Fazit 94

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KOMMENTAR

Tandl macht Schluss!

Allmonatliche Finalbetrachtungen von Johannes Tandl

D

a dachten wir uns schon, die Tage, an denen Brüssel Gurkenradien und Mindestgrößen für Bananen verordnet, liegen hinter uns, doch weit gefehlt. Dieser Tage ereilte uns eine Ankündigung, dass mit Hilfe einer „Telefonroaming-Verordnung“ das Telefonieren in Europa billiger werden soll. Dabei dachte ich eigentlich, dass es kaum einen Bereich gibt, der sich Dank der Deregulierung so konsumenten- und „geldtascherlfreundlich“ entwickelt hat wie das Handytelefonieren. Doch die Öffnung der Telekom-Märkte geschah zu einer Zeit, in der „Marktvertrauen“ noch nicht als Schimpfwort galt und „Neoliberalismus“ noch nicht mit einer Politik verwechselt wurde, die ihre Hausaufgaben nicht macht, weil sie das Funktionieren der Märkte nicht gewährleistet. Der Plan der für die „digitale Agenda“ verantwortlichen holländische EU-Kommissarin Neeli Kroes ist, in Zukunft bei Telefonaten innerhalb Europas keine Roaming-Gebühren mehr zuzulassen. Der Jubel der vielen „antikapitalistisch“ geprägten Medien ließ nicht lange auf sich warten:

Wer nicht erkennt, dass Preise steigen, wenn sich das Angebot verknappt, wird wohl auch nicht begreifen, dass lohnenswerte Renditen die Voraussetzung dafür sind, dass investiert wird.

„Endlich wird das Telefonieren innerhalb Europas billiger!“ und „Schluss mit der Abzocke bei den Telefongebühren!“, hieß es da – übrigens auch in öffentlich-rechtlichen Servicesendungen. Sämtliche innerhalb der EU geführten Telefongespräche sollen also in Zukunft gleich wenig kosten – kein Preisunterschied mehr zwischen einem Gespräch von Malta nach Edinburgh oder einem von Gratwein nach Gratkorn. Jedem, der nicht beharrlich ignoriert, wie Märkte funktionieren, müsste eigentlich klar sein, was bei dieser Verordnung herauskommen wird: Wer hauptsächlich innerhalb seines Heimatlandes telefoniert, wird deutlich mehr bezahlen müssen, um jemanden zu subventionieren, der im Ausland telefoniert. Das Bittere an dieser Ignoranz einfachster betriebswirtschaftlicher Abläufe ist, dass Frau Kroes wahrscheinlich voll davon überzeugt ist, dass sie mit der von ihr geplanten Zwangsbeglückung das Telefonieren tatsächlich billiger macht. In ihrer einfachen Welt sorgt sie „per Verordnung“ für niedrigere Kosten. Doch, so gering der tatsächliche Mehraufwand eines Auslandsgespräch für die Provider auch sein mag: Bis jetzt bezahlt derjenige, der genug Geld hat, sich eine Auslandsreise leisten zu können. Tatsächlich führt diese Verordnung zur Umverteilung von unten nach oben. „Gut gemeint“ bewirkt bekanntlich oft das Gegenteil von „Gut gemacht“. Vielleicht könnte eine verpflichtende BWL-Auffrischung solch aktionistischen Tatendrang eindämmen. Doch um weitere Beispiele für die unabsichtliche Umverteilung zu finden, muss man gar nicht bis nach Brüssel schauen. Auch in der österreichischen Politik wird man rasch fündig. So will die SPÖ wieder einmal „per Verordnung“ die Mieten regulieren und absenken. Für jemand, der nicht um die Ecke denkt, klingt das aufs Erste vernünftig, denn schließlich kann niemand etwas dagegen haben, dass sich auch die „kleinen Leute“ das Wohnen leisten können.

Tatsächlich würde ein solcher Eingriff in den Wohnungsmarkt dazu führen, dass die Mieten deutlich schneller ansteigen. Denn potenzielle Vermieter haben schon jetzt große Probleme dabei, aus der Vermietung einer Wohnung eine werterhaltende Rendite zu erwirtschaften. Es wird zwar überall in den Städten gebaut, aber nur, weil die Anleger hoffen, über ihr Immobilien-Vermögen, den Wert des Ersparten zu erhalten. Nach der Fertigstellung bleiben jedoch viele dieser neuen Wohnungen leer, denn solange keine Mieterlöse erzielbar sind, die zumindest die Abnutzung decken, und es keine vernünftige gesetzliche Grundlage gibt, unliebsame Mieter wieder loszuwerden, wird sich das auch nicht ändern. Professionelle Investoren, die Wohnungen errichten, um von den Mieterlösen leben zu können, gibt es ohnehin immer weniger, und viele dringend benötigte Neubauprojekte, die Druck vom überhitzten Wohnungsmarkt nehmen könnten, werden dadurch erst gar nicht in Angriff genommen werden. Wer nicht erkennt, dass die Preise steigen, wenn sich das Angebot verknappt, wird wohl auch nicht begreifen, dass lohnenswerte Renditen die Voraussetzung dafür sind, dass investiert wird. Diesbezüglich unterscheiden sich die Investoren in TelekomAktien überhaupt nicht von Menschen, die ihr Geld angesichts der Euro-EZB-Krise in vermeintlich sicherem Wohnungsvermögen parken wollen. Wie man Wohnraum mobilisiert, kann man übrigens in den USA, dem Mutterland des Kapitalismus, beobachten. Dort wird das über die Grundsteuer geregelt. Die ist dermaßen hoch, dass es sich niemand leisten kann, eine Wohnung leer stehen zu lassen.

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