Reise
Ein Aufbruch mit Gegensätzen
Fazit-Autor Thomas Goiser war in Kapstadt und hat sich Südafrikas Ringen um Stabilität 25 Jahre nach dem Ende der Apartheid genauer angesehen.
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Fotos: Thomas Goiser (2), Archiv
enn man in Kapstadt am Flughafen ankommt und sich dort die Hände waschen will, kommt nur Sprühnebel aus den Wasserhähnen. Eine Erinnerung an die Wasserkrise, die ab 2015 herrschte und mittlerweile als ausgestanden gilt. Die Bilder davon gingen um die Welt, Auswirkungen waren nicht nur lokal, sondern durch Einbußen im Tourismus und in der Landwirtschaft auch konjunkturell spürbar. Die gröbsten Folgend der Wasserkrise gelten heute als überwunden. Geblieben sind symbolische Maßnahmen, besseres Wassermanagement in Unternehmen und Haushalten und höhere Wasserpreise. Jedenfalls ist Südafrika auch ein Vierteljahrhundert nach Ende der Apartheidpolitik – das Jubiläum wird am 27. April gefeiert – ein Land großer Gegensätze. In der Nähe des Einkaufs- und Vergnügungsviertels »V&A Waterfront« betteln Obdachlose an den Ampeln, indem sie den Verpackungsmüll aus den wartenden Autos übernehmen und entsorgen. Einige Meter daneben befinden sich die Showrooms luxuriöser Automarken, die in dieser Dichte in mitteleuropäischen Metropolen nicht vorkommen.
Wirtschaft und Bevölkerung auf Wachstumskurs Soziale Spannungsverhältnisse prägen weiterhin die Gesellschaft, das merkt man in den allgegenwärtigen Sicherheitsmaßnahmen, Absperrungen, Wachdiensten ebenso wie im Wirtschaftsleben. Etwa 57 Millionen Menschen leben im Land. Die südafrikanische Volkswirtschaft rutschte 2018 kurz in eine Rezession. Im langfristigen Trend wächst die Wirtschaftsleistung, was zahlreiche Migranten aus anderen afrikanischen Ländern anzieht. Durch das gleichzeitige Bevölkerungswachstum sinken manchmal von Jahr 54 /// FAZIT JUNI 2019
zu Jahr auch die Prokopfeinkommen. In der jungen Altersgruppe von 15 bis 34 ist (offiziell) etwa die Hälfte der Bevölkerung ohne Beschäftigung – sozialer Sprengstoff, nicht zuletzt wegen Mängeln im Bildungssystem. Diese Situation macht die Arbeit für ausländische Unternehmen zumeist schwer, neben der weit verbreiteten Korruption und Wechselkursschwankungen.
Österreichs Warenexporte nach Südafrika entwickeln sich – auf eher geringem Niveau – gut. Das Land gilt als Brückenkopf zu anderen afrikanischen Ländern in der Südhälfte des Kontinents und als Zentrum der afrikanischen Autoindustrie. Auch österreichische Zulieferbetriebe bringen sich hier ein. Größere Investitionen kommen aus der Papierindustrie, im Bausektor ist der Baukonzern »Strabag« im Land sehr aktiv. Chancen sieht das Außenwirtschaftscenter aktuell etwa in der Gesundheitsversorgung, im Energiewesen und bei der Infrastruktur. Nach Wahl weiter auf Reformkurs Anfang Mai wurde die Nationalversammlung gewählt. Präsident Cyril Ramaphosa vom African National Congress kann trotz eines Denkzettels der Wähler weiter regieren und seinen Reformkurs fortsetzen. Nach deutlichen Verlusten liegt seine Partei nun bei nur noch 57,5 Prozent. Als stärkste Oppositionspartei liegt die »Demokratische Allianz« bei knapp 21 Prozent; die radikalen »Economic Freedom Fighters« erhielten 10,8 Prozent der Stimmen. Das Wahlergebnis ist eine Grundlage dafür, dass Südafrika seine wirtschaftliche und politische Situation längerfristig stabilisieren kann. n