. So wurde er der Begründer des Neoklassizismus. Ohne die Kenntnis von Balanchines Werk ist es kaum möglich, die Weiterentwicklung des Tanzes bei Jiří Kylián, Hans van Manen oder gerade auch bei William Forsythe zu verstehen. Als Tänzer muss man Balanchine einfach tanzen, um sein Repertoire zu vervollkommnen. Dabei empfinde ich die raffinierte, kühle Schönheit seiner Kreationen als wirklich faszinierend. Seine Pro­ tagonisten lässt Balanchine immer im besten Licht erstrahlen, und natürlich ist es nicht nur für jeden Tänzer, sondern mehr noch für die Tänzerinnen sehr schmeichelhaft, sich so inszeniert zu sehen. «Ballet is a woman» ist ein Satz, der im Zusammenhang mit Balanchine oft zitiert wird. In Zürich waren The Four Temperaments seit 1977 nicht mehr zu sehen, damals war ich noch gar nicht auf der Welt. Für das Publikum ist es sicher interessant, wie meine Tänzer­ ge­ne­ration mit dieser Choreografie zurecht kommt. Eine tolle Vor­bereitung haben wir von Nanette Glushak bekommen, die das Ballett mit uns einstudiert. Sie war selbst Ballerina im American Ballet Theatre, wo sie mit Ba­lan­chine zusammengearbeitet hat und in vielen seiner Ballette aufgetreten ist. Sie hat den Balanchine-Style im Blut, und ihre Begeisterung und Leidenschaft sind wirklich ansteckend. Cristian Alex Assis

BALANCHINE – VAN MANEN – KYLIÁN George Balanchine: The Four Temperaments Hans van Manen: Frank Bridge Variations Jiří Kylián: Falling Angels Ballett Zürich, Junior Ballett Philharmonia Zürich, Musikalische Leitung: Mikhail Agrest Wiederaufnahme: 9 Mai 2015 Weitere Vorstellungen: 10, 16 Mai, 4, 7, 14, 25 Juni 2015

Illustration: Lina Müller

Der Ballettabend Balanchine – Van Manen – Kylián ist eine echte Herausforderung. Neben zwei berühmten Choreografien von Hans van Manen und Jiří Kylián tanzt das Ballett Zürich George Balanchines wegweisende Choreografie The Four Temperaments. Ich kann kaum glauben, dass dieses Ballett fast 70 Jahre alt ist. 1946 wurde es in New York von Balanchines «Ballet Society» uraufgeführt, aus der wenig später das New York City Ballet hervorgegangen ist. In Verbindung mit der Musik von Paul Hindemith wirkt das Ganze auf mich auch heute noch unglaublich frisch und vital. Dabei geht die Vorstellung, dass der menschliche Organismus aus vier verschiedenen Körpersäften oder Temperamenten zusammengesetzt ist, auf die griechische Antike zurück. In jedem von uns sollen diese vier Körpersäfte vorhanden sein, und die jeweilige Dominanz ergibt einen bestimmten physischen und psychischen Typus – den Typus des Melancholikers, des Sanguinikers, den Phlegmatikers oder des Cholerikers. Als Brasilianer bin ich wahrscheinlich am ehesten der cholerische Typ. Meine Freundin könnte das besser definieren… Dass es um die vier Temperamente geht, ist eigentlich gar nicht so wichtig. Obwohl die Komposition rein äusserlich auf der Vorstellung dieser Temperamente basiert, stellt weder die Musik noch die Choreografie eine spezifische Interpretation oder Bebilderung der vier Charaktere dar. Sie sind nur in Anklängen zu hören und zu sehen, die Temperamentenlehre war lediglich der Ausgangspunkt für Komponist und Choreograf. Wie in allen Balanchine-Choreografien spielt auch in den Four Temperaments die Musik gemeinsam mit dem Tanz die Hauptrolle. «Musik ist der Boden, auf dem wir tanzen», hat Balanchine einmal gesagt. Ganz am Anfang stelle ich mit meiner Partnerin Francesca Dell’Aria in einem kurzen, ruhigen Pas de deux das erste Thema vor. «The Art of Simplicity», die Kunst der Einfachheit, ist hier gefragt. Mit der ersten Sekunde muss man parat sein und sich konzentrieren. Man hat keine Möglichkeit, sich noch etwas Zeit zu lassen, denn nach zwei Minuten ist das Ganze auch schon wieder vorbei. Was ich an Balanchine bewundere, ist sein unglaubliches Ge­fühl für den Körper. Es ist faszinierend,


Für den Choreografen George Balanchine (1904–1983) war die antike Vorstellung von den vier Temperamenten Ausgangspunkt für ein Ballett.


Der Fragebogen 38

Wer ist Ihr Lieblingsschriftsteller? Das wechselt w immer wieder. Es gab eine ausgeprägte MartinSuter-Phase, Suter gerne mochte ich aber auch Wolfgang Herrndorfs Herr (Jugend-)Roman Tschick. Momentan lese ich Der Schwarm S von Frank Schätzing. Ihre Ihr Lieblingsfilme? Vergesse ich immer wieder. Stopp: Der Gott des Gemetzels Ve vvon Polanski. Passt auch wunderbar zu unserem Vivaldi! Ihr liebstes Laster? Schlafen «bis in die Puppen» und dann viel Kaffee im Sch Bett trinken.

W fällt Ih Was Ihnen auf, f wenn Si Sie iin Zü Zürich i h ankommen? k ? Wahrscheinlich, dass mir Zürich immer noch sehr vertraut ist. Ich habe ja vier Jahre lang in Männedorf gelebt. Dieser herrliche See und die Berge... Auf den ersten Blick wird es für mich immer eine idyllische «Bilderbuch-Welt» bleiben. Was würden Sie sofort verändern, wenn Sie Königin der Schweiz wären? Auf die Gefahr, dass ich mich jetzt bei dem einen oder anderen Opernhausbesucher unbeliebt mache: rundum freien Zugang zum See! Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? Sonnenuntergang, ein gutes Essen, ein Glas Wein... Vor dem Zelt in der Natur sitzen, nach einem erfüllten Tag auf dem Fahrrad. Was wäre das grösste Unglück? Nein – darüber mag ich nicht nachdenken. Welche musikalische Erfahrung hat Sie geprägt? Als sechsjähriger Zaungast habe ich bei den Chorproben meiner Eltern immer mitgesungen und erinnere mich besonders an Bachs Jesu meine Freude. Als Jugendliche das Singen im Jugendchor (Schütz, Dowland) und als Flötistin im Orchester Teil eines grossen Klangkörpers zu sein. Unlängst La Resurrezione mit Harnoncourt im Musikverein: sein Credo, immer im Moment zu musizieren und den Gedanken, «Heute hören Sie nur Uraufführungen!», finde ich wunderbar.

Welc Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung liebe lieben Sie am meisten? Ich b besitze einen wunderbar unpraktischen, altmodischen Schweizer Klapptoaster der Marke Jura. Er ist wunderS h schön. Die ersten Brotscheiben verbrennen allerdings immer. Man muss sich halt kümmern... Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Ihren künstlerischen Partnern? Sensibilität. Ein Gespür für das «Gesamte». Wenn man nicht darüber reden muss, sondern sowieso das Gleiche will. Humor. Welche menschlichen Schwächen entschuldigen Sie? Vergesslichkeit, vor allem was Geburtstage und Namen betrifft. Da komme ich selbst oft in Verlegenheit. In was verlieben Sie sich bei einem Menschen? Die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Eigensinn. Grosszügigkeit. Worum geht es für Sie in La verità in cimento? Ist es immer richtig, die Wahrheit zu sagen, auch wenn man andere damit verletzt? Oder ist es manchmal eher eine egoistische Tat, das Gewissen zu erleichtern? Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Ein Frühlingsvogelzwitscherkonzert wie gerade eben. Wissen, dass man geliebt wird.

WIEBKE LEHMKUHL ist Altistin. Sie ist ab 25. Mai in Antonio Vivaldis «La verità in cimento» als Rustena zu hören.


Kalendarium 39

Mai 2O15 14 Do

Robin Hood

14.OO

Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin Freier Verkauf, Kindervorstellung, CHF 2O–6O

La traviata 2O.OO

Oper von Giuseppe Verdi Donnerstag-Abo B, Preise F

15 Fr

Giselle

19.3O

Ballett von Patrice Bart, Musik von Adolphe Adam AMAG-Volksvorstellung, Preise VV

16 Sa

Führung durch das Opernhaus

14.OO

Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O

19.OO

Oper von Oscar Strasnoy Studiobühne, CHF 5O/35

21 Do

Fälle

19.OO

Oper von Oscar Strasnoy Studiobühne, CHF 5O/35

22 Fr

Giselle

19.OO

Ballett von Patrice Bart, Musik von Adolphe Adam Freitag-Abo B, Preise D

23 Sa

Führung durch das Opernhaus

14.OO

Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O

19.3O

Oper von Giuseppe Verdi Kombi-Abo, Preise F

La traviata

25 Mo

Brunchkonzert Venezianisches Barock Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 6O

11.15

Fälle

La verità in cimento Premiere Oper von Antonio Vivaldi Premieren-Abo A, Preise F

19.OO

Balanchine . Van Manen . Kylián 19.3O

Choreografien von George Balanchine, Hans van Manen und Jiří Kylián Freier Verkauf, Preise C

17 So

Giselle

14.OO

Ballett von Patrice Bart, Musik von Adolphe Adam Freier Verkauf, Preise D

JOSEF

HADER

TOBIAS

MORETTI

NORA

VON WALDSTÄTTEN

ROLAND

DÜRINGER

La traviata 2O.OO

Oper von Giuseppe Verdi Sonntag-Abo C, Preise F

18 Mo

Montagsgespräch mit Christian Spuck

19.OO

Restaurant Belcanto, CHF 1O

19 Di

Giselle

19.OO

Ballett von Patrice Bart, Musik von Adolphe Adam Misch-Abo A, Preise D

19.OO

Oper von Oscar Strasnoy Studiobühne, CHF 5O/35

REGIE

WOLFGANG MURNBERGER ROMAN WOLF HAAS

Fälle

2O Mi 19.OO

La traviata

MIERE VORPRE nheit von se e w n A in ADER JOSEF H aff

Oper von Giuseppe Verdi Mittwoch-Abo A, Preise F

21 Do

Liederabend Anja Harteros

19.OO

Lieder von Berg, Wolf und Brahms Lieder-Abo, Preisstufe A

Kino Riffr 21. Mai imooknow.ch www.l www.dasewigeleben.at

AB 28. MAI IM KINO

+


Kalendarium 40

26 Di

Lunchkonzert

12.OO

Venezianisches Barock Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 2O

6 Sa

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.OO

Für 6- bis 9-Jährige Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O

27 Mi

La verità in cimento

19.OO

Oper von Antonio Vivaldi Premieren-Abo B, Preise E

14.3O

Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O

Romeo und Julia Wiederaufnahme

15.3O

Treffpunkt Billettkasse, CHF 2O

Ballett von Christian Spuck Musik von Sergej Prokofjew Ballett-Abo, Preise D

19.OO

Aida Wiederaufnahme Oper von Giuseppe Verdi Wahl-Abo, Preise E

28 Do 19.OO

29 Fr

La verità in cimento

19.OO

Oper von Antonio Vivaldi Misch-Abo B, Preise E

3O Sa 13.OO

Ballettschule Faszination Tanz AMAG-Volksvorstellung, Preise VV

Führung durch das Opernhaus Führung in die Maske

7 So

Einführungsmatinee «I Capuleti e i Montecchi»

11.15

Bernhard Theater, CHF 1O

La verità in cimento 14.OO

Romeo und Julia 2O.OO

Ballett von Christian Spuck Musik von Sergej Prokofjew Wahl-Abo, Preise D

31 So

Romeo und Julia

14.OO

Ballett von Christian Spuck Musik von Sergej Prokofjew Freier Verkauf, Preise D

Oper von Antonio Vivaldi Sonntag-Abo B, Preise E

Balanchine . Van Manen . Kylián 2O.3O

Choreografien von George Balanchine, Hans van Manen und Jiří Kylián AMAG-Volksvorstellung, Preise VV

Mode·Leder·Pelze

La verità in cimento 19.3O

Oper von Antonio Vivaldi Sonntag-Abo D, Preise E

Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486 www.kueblerpelz.com

Juni 2O15 3 Mi 19.OO

4 Do 2O.OO

5 Fr

La verità in cimento Oper von Antonio Vivaldi Mittwoch-Abo B, Preise E

Balanchine . Van Manen . Kylián Choreografien von George Balanchine, Hans van Manen und Jiří Kylián Donnerstag-Abo A, Preise C

Führung Bühnentechnik

16.OO

Treffpunkt Billettkasse, CHF 2O

19.OO

Choreografien von Christian Spuck, William Forsythe und Edward Clug AMAG-Volksvorstellung, Preise VV

Strings

Die Die

neue Kollektion neue Leichtigkeit


Kalendarium 41

8 Mo

Liederabend René Pape

19.OO

Lieder von Beethoven, Dvořák, Quilter und Mussorgski Lieder-Abo, CHF 6O

9 Di 19.OO

1O Mi 19.OO

La verità in cimento Oper von Antonio Vivaldi AMAG-Volksvorstellung, Preise VV

12 Fr

Aida Oper von Giuseppe Verdi Misch-Abo C, Preise E

13 Sa

Ballett-Führung mit mini-Workshops

14.OO

Ballettsaal B, CHF 1O

Führung durch das Opernhaus

19.OO

Oper von Antonio Vivaldi Samstag-Abo, Preise E

14 So

Balanchine . Van Manen . Kylián

14.OO

Choreografien von George Balanchine, Hans van Manen und Jiří Kylián Sonntag-Abo A, Preise C

Aida Oper von Giuseppe Verdi AMAG-Volksvorstellung, Preise VV

16 Di

La verità in cimento

19.OO

Oper von Antonio Vivaldi Dienstag-Abo B, Preise E

17 Mi

Aida

19.OO

Oper von Giuseppe Verdi Mittwoch-Abo A, Preise E

19 Fr 2O.OO

2O Sa

22 Mo

Oper für alle

19.OO

Live-Übertragung von Giuseppe Verdis «Aida» auf den Sechseläutenplatz, Eintritt frei

19.OO

Oper von Giuseppe Verdi Verdi-Abo, Preise E

Aida

Oper von Vincenzo Bellini Premieren-Abo A, Preise G

Lunchkonzert

12.OO

Werke von Britten, Ives Kammermusik am Mittag Bernhard Theater, CHF 2O

19.OO

Donna Leon im Gespräch mit Joyce DiDonato, Bernhard Theater, CHF 1O

Montagsgespräch

24 Mi 19.OO

25 Do

I Capuleti e i Montecchi Oper von Vincenzo Bellini Premieren-Abo B, Preise F

Balanchine . Van Manen . Kylián

19.OO

Choreografien von George Balanchine, Hans van Manen und Jiří Kylián Ballett-Abo, Preise C

26 Fr

L’elisir d’amore Wiederaufnahme Oper von Gaetano Donizetti Belcanto-Abo, Preise F

2O.OO

27 Sa

Robin Hood

1O.3O

Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin Freier Verkauf, Kindervorstellung, CHF 2O–6O

14.OO

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

16.OO

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

19.3O

Oper von Vincenzo Bellini Samstag-Abo, Preise F

Die Gänsemagd

Die Gänsemagd

Strings Choreografien von Christian Spuck, William Forsythe und Edward Clug Freitag-Abo A, Preise B

Brunchkonzert Werke von Britten, Ives Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Bernhard Theater, CHF 6O

I Capuleti e i Montecchi Premiere 19.OO

Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O

La verità in cimento

19.3O

11.15

Aida Oper von Giuseppe Verdi Dienstag-Abo A, Preise E

19.OO

14.3O

21 So

I Capuleti e i Montecchi

Opernhaustag Die Werkeinführung findet jeweils 45 min. vor der Vorstellung statt.

BILLETTKASSE + 41 44 268 66 66


Serviceteil 42

BILLETTKASSE Öffnungszeiten: Mo-Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1,5 Stunden vor Vorstellungsbeginn. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.30-18.00 Uhr / F +41 44 268 65 55 / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich

beginns auf einen Sonn- oder Feiertag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person. OPERNHAUS-TAG Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 5O% Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter

VORVERKAUF Tickets für sämtliche Vorstellungen der Saison 14/15 sind unter www.opernhaus.ch und an der Billettkasse des Opernhauses erhältlich. Für schriftliche Kartenbestellungen sowie Bestellungen per Fax und E-Mail wird eine Bearbeitungsgebühr von CHF 5 erhoben. Die Benachrichtigung über die Platzzuteilung erfolgt in Form einer Rechnung, nach deren Begleichung die Karten per Post zugestellt werden. Für die postalische Zusendung von telefonisch oder online gebuchten Karten sowie bei deren Abholung an der Billettkasse wird eine Gebühr von CHF 5 erhoben. Onlinetickets können auch kostenfrei zuhause ausgedruckt werden.

ERMÄSSIGUNGEN Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Saisonbuch.

AMAG-VOLKSVORSTELLUNGEN Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu besuchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvorstellungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per Newsletter angekündigt. Die AMAG-Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufs-

MAG ABONNIEREN MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

berner symphonieorchester

BEETHOVEN @ BERN ALLE WERKE BEETHOVENS FÜR SOLO-KLAVIER UND ORCHESTER Dirigent: Mario Venzago 19. – 21. Juni 2015 | Kultur Casino Bern

Karten und weitere Informationen unter 031 329 52 52 www.konzerttheaterbern.ch


Serviceteil 43

BILLETTPREISE

SPONSOREN

Platzkategorien 1

2

3

4

5

92

76

65

43

16

Preisstufe B

141

126

113

56

2O

Preisstufe C

169

152

13O

56

2O

Preisstufe A

Preisstufe D

198

173

152

92

32

Preisstufe E

23O

192

168

95

35

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

ab

Preisstufe F

27O

216

184

98

38

Preisstufe G

32O

25O

22O

98

38

EVELYN UND HERBERT AXELROD

Preisstufe VV

75

59

44

25

15

FREUNDE DER OPER ZÜRICH

Kinderoper K

6O

5O

4O

3O

2O

WALTER HAEFNER STIFTUNG

Preisstufe P1

95

8O

65

5O

35

Preisstufe P2

125

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85

65

4O

Legi (Preisstufen A-C)

35

25

2O

18

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Legi (Preisstufen D-G)

45

33

25

2O

15

PRODUKTIONSSPONSOREN

SWISS RE ZÜRICH VERSICHERUNGSGESELLSCHAFT AG

WALTER B. KIELHOLZ STIFTUNG KPMG AG LANDIS & GYR STIFTUNG LINDT UND SPRÜNGLI (SCHWEIZ) AG MARSANO BLUMEN AG STIFTUNG MERCATOR SCHWEIZ FONDATION LES MÛRONS

PROJEKTSPONSOREN AMAG AUTOMOBIL- UND MOTOREN AG

Alle Preise in CHF

EGON-UND-INGRID-HUG-STIFTUNG

BAUGARTEN STIFTUNG FAMILIE CHRISTA UND RUDI BINDELLA RENÉ UND SUSANNE BRAGINSKY-

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AG PRO HELVETIA, SCHWEIZER KULTURSTIFTUNG ELSE VON SICK STIFTUNG SWISS CASINOS ZÜRICH AG PROFESSOR ARMIN WELTNERSTIFTUNG

STIFTUNG CLARIANT FOUNDATION FREUNDE DES BALLETTS ZÜRICH ERNST GÖHNER STIFTUNG

IMPRESSUM Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch, T + 41 44 268 64 00, info@opernhaus.ch

MAX KOHLER STIFTUNG KÜHNE-STIFTUNG RINGIER AG GEORG UND BERTHA SCHWYZERWINIKER-STIFTUNG VONTOBEL-STIFTUNG

Intendant Generalmusikdirektor Ballettdirektor Verantwortlich

Redaktion

Gestaltung Fotografie Bildredaktion Anzeigen Schriftkonzept und Logo Druck Illustrationen

Andreas Homoki Fabio Luisi Christian Spuck Claus Spahn (Chefdramaturg) Sabine Turner (Direktorin für Marketing, PR und Sales) Beate Breidenbach, Kathrin Brunner, Fabio Dietsche, Michael Küster, Claus Spahn Carole Bolli, Martin Schoberer, Florian Streit, Giorgia Tschanz Florian Kalotay, Danielle Liniger Stefan Deuber Christian Güntlisberger Nathalie Maier Studio Geissbühler Multicolor Print AG Laura Jurt (11,44) Lina Müller (36)

ZÜRCHER FESTSPIELSTIFTUNG ZÜRCHER KANTONALBANK GÖNNER ABEGG HOLDING AG ACCENTURE AG JOSEF ACKERMANN ALLREAL ARS RHENIA STIFTUNG ART MENTOR FOUNDATION LUCERNE AVINA STIFTUNG BANK JULIUS BÄR BERENBERG SCHWEIZ BEYER CHRONOMETRIE AG ELEKTRO COMPAGNONI AG STIFTUNG MELINDA ESTERHÁZY DE GALANTHA

MAG kooperiert mit dem Studiengang Redaktionelle Fotografie der Schweizer Journalistenschule MAZ

FITNESSPARKS MIGROS ZÜRICH FRITZ-GERBER-STIFTUNG

FÖRDERER CONFISERIE TEUSCHER FRANKFURTER BANKGESELLSCHAFT (SCHWEIZ) AG GARMIN SWITZERLAND HOREGO AG SIR PETER JONAS LUZIUS R. SPRÜNGLI ELISABETH STÜDLI STIFTUNG ZÜRCHER THEATERVEREIN


Sibylle Berg denkt über Operngefühle nach 44

Zu Beginn der Oper Aida träumt der junge Feldherr Radamès begeistert davon, in den Krieg zu ziehen und für seine Angebetete den Sieg davon zu tragen. Warum ziehen junge Männer eigentlich gerne in den Krieg? So schlicht es ist von den Männern zu sprechen, so unvernünftig scheint es, von dem Krieg zu reden. Nennen wir es doch einfach: den bewaffneten Wettbewerb. Und nennen wir die Männer einfach – viele Männer. Viele Männer, vielleicht ein wenig verwirrt, vielleicht jung, vielleicht voller Hormone und noch in der Adoleszenz, lieben das Risiko. Ihre jungen Hirne begreifen Sterblichkeit noch nicht. Sie wollen… Ja was eigentlich? Raufen, siegen, der Beste sein, unendlich sein. Darum spielen viele junge Männer Fussball. Klingt simpel, ist es auch, warum sollte man die Welt noch komplizierter machen, als sie ohnehin ist. Und nach dem Fussball folgt der Ernst. Männer werden entweder eingezogen und können sich nicht wehren, oder sie gehen freiwillig und wollen kämpfen für einen Gottesstaat oder irgendeine andere bescheuerte Idee. Es geht immer um: Alles! Vielen alten Männern ist die Erinnerung an die Armeezeit lebendiger als die erste grosse Liebe, die Geburt des Kindes oder ein Lottogewinn (vorausgesetzt, sie haben die Zeit unbeschadet und ohne Kriegsgefangenschaft überstanden). Dann glänzen die Augen, der Geruch von Lagerfeuer und feuchten Socken sitzt wie gestern in der Nase, es war die schönste Zeit des Lebens. Wie Ferienlager nur in erwachsen, wie Verliebtsein nur ohne Frauen, die nie wollen, was die Männer wollen, und die man nicht versteht. Aber Männer untereinander, durch etwas Grosses vereint! Das ist eine faire Sache. Alle treten mit derselben Behinderung an: Sie sind jung und wissen nicht, wie alles gehen

soll. Wo es Männer gibt, ist der Krieg zu Hause. Guter Satz, klingt abwertend, ist er nicht. Man kann zum Ausgleich sagen: Wo Frauen sind, geht es meistens um Männer. Immer noch. Gleichberechtigung, Vorstandsvorsitz, Weltherrschaft hin oder her. Aber wir wollten vom Krieg reden, den wir Schlacht nennen, in die Männer ziehen, um endlich gefährlich zu sein. Ein Krieger zu sein ist ungleich glamouröser, als den Grünen beizutreten und urban gardening zu betreiben. Da sind die Bilder im Kopf von Pferden, Waffen, gutsitzenden Uniformen. Bilder, die gerade der IS hervorragend bedient. Nur ohne Pferde. Ein Heer von gutaussehenden, lachenden Kriegern erobert die Welt und bringt Furcht über sie. Wer will denn nicht gefürchtet werden? Bedeutet es doch Macht oder eben den Heldentod. Die Männer sterben. Die Frauen weinen. Särge werden aus Flugzeugen geladen, mit Bannern, Musik spielt, Grabsteine werden aufgestellt, man kann sie besichtigen. Manchmal stehe ich an diesen Steinen irgendwo auf der Welt, lese die Namen, denke an junge Männer, die dachten, ihr Leben würde beginnen. Oder sie dachten nichts. Vielleicht mussten sie in den Krieg ziehen, aber viele von ihnen werden es genossen haben. Die Frauen daheim, die am Strassenrand gewinkt haben, oder ihnen Liebesbriefe schrieben, weil sie Helden waren. Und nun liegen sie irgendwo, ein bescheuerter Stein, Efeu, das war’s. Die Welt dreht sich weiter und hat sie längst vergessen. Die Frauen daheim haben Kinder oder Jobs in Vorstandsetagen. Die Kriege der Männer haben ihren Eingang in Geschichtsbücher gefunden. Oder noch trauriger: Sie stehen irgendwo im Internet. Sibylle Berg

Illustration Laura Jurt

Lust auf Krieg


n i e it t tr re i f

AIDA von Giuseppe Verdi Live-Übertragung auf den Sechseläutenplatz Sa 2O Juni 2O15 www.oper-für-alle.ch Präsentiert von


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Opernhaus Zürich und Swiss Re – eine inspirierende Partnerschaft. Ideen, Innovation, Inspiration – bewegen uns bei Swiss Re. Die Zusammenarbeit mit Menschen auf der ganzen Welt begeistert uns. Denn gemeinsam entdecken wir immer wieder neue Perspektiven und spannende Horizonte. Darum fördern wir auch kreatives Engagement und kompetente Leidenschaft – und die lebendige Kulturszene in Zürich. Sie regt an, sie berührt, sie lässt uns staunen und nachdenken. Und Gedanken austauschen, denn: Together we’re smarter. swissre.com/sponsoring


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