Fazit 175

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Alles Kultur

Literatur II

Lesung im Forum Kloster

I aktiven Projekt die Raumproduktion ausprobiert wird. Das Experiment, der Raum für Versuche, ist ein Garant, um Monofunktionalität und Eindimensionalität zu vermeiden. Dafür braucht es Mut und Entschlossenheit bzw. mehr als ein Kulturjahr 2020. Aber eine Mittelstadt wie Graz hat einfache Möglichkeiten Prozesse zu initiieren und Forschungen im Maßstab 1:1 zu betreiben.

Ist das Kulturjahr 2020 eine Möglichkeit, nachhaltiges Umdenken einzuleiten? Wenn ja, wie? Oder ist das eine Feigenblattaktion? Wie schon zuvor gesagt, wir brauchen Ambitionen und Aktionen zur Raumbildung, nicht nur in einem Kulturjahr. Wir wissen zu gut, dass eine »gute Stadt« vor allem dadurch überzeugt, dass sie sozial ausgeglichene Strukturen schafft, in denen Leben, Arbeiten, Wohnen, Produzieren und Lernen gleichermaßen Platz finden. Erst eine soziale Stadt kann nachhaltig werden.

Sind Projekte wie der Club Hybrid darauf ausgelegt, zu bleiben und weitergeführt zu werden? Wie könnte das ab Herbst 2021 funktionieren? Club Hybrid ist eine räumliche Versuchsanordnung, hier wird durch eine antizipative Praxis ermöglicht, dass sozialräumliche Komponenten der Nutzung von Architektur mit ihren subjektiven Momenten als reale Parameter verarbeitet werden. Übergeordnetes Ziel ist es, eine Genossenschaft zu gründen, die den Demonstrativbau als permanentes exemplarisches Stadtobjekt nützt. Wir sind optimistisch, dass der Club Hybrid im Spannungsfeld von Raum, Stadt, Experiment und Forschung weiterbestehen wird. n

n ihrem neuen Buch »Mama!! Wie es ist. Wie es war.« arbeitet Andrea Wolfmayr die Beziehung zu ihrer verstorbenen Mutter auf. Die Gleisdorfer Schriftstellerin tut das einfühlsam, authentisch und persönlich. Der Roman, erschienen bei Edition Keiper, ist in erster Linie ein Buch der Liebe. Aber »Mamma!!« ist auch ein Buch der Wut, ein Buch der Trauer und ein Buch des Entsetzens. Wolfmayr beschreibt darin das komplexe Verhältnis zu ihrer geliebten Mutter und tut das anhand von Briefen und Erinnerungen. Bei einer ihrer von der Gleisdorfer Buchhandlung Plautz Anfang Juli veranstalteten Lesung im Forum Kloster, schaffte es Wolfmayr mühelos, die Zuhörer – einige dürften ihre Mutter noch persönlich gekannt haben – in den Bann ihrer Erinnerungen zu ziehen. Wolfmayrs Mutter war stadtbekannte Unternehmerin, sie engagierte sich kommunalpolitisch und

in Frauenfragen. Die Autorin greift entsprechend dieser Agenda die Themen »Frauenleben« und »Muttersein« von den 1950er Jahren bis zur Jahrtausendwende auf. Und weil sich Wolfmayr so intensiv mit ihrer Mutter auseinandersetzt, ist die Selbstreflexion des eigenen Lebens und Seins in einer oststeirischen Kleinstadt die unweigerliche Folge. Musikalisch begleitet wurde die Lesung von der Pianistin Shu-te Chang mit Klassikern von Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Sebastian Bach. Im Anschluss an die Lesung nutzten viele Zuhörer die Gelegenheit zum persönlichen Gespräch und um sich die druckfrischen Bücher signieren zu lassen. Andrea Wolfmayr wurde 1953 in Gleisdorf geboren. Sie studierte Germanistik und Kunstgeschichte, war Buchhändlerin und arbeitete im Grazer Kulturamt. Von 1999 bis 2006 war sie als Abgeordnete für die Volkspartei Mitglied des Nationalrats. n Sie lebt nach wie vor in Gleisdorf.

Fotos: Wolfgang Thaler, Edition Keiper, Ulrike Rauch

Von Andreas Pankarter

Mama!! Wie es ist. Wie es war. Roman von Andrea Wolfmayr Edition Keiper, April 2021 editionkeiper.at

FAZIT AUGUST 2021 /// 81


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