Ich würde gern perfektes Deutsch sprechen, aber ich kann es einfach nicht.
Bill Ramsey, 1931–2021, amerikanisch-deutscher Sänger, Moderator und Schauspieler
Kulturjahr 2020/2021
Gekommen, um zu bleiben Club Hybrid – ein (hoffentlich nicht nur) temporäres Begegnungszentrum Von Michael Petrowitsch
D
Fotos: Sven Teschke, Wolfgang Thaler, Marie Amrei
as aufgrund der bekannten Umstände verschobene Kulturjahr 2020 geht in die Endphase. Ein Highlight ist ein neu entstandenes Kultur- und Denkzentrum in der Herrgottwiesgasse 161. Der Club Hybrid ist für einige Monate mit Intensivprogramm aktiv und hofft leise auf weiteres Bestehen in der Zeit danach. Wir sprechen mit den Masterminds Heidi Pretterhofer und Michael Rieper über Gentrifizierung, die Grazer Randzonen und die Macht kultureller Umwälzungen. Beide konzipierten als Architekten das Gebäude und bespielen ihn beinahe täglich mit Intensivprogramm in einem vordergründig nicht so noblen Gebiet in Grazer Randlage. Was ist der Club Hybrid? Was will er? Club Hybrid ist ein zunächst temporäres Projekt im Feld urbaner Praxis, architektonischer Forschung, diskursiver und performativer Formate, Teilhabe und Gesellschaft, das sich dem Paradigma »Hybridität«, also zukunftsbezogenen Mischungen, annähert. Club Hybrid ist sowohl ein Prozess als auch ein physisches Produkt, das einen passenden Ort in der Stadt braucht. Vor zwei Jahren haben wir uns auf Grundstücksuche begeben, kein leichtes Unterfangen, denn die Anforderung und das Ziel war: Nutzen statt besitzen. Wir legten den Fokus auf bis dato »unbeachtete Flecken« des Grazer Stadtraums, der außerhalb des klassischen Stadtbildes und außerhalb des Stadtdiskurses liegt. Ein Stück Stadt,
78 /// FAZIT AUGUST 2021
das zu dünn, zu heterogen oder zu privat ist. Fündig wurden wir im Grazer Süden, wir nennen dieses Gebiet die »urbane Nebelzone« der Stadt. Hier spielen Infrastrukturthemen eine zentrale Rolle, Ver- und Entsorgungseinrichtungen wie Schrottplatz, Mühlgang und Zentralfriedhof sind in unmittelbarer Nähe, gleichzeitig ist das Gebiet bestens an den öffentlichen Verkehr durch die Straßenbahn angeschlossen. Wohnen, Arbeiten, Lernen, Sporteln, Verwerten, Beten und Basteln schließen hier einander nicht aus. Der gesamte Grazer Süden ist aus stadtklimatologischer Sicht aufgrund geringer Luftzirkulation und hoher Nebelhäufigkeit ein benachteiligtes Gebiet. Dieser Umstand und der zusätzliche Einfluss diverser Gerüche durch Abluft (Gewerbegerüche) stellen für Wohnnutzungen schlechte Voraussetzungen dar. Wir wollen die Wertigkeit der Stadt und ihre Facetten überdenken und die Potenziale von Gebieten, die keine oder nur wenige kulturelle Codes vorweisen aktivieren. Hier liegen andere Koexistenzen ohne Interaktion vor. Könnten sich diese nicht vernetzten, einander stützen? Also zukünftige multifunktionale Stadträume generieren, abweichend vom klassischen Stadtbild (europäische Stadt). Was kann die unmittelbare Peripherie, was die Innenstadt nicht kann? Was entsteht zwischen Schlachthof, dem BFI Steiermark und einer Moschee? Club Hybrid versteht sich als Prozess zur Umsetzung und Sichtbarmachung der Denkmodelle
Club Hybrid Herrgottwiesgasse 161 8055 Graz clubhybrid.at
von nutzungsoffenen Grundstücken. Der Club arbeitet an einer urbanen Verträglichkeitskultur! Und weiß über die so unterschiedlichen Anforderungen wie etwa die Nachverdichtung, die Schaffung von Nutzungsmischungen oder die Qualifizierung des öffentlichen Raums Bescheid. Ziel sollte es sein, Dichte und die sich andeutende Gentrifizierung dieser Areale zu moderieren. Arbeiten muss trotz Wohnen vor Ort leistbar sein. Um die Entwicklung der immer wertvolleren Flächen nicht vorwiegend Investoren zu überlassen, benötigt es seitens der Stadtverwaltung innovative Überlegungen und Nutzungspartnerschaften, um mit dem Flächenmangel umzugehen. Der Club Hybrid fungiert als Katalysator. Er setzt eine Entwicklung in Gang für eine intensivere Nutzungen mit mittelfristigem Zeitrahmen. Der Innovationsgehalt des Vorhabens liegt vor allem in der tat-