Fazit 156

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Außenansicht Von Peter Sichrovsky

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an sollte annehmen, dass politisch aktive Funktionäre und Berufspolitiker den Unterschied zwischen Meinung und Recht kennen, doch manchmal überkommen einem da die Zweifel. Ohne auf die Diskussion über den Auftritt der FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel bei der »Identitären Bewegung« einzugehen, muss es Klarheit geben, welche Inhalte und Programme von Organisationen für politische Parteien unakzeptabel sind und welche Positionen dieser Gruppierungen rechtliche Folgen haben könnten. Es gibt in Österreich und Deutschland sowohl rechte als auch linke und religiöse Organisationen sowie Politiker in etablierten Parteien, die mit fragwürdigen Aussagen möglicherweise mit dem Recht in Konflikt kommen könnten. Wenn zum Beispiel Vertreter der Partei »Die Linke« in Deutschland herzzerreißende Glückwünsche an den kubanischen Diktator Fidel Castro senden, so kann das nicht damit enden, dass es in den Medien kritisiert wird, sondern die Frage müsste erlaubt sein, ob eine Verherrlichung eines brutalen Diktators

Demokratie und Verbote

38 /// FAZIT OKTOBER 2019

nicht auch rechtliche Folgen haben könnte. Doch auch in Österreich scheint die Sympathie gegenüber linksextremen Diktatoren keinerlei rechtliche Folgen zu haben. Ex-Bundespräsident Heinz Fischer zum Beispiel meldete sich zum Tod des kubanischen Diktators Fidel Castro zu Wort: »Ich war von seiner Persönlichkeit und seiner Ausstrahlungskraft, die er sich bis ins hohe Alter bewahrt hat, sehr beeindruckt. Die Nachricht vom Tode Fidel Castros hat mich menschlich sehr berührt.« Gut, man könnte sagen, das sind einfach höfliche Worte zum Ableben eines Präsidenten, doch es geht noch weiter. Über Castros Revolution schreibt Fischer: »… nicht nur in Kuba, sondern weltweit Aufsehen erregte und auch viel Zustimmung gefunden hatte.« Kein Wort über politische Morde, kommunistischen Terror, Tausende Regimegegner in Gefängnissen, eine Unterversorgung der Bevölkerung. Ist das eine demokratie-politisch absurde oder eine rechtlich fragwürdige Position? Ginge es nach Julia Herr, der Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend Österreichs, müssten sämtliche Banken verstaatlicht werden. Ebenso wie die Schlüsselindustrie, damit man die Gewinne gerecht verteilen könne. Als Vorbild sollte man Südamerika nehmen. Genauer: Venezuela! Ein Land, das ein Viertel seiner Bevölkerung verloren hat, weil es in die benachbarten Länder flüchtete, vor Terror, Gewalt und Hunger. T-Shirts mit Mao, Lenin und Stalin sind Alltag bei Demonstrationen linksextremer Gruppierungen. Die Mao-Kappe mit rotem Stern war einst ein »Gag« bei einer Modeshow – großzügig wurde dabei übersehen, dass der chinesische Diktator mit 70 Millionen Toten wahrscheinlich der schlimmste Massenmörder aller Zeiten war. Aufmärsche von palästinensischen Organisationen und Exil-Iranern mit Rufen »Juden ab ins Gas« und Plakaten »Israelis sind Kindermörder« bleiben ungestraft und ohne rechtliche Folgen. Hier wird nicht eine Schandtat mit einer anderen aufgerechnet, doch könnte man nicht fordern, dass Ex-Präsident Fischer sein SPÖ-Parteibuch abgeben und Julia Herr zurücktreten sollte?

In der Idealform der Demokratie sind rechtsextreme Naziparteien und linksextreme, revolutionär-kommunistische Parteien nicht verboten, doch es wählt sie keiner. Der Ruf nach »Verbieten« zeigt allerdings nicht die Stärke, sondern eher die Schwäche einer Demokratie, die anscheinend erst dann überzeugend stabil ist, wenn extremistische Gruppen keinen Einfluss haben. Eine funktionierende, demokratische Gesellschaft benötigt keine Verbote, sie regelt sich von innen. In der Idealform der Demokratie sind rechtsextreme Naziparteien und linksextreme, revolutionär-kommunistische Parteien nicht verboten, doch es wählt sie keiner. Erst dann könnte man von einer glaubwürdigen, demokratischen Stabilität sprechen, die keine staatlichen Eingriffe benötigt. Die Regulierung durch Behörden kann nur bedeuten, dass die Regierung fürchtet, extremistische Gruppierungen könnten zu viel Zulauf bekommen. Wenn wir nach Gesetzen rufen, um uns vor extremistischen Gruppierungen zu schützen, so zeigt das unser Unbehagen und unser Misstrauen gegenüber Menschen im eigenen Land, denen wir ein gestörtes Demokratiebewusstsein unterstellen. n

Sie erreichen den Autor unter peter.sichrovsky@wmedia.at


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