Die Nichtausübung von Macht mißfällt den Leuten. Und wohlgemerkt: nicht den Chefs mißfällt das, sondern den Untergebenen. Luciano De Crescenzo, Schriftsteller, 1928–2019
Aus Ibiza lernen? Brandl vs. Petrowitsch
Vor dem Schreddern war Ibiza und davor die Kunst und noch weiter davor die Kultur. Sollte es in irgendeinem Gefüge noch so etwas wie einen roten Faden geben der zum besseren Verständnis dieser Diskussion beitragen könnte, dann dieser aufgezeichnete Dialog.
Foto: Archiv
Ausgangspunkt war ein Ausstellungsprojekt von Michael Petrowitsch beim Kulturzentrum Minoriten. Ernst Brandl hat daraufhin einen Diskurs eröffnet, aber lesen Sie selbst ...
78 /// FAZIT AUGUST 2019
D
ie aktuelle Ausstellung von Michael Petrowitsch »Grimassen des Realen« im Grazer Kultum arbeitet unter anderem mit der »Ibiza-Affäre« in schnappschussartigen Bildern und spricht auch ohne Worte, in Bänden. Petrowitsch’ mosaikhafte »Facials« von bekannten TV-Größen in Ausübung ihres journalistischen Mundwerks visualisieren Momentaufnahmen des Unfassbaren. Ein Korrespondenzdisput über eine Ausstellung, die ohne Worte auskommt und dennoch die Wirkmächtigkeit von TV-Bildern, Texthülsen, Politik und Journaille freilegt.
Geschätzter Michele! Du stadtbekannter Kulturschwerenöter! Hast – bei der Steilvorlage aus Ibiza – einem Schnellschuss nicht widerstehen können, und zack, zack, zack eine Fotoausstellung bei den Minoriten (ja wo denn sonst in Graz ist man geneigt zu sagen) zu den Bilder- und Kommentarfluten, die angeblich unsere Republik veränderten, – aus dem Ärmel geschüttelt! Gratuliere zunächst – aber nicht alles, was so an ehrwürdigen Gemäuern an der Wand hängt, muss sich gleich Ausstellung nennen. Auch ein fetziger (von Zizek geklauter) Titel (»Grimassen des Realen«) gebiert noch kein staunendes Publikum. Mir ist beim Betrachten Deiner Fotos Wolfgang Bauer eingefallen, der ja auch selbst bei »schlechten Gedichten« aus seiner Feder frohlockte – In diesem »Bauer’schen Sinn«: Gratuliere zur Ausstellung! Dein Lieblingsburschenschafter Ernst B.
Werter Ernesto! Erstmal herzlichen Dank, du machst einen glücklichen Mann sehr alt. Dem Bauer-Vergleich zum Trotz wende ich als begnadeter Kirchensteuerzahler und Zehn-Gebote-Fan dennoch ein: Ich klaue nicht! Der Titel der Ausstellung »Grimassen des Realen« wurde von good old Slavoj nur entlehnt, geborgt in gewisser Weise – meinetwegen auch zitiert. Der Inhalt des Büchleins, dessen Übersetzung in den 1990ern Isolde Charim besorgte, steht ohnehin diametral zu meinem ursprünglichen in der Ausstellung geäußerten Ansinnen. Da dezentriert der Autor das Subjekt mit Hilfe der Hegelschen Subjektphilosophie und treibt auch sonst allerhand Schabernack, den zu lesen man vor 25 Jahren, als die Tage lang, die Mieten niedrig und die Bierpreise im Keller waren, noch eine unterhaltsame Wohltat war. Jetzt akzeptiere ich als Freigeist ohnehin fast alles (auch die Dezentrierung des Subjekts mit Hilfe der Hegelschen Subjektphilosophie), aber aus dem Ärmel geschüttelt wird bei dieser Art von Künsteln nichts. Das kommt aus dem Bauch, in dessen Nähe bekanntlich das Hirn sitzt. Und zum Thema Fotoausstellung möchte ich dann auch noch was sagen müssen. Dein M Ach Michele, Deine offensichtliche »Freigeisterei«, die du so selbstverliebt, fast monstranzenhaft, vor Dich herträgst, macht Dich ja eigentlich unwiderstehlich – zumindest was Deinen fotografischen Blick betrifft. Mit