Ich verkaufe meine Seele nicht an Apple. Ich habe kein Interesse daran, die Welt zu verändern.
Sir Sean Connery, Schauspieler, 1930–2020
Als Antwort an Steve Jobs, der einen Werbespot mit Connery produzieren wollte.
Graz ist ... anders! Kulturgespräch
Verlängert, geschliffen formulierend und mit klaren Visionen ausgestattet. Ein Gespräch mit der Direktorin des Kunsthaus Graz, Barbara Steiner. Von Michael Petrowitsch
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Fotos: Ronda Venes, J. J. Kucek
ie jetzige Kunsthauschefin Barbara Steiner ist auch die zukünftige Kunsthauschefin, und zwar bis 2026. Nach einer Eingewöhnungsphase und dem Abarbeiten der noch von ihrem Vorgänger initiierten Programmpunkte setzt sie seit einiger Zeit deutliche Zeichen. Ihre Handschrift zeichnet sich durch eine fundierte theoretische Auseinandersetzung mit grundlegendem kunsthistorischen Theorem aus. Auszüge aus einem leider viel zu kurz geratenem Zwiegespräch mit Verve und Passion über theoretisches Wollen und kuratorische Praxis. Es gibt momentan einiges an Verwunderung über die Schließungen im Kulturbereich, Stand erste Novemberwoche 2020. Etwa wieso denn nun Galerien offen haben dürfen und institutionelle Kunst- und Kulturstätten geschlossen bleiben. Für mich ist nicht immer im Detail nachvollziehbar, wieso die einen schließen müssen und die anderen nicht. Wirtschaftliche Argumente scheinen leider zunehmend kulturelle zu überdecken. Doch wir arbeiten häuserübergreifend an Allianzen und wir wollen proaktiv darauf reagieren. Zudem versuchen wir, ein öffentliches Bewusstsein zu erzeugen, dass wir keine bloßen Freizeiteinrichtungen sind. Wir wurden ja nun in der Kategorie 78 /// FAZIT DEZEMBER 2020
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Freizeiteinrichtungen eingestuft und sind damit nicht systemrelevant. Was Leib und Leben anbelangt, stimme ich zu. Jedoch ist es für den Gesellschaftskörper als Gesamten betrachtet doch ein wesentlicher Faktor. Eine Welt ohne Kunst und Kultur kann ich mir definitiv nicht vorstellen.
Was uns zu deinem ganz persönlichen Kunst- und Kulturbegriff führt! Ist der ideologiefrei? Kultur ist alles, was Menschen erschaffen, gestalten, womit sie für sich und andere Sinn stiften. Es ist ein »übersetzendes Tun«. Kunst ist für mich eine spezifische und eigene Form der Auseinandersetzung mit der Welt, das kann deutlich oder weniger offensichtlich kritisch ausfallen. Es ist reflektierendes Tun. Wie ideologiebehaftet ist nun Kunst und Kultur? Natürlich existieren beide nicht im ideologiefreien Raum. Wieso sollte es ausgerechnet mit Kunst anders sein? Mich interessiert es durchaus, mit Ideologisierungen zu arbeiten. Zur Ausstellung »Kunst/Handwerk. Zwischen Tradition, Diskurs und Technologien« haben mich gegenwärtige Einverleibungen von Heimat, Volk, Volkskultur und Tradition genauso motiviert wie das Vorurteil, dass Kunsthandwerk in einer progressiv-zeitgenössischen Kunstinstitution keinen
Platz habe. Tatsächlich wurden die Bereiche Kunst und Handwerk in der Schau ins Verhältnis zueinander gesetzt. Die Künstler zeigten, wie ein fruchtbarer Dialog heute aussehen könnte. Diese Ausstellung hat genau die intendierte Diskussion ausgelöst, was an einem Ort wie dem Kunsthaus überhaupt gezeigt werden soll. Ähnlich gelagert war »Glaube, Liebe, Hoffnung«, eine Kooperation mit der Diözese GrazSeckau. Konservative Kreise konnten sich keine Jubiläumsausstellung im Kunsthaus vorstellen, eingeschworene Fans zeitgenössischer Kunst wollten keine »Kirchenausstellung«. Es gibt einen roten Faden in meiner Biografie: Die von mir kuratierten Ausstellungen adressieren gezielt Erwartungshaltungen, diese werden teilweise erfüllt und teilweise nicht. Warum und für wen wir etwas zeigen, sind zentrale Fragen, aber auch wie sich die Ausstellungen zu ihrem Umfeld, zu ihrem gesellschaftlichen Kontext verhalten. Die Entscheidung, wie programmiert wird, hat nichts mit persönlichen Vorlieben zu tun. In der Mehrheit der Fälle ist es ohnehin so, dass die Projekte im Team erarbeitet werden. Etwa aus einem partizipatorischen Demokratisierungsdenken heraus? Keineswegs. Es gibt einfach Felder, in denen man sich auskennt und in anderen weniger oder gar nicht. Bei bestimmten Themen ist es wichtig, das nötige Rüst-
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