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Volkspartei: Pech, Vernichtungskrieg und Selbstzerstörung

Die Erkenntnis ist ganz eindeutig: Sobald die ÖVP unter anderen Obmännern von dieser Linie abgewichen ist, ist es ihr immer schlecht gegangen, vor allem wenn gleichzeitig viele dieser Werte von der FPÖ besetzt worden sind oder wenn die SPÖ unter Bruno Kreisky auch eine Ausstrahlung auf konservative Wähler gehabt hatte. Aber dennoch gibt es in den letzten drei Jahren auch klare externe Ursachen der ÖVP-Krise, die weit über die eigenen Fehler, beziehungsweise den dadurch ermöglichten Vernichtungsfeldzug der Konkurrenz hinausgehen.

Kurz mutierte vielmehr damals in der Projektion vieler Wähler vom erfolgreichen Jungpolitiker zum Landesvater, der sich allen Bedrohungen mutig entgegenstellt.

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Die internationalen Ursachen

Dabei ist an erster Stelle die Corona-Pandemie zu nennen. Diese war Treibsatz des steilen Aufstiegs der Kanzlerpartei im Frühjahr 2020, wie auch ihres noch viel weiter nach unten führenden Absinkens in den letzten eineinhalb Jahren. In den Anfangsmonaten der Pandemie wollten viele Österreicher unter den Schutz und Schirm von Sebastian Kurz flüchten. Er war damals der überzeugende Führer des Landes, der in vollem Konsens mit seinem Koalitionspartner energische Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie setzte, der allen versprach, dass alle wirtschaftlichen Schäden durch die Pandemie und ihre Bekämpfung ausgeglichen würden. Koste es, was es wolle. Das besorgte Kopfschütteln von Finanz- und Wirtschaftsexperten über dieses etwas leichtfertige Versprechen wurde anfangs kaum beachtet. Kurz mutierte vielmehr damals in der Projektion vieler Wähler vom erfolgreichen Jungpolitiker zum Landesvater, der sich allen Bedrohungen mutig entgegenstellt. Die Oppositionsparteien waren anfangs in Schockstarre. Das ließ sie intensiv über Alternativen nachdenken, die dann am Ende des Folgejahres in den »ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss« mündeten. Der weitere Verlauf der Pandemie samt ihrer Bekämpfung verlief für Kurz und die ÖVP nach dem politischen Anfangstriumph aber zunehmend deprimierend. Dabei waren vor allem folgende Aspekte wirksam: n Die Menschen wurden der Pandemie und damit automatisch auch der Maßnahmen gegen sie immer mehr überdrüssig, weshalb sich auch bei kleinsten Fehlern der Missmut steigerte. n Bei einer lautstarken Minderheit der Österreicher, die vor allem von den Freiheitlichen und der neugegründeten, überwiegend im rechten Milieu entstandenen Partei MFG (Menschen Freiheit Grundrechte) unterstützt wurde, setzte sich der Glaube durch, dass Covid ohnedies nur eine harmlose Grippe wäre, weshalb der Aufwand (von Lockdowns bis zur Maskenpflicht) völlig übertrieben, schikanös und totalitär sei. n Eine weitere, eng verbundene Minderheit, die ebenfalls im bürgerlichen Lager gewütet hat, obwohl sie ursprünglich eine rein »grüne« Entwicklung gewesen ist, kam aus dem esoterisch- homöopathischen Eck. Sie bekämpfte wütend die Impfungen und sah gesunde Ernährung als ausreichend an. n Zu oft wurden die Pandemie-Verordnungen geändert, als dass sie noch auf viel Akzeptanz stoßen hätten können. Sie waren zwar alle gut gemeint, wurden aber immer öfter als neue Sekkatur empfunden. n In der Schnelligkeit der diversen Verordnungen passierten zu viele Detailfehler, für die zwar primär das grüne Gesundheitsministerium zuständig war, die aber trotzdem vor allem bei ÖVP-Wählern Reaktionen auslösten. n Maßnahmen wie die bei etlichen ängstlichen Wählern unpopuläre Impfpflicht wurden dann doch wieder zurückgezogen, was spätestens bei den Kurz-Nachfolgern Schallenberg und Nehammer das anfängliche Image einer starken Regierung endgültig zerstörte.

Es ist angesichts der Wählerreaktion wenig Trost für die ÖVP, dass sie in der ganzen Corona-Krise bis auf das wirtschaftlich verhängnisvolle »Koste es, was es wolle« keine groben Fehler begangen hat. Wenig Trost ist es auch, dass es weltweit fast allen Regierungen ähnlich gegangen ist. Fast überall – so auch bei den beiden größten Nachbarn Österreichs – haben Wahlen in der Corona-Krise zu einem Machtwechsel geführt. Der Frust der Wähler über diverse Lockdowns und sonstige Verbote, aber auch über die eigene Hilflosigkeit einer unheimlichen Seuche gegenüber, wurde einfach auf den Regierungen abgeladen. Die Pandemie hat man ja nicht abwählen können. Freilich konnten auch die in der Krise zur Macht Gekommenen nicht lange davon profitieren: Der deutschen Ampelkoalition geht es schon wieder so schlecht wie Schwarz-Grün in Österreich.

An zweiter Stelle steht die Inflation, ein ebenfalls von außen kommender Faktor, der den Regierenden vieler Länder massiv ins Gesicht geblasen hat. Die Inflation hat sich während des Jahres 2022 auf über zehn Prozent mehr als verdoppelt. Sie hat selbst wieder drei Hauptursachen. Zwei davon liegen nicht im Verantwortungsbereich der Republik Österreich, beziehungsweise der Volkspartei.

Erstens war die jahrelang von den Mittelmeerländern und den sozialistischen EU-Regierungen durchgesetzte Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank inflationsauslösend. Zweck dieser Geldpolitik war eindeutig Hilfe für die Regierungen, vor allem jene von Mittelmeerstaaten, damit sie billigst Schulden machen und ihre Wohlfahrtssysteme finanzieren, also Wähler bestechen können. Die Gratisgeld von der EZB ist erst Mitte 2022, also viel zu spät und genau dann abgeschafft worden, als in Italien eine Rechtsregierung an die Macht gekommen ist (auf die man offenbar viel weniger Rücksicht nehmen wollte).

Zweitens war das nächste große Ursachenbündel der steigenden Inflation der Ukraine-Krieg, der größte Krieg in Europa seit 1945. Denn: n Kriege treiben immer die Preise, besonders die Energiepreise, weil sich der globale Energiebedarf erhöht und etliche Nachschubwege unterbrochen sind; n Russland hat gezielt den Export von Gas reduziert und dieses dadurch verteuert; n Russland hat in der Ukraine gezielt Energieerzeugungsanlagen bombardiert; n die Ukraine mit ihren vielen Atomkraftwerken konnte des Krieges wegen kaum noch Strom exportieren.

Zwar sind inzwischen die Energiepreise auf dem Weltmarkt wieder auf Vorkriegsniveau zurückgefallen, aber die Preisexplosion des ersten Kriegsjahres wird durch Zweit-, Drittund Viertrundeneffekte noch lange in den Konsumentenpreisen und damit auch den Wählerreaktionen nachweisbar sein.

Drittens: Dazu kamen weitere externe Faktoren wie die seit der grünen Regierungsbeteiligung forcierte deutsche Schließungspolitik bei Kohle und Atomkraftwerken; wie das zeitweise Niedrigwasser auf großen europäischen Flüssen; wie die zahlreichen reparaturbedingten Schließungen französischer Atomkraftwerke.

Viertens: Die vierte Ursache der Inflation war sehr wohl hausgemacht. Das waren die überschießenden Corona-Hilfen der letzten Jahre. Die »Koste es, was es wolle«-Geldausschüttungen milderten zwar kurzfristig die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Sie hinterließen aber böse Folgen: einen gewaltigen Rucksack an zusätzlichen Schulden, die kostspielige Rettung von »Zombies« (das sind eigentlich sowieso nicht mehr lebensfähige Unternehmen, die aber um teures Steuergeld gerettet worden sind und die Kapital und Arbeitskräfte binden, was anderswo dringend benötigt würde), und viel zu viel frei herumschwabbelndes Geld. All das hat – ohne gleichzeitige Erhöhung der Wertschöpfung – zwangsläufig inflationäre Wirkung.

Naturgemäß werden von den Wählern Probleme wie Inflation und Energiemangel der Regierung und dort primär der Kanzlerpartei angelastet. Sie erwarten einfach von der Regierung, dass sie ihr Leben ungestört weiterführen können. Sie kümmern sich wenig um EZB-Fehler und den russischen Gaskrieg.

Und jene, die sich kümmern, können vielfach darauf verweisen, dass sie ja einst gegen den Beitritt zur gemeinsamen Währung gewesen seien, oder darauf, dass sie ja auch die Sanktionen gegen Russland ablehnen (wobei ignoriert wird, dass es gegen russische Gasexporte eigentlich gar keine Sanktionen gibt).

An dritter Stelle des wachsenden Wählerunmuts steht die zu Jahresende 2022 anhebende Rezession. Diese hängt zwar eng mit dem zuvor Erwähnten zusammen (Corona, Corona-Bekämpfung, Energiemangel, Inflation), sollte aber doch extra erwähnt werden. Denn der Verlauf der Konjunktur ist seit langem als die klassische Ursache von Wahlerfolgen und Niederlagen nachgewiesen. Geht es den Menschen gut, bestätigen sie gern die Regierung, geht es ihnen schlecht, wählen sie diese ab.

Die vierte Ursache der Inflation war sehr wohl hausgemacht. Das waren die überschießenden Corona-Hilfen der letzten Jahre.

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