K U LT U R U N D S O W E I T E R
B
ereits nach 15 Minuten war der erste nackte Hintern auf der Bühne zu sehen, das Publikum saß trotzdem gefasst auf den seinigen und die große Flucht aus dem Opernsaal ist auch bei den zahlreich folgenden Nackt-, Bums- und Masturbationsszenen ausgeblieben. Wer auf so etwas keine Lust hatte, blieb der Vorstellung dank vorherigen Warnungen fern – alle anderen wussten oder ahnten bereits, was an diesem Abend auf sie zukommt. Der spanische Regisseur Calixto Bieito hat die Oper von Kurt Weill vor zwei Jahren für die Vlaamse Opera Antwerpen inszeniert, nun feiert sie ihre Premiere in Graz. Leider ist dieser Interpretation des Kurt-Weill-Stückes inzwischen anzumerken, dass sie 2011 auf dem Höhepunkt der Krise entstanden ist. Die verzweifelte Wut der Occupy-Bewegung und der »Empörten« ist gegenwärtig – die penetrant bemühte Kapitalismuskritik wirkt aber abgegriffen. Zu gewöhnlich sind die Klischees vom großen Geld, billigen Alkohol und schnellen Sex. Dieses Kernproblem wird auch nicht vom fulminanten 60
FA Z I T
JUNI 2013