Fazit 137

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Alles Kultur »Vereinte Nationen« im Schauspielhaus

Aufbegehren

Clemens Setz’ subtile Komödie in einer gelungenen Inszenierung am Grazer Schauspielhaus.

Von Andreas Pankarter

I

m Mittelpunkt des von Mathias Schönsee inszenierten Stückes des gefeierten Grazer Autors Clemens J. Setz steht ein Paar, das das Aufbegehren der widerwilligen Tochter, etwa gegen das ungenießbare Essen des Vaters, filmt und ins Internet stellt. Das ist schon verstörend genug, passt aber längst in die Welt des Internet mit seinen sogenannten sozialen Medien. Dass sich die Eltern einreden, dieser Missbrauch tue der Erziehung des Kindes gut, und es sei noch dazu völlig in Ordnung, mit den Clips Geld zu verdienen, lässt beim Publikum eindeutige Assoziationen entstehen. Die Eltern werden von einem Produzentenpaar, dessen Hauptaufgabe darin besteht, das schlechte Gewissen des Vaters zu beruhigen, angehalten, ständig neue, bereits vorbestellte Szenen zu arrangieren. Und das erinnert ganz klar an die Pornoindustrie, während der so-

ziale Exhibitionismus im Internet bereits als alltäglich wahrgenommen wird. Die schlechte Behandlung und diesen gefilmten Missbrauch ihrer Tochter rechtfertigen die gefühlsreduzierten Eltern tatsächlich mit ihrer elterlichen Liebe. Gegen Ende des Theaterabends wird das Stück ziemlich langatmig, obwohl der Stoff durchaus mehr als die hinterlassene Ratlosigkeit hergegeben hätte. Aber das unerwartete, nicht aufgelöste Finale regt zum Nachdenken an. Und das ist wohl, was der Autor bezweckt hat. Ein Besuch von »Vereinte Nationen« ist auch wegen der schauspielerischen Performance von Matthias Lodd und Evamaria Salcher als die Eltern, von Tamara Semzov als siebenjährige Tochter und von Franz Solar und Vera Bommer als Produzentenpaar empfehlenswert. Die weiteren Termine sind der 24. und 31. Oktober sowie der 3. und 8. November jeweils um 21.20 Uhr im Haus zwei des Grazer Schauspielhauses. n

Matthias Lothar als Vater Anton zwingt Tochter Martina, gespielt von Tamara Semzov, verdorbene Speisen zu essen. Vereinte Nationen

Von Clemens J. Setz, inszeniert von Mathias Schönsee. Noch bis 29. Dezember 2017 im Grazer Schausspielhaus. schauspielhaus-graz.com

Fredrik Jan Hofmann

Premiere von »Hiob« am 17. November

Nach der spektakulären Eröffnung der Herbstsaison setzt das Grazer Schauspielhaus den Premierenreigen am 17. November mit dem von András Dömötör inszenierten Joseph-Roth-Roman »Hiob« fort. In seinem 1930 erschienenen Roman behandelt Roth das zeitlose Thema Migration und erzählt eine Geschichte von Flucht und der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen. Weitere Vorstellungen am 21., 22., 25. und 29. November um 19.30 Uhr im Haus eins sowie im Dezember.

Evamaria Salcher

Premiere von »Am Boden« am 23. November

Im Monolog »Am Boden« von George Brant inszeniert Franz-Xaver Maier mit Evamaria Salcher als Darstellerin die Problematik virtueller Überwachung und der Schaffung einer automatisierten Befehlsund Tötungsmaschinerie, die gottgleich Leben vernichten kann und damit die Psyche und Wahrnehmung verändert. Der Monolog schildert die Gedanken und Gefühle einer Frau, die süchtig ist nach dem Adrenalin des Höhenrausches und die auf dem harten Boden der Realität landet. Weitere Vorstellungen am 28. November um 20.30 Uhr im Haus drei sowie im Dezember. FAZIT NOVEMBER 2017 /// 81


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