Ethik
Interessant an diesem Phänomen ist, dass sich zeigen lässt, dass Abwertungen gegenüber einer bestimmten sozialen Gruppe (z.B. gegenüber „Fremden“) strukturell mit Abwertungen gegenüber anderen sozialen Gruppen zusammenhängen (z.B. gegenüber Frauen oder Muslimen). Diese Zusammenhänge sind symptomatisch, so dass von einem Syndrom GMF gesprochen wird. Das, was diese (Fremd-)Gruppen dabei meist gemeinsam haben, ist ihr tatsächlicher oder vermeintlich niedriger sozialer Status. Kern der GMF ist stets eine Grundauffassung, dass Menschen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen nicht gleichwertig seien. Diese „Ideologie der Ungleichwertigkeit“ (ebd.) zeichnet also das Syndrom GMF aus. Zwei Ursachen von GMF können neben anderen ausgemacht werden, erstens der Autoritarismus (Altemeyer 1981) und zweitens die Soziale Dominanzorientierung (Sidanius & Pratto 1999). Autoritarismus zeichnet sich dadurch aus, dass autoritär eingestellte Personen „starke Führer“ suchen und meinen diese zu brauchen, was sich in ihrer Hingabe und Unterordnung diesen Führern gegenüber zeigt. Gleichzeitig tendieren Personen mit diesen Einstellungen dazu, Schwächere mit aggressiven Sanktionen zu versehen und Normabweichler*innen bestrafen zu wollen. Die „Welt im Allgemeinen“ wird dabei häufig als bedrohlich empfunden, worauf mit Ordnungswille und Konformismus reagiert wird. Darüber hinaus zeigt sich in Studien weltweit, dass die Präferenz für soziale Hierarchien mit ausschlaggebend dafür ist, ob Personen Minderheiten abwerten oder nicht. Diese sogenannte Soziale Dominanzorientierung basiert im Kern darauf, dass Personen mit diesen Einstellungen ihren (ggf. vorhandenen) höheren sozialen Status gegenüber anderen verteidigen möchten, weil sie ihren Einfluss und ihre Deutungsmacht erhalten möchten. Neben diesen eher psychologischen Ursachen sind auch soziale Faktoren für ausgrenzende Einstellungen mit ursächlich. So kann z.B. die (niedrigere) soziale Lage einen verstärkenden Einfluss auf Vorurteile haben. Gerade für die Frage nach dem Umgang mit Asylsuchenden oder Flüchtlingen ist eine weitere Ursache auszumachen. Wenn Prinzipien wie Effektivität und Effizienz Anwendung in Bereichen des gesellschaftlichen Lebens finden, in denen sie eigentlich unpassend sind, spricht man von einer „Ökonomisie-
Das Syndrom Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit mit 12 Facetten im Jahr 2014
rung der Gesellschaft“ (Groß et. al 2009). Wenn ausschließlich darüber diskutiert wird, was uns Einwanderer „wirtschaftlich bringen“, wird deutlich, dass längst die Ökonomie die Perspektiven geprägt hat. Ökonomistische Einstellungen tragen dabei generell dazu bei, dass Menschen, die tatsächlich oder vermeintlich wenig leisten können, abgewertet werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es in substanziellem Ausmaß Einstellungen in der Gesellschaft gibt, die Minderheiten ausgrenzen, demokratische Prinzipien unterlaufen und die Perspektive auf das Leid anderer Menschen versperren. Wenn bspw. pauschal unterstellt wird, dass Asylsuchende in ihrem Heimatland meistens nicht verfolgt werden, fällt es leichter zu fordern, dass diesen Menschen die Einwanderung untersagt werden sollte. Gepaart mit einem generellen Gefühl der „Überfremdung“ entsteht dann eine gefühlte Legitimation für Ausgrenzung und Abschottung. Die sozial erzeugte Kluft zwischen einer vermeintlich legitimierten Mehrheitsgesellschaft und verschiedenen Minderheiten vergrößert sich dann zusätzlich. Es ist zu beachten, dass Einwanderung und Vielfalt zu Veränderungsprozessen führen, die entweder als Bereicherung oder als Bedrohung wahrgenommen werden können. Aus vorurteilstheoretischer Sicht ist zu vermuten, dass Menschen, die die sich verändernde Gesellschaft als bedrohlich wahrnehmen, autoritärer eingestellt
sind. Sie reagieren dann auf diese vermeintliche Bedrohung mit der Forderung nach einer homogenen Gesellschaft. Auch dies ist eine Art Symptom einer ungesunden Gesellschaft, da in dieser Vorstellung von Homogenität zum einen die Tatsache (un-)bewusst geleugnet wird, dass unsere Gesellschaft bereits kulturell, ethnisch und religiös heterogen ist und dies auch bleiben wird, zum anderen, weil die Forderung nach Homogenität beinhaltet, dass das demokratische Recht zur Entfaltung der Persönlichkeit zumindest zum Teil abgesprochen wird.
Intervention Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die diskutierten Phänomene Teil von demokratischen Gesellschaften sind. Es geht also nicht darum, einen Plan zu entwickeln, der Vorurteile und Diskriminierung in Gänze beenden wird, sondern vielmehr darum, kontinuierlich, aus einer demokratischen Grundhaltung heraus, Gleichwertigkeit herzustellen und zu verteidigen. Die Forschungsergebnisse bezugnehmend auf die Kontakthypothese (Pettigrew 1998) können dabei helfen. Danach reduzieren sich Vorurteile zwischen sozialen Gruppen im Kontakt, was zur Konsequenz haben kann, dass sich unterschiedliche Gruppe als gleichwertig(er) zueinander begreifen. Wird dieser Kontakt dabei durch Autoritäten unterstützt und ist die Kontaktsituation durch gemeinsame Ziele und gleichen Status der Gruppen gekennzeichnet,
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