Fazit 153

Page 78

Es ist nicht einfach, perfekt zu sein. Aber einer muss es ja sein. Andreas Nikolaus »Niki« Lauda, Rennfahrer, Unternehmer und Pilot, 1949–2019

Kunstausstellung

Stell dir vor, es ist Biennale und keiner geht hin

Von Michael Petrowitsch

G

anz so weit ist es noch nicht. Beim jährlichen Besuch der Biennale-Preview fragt man sich dann jedoch, ob sich diese Repräsentations-, Informations- und vor allem Propagandamaschine auf vielen Ebenen, ob sich dieser Moloch in seinem Auswuchs kapitalistischer Fehlentwicklung noch toppen lässt. Und dies nicht nur in Bezug auf die galoppierenden Hotelzimmerpreise. Das diesjährig ausgerufene Hauptmotto »May you live in interesting times« mag man als schulterklopfend gemeinten und somit guten Rat dahingehend interpretieren, dass ohnehin schon alles gesagt ist und man dieses Statement getrost als Verabschiedung interpretieren möge. Da stellt sich gnadenlos die Frage, ob irgendwann mit solchen Megaereignissen nicht einfach Schluss sein könnte, schon einmal deswegen, um die armen Venezianer zu entlasten. Auf alle Fälle galt heuer auch für den Autor dieser Zeilen wieder: Nach der Party ist vor der Party, so »politisch« die Positionen auch sein mögen. Die spezielle Gemengelage an Macht und Repräsentation (nationaler Wettbewerb), das Pochen auf Freiheit der Kunst der Akteure (individuelle Freiheit) und der insgeheim gehegte Wunsch nach Anerkennung der einzelnen Akte (Markt, finanzielle Absicherung) ergeben die eigentlich charmante Atmosphäre für den stillen Beobachter in den Eröffnungstagen. Grüppchenweises Zusammenstehen und Diskutieren. Jedoch: Was ist denn nun das

78 /// FAZIT JUNI 2019

wirkliche, das eigentlich »Politische«? Die Grundstoffe sind klar erkennbar: Migration, Partizipation, Gegen Krieg, Faschismus und Anverwandtem, für Individualrechte, um gleich mal 95 Prozent der altbekannten Themenstellungen abzuhandeln. Politik machen inzwischen andere. Wenn etwa der montenegrinische Staatschef Dukanovic in seiner Eröffnungsrede von europäischem Zusammenleben schwadroniert, wenn der venezolanische Pavillon aufgrund der anhaltenden Staatskrise gleich gar nicht aufsperrt oder etwa Teile des Wiener Feuilletons ungeniert behaupten, dass sich während der Eröffnungsrede Minister Blümels ein Drittel der Gäste

»Barca nostra« von Christoph Büchel

aus Protest umgedreht hätte und sie somit lustig Medienpolitik betreiben? Hm, es waren im Endeffekt keine 30 Menschen, die aus ihrer Abneigung keinen Hehl machten. Ist das Nachdenken über veröffentlichte Narrative wie diese das eigentlich »Politische«? Der Autor dieser Zeilen jedenfalls stand traditionell auf seinem erhobenen Beobachtungsplatz beim serbischen Pavillon. Alles gut einsehbar. Um sein traditionelles Gläschen Vranac, das er sich bei der serbischen Eröffnungsfeier, die traditionellerweise vor der österreichischen stattfindet, stets erobert, ist der diesmal allerdings umgefallen. Diesmal nur für serbische Staatsbürger, hieß es.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.