Fazit 198

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Ein der menschlichen Natur so widersprechendes Ideal wie das des Kommunismus lässt sich nicht ohne Gewalt verwirklichen.

Karl von Schwarzenberg, 1937–2023, europäischer Politiker, Forstwirt und Unternehmer, Familienoberhaupt des Hauses Schwarzenberg

Rezension

Geld und Macht

Vieles wurde geschrieben über den Philosophen Ludwig Wittgenstein, aber nur wenig ist allgemein bekannt über seinen Hintergrund, stammt er doch aus einer der reichsten Familien der Habsburgermonarchie. Von Josef Schiffer

Fotos: Ivan Pinkava, Wittgenstein Archive Cambridge, Nadine Vietze, Jean Penninck

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as soeben erschienene Werk des Wirtschaftshistorikers Peter Eigner geht nun einen neuen Weg. Der Österreicher Ludwig Wittgenstein gilt bis heute als einer der weltweit einflussreichsten Philosophen und wurde auch in seiner Geburtsheimat zu einer wahren Kultfigur, obwohl er den Großteil seiner Karriere in der englischen Universitätsstadt Cambridge verbrachte. Es gibt zahlreiche Geschichten zu seinem asketischen Lebensstil, zum Verzicht auf das reiche Erbe und zu seiner Episode als Volksschullehrer in den 30er Jahren. Im Zentrum von Eigners Buch »Die Wittgensteins – Geschichte einer unglaublich reichen Familie« steht Karl Wittgenstein, der Vater des Philosophen. Dieser stammte aus einer deutschen Unternehmerfamilie mit jüdischen Wurzeln, die den Namen des adeligen Dienstherrn angenommen hatte und zum Protestantismus konvertierte. Der Großvater Hermann Christian heiratete mit Fanny Figdor in das wohlhabende Bürgertum Wiens ein. Als eines von elf Geschwistern aus dieser Ehe war der junge Karl Wittgenstein

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von klein auf überdurchschnittlich ehrgeizig und rebellisch zugleich, so entfloh er mit 17 Jahren der Strenge des Elternhauses und schlug sich zwei Jahre lang mit den unterschiedlichsten Jobs in den USA durch, ehe er geläutert in den Schoß der Familie zurückkehrte. An seine Erfahrungen in Amerika erinnerte er sich trotz mancher Widrigkeiten durchaus positiv und brachte später auch in Zeitungsartikeln seine Bewunderung für die ökonomische Dynamik dieser Nation zum Ausdruck. Mit seinem Einstieg als technischer Zeichner bei den Teplitzer Walzwerken beginnt die Geschichte eines beispiellosen wirtschaftlichen Aufstiegs. In seiner knapp 30-jährigen Laufbahn avancierte er durch sorgfältig gepflegte Familienbeziehungen und Freundschaften sowie einen durchaus rücksichtslos zu nennenden Geschäftsstil zum mächtigsten Magnaten in der Eisen- und Stahlindustrie Österreich-Ungarns. Große Liebe zur Musik Der daraus resultierende Reichtum zeigte sich unter anderem in einem prachtvollen Palais nahe dem Karlsplatz, das mit den Werken bekannter Künstler geradezu vollgestopft war, etwa von Gustav Klimt,

Verfasser Peter Eigner der das bekannte Porträt der Tochter Margarethe Stonborough-Wittgenstein malte. Auch die Liebe zur Musik spielte im Hause Wittgenstein eine große Rolle, Johannes Brahms, Gustav Mahler, Bruno Walter oder Pablo Casals waren hier bei Musikabenden häufig zu Gast. Den künstlerischen Ambitionen seiner Kinder, vor allem der Söhne, stand er kritisch gegenüber. Der Konflikt mit dem patriarchalischen Vater trieb zwei davon in den Selbstmord und hinterließ wohl auch bei den übrigen Geschwistern seine Spuren. Den Untergang der Monarchie sollte der mächtige Industrielle nicht mehr erleben, er verstarb 1913 an einer Krebserkrankung. Schon kurz nach der Jahrhundertwende hatte er sich nach öffentlichen Anfeindungen wegen seiner umstrittenen Geschäftspraktiken aus den Unternehmungen zurückgezogen und sein Kapital in der Schweiz veranlagt. Das rettete


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