Fazit 182

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Erfolg braucht Führung

Managementserie

Nehmen Sie Platz! Über das genussvolle Verweilen im Kaffeehaus

Ein Gespräch von Carola Payer mit Waltraud Merkl, der Betreiberin des Café König in der Grazer Innenstadt

Fotos: Marija Kanizaj, Nike Payer (2)

Dr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

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latz nehmen, entspannen und sich verwöhnen lassen – bei einem kleinen Braunen, Kuchen, Frankfurter oder Toast im Grazer Kaffeehaus König in der Sackstraße. Dort erlebt man noch ein Stück Lebensgefühl, das in ganz Österreich schon seit dem 17. Jahrhundert seine Anhänger hat. Traditionell traf man sich immer schon gern im Kaffeehaus nicht in erster Linie, um Kaffee zu trinken, sondern um Zeitung zu lesen und sich auszutauschen. Auch Schach und Karten spielen war neben dem süßen Nichtstun beliebt. Dabei saß man auf weich gepolstertem Samt oder auf Thonet-Stühlen an Marmortischen. Die anderen Gäste waren oft Künstler, Literaten und Intellektuelle, die das Kaffeehaus als zweites Wohnzimmer nutzten; manche ließen sich sogar die Post ins Stammlokal schicken. Zunächst waren Kaffeehäuser nur Männern vorbehalten, Frauen erhielten erst 1856 Zutritt. Frau Waltraud Merkl, meist von ihren Kunden mit »Frau König« angesprochen, ist eine Grazer Institution. Sie führt das Lokal in dritter Generation seit 1999. Die Tochter hat Architektur studiert, ist parallel in den Betrieb hineingewachsen und wird in vierter Generation das Lokal weiter betreiben. Das freut die Mutter besonders: »Ich bin tief und innig mit diesem Kaffeehaus verwurzelt. Es ist mein Beruf und mein Hobby. Ich habe mit fünfzehn Jahren hier zu arbeiten begonnen und die Frage nach was anderem hat sich mir nie gestellt. Daher freue ich mich sehr, dass meine Tochter Lust hat, das Lokal weiterzuführen.« Tradition und Nachhaltigkeit Das Café König ist ein Kaffeehaus der alten Tradition: Bezahlung an der Kassa, Einrichtung rustikal, gemütlich, seit Jahren unverändert. Waltraud Merkl: »Wir haben sehr hochwertige Tischlerarbeiten, die erhaltungswürdig sind. Außerdem wollen wir uns vom Modernen abheben. Ich bin total für Nachhaltigkeit und stelle fest, dass die Jugend das immer mehr schätzt. Die Kassa an der Vitrine hat sich bewährt und macht bei unserer Größe total Sinn. Viele Bestellungen passieren beim Reingehen des Gastes ins Lokal. Dann bringen wir ihm die ausgewählten Speisen und Getränke an den Tisch. Unsere Kunden schätzen das, weil sie nicht warten müssen und schnell bedient werden.« Damit es gemütlich ist, will Waltraud Merkl den Wohnzimmercharakter, klein, fein, ein wenig nostalgisch, erhalten. Auch das Angebot an Speisen und Getränken bleibt traditionell. Es gibt immer eine kleine, feine, aber ausgefallene Vitrine mit Süßem. Der Konditoreicharakter muss aus ihrer Sicht erhalten werden. Waltraud Merkl: »Hierfür pflegen wir langjährige Partnerschaften mit unseren Lieferan-

»Die Mitarbeiter müssen unser Traditionskonzept verstehen. Die Lust zur Kommunikation und die Freude an Menschen ist wichtig.« WALTRAUD MERKL

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