Fazit 175

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Erfolg braucht Führung

Managementserie

Umgang mit komplexen Themen Von mechanistischer Krankenpolitik zur systemischen Gesundheitspolitik

Ein Gespräch von Carola Payer mit dem Allgemeinmediziner und PublicHealth-Experten Martin Sprenger

Dr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

I

n der Philosophie fragt man sich: »Was macht ein gutes Leben aus?« Das liegt schon nahe dem Public-Health-Gedanken. Martin Sprenger erklärt den Zugang der Public Health Wissenschaften mit folgenden Fragen: Welche Verhältnisse und Voraussetzungen, wie zum Beispiel Zugang zu Bildung, braucht es, um ein gesundes Leben möglichst lange zu leben? Ein Leben, dass subjektiv als angenehm empfunden wird und wo das Individuum sich gesundheitsorientiert verhalten kann. Betrachtet werden geistige, körperliche, seelische und soziale Gesundheit. Wie vermeiden wir eine Zunahme chronischer Erkrankungen? Wie sieht die optimale, möglichst nahe Versorgung von kranken und pflegebedürftigen Menschen aus? Wo werden Versorgungszentren angesiedelt? Wie sieht der Dialog zwischen Experten, Dienstleistern und zu Versorgenden aus? Wie werden gesundheitspolitische Entscheidungen getroffen? Martin Sprenger: »Da haben wir in Österreich noch gewaltig Bedarf nachzuholen«, betont er. »Wir liegen bei den gesunde Lebensjahren eines Gesamtlebens sieben Jahre unter dem EU-Durchschnitt und zehn bis 15 gesunde Lebensjahre hinter Norwegen, Schweden, Irland, Spanien, Italien. Wir sind da im unteren Drittel, obwohl wir eines der reichsten Länder Europas sind!« Beim klassischen mechanistischen Zugang versucht man Symptome und das Krankheitsgeschehen in den Griff zu bekommen. Es ähnelt einem Reparaturzugang, kaputtes wieder Instand zu setzen. Das ist in einigen Fällen immer wieder erforderlich. Jedoch wird dabei die Gesundheitskompetenz des Einzelnen und von sozialen Gruppen und die Zusammenhänge der Interventionen und deren Auswirkungen auf andere Aspekte von Gesundheit zu wenig betrachtet. Die Lösung wird dabei auch überwiegend an einzelne Expertengruppen, pharmazeutische Indikationen, an teure Spezialgeräte und hochspezialisierte Kliniken delegiert. Systemisches betrachten heißt einen Schritt zurückmachen Public-Health ist die Wissenschaft, die sich mit allen Teilgebieten beschäftigt, die zum Ziel haben, die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten, zu verbessern und zu stärken. Eine Kernkompetenz von Public-Health ist die Interdisziplinarität, bei der die Methoden der unterschiedlichsten Fachdisziplinen Anwendung finden. Diese umfassen beispielsweise die Teilgebiete Epidemologie, Sozialmedizin, Gesundheitsförderung, Prävention, Versorungsforschung, Gesundheitsökonomie, -politik, -berichterstattung und -ethik. Martin Sprenger: »Public-Health ist immer ein paar Schritte zurückgehen und das System mit Abstand zu betrachten. Wenn man mitten drin steht, kann man nicht mehr vielschichtig wahrnehmen. Ich frage oft meine Studenten: Wo werden die meisten Menschen betreut und gepflegt? – Die Antwort ist: Zuhause und das meist von Frauen! Das sind viele Menschen auch

Fotos: Marija Kanizaj (2)

»Wir müssen uns unserer Endlichkeit bewusst werden und erkennen, dass Gesundheit das wesentliche Gut ist und uns die Natur zurückholen.« MARTIN SPRENGER

44 /// FAZIT AUGUST 2021


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