Fazit 99

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Das ist ein Negierungsprogramm und kein Regierungsprogramm. Christian Buchmann

Fotos: SPÖ-Presseabteilung, Steirische Volkspartei/Fischer

Um den Pakt nicht an einem Freitag, dem 13. bekanntgeben zu müssen, präsentierten SPÖ und ÖVP ihre Einigung schon am 12. Dezember …

SPÖ-ÖVP-Koalition im Zwang der Realverfassung Was soll herauskommen, wenn zwei Parteien miteinander verhandeln, die seit Jahren nicht miteinander können? Wäre nicht auch auf Bundesebene eine Art Reformpartnerschaft, ähnlich jener in der Steiermark, möglich gewesen? Die Ursache für die Reformresistenz von SPÖ und ÖVP liegt wieder einmal in der österreichischen Realverfassung, und die unterscheidet sich ganz wesentlich von der steirischen. Da sind einmal die Sozialpartner, die in den Bundesländern bei weitem nicht jene Rolle spielen wie im Bund. Über ihre Verbände und Organisationen haben sie die beiden Regierungsparteien fest im Griff. Und so verdanken wir es der Macht der Gewerkschaften, dass die Regierung sich nicht an die nachhaltige Sanierung etwa des Pensionssystems heranwagt. Wie mächtig die Sozialpartnerschaft ist, zeigt unter anderem auch der Umstand, dass es zwar für knapp drei Prozent der Bevölkerung wieder einen Landwirtschaftsminister gibt, der sich noch 12 /// Fazit Jänner 2014

dazu traditionell eher als Agrar-Lobbyist versteht, während mit Wissenschaft und Forschung einer der wichtigsten Zukunftsbereiche auf ein Ministerium verzichten muss. Die mächtigsten Organe der österreichischen Realverfassung sind jedoch die Landeshauptleute. Das führt dazu, dass in Österreich der Schwanz mit dem Hund wedelt, statt umgekehrt. Und wenn – so wie jetzt – die Landeshauptleute von Wien und Oberösterreich vom Bund Stabilität statt Reformen fordern, werden sie sich durchsetzen. Im konkreten Fall stehen 2015 nämlich in beiden Bundesländern Landtagswahlen auf dem Programm. Weil eine reformeifrige Bundesregierung jedoch die Wahlchancen von SPÖ und ÖVP in den Ländern schmälern könnte, haben die jeweiligen Landeshauptleute auch kein Interesse an einer unbequemen Bundespolitik. Nach dieser Regierungsbildung ist klar, dass SPÖ und ÖVP unter diesen Rahmenbedingungen nicht mehr lange mehrheitsfähig sind. Daher wird diese Regierung mit großer Wahrscheinlichkeit die letzte große »Stillstandskoalition« sein.

Obwohl diese Regierung keiner will, gibt es keine Alternative Dennoch sind keine Alternativen zu »Rotschwarz« in Sicht. Den Grund dafür liefert die FPÖ. Die Freiheitlichen hätten schon jetzt mit der SPÖ eine Regierung bilden können, doch sie haben bewusst Positionen bezogen, die es Werner Faymann unmöglich machten, »Rotblau« ernsthaft zu erwägen. Aber H. C. Strache scheint sich in der Rolle des »Ausgegrenzten« ohnehin pudelwohl zu fühlen. Denn aus heutiger Sicht spricht alles dafür, dass die FPÖ in fünf Jahren erstmals bundesweit zur stärksten Partei aufsteigen könnte. Den Blauen kann bei der nächsten Nationalratswahl also ohne viel Zutun ein Sieg in den Schoß fallen. Da schadet ihnen der Ruf des »bundespolitischen Parias« nicht im Geringsten. Schließlich haben die freiheitlichen Positionen gegen Zuwanderung und EU längst den Weg in die gesellschaftliche Mitte gefunden. Die FPÖ setzt auf das altbekannte Haider-Rezept, indem sie den Wohlstandsverlierern Feindbilder liefert. Feindbilder wie die Wirtschaftsflüchtlinge, die ab 1. Jänner 2014 ganz legal aus der ganzen EU zu uns kommen dürfen, um sich hier mit sehr schlecht bezahlten Jobs so lange über Wasser zu halten, bis sie nach einigen Monaten in unserem Sozialsystem Unterschlupf finden. Denn für diese Menschen garantieren selbst ausbeuterische Stundenlöhne um die fünf Euro oder die Mindestsicherung ein wesentlich besseres Leben als der Verbleib in ihrer wirtschaftlich kaputten, korruptionsverseuchten Heimat. Leider haben weder SPÖ noch ÖVP den Mut, sich zu einer aktiven Zuwanderungspolitik durchzuringen: Es werden weder Menschen, die bei uns arbeiten wollen, herzlich willkommen geheißen, noch wird jenen, die das nicht tun, den Zugang zu unseren sozialen Sicherungssystemen


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