Hängebrücke Punt Ruinaulta, Trin/Bonaduz Die rund 105 m lange Hängebrücke Punt Ru inaulta bei der Station Trin, ein Wanderweg zwischen Ilanz und Reichenau, der über zwei Viaduktstege führt, und eine Aussichtsplatt form öffnen die Naturlandschaft der Ruinaul ta-Schlucht während der Sommermonate neu einem sanften Tourismus. Die 14 km lange Schlucht mit den bizarren weisslichen Fels formationen war bisher nur durch die Rhäti sche Bahn erschlossen. Aufgrund ihrer nationalen Bedeutung wurde die Ruinaulta – der rätoromanische Name setzt sich aus den beiden Wörtern ruina (Geröllhalde, Steinbruch) und aulta (hoch) zusammen – 1977 als eines der ersten Ge biete ins ‹Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler› aufgenommen. Ihr Ur sprung liegt im gewaltigen Flimser Bergsturz vor über 10 000 Jahren, nach dem sich der Vorderrhein bei Ilanz bis zu 400 m tief ins Ge lände gegraben und eine einzigartige Land schaft geschaffen hat. Im Laufe der Zeit ent stand ein Ort voller geheimnisvoller Seen in einem Bergwald, mit seltenen Orchideenarten und vielen Brutgelegenheiten für bedrohte Vogelarten. Sanfte Sandbänke wechseln ab mit wilden Stromschnellen und machen das Gebiet der Rheinschlucht für Wanderer, Biker, Rafter, Kanuten und Naturfreunde gleicher massen zum Erlebnis. Das Verständnis für den Naturschutz soll durch einen sanften Tourismus gefördert wer den. Die drei Infrastrukturbauten – die Hän gebrücke Punt Ruinaulta, der Wanderweg mit den Viaduktstegen und eine Aussichtsplatt form – sollen die beeindruckende Schlucht der
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einheimischen Bevölkerung und den Gästen zugänglich machen und eine vielseitige Nut zung des touristischen Potentials der Rhein schlucht für die Region ermöglichen, die von der Natur geschaffenen Werte aber auch erhalten. Das Projekt übernimmt ökologische Verantwortung, indem es einerseits mit der geschickten Wegführung des Steges Rücksicht auf den ausserordentlichen Naturraum nimmt und indem andererseits ein wesentlicher Teil des Tragwerkes aus dem Holz der Wälder um liegender Gemeinden stammt. Die Hängebrücke Punt Ruinaulta ist über ihre Funktion als Weg hinaus auch ein Brücken schlag im Dienste der Allgemeinheit. Der Bau ist eine Gemeinschaftstat, indem er allseits kräftige Unterstützung gefunden hat und von umliegenden Gemeinden mitfinanziert wurde. Das Werk benötigte indessen von der Grün dung der IG Ruinaulta im Jahre 1998 bis zur Vollendung im November 2010 sehr viel Zeit, Geduld und viel Reflexion. Die 105 Meter lange Hängebrücke ist in zwei Felder aufgeteilt. Das mittlere Pylonpaar steht dabei auf dem gegenüberliegenden Flussufer, während sich das dortige Widerlager an den bewaldeten Hang schmiegt. Auf der Flusseite der Bahn kann die Hängeseilbrücke nicht wie üblich rückverankert werden, da die Ver ankerung im Lichtraumprofil der Bahn positio niert würde. So erscheint hier das Widerlager und dessen Zugang zur Brücke skulptural und aussergewöhnlich. Es hat aber auch eine räumliche Qualität, welche durch die geneig ten Flächen und die Schattenwürfe zu einem sinnlichen Erlebnis wird. Der Raum im Wider lager verfügt auch über eine Art Hinteraus
gang, eine schmaler gehaltene Öffnung, durch die hindurch dereinst der geplante Weg Richtung Ilanz begangen werden kann. Das Tragverhalten und die Funktion der Trag elemente sind trotz ihrer Komplexität gut les bar. Die Brücke ist ein schwebendes Bauwerk frei von jedem Zierat und beeindruckt allein durch ihre filigrane Konstruktion, wodurch die heroische Umgebung im Vordergrund bleibt. Speziell ausgebildet ist die schlanke, an den Längsträgern aufgehängte Gehfläche in Lär chenholz mit quer verlaufenden Rippen im Querschnitt100 x 150 mm. Um die Windan griffsfläche zu reduzieren, ist der Querschnitt beidseitig in den Enden mit einer spitzen ‹Windnase› versehen. Somit ist die Gehfläche windschlüpfrig, und die Rippen bilden die Gehfläche als einen ‹Vierendeelträger› aus, mit dem positiven Aspekt, dass ein Wind- und Stabilitätsverband entfallen konnte. Die Luft schlitze zwischen den Rippen begünstigen das Abfliessen des Regenwassers, und das Holz ist stets gut luftumspült. Somit kann es schneller trocknen und hält länger. Deshalb kann auf chemischen Holzschutz verzichtet werden. Die Seile von der Gehfläche sind rautenförmig am längsverlaufenden Träger eingehängt und bewirken somit eine Versteifung der schmalen Gehfläche durch Fachwerkwirkung. Die Montage erfolgte mit einer provisorischen Seilbahn. Die angelieferten Einzelteile wurden vor Ort auf rund 8 m Länge zusammengestellt und schliesslich mit Hilfe der Seilbahn mon tiert.