Fazit 159

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Alles Kultur

Favorisierst du selbst Projekte? Ich freue mich selbstredend über Ideen, die mich im Tiefsten meines Herzens ansprechen. Viele Projekte finden in großen Produktionsgemeinschaften statt und dies entspricht schon einmal der ursprünglichen Absicht, dass durch Vernetzung und Kooperation eine innere Stärkung der Kulturlandschaft vollzogen wird. Aus der Fülle der Einreichungen zeigt sich im Nachhinein, dass sich die Kulturlandschaft 2020 offenbar fünf thematischen Hauptsträngen zuwendet: Umwelt und Klima. Soziales Miteinander. Digitalisierung. Arbeit von Morgen. Urbanismus. Sehr konkret waren ja im Call schon die Grundfragestellung und das Motto ausformuliert, welche Zukunft unserer Stadt wünschenswert sei. Erfreulich, dass die Projekte nun auch dementsprechend pointiert ausgerichtet sind. Ist Graz überhaupt eine »Stadt«? Auf jeden Fall. Die Fragestellung wird interessanter, je mehr ich mich damit beschäftige. Die Frage des »urbanen Lebens« ruft unter Wissenschaftern und Experten vieldeutige Interpretationen hervor. Die Bedeutung als zweitgrößte Stadt Österreichs, die noch dazu rasant wächst, ist nicht von der Hand zu weisen. Das wiederum in einer Kulturnation. Die Frage, die mich beschäftigt, ist, wie begleitet man dieses Wachstum, wie gelingt es, ein friedliches Miteinander zu finden? Als Theatermensch fällt mir Aristoteles mit seiner Theatertheorie ein, die Muster Lesen Sie bitte weiter auf Seite 80

Theater

Remigrationshintergrund Der Grazer Puppenspieler Nikolas Habjan ist am Grazer Schauspielhaus erstmals gemeinsam mit seinem australischen Lehrmeister zu sehen. Von Peter K. Wagner

D

avid Hasselhoff ist den Amerikanern unter vielen anderen möglichen Beispielen das, was dem Österreicher »The Sound of Music« ist. Kein Österreicher, der etwas auf sich hält, hat das Musical und die gleichnamige Verfilmung – im deutschsprachigen Raum unter dem Titel »Meine Lieder – meine Träume« unbekannt – jemals gesehen. Insofern erfüllt der gebürtige Grazer Nikolaus Habjan mit seinem Stück »The Hills are Alive« eigentlich einen »innernationalen« Bildungsauftrag. Zusammen mit selbstgestalteten Puppen und seinem australischen Lehrmeister Neville Tranter bringt er die Familie von Trübs auf die Bühne, deren Lebensgeschichte eben jener der »Sound of Music«-Trapps ähnelt. Von Grundlage bis Inhalt parodieren die beiden Meister ihres Faches die österreichische türkisblaue Politlandschaft und ihre Überzeugungen der Grenzen. Dabei haben es Habjan und Tranter besonders auf einen kleinwüchsigen ehemaligen Innenminister abgesehen, dessen Ähnlichkeit mit dem Protagonisten des dun-

kelsten Kapitels der jüngeren österreichischen Geschichte nicht nur an Scheitel und Bart zu erkennen ist. Die überraschend kurzweilige Geschichte, die im Kern von einem alternden Exilösterreicherpärchen erzählt, das an der Rückkehr in die ursprüngliche Heimat zu verzweifeln droht, vergisst nicht auf »zackige« Ibizavideohinweise und einen Gastauftritt des Paradeauswanderers in Rot-Weiß-Rot, der nicht viel mehr sagen darf als das, was ihn stets am schnellsten identifiziert: »I’ll be back«. Überhaupt ist das Stück nahezu ausschließlich in englischer Sprache gehalten, was Internationalisierungsgelüsten helfen wird und durchaus zusätzlich Charme ausstrahlt. »The Hills are Alive« ist zwar flacher als es die Gebirgszüge Österreichs vermuten lassen würden, aber, um auch die Sprachwitze flach zu halten: Dass auch hügelige Landschaften erfolgreich und unterhaltsam sein können, wissen wir nicht erst seit David Hasselhoff und »Baywatch«. Und im Vergleich zu TV-Serien dieses Formats liefern Habjan und Tranter mit »The Hills are Alive« fraglos potentielles neues Export(kultur)gut der Kategorie n Mozart oder Klimt. FAZIT JÄNNER 2020 /// 79

Fotos: Hans van Dijk, Michael Petrowitsch, Guillaume Levrier

res einfügt. Und dahingehend begleiten wir alle Vorbereitungen unterstützend. Auch in der Kommunikation der Kulturschaffenden untereinander. Damit sich nicht alles am Wochenende ballt, haben wir die Projekte eingeladen, den Mittwoch als Veranstaltungstag mit einzuplanen. Die »Kultur-Mitte der Woche« könnte ein neuer Fixpunkt im reichhaltigen Grazer Veranstaltungskalender werden. Am Ende werden all diese Aktivitäten auch eine Werbung für das reiche Kulturleben der Stadt insgesamt sein.


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