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Alles Kultur Drama und Dramaturgie

Der Gott des Gemetzels wütet nun auch in Graz

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igentlich ist die Idee zu simpel, um gut zu sein: Ein Ehepaar besucht ein anderes, um sich gesittet über den Streit ihrer Söhne auszusprechen – verständlich, weil dabei immerhin ein Schneidezahn abhandenkam. Aus dieser schlichten Versuchsanordnung hat die Schriftstellerin Yasmina Reza ein Meisterwerk der Dialoge gemacht, das 2011 bereits erfolgreich mit Jodie Foster, Kate Winslet und Christoph Waltz verfilmt und in den letzten Jahren an über 60 Theatern aufgeführt wurde. Nun hatte das populäre Stück am Schauspielhaus Graz Premiere und auch da entfaltete die Brillanz der unverschämten Höflichkeiten ihre Wirkung. Selten wird in Theaterstücken so viel gelacht. Selten gibt es so intelligente Gründe dafür.

Fotos: Sterz (Faksimile), Lupi Spuma, Enlarge

Verena Lercher und Olivia Grigolli brillieren als Ehefrauen, die sich zwar andere und bessere Ehemänner wünschen, diese aber im Zweifel doch gegen die Kritik der jeweils anderen verteidigen. Sebastian Klein und Stefan Suske kämpfen den typisch männlichen Hahnenkampf aus, der sich erst in der Verbrüderung gegenüber dem »zänkischen Weib« befriedet. Man muss um dieses Glanzstück des Sprech -theaters nicht allzu viel herum inszenieren, aber was Regisseur Stefan Beh-

rendt tut, ist zu viel des Guten: Er lädt seinem Ensemble – vermutlich »um etwas Schwung in die Sache zu bringen« – immer wieder völlig übertriebene Exzesse auf: von alberner Trunkenheit über einen Nervenzusammenbruch wegen eines kaputten Mobiltelefons bis zu einem völlig unnötig ausartenden Tulpenmassaker. All diese Szenen wären auch mit deutlich weniger Übertreibung ausgekommen – und hätten wohl mehr Wirkung gehabt. So verliert das Drama an Glaubwürdigkeit und schrumpft zur Posse. Die Tragödie wird in ihrem Höhepunkt zur Lachnummer. Das ist erträglicher, nimmt dem Stück aber viel von seiner wohltuenden Brutalität. Mehr Energie hätte dafür dem prüden bis langweiligen Bühnenbild gutgetan.

Den Schauspielern darf man daraus keinen Vorwurf machen. Ihnen gelingt allen, was bei diesen Rollen so schwierig ist: das Spielen zu spielen. Die bürgerliche Fassade kenntlich entstellt über die Maske der Schauspieler zu ziehen, um sie zu entlarven. Dabei spielt keiner die anderen gegen die Wand, auch das trägt dazu bei, dass dieser zivilisatorische Ringelpiez seine Spannung über das gesamte Stück hinweg hält und eben keiner inszenierten Höhepunkte bedarf. Die »Normalität« ist -mtdramatisch genug.

Der Gott des Gemetzels von Yasmina Reza Schauspielhaus Graz u.a. mit Verena Lercher und Stefan Suske 28. Dezember sowie 4. und 31. Jänner Jeweils 19.30 Uhr

Die Oper im Jänner Mit dem Neujahrskonzert am 1. und der Opernredoute am 25. Jänner stehen bereits zwei traditionelle Höhepunkte für die Oper Graz fest. Als ob das nicht schon genügen würde, feiert am 18. Jänner – damit die Zeit zwischen den beiden Festivitäten nicht zu lang wird – noch Giacomo Puccinis Turandot Premiere. Die letzte Oper des Italieners ist nach Lohengrin und der Zauberflöte der dritte echte Klassiker, der in dieser Spielzeit auf die Bühne gebracht wird. Die meisten Fäden hat dabei Regisseur Marco Arturo Marelli in der Hand, der auch für Bühnenbild und Licht verantwortlich ist. Bekannt ist er dem Grazer Publikum durch den Rosenkavalier, Arabella und den Freischütz. Die Hauptrolle in Turandot singt Mlada Khudoley, die zuletzt in der Lady Macbeth von Mzensk in Graz zu Gast war. -mtGrazer Oper

1.1., 19.30 Uhr, Neujahrskonzert 18.1., 19.30 Uhr, Premiere Turandot 25.1., 21.30 Uhr, Opernredoute oper-graz.at

schauspielhaus-graz.com

Fazit Jänner 2014 /// 81


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