Fazit 156

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Essay von Marco Gallina

Guareschis Prophezeiung

Über die Aktualität des Autors von Don Camillo iovannino Guareschi, der Erfinder des streitbaren Priesters Don Camillo und seines kommunistischen Widersachers Peppone, gilt bis heute als populär. Insbesondere die politische Linke, welche die damaligen Medien dominierte, feindete ihn an. Seine Bücher galten als naive Märchen ohne Tiefgang. Aber hat der Mann aus den Tiefen der norditalienischen Poebene der Nachwelt wirklich nichts zu sagen? Ein Einspruch.

»Den Schriftsteller Guareschi gibt es überhaupt nicht« – das war nur eine der vielen Spitzen, die Giovannino Guareschi zu Lebzeiten ertragen durfte. Kollegen und Literaturkritiker übergingen seine Werke; die Geschichten über einen Landpfarrer und seiner Fehde mit dem kommunistischen Bürgermeister erschienen den Redakteuren der italienischen Feuilletons als unwürdig. Noch in seiner Jugend hatte man Guareschi jegliches Schreibtalent abgesprochen. Man empfahl ihm, auf den väterlichen Hof zurückzukehren, und wie dieser Landwirt zu werden. Glücklicherweise hatte der geistige Vater Don Camillos einen ebenso ausgeprägten Dickkopf wie seine bekannteste Figur und ließ sich nicht beirren.

Es ist eine der häufigen Ironien der Geschichte, dass es ausgerechnet der kommunistische Vordenker Antonio Gramsci war, der eine Erlangung der »kulturellen Hegemonie« in Italien auch dadurch vorantreiben wollte, indem sich die Schriftsteller nicht nur auf die Probleme ihrer eigenen Schicht konzentrieren sollten. Die Themen sollten das einfache Volk ansprechen. Aber auch in der Nachkriegszeit blieb die marxistisch-intellektuelle Elite weiterhin unter sich. Für das »Volk« blieben viele Texte unverständlich. Dabei sei auch erwähnt, dass die Durchsetzung des Standarditalienischen selbst in den 50er Jahren noch nicht völlig abgeschlossen war; erst mit der Verbreitung des Fernsehens nahm die dominante Rolle des Dialekts ab. Verständlich, dass das Hochitalienisch der ideologisch versierten Schriftsteller mit ihren Fachworten und geschliffenen Ausdrücken auch deswegen breiten Schichten schlichtweg unverständlich blieb. Der einzige Schriftsteller, der Gramscis Diktum erfüllte, war ausgerechnet Giovannino Guareschi. Er kam aus dem einfachen Volk, erzählte vom einfachen Volk, und schrieb für das einfache Volk. Ausgerechnet ein Bauernjunge. Ausgerechnet ein tiefgläubiger Katholik. Ausgerechnet ein Reaktionär und Royalist – vielleicht der einzige in der gesamten, tiefroten Emilia! Guareschi war damit im besten Sinne ein Populist. Man kann sich die rauchenden Köpfe und zornesroten Gesichter der Salonkommunisten in den Cafés und Bars von Turin, Mailand oder Florenz vorstellen. Was man dort nicht in Jahrzehnten hinbekam, schaffte Guareschi mit seinen Don-Camillo-Büchern in wenigen Jahren. Dann auch noch die Filme: wo doch auch das Kino vor allem Sache der Linken war. Ein unbekannter Fakt: der meistgelesene, und meistverkaufte Schriftsteller Italiens ist nicht etwas Calvino, Svevo, Manzoni oder Eco. Es ist und bleibt Guareschi. Bis heute. Die linke Kaste versuchte daher den Erfolg des padanischen Schriftstellers herabzusetzen, indem man ihm Naivität vorwarf; Schlichtheit; gar intellektuelle Leere. Bis heute kann man auch noch in Fernsehzeitungen von einem »naiven Märchen« lesen, wenn es um Don Camillo und Peppone geht. Naive Märchen. Klar. Wenn in einem Dorf zwei Kontrahenten leben, und nach vielen Streitereien zusammenarbeiten müssen, um ihre Gemeinde zu retten, dann ist das naiv. Wenn es aber um den Aufbau eines völlig utopischen Weltstaates mithilfe hanebüchener Theorien aus dem 19. Jahrhundert geht, dann ist das natürlich visionär. Immer wieder drollig, diese Marxisten. Diese Erscheinung ist natürlich symptomatisch. Sie ist weder genuin italienisch, noch neu oder alt. Man muss nur einen Blick auf das deutsche, literarische Milieu werfen. Ist es denn da besser? Nun sind nicht (mehr) alle führenden Kritiker und Journalisten links; dass die Literaturwelt aber in ihrem eigenen Elfenbeinturm lebt, Stil eher Geschmackssache ist, und politische Gesinnungen dort weiterhin Bedeutung haben, ist ja nun ein offenes Geheimnis. Natürlich konnte Guareschi der Szene auch deswegen nicht gefallen, weil in seinen Büchern

Marco Gallina über den Journalisten, Karikaturisten und Schriftsteller Giovannino Guareschi, dessen Don-CamilloRomane ihn international bekannt machten. Gallinas amusanter Text arbeitet die auch für unsere Zeit gut passenden Botschaften Guareschis heraus und macht Lust darauf, den 1968 verstorbenen Autor wiederzulesen.

Foto: Privat

G

Marco Gallina, geboren 1986, studierte in Bonn und Verona italienische Literatur, Politikwissenschaft und Geschichte mit Schwerpunkt auf Diplomatiegeschichte und Geschichte der Frühen Neuzeit (Reichsgeschichte, Italien). Seine Masterarbeit beschäftigte sich mit Machiavelli als Botschafter. Derzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter und daneben als Autor und freier Publizist tätig. marcogallina.de FAZIT OKTOBER 2019 /// 39


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