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Barcelona: Eine Stadt zwischen Tradition und Umbruch

Autorin: Céline Mülich

Barcelona ist eine internationale, weltoffene und zugleich sehr traditionsreiche Stadt.

Als Barcelona-Besucher genießt man nicht nur die lange und reichhaltige architektonische Geschichte der Stadt, sie erfreuen sich auch an dem vielschichtigen Angebot der über 60 Museen, Theatern und Konzerthäuser, wie zum Beispiel das „Gran Teatre del Liceu“ oder dem „Palau de la Música Catalana“. Erfreuen kann man sich ebenfalls an der vielseitigen Gastronomíe. Neben vielen südamerikanischen Restaurants und den verschiedensten Möglichkeiten, die asiatische Kochkunst zu genießen, findet man natürlich auch moderne vegetarische sowie spanische und die typische katalanische Küche. Jeder dürfte so sein kulinarisches Highlight finden.

Natürlich bietet Barcelona auch viel für den Sportenthusiasten. Für den Wanderer, dem Surfer oder dem vielseitig Sportbegeisterten. Zu den Attraktionen für über 8 Millionen Touristen jährlich, bietet die imposante Landschaft einfach alles, was der Aktive und auch der ruhige Genießer bevorzugen könnten.

Barcelona gilt nicht umsonst als beliebtes Reiseziel, denn es bietet durch seine Vielzahl an bedeutenden Stätten alles, um Kultur zu erleben.

Hinzu kommt das vergangene Wirken der großen hier ansässigen Künstler wie Picasso, Miró, Tàpies und Dalí.

Im historischen Zentrum finden Sie weitere interessante Sehenswürdigkeiten. Neben den „Las Ramblas“, die wie eine 1,2 km lange Ader durch das Zentrum fließen, können Sie die älteste Markt- halle Barcelonas - die „Boqueria“ - erkunden und sich von den vielfältigen Waren wie Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und Käse berauschen lassen. Sie können sich aber auch in einem der zahlreichen Cafes auf der Plaça Reial niederlassen und einfach die Sonne genießen. Denn auch die Katalanen sind genießerische Menschen, zudem ein natürliches und offenes Volk, denen es an Patriotismus nicht mangelt.

Vor drei Jahren ist auch die Autorin dieses Artikels den vielfältigen Reizen der Stadt erlegen und zog mit ihrem Ehemann von Frankfurt nach Barcelona. Vor Ort stellt sie den Touristen aus aller Welt Informationen für den Besuch der Stadt mit seinen über 60 Museen zur Verfügung und veröffentlicht alle Tipps auf zwei Internet-Portalen.

Die Gründungslegende

Es sind die Legenden, Geschichten und die Tradition, die Barcelona so charmant und außergewöhnlich machen.

So soll nach einer Legende der Halbgott Herakles die Stadt 1153 vor Christus gegründet haben, also 400 Jahre vor der Gründung Roms. Bei seiner Reise mit Jason und den Argonauten, die sich auf der Suche nach dem goldenen Vlies befanden, kam es zu einem Schiffsunglück. Eines der neun Schiffe, die das Mittelmeer durchkreuzten, ging während eines starken Sturmes an der katalanischen Küste verloren. Herakles machte sich auf die Suche nach diesem Schiff. Es zerschellte an einem Felsen, die Mannschaft konnte sich jedoch an Land retten. Als Herakles die Mannschaft fand und die Landschaft sah, sei er so begeistert von dessen Schönheit gewesen, dass er direkt eine Stadt an dieser Stelle gründen wollte. Er nannte die Stadt Barca Nona (ital.: neuntes Schiff) nach dem an dieser Stelle zerschellten Schiff.

Ernsthaft sprechen natürlich die verschiedenen archäologische Befunde gegen eine Gründung des Herakles. Belegbar ist aber die Eroberung der Gegend durch die Karthager im Zuge des zweiten punischen Krieges. Dies geschah im Jahre 218 v. Chr. - unter Hannibal Barkas.

Diese militärische Besetzung wird oft als Gründungsdatum Barcelonas angeführt. Aus der Folgezeit ist allerdings nur wenig bekannt, aber unter dem ersten Kaiser Roms, Kaiser Augustus, erhielt Barcelona den Namen „Barcino“. Es hatte das Aussehen eines Militärlagers, war aber weniger bedeutend als Tarragona, dem es unterstellt war. Man vermutet, dass Barcino von Soldaten im Ruhestand besiedelt wurde.

Der Augustustempel

Ein deutliches Überbleibsel aus dieser Zeit ist der Augustustempel, der allerdings etwas versteckt liegt. Hinter der Kathedrale an der Plaça la Seu, in der kleinen Gasse, erwartet man nicht unbedingt einen Tempel, der im 1 Jh. vor Chr. gebaut wurde. Doch verweisen Schilder auf „Römische Säulen“ – man wird allerdings in den Innenhof eines normalen Wohnhauses verwiesen.

Es eröffnet sich dem Besucher ein völlig unerwarteter Blick auf vier riesige antike Säulen des einstigen Tempels. Er wurde im späten 1. Jhr. v. Chr. zu Ehren Augustus auf dem Forum, der heutigen Plaça Sant Jaume, errichtet. Vier Jahrhunderte lang war der Augustustempel ein Ziel der Betenden und Bittenden, bis er am Ende des Römischen Reiches, die Zeit der Christianisierung, seine Rolle verlor. Bis ins 11. Jahrhundert hinein war er ein „Miraclum“ (Wunder), da er trotz seines ruinösen Zustandes immer noch stand. Man beging schließlich Häuser auf dem ehemaligen Forum zu bauen, da die Stadt expandierte. Im Mittelalter wurde sie zu einer Handelsmacht und es wurde jeder Platz für Wohnraum benötigt. Man verwendete sogar die Steine des Tempels zum Ausbau der Stadt.

Zum Glück wurden drei dieser Säulen nicht abgebaut, sondern in die entstandenen Wohnungen integriert. So sieht man in diesem Innenhof Bilder von Lesestuben und Versammlungsräumen, in denen Teile der Säulen herausschauen.

Ab dem 19. Jahrhundert entfachte die Diskussion, ob die Säulen für die Öffentlichkeit freigestellt werden sollten oder ob Sie zum Schutz im Inneren der Wohnungen verbleiben können.

Der Wanderclub Barcelonas kaufte damals das Gebäude und beauftrage den Architekten Lluis Domènech i Montaner, der auch den Palau de la Musica Catalana errichtete, mit der Gestaltung des Innenhofs. 1904 wurden die drei Säulen freigelegt und sind nun für alle sichtbar. Die vierte Säule wurde bei späteren Ausgrabungen gefunden und nachträglich in diesen Innenhof integriert.

Dieses besondere Gefühl, der Antike, vermischt sich mit dem Hier und Jetzt des Alltäglichen. Den Gerüchen aus den umliegenden Küchen, dem einen oder anderen Fernseher, dem Klatsch und Tratsch der Bewohner, die für die Beschallung des einzigartigen Innenhofs sorgen. Gerade diese Kombination macht den Ort so besonders.

Das Museum der Stadtgeschichte

Ein weiteres Highlight bei der Entdeckung der römischen Stadtgeschichte ist das „Museum der Stadtgeschichte Barcelonas“ im Palau Clariana Padellàs an der Plaça del Rei. Das Museum ist eine Zeitreise durch die Geschichte.

Zunächst betritt man einen Fahrstuhl, der seine Gäste mit der Etagenbeschriftung überrascht. Mit ihm gelangt man vom heutigen „Barcelona“ in das unterirdische „Barcino“. Hier entdecken Sie die Reste der einstigen römischen

Siedlung. Auf Stegen kommen Sie an den Ruinen eines römischen Bades und einer Färberei vorbei, durchschreiten einen Weinkeller und eine Fischverarbeitungsstätte.

Am Ende steigt man in das mittelalterliche Barcelona auf und gelangt in den ehemaligen Königspalast. Man sieht den Königssaal ‚Sala Tinell‘, in dem Columbus 1493 der Königin Isabell I. seine Geschenke aus der neuen Welt präsentierte. Von dort aus kann man die dazugehörige königliche Kapelle Santa Agatha besichtigen.

Als in den 1930er Jahren der gotische Palast ‚Casa Padellàs‘ dem Ausbaus der Via Laietana weichen musste und er Stein für Stein an eben diese Stelle der Plaça del Rei versetzt wurden, entdeckte man diese römische Ruinen. Die archäologischen Grabungen und Sicherung der Artefakte dauerten 10 Jahre.

Rechts: Eine der ausgegrabenen Skulpturen im Museum der Stadtgeschichte Barcelonas telalter hinein - durch weitere Heiraten und Eroberungen gestärkt und erweitert wurde. Barcelona war in dieser Zeit die größte Ansiedelung und der wichtigste Handelspunkt des Reiches. Hier entstand der katalanische Stolz, die katalanische Sprache und dies ist auch der Hintergrund für die Unabhängigkeitsbewegung heute. Die Macht der Krone Aragóns – ergo Barcelonas – reichte bis nach Frankreich, Italien und Griechenland. Diese Macht und Unabhängigkeit verlor Katalonien allerdings im 15. Jahrhundert. Der erste Schritt zum Verlust der Macht war die Hochzeit zwischen Ferdinand II. von Aragonien und Isabella I. von Kastilien im Jahr 1469. So verbanden sich die beiden spanischen Königsgeschlechter. Isabella I. war allerdings eine starke Frau, die das politische Zentrum von Barcelona nach Toledo verlegte. Hinzukam der Handelsrückgang, der bedingt durch die Entdeckung Amerikas entstand.

Gravur der katalanischen Karte an der Porta Sant Jordi im barocken Leutnantspalast (Palau del Lloctinent). Es handelt sich um eine Arbeit des spanischen Bildhauers Josep Maria Subirachs, der auch die Passionsfassade der Sagrada Familia gestaltete.

Die Entstehung der katalanischen Flagge

Im Mittelalter wuchsen Barcelona, bzw. Katalonien, zur mediterranen Macht heran und eine weitere Legende bildete sich um die Entstehung der katalanischen Flagge.

Graf Wilfried I. von Barcelona, auch Wilfried der Haarige genannt, lebte im 9. Jahrhundert. Er war ein katalanischer Adeliger und gilt als Gründer Kataloniens. Sein Lehnsmann war Karl der Kahle. Wilfried war der letzte von den Franken eingesetzte Graf in dieser Region. Er erhielt das Recht, Titel und Ländereien zu vererben – ab jetzt stimmte der Frankenkönig lediglich der Entscheidung des Grafen zu. So entstand die Dynastie der Grafen von Barcelona und die Grundlage der Unabhängigkeit Kataloniens.

Wilfried der Haarige wurde schließlich in einer Schlacht schwer verletzt. Karl der Kahle besuchte Wilfried am Krankenbett. Er steckte dem Verwundeten vier Finger in die blutende Wunde und zeichnete damit vier rote Streifen auf das goldene Schild Wilfrieds. Da dieser noch keine eigenes Wappen hatte, wurden diese zu den „Quatre barres“, die das gelbe Tuch der katalanischen Fahne, der so genannten „Senyera“, durchziehen.

Tatsächliche Macht erreichte Katalonien dann im 12. Jahrhundert: der Graf von Barcelona, Ramon Berenguer IV., verlobte sich 1137 mit der erst einjährige Erbin des Königreichs Aragón, Petronella von Aragón. Mit der darauf folgenden Hochzeit im Jahre 1150 entstand die Staatsgemeinschaft, die als „Krone Aragóns“ bekannt wurde. Das war der Grundstein, der im Laufe der Jahre – bis ins Spätmit-

Ein weiterer Schritt war der Spanische Erbfolgekrieg (1700-1713). Barcelona setzte auf den falschen Verbündeten. Als der französische König Karl II. kinderlos verstarb, unterstützten die Katalanen den habsburgischen Thronanwärter Erzherzog Karl. Als aber der Bourbone Philipp von Anjou (Philipp V.) gewann, wurde Katalonien von ihm beim Frieden von Utrecht (1713) bestraft. 1714 wurde Katalonien von französischen Truppen erobert, die katalanischen Institutionen wurden aufgelöst und die Selbstverwaltung endete.

Rechts: La Diada: Jugendliche machen es sich auf dem Monument des Dichter Jacint Verdaguers bequem. Unten: Die „Carrer Ferran“ ist die ehemalige Hauptstraße der römischen Siedlung. Sie führt auf die Plaça Sant Jaume, die das ehemalige Forum der römischen Siedlung bildete. Hier finden Sie das Rathaus und können auch das Stadtwappen sehen. Eine Mischung aus der katalanischen Flagge und der des heilgen Georgs.

Dieses historische Ereignis ist Anlass für die jährlich am 11. September stattfindenden Demonstrationen für die Unabhängigkeit Kataloniens. Beim 300-jährigen Jahrestag 2014 waren ca. 1,8 Millionen Menschen unterwegs. Auf den Straßen „Avinguda Diagonal“ und „Gran Via de les Corts Catalanes“ formierten sich Katalanen in roten und gelben T-Shirts zu zwei katalanischen Flaggen und da die Straßen wie ein V aufeinander stoßen, entstand so ein riesiges Viktory-Zeichen.

Getragen von dieser Euphorie trieben die Katalanen ihre Unabhängigkeit weiter voran. Sie sollte in einem offiziellen Referendum am 09.11.2014 enden. Aber die große Wahl wurde aus den Angeln gehoben – sie fand statt, aber Madrid stellte klar, dass diese Wahl keine rechtliche Grundlage habe. So war die Wahl letztendlich nur eine Abstimmung – die auch nicht mehr mit dem vollen Elan angenommen wurde. Lediglich ein Drittel der wahlberechtigten Katalanen gingen zur Wahl. 80% von ihnen wählten, dass Katalonien ein eigenständiger Staat werden solle.

Der „Día Nacional de Catalunya“ auch „La Diada“ genannt: am 11. September 2014 waren mehr als 1,8 Millionen Katalanen auf der Straße und bildeten ein riesiges Viktory-Zeichen.

Selbst Hunde werden am 11. September mit der katalanischen Flagge geschmückt

MNAC – 1000 Jahre Kunst aus Spanien

Wenn man von der Plaça d‘Espanya aus auf den Montjuic – den Hausberg Barcelonas – hinaufschaut, fällt dem Besucher ein riesiger Palast auf. Es ist das Museu Nacional d‘Art de Catalunya (MNAC), das über Barcelona thront. Der Palast wurde1926 im Rahmen der Weltausstellung von 1929/30 errichtet. Er war das Hauptgebäude und hinter ihm, auf dem Montjuic, standen weitere Pavillons aus 29 Nationen.

Der Palau Nacional zeigte während der Weltausstellung über 4000 spanische Kunstwerke. Daraus entstand die Idee den Platz für ein neues Museum zu nutzen. Am 11. November 1934 öffnete das Museu d‘Art de Catalunya seine Pforten und zeigte katalanische Kunst vom Mittelalter bis zum Barock.

In Folge eines Museumsgesetzes wurden 1990 das Museu d‘Art de Catalunya (mit romanischer und gotischer Kunst, Werken der Renaissance und des Barock) und das Museu d‘Art Modern (mit Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts) zu einem Nationalen Museum zusammengeschlossen. Das Ergebnis ist das MNAC, das heute 1000 Jahre Kunstgeschichte zeigt.

Die Sammlung des MNAC ist geprägt von spanischen und katalanischen Künstlern. Diese Kombination mag auf den ersten Blick schwierig erscheinen, ist aber sehr interessant. Obwohl man hier weniger die großen Künstler vertreten sieht, wird die spanische Kunst sehr gut vermittelt. Man entdeckt Übereinstimmungen und auch Unterschiede zu der uns bekannten deutschen Kunst. Natürlich findet man in der Ausstellung auch die Werke der spanischen Künstler Pablo Picasso, Joan Miró und Salvador Dalí. Aber vor allem sind es national bekannte Künstler. Wer einen Tiepolo, Rubens oder einen Cranach sehen möchte, der wird aber trotzdem nicht enttäuscht: Die separate Sammlung „Thyssen-Bornemisza “ zeigt international bekanntere Künstler.

Die Architektur des MNAC ist sowohl innen als auch außen spektakulär. Vor allem die Kuppel im ersten Stock sowie der Festsaal, der 5000 m² groß ist und Platz für 20.000 Menschen bietet. Die Ausstellungsarchitektur ist gerade im romanischen Teil der Sammlung einmalig. Romanische Kirchenfresken wurden abgetragen und hier in einer kuppelförmigen Architektur wieder integriert. Es ist, als ob man eine Kirche durchschreiten würde.

Der Besuch des MNAC wird schließlich mit einer grandiosen Aussicht auf die Plaça d‘Espanya abgerundet.

Oben: Der Drachentöter Jordi an einer Hausfassade in Barcelona. Unten: Die Dämonen des Corre Foc © Foto: www.AndrzejWitek.com

Wichtige Schutzpatrone

Barcelona hat sehr viele Schutzpatrone und fast jedem ist ein großes Fest gewidmet. Sie sind Teil der katalanischen Tradition, bei der es drei Hauptfiguren gibt. Bei der ersten Figur handelt es sich um St. Jordi, den heiligen Georg. Der Sage nach rettete er die Königstochter und tötete den Drachen, der jährlich ein jungfreuliches Opfer verlangte. Danach lassen sich die vom Bösen erlösten Menschen aus Dankbarkeit taufen. Aus dem Blut des Drachens erwuchsen rote Rosen.

In Barcelona sieht man häufig Abbildungen vom Drachentöter: an Hausfassaden, am Rathaus und auch die Flagge Barcelonas geht auf ihn zurück – eine Mischung aus den Streifen der katalanischen Flagge und roten Kreuzen auf weißem Grund (wie die Engländer es auch haben). Sein Feiertag – also „Sant Jordi“– wird am 23. April gefeiert, ein besonderer Tag, der auch als Tag der Verliebten in Katalonien gilt. Das Datum fällt außerdem mit dem Tag des Buches zusammen, dem Geburtsund Todesdatum von William Shakespeare sowie dem Todestag von Miguel de Cervantes.

In dieser Kombination entstand also eine typisch katalanische Tradition: es ist der hiesige Valentinstag. Die Frauen bekommen an diesem Tag Rosen und die Männer bekommen Bücher geschenkt. In ganz Barcelona sieht man Blumen- und Buchstände.

Ein weiterer Schutzpatron ist Sant Juan, der Apostel Johannes. „Sant Juan“ oder auch die „Nit del foc“ (Nacht der Feuer) wird in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni gefeiert. Man kann sich das als katalanisches Silvesterfest vorstellen. Denn während es an Silvester kein Feuerwerk gibt, entzünden die Katalanen hier die Feuer. Die Kinder erfreuen sich an Knallfröschen und kleinen Feuerwerkskörpern, während sich die Eltern den großen Feuern widmen. Es ist ein Fest, um den Sommeranfang zu begrüßen. Das Feuer hat allerdings auch eine tiefere Bedeutung: man entledigt sich alter Sünden und Altlasten. Das tut man, indem man alte Möbel ins Feuer wirft. Neben dem Feuer hat auch das Wasser in dieser Nacht eine große Bedeutung. Deswegen findet die größte Party auch am Strand statt. Man tanzt und feiert und viele springen um Mitternacht ins Meer. Denn das Wasser soll in der Nacht Sant Juans heilende Wirkung haben und den Körper von Krankheit heilen. Das gleiche wird an diesem Festtag auch Kräutern zugesprochen.

Das größte und wichtigste Fest – die Fiesta Major – ist aber der Schutzheiligen Mercè gewidmet und wird um den 24. September herum, 7 Tage lang, ausgiebig gefeiert.

Der Legende nach ist die Jungfrau Mercè in der Nacht des 24. September 1218 drei Männern im Traum erschienen – darunter dem König Jaume I. Sie erteilte den Männern den Auftrag, einige christliche Mönche aus den Händen der Sarazenen zu befreien. Es war die Zeit der Religionskriege und die Mauren besetzten das Land. Außerdem wandte die Heilige im Jahr 1687 eine Heuschreckenplage von Barcelona ab und befreite die Stadt von der Pest.

Nachdem Papst Pius IX. 1868 die Jungfrau von Mercè zur Schutzheiligen der Stadt erklärte, feiert man seit 1871 ihr zu Ehren die ersten Feste - jeweils im September.

Während der 7 Tage andauernden Festlichkeiten gibt es verschiedene Veranstaltungen. Es ist ein großes Stadtfest mit Musik, den sogenannten Castelleres, den Gigantes (riesige Pappmascheefiguren), Shows und Umzügen. Und natürlich mit dem berühmt-berüchtigten „Corre foc“ (dem Feuerlauf).

Die Prozession des Corre foc findet normalerweise auf der Via Laietana statt. Mit dem Einbruch der Dunkelheit kommen dann die Teufel und Monster mit ihren riesigen „Wunderkerzen“ heraus und laufen durch die Massen. Man muss alte Kleidung wählen und Gesicht, Haare und Augen bedecken, denn die Feuerläufer verhalten sich wie Dämonen und kennen keine Gnade.

Der katalanische Modernismus

Viele Menschen verbinden Barcelona mit einem ganz besonderen Mann, einer besonderen Architekturepoche und einem bestimmten Gebäude: Antoni Gaudi –Modernisme – Sagrada Familia. Keiner hat die Stadt architektonisch so sehr geprägt wie er.

Gaudi wuchs in einer Zeit der Revolution hinein. Es ist das späte 19. Jahrhundert/ frühe 20. Jahrhundert. Es ist die Zeit des spanischen Anarchismus, der Industrialisierung, die neue Materialien hervorbrachte und des katalanischen Modernismus. Diese kulturgesellschaftliche Erneuerungsbewegung fand ihren Ausdruck in Kunst, Literatur und Musik, vor allem aber in der Architektur. Es war eine Hinwendung zum Rationalismus, mit Materialien aus Ziegelstein und Eisen, aber auch eine Hinwendung zur Natur und zu floralen Motiven, die Gaudi mit seinen geschwungenen Linien, unregelmäßigen Grundrissen und schrägen Stützen zur Vollendung brachte.

Gaudi hatte viele Anhänger. Darunter reiche Barcelonesen, die seinen neuen Architekturstil unterstützten und ihm Aufträge zur Gestaltung ihrer Häuser erteilten. Die Casa Batlló, der Palau Güell, die Casa Milà und auch der Park Güell - sie sind alle private Aufträge gewesen.

Schließlich wandte sich auch die Stadt an ihn und er übernahm die Leitung der bereits begonnenen Arbeiten an der Sagrada Familia. Dies war sein Lebenswerk, denn er verbrachte die letzten 43 Jahre seines Lebens auf dieser Baustelle, bis er 1926 an den Folgen eines Straßenbahn-Unfalls starb. Die Sagrada Familia ist bis heute unvollendet. Es fehlen noch 10 Türme und die Hauptfassade, die bis zum Jahr 2026 - dem hundertjährigen Todesjahr Gaudis – fertiggestellt werden sollen.

Rechts: Der Parc Güell. Seit 2013 ist dieser leider nicht mehr kostenlos zu besichtigen. Mit Zeittickets sollen die Menschenmassen, die täglich in den Park strömen, besser kontrolliert werden.

Die Tradition der Castelleres

Die Castelleres sind Menschentürme, die einer der Programmpunkte beim MercèFest sind. Ihren Ursprung haben sie in Tanzveranstaltungen, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Valls bei Tarragona stattfanden.

Bei diesen wurde gegen Ende jedes Tanzes eine abschließende Hebefigur entwickelt. Diese Hebefiguren wurden immer ausgeklügelter und riskanter und sie waren das Highlight dieser Tänze. So kam es, dass die Figuren weiter entwickelt wurden. Es entstanden eigene Vereine und Wettkämpfe. Der Tanz ging in den Vereinen irgendwann verloren und man konzentrierte sich nur noch auf den Aufbau der Menschentürme.

Die Castelleres-Vereine sind in ganz Katalonien verbreitet und sie treten regelmäßig gegeneinander an. Sie sind auch bei Stadtfesten und Feiertagen zum

Amüsement in den Städten zu sehen. Es gibt verschiedene Arten von Türmen, denn deren Aufbau kann unterschiedlich ausgeführt werden. Wichtig ist allerdings, dass sie meist bis zu neun menschliche Stockwerke erreichen. Dabei sind die kräftigsten Männer im unteren Stockwerk, der „Pinya“ (Zapfen) – sie werden von der umstehenden Menge gestützt. Je höher man kommt, desto mehr Frauen, Jugendliche und Kin- der kommen zum Einsatz. Das leichteste Kind darf den „Schlussstein“ bilden. Es trägt den Namen „Enxeneta“ (Eichhörnchen) und muss für einige Sekunden an der Spitze den Arm heben – und wenn der Turm in dieser Zeit nicht bricht, haben sie es geschafft. Dann wird der Menschenturm schnell wieder abgebaut, damit die unteren Stockwerke entlastet werden. Das Spektakel dauert meist um die 10 Minuten.

Barcelona heute

Unter der Diktatur Francos wurden die Castelleres verboten. Das war natürlich nicht das einzige Verbot, das die Katalanen ertragen mussten. Die katalanische Sprache wurde untersagt, Straßennamen wurden hispanisiert und die Eigenständigkeit Kataloniens litt wieder unter der Macht Madrids.

Mit dem Ende der Diktatur lösten sich die Einwohner Barcelonas recht schnell von den Restriktionen. Die Straßen wurden wieder umbenannt, die Sprache zog wieder in die Schulen ein und Waren trugen wieder ihre katalanische Bezeichnung.

Katalonien erhielt wieder mehr Eigenbestimmung (Estatu de Autonomia) und nutzt diese heute auch für ihr langfristiges Ziel: die komplette Unabhängigkeit.

Inzwischen hat auch die Moderne Einzug in das Stadtbild erhalten. Die Modernisierung der Stadt begann im Vorfeld der

Olympischen Spiele, die im Jahre 1992 in Barcelona stattfanden. Barcelona wollte sich weltoffen und modern präsentieren. Um dieses Ziel zu erreichen, entwickelte man ein modernes Metronetz und säuberte die Stadt. Der Stadtstrand wurde angelegt und es entstanden immer mehr moderne Gebäude.

Diese neuen Gebäude prägen heute ebenfalls das Stadtbild Barcelonas: zum Beispiel die zwei Hochhaustürme am Hafen, die das „Olympisches Dorf“ bilde- ten, denn hier befanden sich die Apartments für die Sportler. Später kamen ein weiteres Hotel am Strand und der Torre Agbar hinzu.

Der Torre Agbar, mit seiner auffallenden architektonischen Form, war zunächst das Bürogebäude der Wassergesellschaft. 2014 wurde er aber für eine hohe Summe von einer Hotelkette gekauft.

Auch die Jugend zelebriert IHR Barcelona mit verrückten neuen Festen und Aktio- nen. Dazu gehört die alljährliche Kissenschlacht auf der Plaça Catalunya oder das Holi-Fest, auf dem hiesige indische Tanzvereine auftreten.

Diese Art von Aktionen lenkt die „Verlorene und bestens ausgebildete Generation Spaniens“ von ihrer Arbeitslosigkeit ab, die seit der Krise 2007/2008 vor allem unter den jungen Leuten herrscht. Trotzdem spürt man überall einen Optimismus, dass man die Krise doch bald überwinden wird. Einer der spanischen Filme, der dieses Thema aufgreift, heißt „Perdiendo el norte“ (Den Norden verlieren). Im Film wird eben diese Generation, die nach Deutschland auswandert, um Arbeit zu finden, vorgestellt. Eine Sequenz aus dem Film ist besonders amüsant: „Es gibt so viele Deutsche, die auf Mallorca und im restlichen Spanien leben und so viele Spanier, die nach Deutschland gehen, um Arbeit zu finden – eigentlich müsste man die Namen der beiden Länder tauschen…“.

Museu Europeu d’Art

Modern

In einer kleinen Seitenstraße, gleich um die Ecke vom Picasso Museum, findet man einen echten Geheimtipp für Museumskenner. Ganz anders als beim prominente Museum in der Nachbarschaft, gelangt man hier direkt, ohne lange Warteschlange, in die Ausstellung. Das Museu Europeu d’Art Modern (MEAM) wurde im Palau Gomis, im Stadtteil Born, eröffnet. In diesem Teil der Altstadt ist katalanische Kultur allgegenwertig. Und auch das Museum verbindet Tradition und moderne Kunst auf besondere Art und Weise miteinander.

Das MEAM wurde im Juni 2011 eröffnet und es gehört der privaten Stiftung „Fundació de les Arts i els Artistes“ (Stiftung der Kunst und der Künstler) an. Die Künstler sind hier sehr stark in das Geschehen des Museums involviert. Mit ihrer Unterstützung wurde das Projekt trotz Weltwirtschaftskrise zum Ziel geführt.

Das MEAM fördert vor allem die figurative Kunst des 20. Und 21. Jahrhunderts. Diese Künstler erhalten nämlich immer seltener einen Platz in zeitgenössischen Museen, die derzeit ihr Augenmerk hauptsächlich auf abstrakte Werke werfen. Im MEAM ist es umgekehrt: Sie werden hier keine abstrakten Werke finden, dafür aber viele figurative Schmuckstücke.

Das Gesamtkonzept des MEAMs ist somit in vielfacher Hinsicht interessant. Zum einen ist es ein Museum der modernen Kunst, das sich in einem alten, original belassenen Gebäude befindet. In den Ausstellungsräumen erklingt außerdem leichte Hintergrundmusik, die einen ganz besonderen Reiz der Ausstellung ausmacht. Und die Künstler arbeiten direkt mit der Stiftung zusammen.

Sie finden eine Bandbreite an Kunstgattungen: Malerei, Skulptur, Fotografie und auch Zeichnungen. Die Themen sind ebenfalls Vielfältig: es wird Kritik an der Gesellschaft geübt, am Krieg, es werden makabre Szenen gezeigt und auch religiöse Darstellungen werden aufgegriffen.

Abschließend soll eine weitere Legende nicht unerwähnt bleiben: Sie handelt von der „Fuente de Canaletas“ oder „Font de Canaletes“(katalanisch), einem Brunnen, der sich am oberen Ende der Ramblas befindet. Auf einer Plakette steht geschrieben:

„Si beveu aigua de la Font de Canaletes sempre més sereu uns enamorats de Barcelona. I per lluny que us n’aneu, tornareu sempre.“ (katalanisch) – „Wenn ihr Wasser aus dem Canalet-Brunnen trinkt, werdet ihr euch in Barcelona verlieben. Und egal wie weit ihr weggeht, ihr werdet immer wieder hierher zurückkehren!“

Auf der Seite www.barcelona-museum. com stellt sie die vielen Museen Barcelonas vor. Mit den Kategorien „Für Kunstliebhaber“, „Für Gaudi-Fans“ oder „Für Familien“ gibt sie deutschen Touristen einen Überblick über das Angebot, Tipps und weiterführende Informationen.

In einem weiteren Ratgeber unter www. BCNDiscovery.com sind Testberichte von vielen Stadtführungen zu finden. Sie nimmt an diesen teil und erklärt anschließend auf der Webseite, was man beim Buchungsprozess oder beim Treffpunkt beachten sollte, und ob sich diese Touren lohnen. Dieses Angebot ist für deutschund englischsprachige Touristen konzipiert.

Über die Autorin

Céline Mülich studierte Geschichte und Kunstgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen und arbeitete 6 Jahre in der Abteilung „Bildung und Vermittlung“ im Städel Museum und der Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt am Main. 2012 zog sie nach Barcelona. Dort machte sie sich mit 2 Webseiten über Barcelona selbständig.

Damit will sie zum einen die Barcelona-Besucher unterstützen und auf der anderen Seite kann sie ihren Leidenschaften – Museen und Kultur – nachgehen.

Alle Fotos: © Céline Mülich

Céline Mülich http://www.barcelona-museum.com http://www.BCNDiscovery.com

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